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HANSISCH!
GESCHICHTSBLÄTIL!^
Hi:KArs(;E(;]- r.: \
7EREIN FÜR HANSISCHE GiiSlHiCHih.
JAHRGANG icSS;.
LEIPZIG,
VKRLAG VON DUNCKKR .V iIlMi.Lui.
1886.
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C>, '^;/\^ct i t z-
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HANSISCHE
GESCHICHTSBLÄTTER.
HERAUSGEGEBEN
VOM
VEREIN FÜR HANSISCHE GESCHICHTE.
JAHRGANG 1885.
LEIPZIG,
VERLAG VON DUNCKER & HUMBLOT.
1886.
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// 1
M »Jr,^
e-«T^Ju
-M
^-ou.^^ INHALT.
Seile-
I. Zur Erinnerung an Georg Waitz. Vortrag auf der Versammlung
des Hansischen Geschichtsvereins zu Quedlinburg am 15. Juli 1886
gehalten von Professor Dr. F. Frensdorif in Göttingen .... 3
II. Die Raths- und Gerichtsverfassung von Goslar im Mittelalter.
Von Professor Dr. L. Weiland in Göttingen 13,
III. Zur Geschichtschreibung des Albert Krantz. Von Gymnasiallehrer
Dr. R. Lange in Rostock 63.
IV. Zur Geschichte der Meklenburgischen Klipphäfen. Von Archivar
Dr. K. Koppmann in Rostock 103
V. Die Chronistik Rostocks. Von Gymnasialdirector Dr. K. E. H.
Krause in Rostock 163.
VI. Kleinere Mittheilungen
I. Zwei Beiträge zur Lübschen Historiographie. Von Professor
Dr. P. Hasse in Kiel 195.
II. Auszüge aus zwei Geschäftsbriefen Jürgen Wullenwevers.
Von Senator Dr. W. Brehmer in Lübeck 199.
III. Rostocker historisches Lied vom Jahre 1549. Mitgetheilt von
Gymnasialdirector Dr. K. E. H. Krause 201
Nachrichten vom Hansischen Geschichtsverein. 15. Stück.
Vierzehnter Jahresbericht erstattet vom Vorstande .... III
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I.
ZUR ERINNERUNG
AN
GEORG WAITZ.
VORTRAG
AUF DER VERSAMMLUNG DES HANSISCHEN GESCHICHTS-
VEREINS ZU QUEDLINBURG
AM 15. JUNI 1886
GEHALTEN VON
FERDINAND FRENSDORFF.
Hansische Geschichtsblätter. XIV.
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Inmitten dieser blühenden Natur, dieses festlichen Schmuckes,
inmitten dieser Versammlung, in der alte Freunde und Bekannte
sich des Wiedersehens freuen, liegt es mir ob, an Sie, hochgeehrte
Versammlung, Worte der Trauer zu richten, Worte des Andenkens
an einen Mann, der der Stolz dieser Versammlungen war und
den wir nimmer wiedersehen sollen. Eine ernste Aufgabe; ich
darf sie nicht auch eine schwere nennen. Die Erinnerung an
die letzte Maiwoche dieses Jahres, wem sollte sie in einer Ver-
sammlung von Geschichtsforschern und Geschichtsfreunden nicht
von selbst die Worte auf die Lippen rufen!
Zwei Männer, ein langes thätiges Leben hindurch bemüht,
ihrer Wissenschaft zu dienen und sie auf den Höhen punkt zu
fördern, den sie jetzt einnimmt und nie zuvor eingenommen hat,
zwei Männer, in Wissenschaft und Leben verbunden seit den
Jahren, da der eine zu den Füssen des andern sass, und bei
aller Verschiedenheit und Selbständigkeit ihrer Naturen allezeit
treu zu einander haltend, sinken fast zu gleicher Zeit auf das
Krankenlager. Man war so gewohnt, beide ununterbrochen in
unvergleichlicher Frische und Rüstigkeit des Leibes wie des
Geistes wirken und schaffen zu sehen, dass der Gedanke an das
Aufhören dieser Kraft nie ernstlich erwogen war. Wenn er bei
der Erkrankung des älteren, den ein gnädiges Geschick weit über
die Grenze erhalten hatte, die dem menschlichen Leben gesetzt
zu sein pflegt, unabweislich. ward, wie hätte man solche Gefahr
bei dem jüngeren besorgen sollen, den niemand trotz seiner sieben-
zig Jahre einen Gieis zu nennen wagte? Und nun raffte der
Tod wie auf einen Schlag beide hinweg I Man sucht vergebens
nach einer ähnlichen Erscheinung. Aus einem der ältesten Ge-
schichtsbücher tönt ein Sang herüber von den Helden, die im
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Streit auf den Höhen gefallen, die, wie sie im Leben verbunden
waren, auch im Tode nicht geschieden sind.
Und doch bei aller Aehnlichkeit , wie verschieden wird der
Heimgang dieser beiden Häupter deutscher Geschichtswissenschaft
wirken !
Ranke hatte schon seit Jahren seine anregende, fruchtbare
Thätigkeit als Lehrer eingestellt und sich auf schriftstellerische
Wirksamkeit beschränkt. Was er einst an Jacob Grimm rühmte,
dass er mit der Anstrengung eines jungen Mannes, der sich erst
einen Namen erwerben wolle, seinen Arbeiten sich widme, galt
von ihm selbst in vollstem Maasse. Fast Jahr für Jahr seines
Lebensabends bereicherte der grosse Geschichtschreiber seine
Nation um ein neues Werk seines Geistes, die Wissenschaft und
die Kunst der Historiographie fördernd, bis ihm der Tod die
Feder aus der Hand nahm.
Georg Waitz hatte zwar auch in den letzten Jahren die
Stellung eines öffentlichen Lehrers verlassen; aber der grösste
und beste Theil seines Wirkens hat doch diesem Berufe angehört.
Wer es zusammenfassen wollte, dies reiche Menschenleben, könnte
seinen Inhalt nicht besser bezeichnen als mit: Forschen und
Lehren und Anleiten anderer zum Lernen und Forschen. Das
ist ja auch wohl der Inbegriff der Thätigkeit eines deutschen
Professors. Ich besorge keinen Widerspruch, wenn ich Waitz
den deutschen Professor in der schönsten, besten Verwirklichung
nenne. Der Stand wird all den Tadel, der sich mit Recht oder
mit Unrecht an den Titel gehängt hat, gern in den Kauf nehmen,
wenn er sich eines Repräsentanten wie dieses rühmen kann.
Waitz ist auch in seinem Berufe, zu forschen und zu lehren, nicht
müde geworden. Als er die Zeit gekommen glaubte, um das
Lehren vom Katheder herab aufzugeben, da hat er nicht nur
wie vordem gearbeitet und die Resultate seiner Untersuchungen
dem gelehrten Publikum vorgelegt, sondern sich der anweisenden
und leitenden Thätigkeit in erhöhtem Maasse gewidmet, seine
grosse organisatorische Kraft einsetzend, um die der deutschen
Geschichte des Mittelalters zugewandten Arbeiten und Arbeiter
zu sammeln und zu fördern, selbst immer die beste Anleitung
durch sein Beispiel, seine eigene That gewährend.
In diesem Sinne hat auch unser Verein sich seiner Theil-
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nähme zu erfreuen gehabt. Und wenn eine Reihe gelehrter
Körperschaften, die seiner Mitarbeiterschaft oder seiner Leitung
entbehren, schmerzbewegt das frische Grab des grossen Forschers
umstehen, so haben wir nicht am wenigsten Grund, einen Kranz
der Trauer, der Erinnerung und des Dankes niederzulegen:
Denn er war unser! Mag das stolze Wort
Den lauten Schmerz gewaltig übertönen.
Wie eigen fügt es sich, dass wir gerade an dieser Stätte sein
Gedächtniss begehen I Diesen historischen Bodpn umschweben
die Geister Heinrichs I. und Mathildens. Die erste Arbeit, welche
Waitz Namen begründete, galt diesem Könige. Sein ganzes
Leben hindurch ist ihm diese Arbeit lieb gewesen, nicht blos
weil sie seine Erstlingsarbeit war ; galt es doch hier, ein geschicht-
liches Bild rein herauszuarbeiten und zu befreien von dem, wo-
mit Sage, Dichtung und subjective Auffassung es verschleiert und
entstellt hatten. Noch zweimal hat er die bessernde Hand an
das Buch legen können, zuletzt noch in dem Jahre vor seinem
Tode. Auch der Held dieses Buches ist ihm immer sympathisch
geblieben, diese kraftvolle und doch maasshaltende Natur. »Deutsch-
land sah selten einen gleichen, nie einen würdigern, grössern
König« : so fasst er sein Urtheil über ihn zusammen. Als im
Februar 187 1 die Universität Göttingen an Kaiser Wilhelm nach
Versailles ihren Glückwunsch richtete, da versäumte die von
Waitz verfasste Zuschrift nicht, darauf hinzuweisen, wie der Sitz
der Universität umgeben sei von den Erinnerungen des deutschen
Königthums aus der Zeit, da dies zuerst von einem Herrscher
sächsischen Stammes in wahrhaft nationaler Weise befestigt ward.
Grosse Ziele sich zu stecken und sie mit Festigkeit, Umsicht
und dem Aufwand aller Kraft zu verfolgen , das war auch
Waitz' Streben. Ein Junger Mann von eben dreissig Jahren
fasste er rasch und kühn den Entschluss einer deutschen Ver-
fassungsgeschichte. Die Feier des Verduner Vertrages im J. 1843
hatte den äusseren Anstoss gegeben, den ersten Band in die
Welt zu schicken. Daraus ist das grosse Werk seines Lebens
geworden, die deutsche Verfassungsgeschichte, welche
mehr als ein Jahrtausend deutschen Staats- und Rechtslebens von
den taciteischen Urzeiten an bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts
schildert, vor allem bestrebt, die selbständigen Grundgedanken
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germanischer Staatsordnung klarzulegen und in ihren mannich-
faltigen Umbildungen zu verfolgen. Bei der liebevollsten Ver-
senkung in das Detail, der sorgsamsten Beachtung des Worts
und der sonstigen Formen der Ueberlieferung bleiben die grossen
Gedanken sichtbar, denen es beschieden war, die moderne Staaten-
welt zu durchdringen, in erster Reihe jener Gedanke von der
Verbindung des Königthums mit der Völksfreiheit. Wenn das
laudari a laudato viro noch seinen Werth hat, so darf ich das
Urtheil anführen, das der berühmte Germanist Albrecht über
Waitz Werk seinen Zuhörern vorzutragen pflegte : das Buch
ist der Haltepunkt, auf dem die anderen fortarbeiten oder auch
gegen den Verfasser polemisiren ; ein besonderer Vorzug desselben
ist, dass es eines der allerbesonnensten ist.
An die Stelle falscher, einseitiger, willkürlicher Auffassungen
die volle Richtigkeit und ungetrübte Wahrheit zu setzen: so hat
Waitz sein Ziel in der Verfassungsgeschichte bezeichnet. Es ist
hier weder Ort noch Zeit, von den Wegen zu sprechen, die er
einschlug, um zu diesem Ziele zu gelangen. Aber auch die kürzeste
Rede, die sich mit ihm beschäftigt, kann nicht umhin, seiner
kritischen Methode zu gedenken, und kann das nicht besser
als mit seinen eigenen Worten thun: »alle, die zu mir kamen —
sagt er in einer Zuschrift an Ranke — , suchte ich mit dem
Streben zu erfiillen, in voller Hingebung, ohne Scheu vor dem
Mühsamen und scheinbar Kleinlichen mancher Arbeit der Er-
kenntniss der Wahrheit nachzutrachten, überall aus den lautersten
Quellen die Ueberlieferung zu schöpfen, sie ohne vorgefasste
Ansicht eingehend zu prüfen, jedes Einzelne sorgfaltig festzu-
stellen und zugleich im vollen und lebendigen Zusammenhang
des historischen Lebens zu würdigen, niemals mehr wissen zu
wollen als möglich und nicht scheinbarer Sicherheit zu sehr zu
vertrauen, überall auf das Wesentliche zu sehen, die wahre Be-
deutung, den Charakter der handelnden Personen zu würdigen,
nicht um Zwecke der einen oder andern Art willen die Dar-
stellung zu färben, schönzumalen , aber allerdings eingedenk
zu sein, dass die Historie zugleich eine Wissenschaft ist und eine
Kunst«.
In diesem Sinne hat Waitz Geschichte erforscht und Ge-
schichte geschrieben, hat er insbesondere die Kritik der Quellen
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gehandhabt und andere sie handhaben gelehrt durch Wort und
Beispiel. Er hat selbst eine ganze Reihe deutscher Geschichts-
quellen in mustergültigen Editionen ans Licht gestellt und einen
Reichthum von Quellen mit kritischer Sorgfalt und scharfsinnigster
Durchdringung zum Aufbau der deutschen Verfassungsgeschichte
verwendet, wie niemand vor ihm. Diese Meisterschaft der Kritik,
diese Beherrschung des ganzen geschichtlichen Apparats, ver-
bunden mit seinem organisatorischen Talent, waren es, die ihn
1875 an die Spitze der Monumenta Germaniae historica riefen,
unter deren Mitarbeiter er vor jetzt 50 Jahren eingetreten ist.
Als dem bisherigen Leiter G. H. Pertz die Direction länger zu
führen unmöglich ward, bestand unter allen Betheiligten kein
Zweifel, wer an dessen Stelle zu treten einzig berufen sei. Und
wir sind alle Zeuge des Aufschwungs gewesen, den das grosse
nationale Werk unter seiner Leitung genommen hat.
Als Ranke im Herbst 1859 ^^^ Sitzungen der Historischen
Commission in München eröffnete, da schilcierte er in einer geist-
vollen Rede die verschiedenen Mitglieder der neuen Vereinigung,
deren Präsidium ihm der Stifter, König Maximilian II von Bayern,
übertragen hatte: »Ich sehe«, sagte er, nachdem er die älteren
Mitglieder begrüsst hatte, »eine Anzahl jüngerer Männer, bei
deren Anblick mir mein Herz schlägt; denn sie sassen einst in
dem Auditorium zu meinen Füssen oder sammelten sich um
meinen Arbeitstisch, haben aber seitdem Werke hohen Werthes
zu Stande gebracht« . Zu keinem seiner Schüler ist Ranke in so
nahe Beziehungen getreten als zu Waitz. Jede Ausgabe der
deutschen Verfassungsgeschichte ist ihm gewidmet und zeigt die
herzliche Zuneigung der beiden Männer, der Ranke noch von
seinem Sterbelager einen so ergreifenden Ausdruck geben durfte.
In jener Münchener Rede rühmte Ranke, wie in dem Verkehr
mit Schülern der Lehrer nicht blos gebe, sondern auch empfange
und namentlich vor Einseitigkeit durch sie bewahrt werde. Schon
durch das Arbeitsfeld, das Waitz sich erkoren, fand er sich Ranke
gegenübergestellt. War Ranke's Gebiet vorzugsweise die neuere
Geschichte, die europäische, zuletzt die Weltgeschichte, der Zu-
sammenhang zwischen Geschichte und Politik, so galten Waitz'
Arbeiten der Geschichte des Mittelalters, der deutschen Geschichte,
der Verbindung von Recht und Geschichte. Und so wahr es
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auch • sein mag, dass die kritischen Grundsätze dieselben in neuer
und alter Geschichte sind , die Verschiedenheit des Materials
musste doch im Bereiche des Mittelalters zu einer ganz anderen
Ausbildung der Methode führen.
Wie Waitz selbst, so haben auch die von ihm gebildeten
Schüler ihre Kräfte vorzugsweise den mittelalterlichen Studien
zugewendet. Das Verhältniss Ranke's zu seinen Schülern wieder-
holt sich in dem von Waitz zu den Seinigen. Der Boden, auf
dem sich Waitz' Thätigkeit 27 Jahre hindurch bewegte, machte
es aber möglich, diesen Zusammenhang noch näher und lebendiger
zu gestalten. Das Leben in Göttingen, der grossen Universität
in einer kleinen Stadt, wie sie ein gefeierter Lehrer genannt hat,
auf dem traditionellen Boden geschichtlicher und rechtsgeschicht-
licher Arbeiten, brachte eine Annäherung unter den Betheiligten
und eine Zugänglichkeit des Lehrers zu Stande, wie sie eine
Grosstadt mit der Mannichfaltigkeit ihrer Interessen nicht ge-
statten kann. Jeder •von uns, dem es vergönnt war, Waitz nahe
zu treten, erinnert sich der Theilnahme, die er allem zuwandte,
was von dem Schüler ausging, in der Zeit seiner Zuhörerschaft
wie nachher. Wie viele von uns sind ihm zur innigsten Dank-
barkeit für persönliche Förderung verpflichtet! Die wiederholten
Vereinigungen seiner Schüler um ihn, 1874 in Göttingen, 1879
in Münster, auf so mancher der Hanseversammlungen, zuletzt
noch jetzt vor einem Jahre in Rostock, gaben ihrer Anhänglich-
keit Ausdruck. Bei allem Ernste seines Wesens, wie heiter wusste
er sich bei diesen Vereinigungen zu geben! Ich darf nochmals
zu der Goetheschen Dichtung greifen:
Denn er war unser! Wie bequem gesellig
Den hohen Mann der gute Tag gezeigt,
Wie oft sein Ernst, anschliessend, wohlgefällig
Zur Wechselrede heiter sich geneigt,
Und fruchtbar sich in Rath und That ergossen:
Das haben wir erfahren und genossen.
So hoch er im Leben gestiegen war, seine ursprüngliche Natur
blieb dieselbe; schlicht, schmucklos ; nichts pomphaftes, nichts ge-
machtes war an ihm. Und doch bei aller ihrer Einfachheit, wie
vermochte seine Rede, getragen von dem schönen vollefl Brustton,
zu den Herzen der Hörer zu dringen 1 Bei dem Klang ihrer Worte
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fühlte man sich in seine Jugend, die Tage voll Hoffnung und
idealen Strebens, versetzt. Wie oft hat bei festlichen Gelegen-
heiten sein Mund der Stimmung der um ihn Versammelten
treffenden Ausdruck gegeben, sie erhoben, sie entzückt! Nicht
weniger als jene öffentlichen Reden werden sich manchem von
uns bezeichnende Aeusserungen der Privatunterhaltung tief ein-
geprägt haben. Solange ich mich des 14. Juni 1866 erinnere,
werde ich des kurzen Trinkspruches eingedenk bleiben, den er
an jenem Abend im Hause Wilhelm Vischers, der nun auch
schon heimgegangen ist, ausbrachte: meine Freunde! der deutsche
Bund ist aufgelöst; hoffen wir, dass Deutschland länger lebe!
So schlicht wie der Leiter, so schlicht waren die von ihm
veranstalteten Uebungen. In anspruchsvolleren Tagen darf es
hervorgehoben werden, wie das ganze Verhältniss auf Freiwillig-
keit und Selbstbestimmung beruhte. Es war nichts officielles
dabei, nichts seminarartiges, selbst der Name wurde vermieden;
es gab keine Preise, keine vom Lehrer gestellten Aufgaben, keine
besondere Bücher Sammlung und Hülfsmittel; der Gedanke staat-
licher Unterstützung lag völlig fern. In Waitz grossem Studir-
zimmer um den runden Tisch vor. seinem Sopha kamen wir zu-
sammen. Wer hätte nicht jenen Abendstunden Freitags von 6
bis gegen 8 Uhr, die wir in dem schönen südlichen Eckzimmer
des stattlichen Hauses am Weenderthore verbrachten, eine unaus-
löschliche Erinnerung bewahrt I Alles beruhte auf der Gewährung
durch den Lehrer und dem Maasse von Fleiss und Begabung,
das der Zuhörer mitbrachte. Ohne alle Selbstüberhebung werden
die Genossen jener Tage ihre Leistungen mit denen messen dürfen,
denen andere Zeiten die Wege bequem und eben gemacht haben.
Dies stille und doch erfolgreiche Wirken entsprach dem Sinn
eines Mannes, der in einer Zeit aufgewachsen war, die ihre Auf-
gaben noch ohne viel Aufhebens, ohne Zeitungsgeräusch zu lösen
liebte. Aber man halte Waitzens Natur darum nicht für eine welt-
flüchtige! Wo es die öffentliche Pflicht erforderte, da hat er
nicht gesäumt, mit seiner Person einzutreten.
An jenem Hause des Weenderthores , von dem ich eben
sprach, prangt seit Jahren eine Marmortafel mit dem Namen
Dahlmanns. Die Göttinger Stadtbehörde lässt jetzt eine zweite
daneben für Waitz anbringen. W^er gegenüber in das Auditorien-
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lO
haus geht, dem Lernenden wie dem Lehrenden, werden künftig
die beid^i Namen Dahlmann und Waitz eine Mahnung, eine
Leuchte sein.
Wie hier ihre Namen neben einander stehen, so gehen sie
verbunden durch die Geschichte: zwei ernste Männer, beide
Lehrer der Geschichte und der Politik ; zwei patriotische deutsche
Männer, in den Zeiten des hannoverschen Verfassungsstreites
einander bekannt geworden und seitdem in manchem politischen
Kampf einander treu verbündet, für die Rechte der Herzogthümer
wie für die bundesstaatliche Einigung Deutschlands in den Tagen
des Frankfurter Parlaments. Beide haben der Geschichte des
Nordens ihre Kräfte gewidmet. Zu Dahlmanns Geschichte Däne-
marks , seinen staatsrechtlichen Arbeiten für Schleswig - Holstein
gesellt sich Waitz Schleswig-Holsteinische Geschichte, seine Ur-
kundensammlung und Jürgen Wullenwever, die einen wie die
anderen unseren hansischen Studien die unmittelbarste Förderung
und Stütze gewährend.
So steht unser heimgegangener Lehrer und Freund zwischen
Ranke und Dahlmann und reicht beiden die Hand.
Und wenn wir Genossen des Hansischen Vereins uns zu
ihm bekennen und uns seiner Theilnahme an unseren Arbeiten
rühmen, so möge das nicht blos eine stolze Erinnerung, sondern
auch eine Mahnung für künftige Zeiten und Genossen seinl
Den Todten Ehre, sei ihr Schlummer lind,
Die Rath und Stab noch den Lebend' gen sind,
Die ew'gen Lichtes vorglühn unsrer Bahn,
An deren Gruft, wenn wir ihr zitternd nahn,
Um leise weinend ein Gebet zu stammeln,
Wir frischen Muth und neue Thatkraft sammeln.
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II.
DIE
RATHS- UND GERICHTSVERFASSUNG
VON GOSLAR
IM MITTELALTER.
VON
LUDWIG WEILAND.
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u.
'nter den Städten des Sachsenlandes ist keine so frühe
zu einem so glänzenden Mittelpunkte reicher Entfaltung bürger-
lichen Lebens gediehen als der alte Kaisersitz Goslar*). Freilich
solange die Könige die Stadt und die umliegenden Fiscalgüter
noch unmittelbar durch ihren Beamten, den Vogt, verwalten
Hessen, solange sie in Goslar noch häufiger dauernden Aufent-
halt nahmen, solange hier die Reichsversammlungen tagten,
konnte sich eine eigentliche bürgerliche Gemeindeverfassung nicht
herausbilden.
Die Grundbedingungen für sie waren aber auch schon zu
jener Zeit, im elften und zwölften Jahrhundert, hier in bedeuten-
dem Maasse vorhanden. Neben dem beschaulichen Stillleben
der vornehmen geistlichen Stiftsherren, dem glänzenden Treiben
der rittermässig lebenden könighchen Dienstmannen regte sich
das bürgerliche Erwerbsleben in geschäftiger vielseitiger Thätig-
keit. Gewerbe und Handel mussten hier, wo die obere Gesell-
schaft des ganzen Reiches zeitweise die Nachfrage nach den
Erzeugnissen des Landbaues, des Gewerbfleisses , des Luxus
bestimmte, eine ganz hervorragende Stätte zur Bethätigung
finden. Dazu trat dann noch die Montanindustrie, der Betrieb
der Bergwerke und Schmelzhütten, welche frühzeitig vorzugsweise
auch in den Händen der ortsgesessenen Goslarer Familien eine
Menge Arbeiter beschäftigte, einen eigenen Kreis bürgerlichen
Schaffens mit eigenen Bedürfnissen und Anforderungen bildete.
Die Ordnung der Lebensbedingungen dieses verwickelten bürger-
i) Für den einleitenden orientirenden Ueberblick verweise ich auf meinen
Aufsatz in den Hans. Geschsbl. 1884, S. i fF., sowie zum Theile auf die unten
folgenden Ausführungen^
Digiti
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— 14 —
liehen Organismus, die Regelung der collidirenden Interessen seiner
einzelnen Glieder lag in der Kaiserzeit Goslars wesentlich in der
Hand der Reichsgewalt und ihrer Beamten. Nur die Aufsicht
über den Marktverkehr der Lebensmittel mit der Judicatur über
die Marktvergehen hatte das Reich schon in der ersten Hälfte
des elften Jahrhunderts zur Selbstverwaltung der Gilde der
Kaufleute tiberlassen, welche damals doch wohl alle Einwohner-
klassen umfasste, die für den Marktverkauf arbeiteten oder
handelten.
Einen Wendepunkt der städtischen Entwicklung bezeichnet
für Goslar die Regierung Friedrichs I. Die Stadt und ihr Ge-
biet, mit Ausnahme des Kaiserhauses, wurden gleich im ersten
Jahre der Regierung dieses Königs dem Reiche entfremdet;
Heinrich der Löwe trug diese Domäne von 1152 bis 1169 zu
Lehen; der Vogt war jetzt sein Beamter. Der Druck, mit dem
bewusst oder unbewusst die oberste Reichsgewalt, schon vermöge
ihrer Bedeutung und Schwere, die Selbstthätigkeit der Bürger
für ihre Interessen niedergehalten, hörte auf. Bekannt ist, wie sehr
der Herzog anderwärts die städtische Entwickelung gefördert hat.
Sollte er bei Goslar eine Ausnahme gemacht haben ? Vermuthlich
fällt in diese Jahre die Entstehung des Rathes, vermuthlich aber
auch die Differenzirung der einen Kaufgilde in verschiedene
Genossenschaften (Innungen, auch Gilden später genannt), in
welche diejenigen zusammentraten, welche dieselbe bürgerliche
Arbeit betrieben. Goslar lohnte dem Herzog mit Undank; in
seinem Kampfe gegen die sächsischen Fürsten stand es auf der
Seite der letzteren; die Wiedergewinnung der Reichsfreiheit war
das Ziel der Bürger. Sie erreichten es im Jahre 11 69; mit dem
Jahre 1170 waltet wieder ein kaiserlicher Vogt als höchster Be-
amter in Goslar. Bald darauf erfolgt der Entscheidungskampf
zwischen Heinrich dem Löwen und dem Reiche. Er bringt
auch für Goslar eine entscheidende Wendung. Zum Schutze
Goslars und des Reichsgebietes, zum Schutze insonderheit der
Berg- und Hüttenindustrie ') baut Friedrich I. die Harzburg wieder
>) Vgl. die sog. Bergordnung Albrechts von Braunschweig von 1271
(Wagner, Cod. jur. metall. S. 1025): De de gelt hebbet ut des rikes vogedie,
de suUen de woltlude bevreden unde beschermen liker wise als or egene gut.
Digiti
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— 15 —
auf; um die Burgmannen zu besolden, damit einen festen Anhang
unter dem sächsischen Adel der Umgegend zu gewinnen, ent-
äussert sich das Reich des grössten Theiles der Einkünfte,
welche ihm aus dem Vogteibezirke Goslar bis dahin noch ge-
blieben waren. Die Burgmannen erhalten Geldlehen aus diesen
Einkünften, vor allem aus denen des Berges. Das sind die
sogenannten Vogteigelder. Die Rente des Berges, von welcher
der grösste Theil seither noch in die kaiserliche Kasse geflossen,
wurde aufgetheilt unter dem Adel ; durch Verafterlehnung nehmen
immer weitere Kreise daran Theil. Die Stellung des Reiches
zu der Stadt war damit eine ganz andere geworden. Der
Reichsvogt ist zwar noch immer der oberste Beamte in Gericht
und Verwaltung 5 er kassirt Zins und Zoll von den Besitzern der
Gruben und Schmelzhütten ein; er zahlt von diesen Vogtei-
geldem den Burgmannen der Harzburg ihre Lehen aus. Aber
das Reich als solches, der König, hat das unmittelbare Interesse
an der ganzen Verwaltung des Bezirkes und der Stadt verloren.
Und da der Vogt schon lange aus der eingesessenen Bürger-
schaft vom Könige genommen wurde, so war jetzt die Zeit
gekommen zur freieren Entfaltung der städtischen Selbst-
verwaltung.
Der Rath ist jetzt im Stande, seine Wirksamkeit, ungehindert
durch die oberste Reichsgewalt, auszudehnen; er stellt sich die
Aufgabe, die Vogteigelder den Belehnten abzukaufen, für die
Stadt zu erwerben, dann das Gericht an sich zu nehmen. Jenem
Streben verdankt jenes merkwürdige Dokument seine Entstehung,
welches, unter dem Namen der VogteiroUe seit 1872 veröffent-
licht *), die Namen der mit Vogteigeid Belehnten und ihrer After-
lehnsmänner enthält und 1244 auf Geheiss des Rathes von dem
Rathsschreiber angelegt wurde. Als der Rath daranging, das
Gericht zu erwerben, war dasselbe schon dem Schicksale der
meisten Landgerichte verfallen : es war Lehen eines Grossen ge-
worden, seine Einheit war auseinandergebrochen.
Verwickelter als irgendwo anders liegen im dreizehnten
Jahrhundert die Verhältnisse der Gerichtsverfassung Goslars;
dunkel wie fast überall ist auch hier die Entstehung der Raths-
1) Von Bode in der Zeitschrift des Härzvereins 1872, S. 469.
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— i6 —
Verfassung. Nach beiden Richtungen hin hat Göschen'), in
ersterer neuerdings Planck») der Forschung eine gute Grundlage
geschaffen. Trotzdem musste noch manches zweifelhaft bleiben,
und auch der neueste Versuch einer Verfassungsgeschichte Goslars
bis Anfang des 14. Jahrhunderts von Wolfstieg 3) hat durchaus
nicht bei allen Punkten zu einer befriedigenden Lösung gefuhrt.
Von einer allgemeinen Charakterisirung dieser Verfassungs-
geschichte von Goslar kann ich hier um so mehr absehen, da ich
eine solche schon anderwärts gegeben habe*) und mancher Irrthum
des ersten Theües durch meinen Aufsatz im vorletzten Jahrgange
dieser Blätter seine Berichtigung findet. Nur eines muss ich her-
vorheben, da es auf die ganze Untersuchung des Buches geradezu
verhängnissvoll eingewirkt hat. Der Vf. hat eine durchaus irrige,
unklare Vorstellung von dem Chafakter der Vogteigelder, obgleich
schon 1872 Bode über denselben richtigen Aufschluss gegeben
hatte ^). Sie haben mit dem Amte des Vogtes nichts zu thun.
Der Vf. confundirt aber beständig Vogtsamt und Vogteibezirk,
Das hat vor allem auch verwirrend eingewirkt auf seine Dar-
stellung der Geschichte des ersteren^). Ich muss daran fest-
halten^), dass der Vogt noch 1252 königlicher Beamter gewesen
sei. Ist das Amt des Vogtes 1290 Reichslehen des Herzogs
von Sachsen und von diesem weiter dem Grafen von Wolden-
berg geliehen, so folgt daraus noch nicht, dass es die Ascanier
schon im Anfange des 13. Jahrhunderts oder gar schon im 12.
als Lehen besessen 8). Jene Verleihung wird man- mit viel mehr
Wahrscheinlichkeit in die 2^it König Rudolfs zu setzen haben.
x) Die Goslarischen Statuten. Berlin, 184a
a) Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter l, S. 30 ff.
3) Verfassungsgeschichte von Goslar bis zur Abfassung der Statuten und
des Bergrechtes. Berlin 1885.
*) Deutsche Litteraturaeitung 1886, S. 122.
5) Zeitschrift des Harzvereins 1872, S. 458 ff.
6) S. 32 ff.
7) S. Hans. Geschsbl. 1884, S. 28 Anm. 2. Hiermit trete ich auch
der Ansicht Bode's, S. 456, 457 entgegen.
8) Wie Wolfstieg S. 37 behauptet. Am allerwenigsten beweisen das
die Mfinzen, welche er in ganz kritikloser Weise heranzieht.
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— 17 —
Der Anstoss zur Ausbildung einer städtischen Ver-
fassung ging, wie Wolfstieg S. 43 meint, aus von dem Gegen-
satze zwischen der Kaufmannsgilde und den Innungen. In
einem eigenen (4.) Capitel betrachtet er daher die Gilden, zu-
nächst die der Kaufleute. Sie war schon unter den -ersten
Saliern vorhanden und mit dem Vorrechte ausgestattet, dass
die Genossen frei auf allen Märkten des Reiches Handel treiben
und »de omnibus que ad cibaria pertinent« unter sich zu richten
befugt sein sollten, wobei von den Strafgeldern drei Viertel an
die Gilde, der Rest an den Richter fallen sollte. Ob auch
Krämer und Handwerker dieser älteren Kaufgilde angehört haben,
wie Nitzsch annahm, was W. bestreitet, ist von keinem Belange
für die folgende Untersuchung, da nach dem Entstehen der
Handwerkerinnungen die Gilde jedenfalls nur die eigentlichen
Kaufleute umfasste. Sie steht später als Wandschneider- oder
Wortgilde den anderen Handwerkergilden zur Seite.
Im folgenden (S. 46 flf.) geht W. auf die Innungen der Krämer
und Handwerker ein, ihren hofrechtlichen Ursprung; er schildert
ihre allmälige Befreiung von den hofrechtlichen Fesseln, ihre Um-
bildung zu Corporationen, ihren Kampf mit der Kaufmannsgilde
um sociale Gleichstellung, um Freiheit des Verkehrs ; der Anfang
der kräftigen Opposition der Innungen gegen die Gilde soll in die
Zeit des Kampfes der Staufer und Weifen (also wohl nach 1198)
fallen; als dann die Stadt 1206 zerstört war und der Handwerker
und Krämer Haus und Werkstatt auf den Trümmerhaufen wieder
aufbauen musste, da war die Bewegung nicht mehr zu unter-
drücken.
Wie schade, dass wir von alledem rein nichts wissen, dass
alles der bildenden Phantasie des Vf. entsprossen istl In einem
Punkte hat sie ihm sogar einen Streich gespielt: 1206, das
wissen wir bestimmt, ist die Stadt nicht zerstört, nur geplündert
worden , Trümmerhaufen waren also nicht vorhanden. Das
Capitel schliesst mit der Bemerkung, dass die Ausbildung des
Gildewesens insofern von grösster Wichtigkeit gewesen sei, als
der Streit zwischen den Innungen imd der Gilde bei der Bildung
des Rathes, wenn auch nur mittelbar, doch wesentlich mitwirkte
und so zu der Entstehung der eigentlich städtischen Verfassung
den Uebergang bildete. Damit ist die Behauptung, S. 43, dass
Hansische Geschichtsblätter. XIV. 2
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— i8 —
dieser Streit den Anstoss zur Ausbildung einer städtischen Ver-
fassung gegeben, wesentlich abgeschwächt.
Die Entstehung des Rathes behandelt dann das 5. Capitel.
Der Vf. gesteht hier S. 58 wenigstens endlich einmal sein Nicht-
wissen ein : »wir wissen über die Anfänge des Rathes überhaupt
nichts und können uns daher nur auf Vermuthungen beschränken«.
Diese werden uns denn auch in reichem Maasse gewährt; des
Vf Phantasie entwirft ein sehr ausgeführtes Bild der Entwickelung.
Der einzige feste Punkt in dieser Fata Morgana ist das Privileg
Friedrichs II. von 12 19 (Göschen S. iii). Von diesem und
einigen Momenten der späteren Entwickelung aus hat W. seine
Phantasiegebilde construirt. Dabei verkenne ich durchaus nicht,
dass manche Vermuthungen des Vf. ganz ansprechend sind und
manches für sich haben. Vor allem gebe ich ihm darin vollkommen
recht, dass das Privileg von 1 2 1 9 viel zwischen den Zeilen lesen
lässt. Es fragt sich nur, was. Auf vorangegangene Kämpfe
deutet ja zweifellos der Eingang des Privilegs hin, worin der
König sagt, dass er die »jura civitatis quae . . . a quibusdam
ipsius civitatis habitatoribus immutata et in abusionem fuerunt
deducta« auf Bitten der Bürger (burgenses) wiederherstellen wolle.
Diese werden vorher berühmt, dass sie viele Gefahren des Leibes
und Verluste an Gut von den Feinden des Reiches erlitten
»ob honoris nostri promotionem ac inviolatae fidei suae conser-
vationem«. Letzteres geht also auf die Zeit, wo Otto IV. die
Stadt in der Gewalt hatte, 1206 — 12 18, genauer auf die Jahre
1212 — i2i8. Das Privileg verbietet jede »conjuratio et pro-
missio vel societas, quae theutonice dicitur eyninge vel ghilde,
nisi solum monetariorum«. Da die Handwerkerinnungen in
Goslar später den Gildenamen fuhren, so schliesst W. aus diesem
Satze einmal, dass eben diese verboten werden, femer dass eben
die Handwerker jene habitatores gewesen sind, welche, und zwar
eben durch Begründung von Innungen, die Rechte der Stadt
verändert haben. Ihre Bestrebungen richteten sich nach W.
gegen die bevorzugte Stellung, gegen das Verkehrsmonopol der
Kaufmannsgilde. Das Privileg Friedrichs IL bezeichnet W. daher
als eine Reaction gegen die berechtigten Bestrebungen der Hand-
werker, welche keinen dauernden Erfolg hatte; S. 60 spricht er
von der in ihrer Geburt todten Verfassung von 12 19. Es
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— 19 —
wäre nun ja an und für sich möglich, dass das Verbot der
Gilden, welches das Privileg ausspricht, zu Gunsten der Kauf-
leute und nach einem siegreichen Kampfe der Handwerker gegen
deren Bevorrechtigungen erfolgt wäre, also eine Reaction bedeutete.
Die Sache kann sich aber auch anders verhalten. Der Vf. geht
immer von der Voraussetzung aus, dass 12 19 die Handwerker-
gilden unterdrückt wurden, die Kaufmannsgilde aber bestehen
blieb. Der Wortlaut der Urkunde wenigstens — und sie ist unsere
einzige Quelle — schliesst diese Deutung aber meines Erachtens
direct aus; denn danach soll nur die Corporation der Münzer
bestehen bleiben. Von den Kaufleuten ist in dem Privileg wohl
einige Male die Rede^ aber nirgends werden ihnen corporative
Rechte zugeschrieben.
Dass die Kaufmannsgilde später, zur Zeit Rudolfs I., einmal
das Schicksal einiger Handwerkergilden getheilt hat, von Reichs-
wegen unterdrückt zu werden, wissen wir; allerdings nicht aus
der bekannten Urkunde dieses Königs vom 22. April 1290
(Heineccius S. 305, W. S. 64), durch welche er nur »quasdam
fratemitates que inninge vel gelden vulgariter appellantur« wieder-
herstellt, ohne sie einzeln namhaft zu machen, sondern vielmehr
aus einer auf den Namen Rudolfs gehenden, undatirten und
gänzlich unbeglaubigten urkundlichen Aufzeichnung*). Ich sehe
nicht ein, weshalb das nicht auch 12 19 der Fall gewesen sein
soll. Danach bedürfte aber der Gegensatz, in welchen W. die
^) Gedruckt nach einer Abschrift von Junghans in den Forschungen zur
Deutschen Gesch. 11, S. 145 (jetzt auch bei Winkelmann, Acta imp. II, Nr.
185). Hier ist schon bemerkt, dass das Stück »vielleicht nur der Entwur
zu einer Bestätigung sei«. Es ist m. E. eine von den Kaufleuten selbst ge-
machte Vorlage, durch deren Beglaubigung der König ihnen erlauben sollte,
ihre Gilde wieder aufzuthun. Die grössere Hälfte wiederholt als Eingang
sehr ungeschickt das Privileg von 1219. Die Wiederherstellung aller von
ihm unterdrückten Gilden durch Rudolf 1290 machte dann die Erlangung
eines Specialprivilegs für die Kaufleute überflüssig. Das historische Factum
der Aufhebung auch der Kaufmannsgilde durch Rudolf wird man dem
Stücke schon entnehmen können. Was W. S. 63 über dieses Stück vor-
bringt, ist ganz ungenau. Ich weiss nicht, ob man annehmen darf, dass die
Cassirung der Gilden schon dadurch rechtskräftig war, dass Rudolf 1275 das
Privileg von 121 9 transsumirend bestätigte.
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20 —
Innungen zu der Gilde in der Zeit vor 12 19 stellt und den er
mit so grellen Farben auszumalen weiss, noch eines strengeren
Beweises, als der ist, welchen die, wie ich glaube, irrige Deutung
des Privilegs und die Phantasie des Vf. liefert. Zwei Streitende
können ja allerdings zur Ruhe gebracht werden, indem man
beide bestraft; so könnte auch 12 19 der König den Frieden
zwischen Gilde und Innungen hergestellt haben, indem er beide
verbot. Diese Folgerung hätte aber nur dann eine Berechtigung,
wenn eben der Streit beider in der Zeit unmittelbar vor jenenx
Jahre als historif^he Thatsache erwiesen wäre. Da sich aber
hierfür keine Spur eines Quellenbelegs entdecken lässt, so wird
man, glaube ich, nach einem anderen Motive des Verbotes der;
Gilden überhaupt suchen müssen. Ich gla\ibe, es war nicht der
Gegensatz zwischen Gilde und Innungen, sondern vielmehr der
Gegensatz beider zu den Berg- und Waldleuten, welcher
das Motiv abgab. Dieser tritt ja auch in der Folgezeit bedeut-
sam hervor, wie W. selbst richtig ausgeführt hat. Er hat also
schon fünfzig, sechzig Jahre früher, als W. annimmt, eingewirkt.
Das Verbot der Gilden nun war von keinem langen Bestand.
Schon 1223 werden sie, mit Ausnahme der Innungen der Zimmer-
leute und Weber, wieder erlaubt'). Die Reaction, welche da§
Privileg von 12 19 in diesem Punkte inaugurirt hatte, war also
meinethalben ein todtgeborenes Kind. Ob auch die ganze
»Verfassung« von 12 19? wenn ich diesen Ausdruck einmal W,
nathschreiben soll. Das ist eine arge Uebertreibung. Das
Privileg enthält überhaupt über die Verfassung der Stadt so
gut wie nichts ; es enthält aber eine Menge von Bestimmungen,
über Privatrecht, Processrecht u. a. m. , welche wohl überhaupt
nicht in den vorangegangenen Jahren bestritten waren und auch
x) Urk. K. Heinrichs bei Winkelmann, Acta imp. I, 380. Die Ur-
kunde ist nur in niederdeutscher Uebersetzung in dem Rechtsbuche der
Kaufleute erhalten. Ich kann den Verdacht nicht unterdrücken, dass der
Schlusssatz (S. 384, Z. 19 — 22), welcher den Kaufleuten das aUeinige Recht
des Wandschnittes sichert, nebst der Strafformel eine Interpolation nach der
Urk. K. Wilhelms (Forschungen 11, S. 145) sei; stilistisch hängt er sehr
schlecht mit dem Vorhergehenden zusammen, was sich aus der Uebersetzung
aus dieser Urkunde erklären würde.
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2T
später noch galten. W. hat alles in Bausch und Bogen als
Reaction gebrandmarkt, weil er bemerkte, dass eine einzige
Bestimmung des Privilegs keinen Bestand gehabt hat. Unter
den habitatores, welche die Rechte der Stadt verletzt haben,
werden wir daher auch nicht nur die Innungen zu verstehen
brauchen. Eine ganze Reihe von Artikeln beschränkt z. B.
die Gewalt des Vogtes; es ist leicht möglich, dass sich tiieser
und sein Anhang Uebergriffe erlaubt hatten, zumal in der
letzten Zeit Ottos IV., wo dieser Kaiser selbst meist in der
Nähe von Goslar weilte. Das Verbot, dass Niemand ein Ge-
fängniss haben, nur das königliche existiren solle (Göschen,
S. 114, 27), bezieht sich gewiss auf Missbräuche, welche kurz
vorher vorgekommen waren; diese den Innungen in die Schuhe
zu schieben, wäre aber absurd*).
Betrachtet man die öffentlich-rechtlichen Artikel des Privi-
legs von 12 19, so zeigt sich eigentlich nichts, was nicht bis
zum Interegnum und darüber hinaus Bestand gehabt hätte, soweit
das zu controliren ist. Noch 1275 bitten die Bürger den König
Rudolf, ihnen das Privileg zu erneuern, und der König willfahrt
dieser Bitte, indem er dasselbe vollständig transsumirt und feier-
lich unter dem Zeugnisse der angesehensten Reichsftirsten be-
stätigt*). So todtgeboren, wie W. annimmt, muss das Privileg
also den Goslarem nicht vorgekommen sein. Eine ganze Anzahl
von Artikeln ist dann ja noch in die Statuten aufgenommen
worden.
Des Rathes, consilium burgensium, gedenkt das
Privileg von 12 19 nur an einer Stelle (S. 115, 29). Das ist
für W., S. 54, Grund genug, anzunehmen, dass Friedrich II.
den Rath stillschweigend anerkannt, ihn trotz seiner reactio-
nären Tendenz geduldet habe; er weiss auch S. 59 sehr schön
auszuführen, dass trotz des Widerstreites der Innungen und der
Gilde, des Kampfes dieser gegen den Rath, eigentlich Nie-
mand ein Interesse daran gehabt habe, dieses Organ zu be-
x) Hier lässt sich viel eher od Missbräuche denken, die sich der Rath
erlaubte: er hielt vieUeicht ein Geföngniss.
3) Heineccius S. 290.
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— 22 -=—
seitigen; die Vogtei sei von vornherein zu schwach gewesen,
um Widerstand zu leisten: »das Spiel war für den Rath sofort
gewonnene. Die Voraussetzung ist hierbei, dass 12 19 der Rath
noch in dem allerersten Stadium seiner Entwickelung gewesen
sei; W. meint S. 55, das Privileg.» von 12 19 habe überhaupt
keinen Raum für einen Rath. Freilich wenn man dem Vf. zu-
giebt; dass kurz vor 12 19 ein scharfer Kampf zwischen Gilde
und Innungen stattgefunden, dass dieser indirect oder sonstwie
zur Bildung des Rathes geführt habe, wird man auch jene Voraus-
setzung und die Folgerungen, welche daraus gezogen werden,
annehmen können. Da wir aber das alles als irrig und uner-
wiesen verwerfen, so ist uns die Freiheit gegeben, die Stellung
des Rathes nach dem Privileg von 1219 anders zu fixiren. In
demselben erscheint das consilium burgensium nur an einer ein-
zigen Stelle^), und W. schliesst aus diesem Umstände, S. 55,
voreilig: »Die Befugnisse, welche die Verfassung officiell dem
Rathe zuweist, sind so geringfügig, dass sie kaum in Betracht
kommen«. Er verkennt vollständig, dass an manchen Stellen
des Privilegs der Rath zweifellos gemeint ist, wo nur der Aus-
druck burgenses erscheint. Eine dieser Stellen scheint mir
schlagend, S. 114, 15: »In nullius autem domo vel cista res
aliquae sunt quaerendae, praeterquam falsi denarii et res divino
cultui consecratae; quod per se facere burgenses debent aliquo
ex judicibus civitatis secum assumpto«. Die Statuten 83, i er-
läutern diesen Satz dahin, dass der Vogt oder Richter »ane des
rades orlof« keine Haussuchung vornehmen darf, ausser nach
Cultusgegenständen und falschem Gelde»). Dass alsdann die
obrigkeitliche Handlung der Haussuchung von dem Organe
der Burgensen, dem Rathe, auszugehen hat, scheint zweifel-
los. Dieselbe Deutung des Wortes burgenses wird wohl auch
an anderen Stellen die richtige sein. So S. 112, 31: Das
Eigenthum an Häusern wird »juste coram burgensibus« er-
worben, d. h. der Kaufcontract muss vor den Burgensen, dem
») Göschen, Statuten S. 115, 29: Jus est quod advocatus nullum
incuset nisi actore presente et consilio burgensium.
3) Das »quod« bedeutet also »si res aliae sunt quaerendae«.
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— 23 —
Rathe, geschlossen werden*). Ferner S. 115, 22: Die Burgensen
wählen die vier Stadtrichter; sie haben dafür dem Vogte sechs
Mark zu zahlen. Die Wahl geschieht doch nicht in einer Volks-
versammlung, sondern durch das Organ der Burgensen, den Rath,
der die Summe aus der Stadtkasse zahlt. Heisst es S. 115, 20
vom Vogte, er habe keine Anordnungen bezüglich des Marktes
zu treffen, ^nisi per bürgenses trahatur ad ipsumc , so enthüllt
sich uns hier eine weitere Function des Rathes: er hat die
Marktpolizei; der Rath und nicht ein beliebiger Bürger
zieht, wenn es Noth thut, den Vogt herzu. Dass die Aufsicht
über das Marktwesen eine der frühesten Competenzen des
Rathes war, wird allgemein angenommen und auch von W.
hervorgehoben. Mit der Marktgerichtsbarkeit steht im engsten
Zusammenhange das Richten über die Verletzungen der pax
dei, mit welchem Namen vielfach die kleineren Körperver-
letzungen (sonst auch Blau und Blut genannt), wie sie ja be-
sonders an Markttagen vorzukommen pflegen , direct bezeichnet
werden^). S. 112, 15 wird nun bestimmt: wer Zeugniss ab-
legen will gegen einen Anderen, soll dem Vogte fünf Solidi
geben für die Reliquien (auf die der Eid abgelegt wird) und für
den Füi Sprecher, » ut in eum, super quem probare vult, secundum
x) Die feierliche Auflassung erfolgt natürlich vor Gericht, wie noch die
Statuten S. 26, 33 bestimmen, welche hier zur Erläuterung dienen : Nen egen
mach men laten ane gerichte, wat men aver vor deme rade lovet oder bekant,
dat scal men holden. Die Erklärung vor dem Rathe war also rechtlich
bindend. Vgl. Göschen S. 185 Anm. i und Statuten 25, 35. 26, 17. 27,
1 5 : wonach 2 Rathmannen bei der Auflassung im Gerichte zugegen sein
müssen. Als Analogie fUhre ich an , dass auch zu Mülhausen dieses Recht
bestand; vgl. Mülhäuser U. B. Nr. 119 von 1251, die erste Urkunde, in
der hier die consules genannt werden. Sie ist ein offener Brief des Rathes
über den Verkauf von Erbgut. In Goslar war nach den Statuten 30, 21 die
Ausstellung eines solchen Documentes dem Rathe untersagt und dem Vogte
vorbehalten,
2) Vgl. Frensdorff, Dortmunder Statuten (Hans. Geschichtsquellen 3)
S. LIV. Ich bemerke hier ein für allemal, dass Wolfstieg zu seinem grössten
Schaden die Darstellung der Verfassungsgeschichte von Dortmund , welche
hier gegeben wird, ganz unbeachtet gelassen hat. Die Entwickelung beider
Pfalzstädte bietet natürlich manches Analoge ; doch zeigen sich auch Diffe-
renzen. — Vridebreche wunde heisst eine solche Verletzung 13 14 in Speier;
Ürk. zur Gesch. der St. Speyer Nr. 282, S. 216.
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—. 24 —
jus civile (nach Landrecht) valeat profiteri; qui vero de pace
dei se expurgare voluerit, nee pro reliquiis nee pro causidico
quicquam est daturusc. Ich möchte in letzterer Bestimmung
nicht nur eine Beweiserleichterung erblicken'), glaube vielmehr,
da der Vogt hier nichts erhält, so hat er mit dem Richten über
diese Vergehen nichts zu thun; dieses steht dem bürgerlichen
Organe, dem Rathe, zu«).
Eine andere Seite der Gewalt des Rathes erschliesst die
Bestimmung S. 115, 29: Omnes in civitate redditus ad negotia
burgensium debent adjuvare, praeterquam bona clericorum et
ecclesiarum. Darf man hierbei wohl nicht allein an Steuern
denken, welche für specielle Zwecke der Stadt erhoben wurden,
gehört vielmehr die Reichssteuer ebenfalls zum negotium burgen-
sium 3), so zeigt doch gerade der gewählte Ausdruck, dass die
Aufbringung von Steuern schon Sache der Stadt als solcher ge-
worden ist. Gab es nun 1219 in Goslar einen Rath, so ist
selbstverständlich, dass er es war, welcher die Steuern umlegte
und einsammelte^). Ergänzend tritt hier eine Urkunde von
1234 ein 5), durch welche K. Heinrich »burgensibus et universis
consulibus et civibus« befiehlt, das Kloster Walkenried freizu-
lassen »in theloneis, exactionibus quocunque nomine censeantur
et precariis, que universitati vestre imposita sunt vel in posterum
fuerint injuncta a nostra majestate, quia volumus, ut plena in
x) Worauf Frensdorff a. a. O. Anm. 8 hindeutet.
a) Vgl. hierzu besonders auch Nitzsch in den Forschungen 21, S. 279,
280, welcher treffend bemerkt, dass die pax dei vielfach zu einer einfachen
Polizeiordnung herabgesunken sei, sowie dass das Bedürfniss einer für die-
selbe thätigen Gerichtsgewalt zur Bildung eines Rathes beigetragen haben
möge. Vgl. auch Statuten 48, 22: ein Bürger, der einen anderen schlägt,
wcddet dem Rathe fünf Mark — ok is dat en vridebrake. Statuten 48, 33
handelt dann von dem Bruche des geschworenen (Land-) Friedens.
3) Wie sie anderwärts unter den necessitates civitatis begriffen wird,
s. Zeumer, Die deutschen Städtesteuem S. 96.
4) Treffend sagt Zeumer S. 61 : »Es Hegt in der Natur der Sache, dass
gerade die Umlage der Steuer eines der ersten Geschäfte war, welche der
Selbstverwaltung anheimfielen«.
5) Winkelmann, Acta imp. I, S. 395, Nr. 466 (vgl. Walkenrieder U.
B. I, Nr. 192 u. S. 404.)
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— 25 —
venditionibus et emptionibus suis gaudeat libertate« »). Hier zeigt
es sich deutlich, dass die Erhebung sowohl der Reichssteuer, als
des Marktzolles und anderer Umlagen in den Händen des Rathes
ist. Wolfstieg, S. 55, hat nun weder diese Urkunde zu der Be-
stimmung von 12 19 in Beziehung gesetzt, .noch auch sonst
richtig aufgefasst, wenn er meint: »dass hier nur an Häuserzins
und Marktzoll gedacht werden kann, ist klar; es gab damals
also in Goslar bereits einen Marktzoll, den der Rath einzog«.
Seine Ansicht scheint zu sein: einmal, dass der Rath 1234 den
Marktzoll zu der Stadt Nutzen erhoben, dann, dass dem
Rathe zwischen 12 19 und 1234 überhaupt das Recht zugewach-
sen sei, die Steuern, einerlei welche, umzulegen. Allein ersteres
anzunehmen nöthigt nichts, da die Function des Rathes in der
Urkunde ja auch in Bezug auf die Reichssteuer ^ als die gleiche
vorausgesetzt wird, und die Reichssteuer auf Conto des Reiches
erhoben wurde. Dass die zweite Ansicht irrig»), ergiebt eben
die Bestimmung von 12 19.
Ob in dem vieldeutigen Worte exactiones noch etwa eine
Steuer enthalten ist, welche für specielle Zwecke der Stadt er-
hoben wurde, mag dahingestellt bleiben; unwahrscheinlich ist
x) Die Motivirang ergiebt sich daraus, dass vor allem die Handel-
treibenden in den Städten als steuerpflichtig angesehen . wurden.
a) Der Schein einer Begründung derselben könnte etwa gefunden werden
in der Urk. Heinrichs VII. von 1225, welche die erste Steuerbefreiung des
Klosters Walkenried in Goslar enthält (Walk. U. B. i, Nr. 149). Sie ertheilt
advocato et burgensibus den Befehl , die Mönche ab omni jure civili
supportare ; dann : et quia nnllis exactionibus vel collectis seu quibuscunque
angariis eos volumus molestari u. s. w. Augenscheinlich sind aber hier noch
andere Lasten und Leistungen gemeint, als in der Urkunde von 1234, und
da war die Nennung des Vogts wohl am Platze; unter den burgenses ist ja
natürlich der Rath mit gemeint. — Was die Ausdrücke anlangt, mit welchen
die Steuern bezeichnet werden, so vgl. auch ürk. Heinrichs von 1234
(Heineccius S. 248), nach welcher der Grundbesitz der Domherren frei sein soll
ab Omnibus precariis et talliis ac exactionibus quas laici dare solent. Ferner
die Befreiungen des Klosters Walkenried in Nordhausen (Walk. U. B. i, Nr.
70, 103), die Urk. Friedrichs IL für das Stift in Nordhausen 1220 (Huillard
I, S. 806), die Befreiungen des Klosters Volkerode in Mühlhausen durch
Friedrich II. 12 19 und 1222, durch Heinrich VII. 1223 (Huillard I, S. 655 ;
II, S. 230, 769) ; in den letzten beiden Urkunden wird befreit »ab omni jure
exactionis et collecte quod vulgo dicitur gescoz«.
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— 26 —
es nicht, da Friedrich 11. schon 12 19 in Nordhausen unter-
scheidet >collecta sive imperio praestanda sive ad quaelibet neces-
saria civitatis, utpote ad fossata effodienda vel raurorum diruta sive
nova quaelibet reparanda« '). Abgesehen von einer solchen directen
Steuer, möchte man am ersten an das Ungeld, jene bekannte Accise
auf Lebensmittel und Getränk, denken, welches Friedrich II. im
Mainzer Landfrieden von 1235 generell verbot»), König Wilhelm
aber 1252 dem Rathe von Goslar ausdrücklich zuge.stand3).
Doch genug der Einzelheiten. Ich glaube dargethan zu
haben, dass das Privileg von 1219^ welches K. Heinrich 1223
erneuerte, den Rath nicht nur stillschweigsnd duldet, sondern
vielmehr als bekanntes, allgemein anerkanntes Organ der Stadt-
gemeinde voraussetzt, dass die Behauptung gänzlich unbegründet
ist , der Rath s^i in der damaligen Verfassung noch nicht recht
zur Geltung gekommen. Von der Entstehung des Rathes kurz
vor 12 19 in Folge von Kämpfen der Innungen gegen die Gilde
kann, wie wir sahen, keine Rede sein. Er ist jedenfalls älter,
wenn er auch früher nicht erwähnt wird. Wenn in dem kleinen
westfälischen Medebach der Rath schon 1165 erscheint, warum
soll er zu derselben Zeit in dem bedeutenden Goslar nicht vor-
handen gewesen sein?*) Der Anlass zu seiner Entstehung war
überall da vorhanden, wo die eigentlich bürgerlichen Interessen des
Handels und Marktverkehrs, des Friedens und der Sicherung des
gemeinsamen Wohnortes 5) die althergebrachten Lebensverhältnisse
der Einwohner, vor allem auch ihr Verhältniss zu der Herrschaft
zersetzt oder aufgelöst hatten, wo die seitherigen Organe der
öffentlichen Gewalt mit ihren beschränkten Competenzen nicht
i) Walkenr. U. B. i, Nr. 103.
3) Leges II, S. 315, cap. 6; telonea vel exactiones que vulgo dicuntur
ungelt. Vgl. Zeumer S. 91.
3) Göschen S. 116: super talliis faciendis quod ungelt dicitur.
4) Auch in Dortmund wird der Rath erst spät, 1241 , zum erstens
Male genannt.
5) Zu den Bürgerpflichten gehörte vor allem auch der Wachdienst, vgL
Wehrmann in den Hans. Geschsbl. 1884, S. 55. Die Ordnung desselben, die Ver-
theilung der Bürger gehörte jedenfalls von Anfang an zu den Obliegenheiten
des Rathes. — Zu den militärischen Verpflichtungen der Bürger gehörte
nach dem Privileg von 1219 (S. 113,5) auch die Heerfahrt »pro defensione
patriae ad locum qui dicitur Hildegesborch« und das Verweilen daselbst
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— 27 —
mehr ausreichten, die neuen Verhältnisse zu beherrschen, den
neuen Rechts- und Verkehrsbedtirfnissen gerecht zu werden.
Weshalb dieser Zeitpunkt für Goslar erst am Anfange des 13.
Jahrhunderts eingetreten sein soll, ist nicht einzusehen. Gerade
hier waren durch den Bergbau und, was damit zusammenhing,
Industrie und Handwerk, durch den Handel, durch den jeden-
falls ganz bedeutenden Absatz aller Producte, welchen die Hof-
haltung und die zahlreichen Reichstage hervorriefen, die Ver-
hältnisse bis Mitte des 12. Jahrhunderts*) so von Grund aus
umgestaltet, dass man die Entstehung eines eigentlich bürger-
lichen Verwaltungsorgans wohl schon in die zweite Hälfte dieses
Jahrhunderts zu setzen berechtigt ist.
Dabei ist es nicht nöthig, an ein Einsetzungsprivilegium
eines Königs zu denken; genug, wenn Friedrich I. die Ueber-
nahme gewisser Functionen durch eine Vertretung der Bürger
erlaubte oder nicht verhinderte 2).
Zwei Fragen entstehen nun an dieser Stelle, welche W.
nicht einmal präcise gestellt hat. Erstens : wie ist es gekommen,
dass der Rath die Ordnung aller Marktverhältnisse in seine Hand
bekam, speciell an Stelle der Kaufmannsgilde bezüglich der
Marktpolizei und -judicatur getreten ist. Zweitens : aus welchen
Einwohnerklassen bildete sich der Rath. Ich bin nicht so ver-
messen, auf diese beiden Fragen eine präcise Antwort geben zu
wollen. Nur einige Vermuthungen will ich wagen. Die Gilde
hatte schon seit Konrads II. Zeiten das Privileg, dass ihre Ge-
nossen »de Omnibus que ad cibaria pertinent« unter sich zu richten
befugt sein sollten. Dass unter cibaria alles, was zu Markte
kommen kann, alle Verkehrs- oder auch nur alle Verbrauchs-
gegenstände, verstanden werden dürfen, dafür vermisse ich den
vierzehn Tage lang auf eigene Kosten. Der Ort ist doch wohl die Burg im
Winkel, welchen Ohre und Elbe bilden, gegenüber Wolmirstädt, also an der
Grenze der Nordmark, nach welcher Albrecht der Bär in Urk. Lothars III.
1 134 (Mon. Boica29a, S. 262) marchio de Hiltagespurch heisst; vgl. Heinemann,
Albrecht der Bär S. 80 und 330 Anm. 118; Raumer, Regesta hist. Branden-
burg. Karte IV. Es handelt sich also um die Vertheidigung des Sachsenlandes
gegen die Slaven, und der Bestimmung dürfte daher ein hohes Alter zukommen.
i) Vgl. was ich in den Hans. Geschsbl. 1884, S. 24 bemerkt habe.
3) Dass übrigens schon frühere Herrscher vor Friedrich II. der Stadt
jura ertheilt haben, sagt dieser selbst im Eingang des Privilegs von 1219 :
ea jura, quae in diversis rescriptis sparsim habuerunt notata.
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— 28 —
Beweis, sei es aus dem Sprachgebrauche, sei es aus der Analogie.
Ich verstehe darunter einfach Lebensmittel, welche ja zweifellos
in der früheren Zeit die Hauptartikel des Marktes ausmachten').
Die Controle über den Verkehr mit diesen, das ürtheilen über
Streitigkeiten zwischen Käufer und Verkäufer bezüglich der
Qualität der Waare, der Richtigkeit des Masses oder Gewichtes«)
und was dahin gehört, die Verhinderung des Vorkaufes, übte
also die Gilde. Dass auch der fremde Kaufmann, der den
Goslarer Markt besuchte, dieser Judicatur der Gilde unterlag,
scheint begreiflich. Ich halte es auch nicht für unwahrscheinlich,
dass die Gilde, wie W. vermuthet, gestützt auf dieses Privileg,
auch die Controle über den Verkehr mit allen anderen Waaren,
die zu Markte gebracht wurden, ja sogar das exclusive Recht des
Verkehrs überhaupt in Anspruch nahm. Ist diese Voraussetzung
richtig, so leuchtet ein, dass, je mehrerlei Waaren in den Markt-
verkehr kamen, je mehr Einwohnerklassen sich an diesem zu
betheiligen strebten, desto lästiger diese Ansprüche der Gilde
empfunden werden mussten. Ist die Voraussetzung dagegen
nicht richtig, beschränkte sich die Gilde auch später nur auf die
Controle über den Verkehr mit Lebensmitteln, so entbehrte der
Marktverkehr der einheitlichen Aufsicht und Gerichtsbarkeit. In
beiden Fällen aber lag es nahe, eine Neuordnung zu treffen,
welche dem gesteigerten Verkehr des Ms^rktes und den ver-
schiedenen hier handelnden Classen gerecht wurde. Unter diesen
waren doch auch die Berg- und Hüttenbesitzer; sie waren ange-
sehene, reiche Leute 3), welche sich dem Zwange der Gilde
x) Vgl. vor allem das Verzeichniss der Waaren des Dortmunder Handels,
des einheimischen wie der Durchfahrt, welches Frensdorflf S. CXVI aufstellt.
Einen Goslarschen Waghaus- und Zolltarif aus dem 14, — 15. Jahrhundert
s. im Hercyn. Archiv S. 323 ff.
9) Vgl. Statuten S. 37, 21: Under weme unrecht mate oder unrecht
wichte gevunden wert, dat steit an deme rade wu he dat keren wille.
3) Aehnlich fasst Neuburg in dem unten citirten Aufsatze S. 93 die
Montani auf, die er zu den angesehensten und reichsten Familien der
Stadt rechnet und mit Recht von den Berg- und Hüttenarbeitern unterscheidet.
Aehnlich auch Bode in Zeitschrift des Harzvereins 1882, S. 164. Wolfstieg
ist sich augenscheinlich nicht klar geworden über den Charakter der Silvani
et Montani. Eine Urkunde von 1310 (Walkenrieder U. B. 2, Nr. 722)
zeigt eine Anzahl Familien der Montanen.
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gewiss nicht ohne weiteres gefügt haben werden. Der Verkauf
ihrer Producte, vor allem des Kupfers, gab dem Goslarer Handel
ein ganz besonderes Gepräge, auf welches Rücksicht genommen
werden musste und auf welches die alten Gildesatzungen jeden-
falls nicht so ohne weiteres anwendbar waren. Nichts natürlicher
also, als dass die Gilde, um eine einheitliche Regelung des Markt-
verkehrs zu ermöglichen, ihre besonderen Vorrechte zu Gunsten
eines anderen Organes aufgab, wenn sie nur in diesem eine an-
gemessene Vertretung fand. In diesem Sinne halte ich die Be-
merkung von W. S. 56 für ganz zutreffend: »Offenbar hing also
Rath und Gilde mit einander zusammen« ^).
Das führt auf die zweite oben gestellte Frage: aus welchen
Classen wurde der Rath gebildet. Die Beantwortung der Frage
ist einfach, wenn man annimmt, dass alles, was an dem Markt-
verkehre Theil nahm, was von einiger Bedeutung in der Stadt
war, der Gilde angehört habe, in Goslar also ausser den
eigentlichen Kaufleuten (Gewandschneidern) die etwa vor-
handenen freien Handwerker, dann die Montanen und Silvanen
und vielleicht noch andere Classen von Einwohnern. Frensdorfi
hat=^) mit Recht auf die technische Bedeutung des Ausdruckes
burgenses aufmerksam gemacht. Er sieht in ihnen die erbeinge-
sessenen Vollbürger, die sich den späteren Ansiedlern und ur-
sprünglich Unfreien gegenüber durch Mass und Qualität des
Grundbesitzes auszeichnen, aus denen der Graf (von Dortmund)
die Urtheilfinder entnahm. Sie bilden nach Frensdorff zugleich
die Gilde. Gildegenossenschaft und Vollbürgerthum fallen zu-
sammen. Es gab also eine Periode in der städtischen Ent-
wickelung, »welche als die der Gilde bezeichnet werden kann«.
Der Gilde, welche alle erbeingesessenen Bürger umfasste, lag die
Vertretung der Stadt ob ; sie war an deren Verwaltung betheiligt,
wie Frensdorff meint. Unter dieser Voraussetzung aber wird m.
E. die Bildung eines Rathes als eines neuen Organs immer ein
») Oder wie Frensdorff S. LV das bezüglich Dortmunds ausdrückt:
»Die Erbschaft der Gilde ist dann dem Rathe zugefallen, soweit sie die Ver-
tretung der Stadt bildete und an ihrer Verwaltung betheiligt war«. Inwiefern
die Gilde die Vertretung der Stadt gebildet haben soll, ist mir bei dieser
Definition nicht klar.
^) S. LI ff.
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— 30 —
Räthsel bleiben. Wenn alle vollberechtigten Bürger in einer
Corporation (der Gilde) vereinigt waren, so war der Vorstand
der Gilde eben schon das, was später Rath genannt wird ; dieser
ist nichts Neues, sondern etwa eine neue Entwickelungsform des
Gildevorstandes ').
Allein ich glaube, die Voraussetzung ist nicht richtig, dass
VoUbürgerthum und Gildegenossenschaft zusammenfielen — wenig-
stens in der Zeit nicht, wo mit VoUbürgerthum, jus burgensium,
ein öffentlich-rechtlicher Begriff" verbunden werden kann. Die
Bedeutung der Gilde liegt auf dem wirthschaftlichen und nicht
auf dem (wenn ich den jetzt beliebten Ausdruck einmal brauchen
soll) politischen Gebiete. Ist die Gilde in historischer Zeit (13.
Jahrhundert) in Dortmund und wohl auch in Goslar eine auch
politisch bevorrechtigte Körperschaft , so verdankt sie das den
wesentlich wirthschaftlichen Bevorrechtigungen, welche sie schon
besessen hatte zu einer Zeit, wo von einem politisch selbständigen
Leben der Stadt noch keine Rede war. Als dieses sich zu regen
anfing, als man Mauern baute, zu deren Herstellung und Unter-
haltung Umlagen machen musste, als die viel reicher gestalteten
Verhältnisse des Marktes eine Neuordnung nöthig machten, zu
deren Herstellung die alten Gildevorrechte nicht ausreichten, als
der Geburtstag des Rathes kam, da konnte man die Gilde
natürlich nicht bei Seite schieben. Ihre Genossen zählten zu
den reichsten und angesehensten Bürgern ; sie hatte als Genossen-
schaft Vorrechte, welche für die Gesammtheit zu erwerben die
Aufgabe sein musste. Die Gilde trat ihre Rechte über den
Markt an ein neues Organ, den Rath, ab und erhielt dafür in
dem städtischen Organismus eine bevorrechtigte Stellung.
Der Rath aber ist das Organ aller vollberechtigten Bürger,
der Gildegenossen und anderer, der Burgenses. Die Frage ist
nun, welche waren diese anderen. Ich will mich bei dem Ver-
») W. S. 57 meint ganz verständig: »Wäre nun der Rath ohne Weiteres
aus dem Vorstande der Gilde entstanden , so hliebe unerklärlich, wie diese
grosse Menge von Ministerialen in den Rath hineinkam«. Von FrensdorfTs
Standpunkt aus erklärte sich dann diese Erscheinung einfach dadurch, dass
eben die Ministerialen, als erbgesessene Vollbilrger, gleichfalls Gildegenossen
gewesen wären.
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— 31 —
suche, diese Frage zu beantworten, nur an Goslar halten. Im
Privileg von 12 19 wird der Burgenses vielfältig gedacht; das
consilium ist das der Burgenses; von dem jus burgensium ist
die Rede '-, nirgends aber wird der Begriff definirt. Ich glaube,
die Definition, welche Frensdorfi' gegeben hat, reicht vollkommen
aus : Burgenses sind die erbeingesessenen Einwohner, welche sich
durch Grösse und Qualität des Grundbesitzes auszeichnen. An
einer Stelle des Privilegs von 12 19 ist von Burgenses die Rede,
die eigene Häuser haben*). Die Kaufleute werden in dieser
günstigen Lage gewesen sein. In Goslar und vielen anderen
Städten sind dann später Ritterbürtige Mitglieder des Rathes und
rathsfähig. Vielfach sind es frühere Ministerialen, in Dortmund
die sog. Reichsleute, welche Frensdorff für Reichsministerialen
hält, wogegen Hegel 3) sie für ursprünglich freie Hofbesitzer er-
klärt, welche in das Bürgerrecht eingetreten waren. Ueber das
Geburtsstandes verhältniss der Goslarer ritterbürtigen •P'amilien
dürfte im einzelnen schwer etwas bestimmtes festzustellen sein.
Vermuthlich waren beide Classen, ursprüngliche Reichsministerialen
und freie Leute, bei der Büdung dieses städtischen Adels be
theiligt. Dass der König Dienstmannen in Goslar ansiedelte und
x) Göschen S. 113, 34: In eadem etiam civitate nuUi jus quo burgenses
gaudeant concedatur, nisi ipse similiter jus eorum observet.
a) S. 115, 4: Wer wegen Verwundung eines Anderen verklagt wird,
kann sich reinigen cum septem burgensibus, qui proprias habent domos.
Hier scheint die Auslegung geboten, dass eben das Eigenthum des Hauses
das Erfordemiss ist, dass es also auch Burgenses giebt, welche keine Häuser
haben. Allein zu der erbgesessenen, bevorrechtigten Familie gehört auch der
volljährige Haussohn, der abgeschichtete Bruder, dem das Haus nicht zuge-
fallen; auch er ist burgcnsis. Das Verhältniss ist hier zu denken, wie bei
dem praedium libertatis des Schöffenbarfreien. — S. 112, 27 heisst es noch:
Si aliquis burgensis domum suam pignori obligare voluerit. Zu beachten ist,
dass noch nach den Statuten (Göschen, S. 73, 7) die Hausbesitzer zu den
drei echten Dingen pflichtig sind. Der Analogie halber führe ich ein Zeug-
niss aus Mülhausen i. Th. an; Die von Schlotheim bezeugen 1257, dass sie
sich mit der Stadt gesühnt, emimus unam curiam pro 30 marcis argenti in
civitate Mulhusen et optinuimus in ipsa jus perfecte civilitatis (Mülh. U. B.
Nr. 142).
3) In der Anzeige von Frensdorff s Ausgabe der Dortmunder Statuten
in der Histor. Zeitschrift Bd. 49, S. 333.
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— 32 —
mit Häusern bewidmete, ist an und für sich natürlich. In der
durch ihre Zeugen hervorragenden, zu Goslar ausgestellten Ur-
kunde Heinrichs des Löwen für Kloster Richenberg von 1154'),
welche laici liberi, ministeriales und urbani Goslarienses scheidet^
finden sich unter den Ministerialen, die, soweit ich es controlirei»
kann, meist Weifische oder Hildesheimische sind, auch Witekindus
et Herezo fratres de Goslaria. Vermuthlich sind es Reichsmini-
sterialen, die mit dem Lehen des Vogteibezirkes in den Besitz^
des Weifen übergegangen sind'*). Der altfreie Ursprung wenigstens
eines der hervorragendsten Goslarer Patriciergeschlechter , der
de Capeila, lässt sich positiv nachweisen. Der Ahnherr ist Rudolf
der Sohn des Vertheco mit dem Titel vir illuster, welchem sein
Cognat der Canonikus von St. Simon und Judas Sidag zwischen
II 08 — 1130 die Cäcilienkapelle, die seine Vorfahren gegründet
hatten, schenkweise übertragen hat^). Nichts deutet femer
darauf hin, dass der in- und ausserhalb Goslars reich begüterte
Vogt Folkmar von Wildenstein ein Ministerial gewesen sei*).
Der Vogt Widekin femer, der ausdrücklich zu den Goslarer
Bürgern gerechnet wird, ist gleichfalls ein Freier gewesen. Es
gab also in Goslar angesessene schöffenbarfreie ritterbürtige Ge-
i) Orig. Guelf. III, S. 451 (Heineccius S. 149).
2) Die Familie de Goslaria erscheint noch später, der Name der Stadt
ist zum Geschlechtsnamen geworden; vgl. 2. B. Heineccius S. 166, U. B,
für Niedersachsen i, Nr. 7, 15. Wenn ehendaselhst S. 65 und 70 Volger
diese Familie mit den Wildensteinem identificirt, so halte ich dies für einen
Irrthum.
3) Urk. Bernhards von Hildesheim von 11 47 im Walkenrieder ü. B. i,
Nr. 10 (Heineccius S. 145). lieber Sidag und seine gleichfalls altfreie Sippe
vgl. die Urk. Bischof Hezilos bei Heineccius S. 75, sowie die Urk. Heinrichs
des Löwen von 1153 bei Prutz S. 472. Das Geschlecht Rudolfs führt seinen
Namen natürlich von der Cäcilienkapelle, in deren Besitz es blieb. Erscheint
unter den Zeugen der Urk. Friedrichs I. von 1152 (Stumpf, Acta imp. ined,
Nr. 119) Ludolfus de Capella, so ist das ein Schreibfehler statt Rudolfus.
Danach darf man nicht, wie ich in den Hans. Geschsbl. 1884, S. 29 Anm. 4.
that, den Vogt Ludolf diesem Geschlechte zuzählen.
4) In den so sehr ausführlichen Bestätigungsurkunden von Neuwerk durch
Adelog von Hildesheim 1186 (U. B. für Niedersachsen i, Nr. 5) und Fried-
richs I. 1188 (Stumpf, Acta imp. ined. I, Nr. 174) würde er doch wohl als
ministerialis imperii bezeichnet worden sein, wenn er es gewesen wäre. Sein
Grundbesitz, mit dem er das Kloster ausstattet, ist vollständig frei.
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— 33 —
schlechter neben solchen von dienstmännischer Herkunft^). Sie
gehören zu den Burgenses.
Einen weiteren Bestandtheil dieser dtirften aber wohl auch
freie Handwerker gebildet haben, deren Familien sich vielleicht
schon Generationen hindurch im Besitzt von Häusern in der
Stadt befanden*). Als Zeugen der oben citirten Urkunde Hein-
richs des Löwen von 1154 erscheinen unter den urbani Gos-
larienses mitten unter anderen Leuten drei Leineweber (linarius),
zwei Goldschmiede (aurifex), zwei Schildmacher (scutarii), ein
Steinmetz (lapidda), ein Glockengiesser (campanarius) , ein
Bälgenmacher (folKcularius , ein für die Schmelzhütten sehr
nöthiges Gewerbe), ein Sattler (sellarius), ein Färber (fucarius) 3).
Sie alle waren gewiss keine viles personae, keine hof hörigen
Leute, vielmehr burgenses, für welchen Ausdruck urbani die
richtige Uebersetzung ist. Wo zuerst die Rathmannen auf-
gezählt werden, in Urkunden aus dem Jahre 1269*), ist auch
wenigstens ein und der andere Handwerker darunter. Das mag
sehr wohl schon zu Ende des 12. Jahrhunderts so gewesen sein,
zumal wenn man zugiebt, dass die Handwerkerinnungen schon
zu dieser Zeit bestanden haben können.
z) Ich möchte hier wenigstens der Vermuthung Raum geben, dass die
freien Familien gerade den Kern der Montanen ausgemacht haben. Folkmar
von Wildenstein schenkt dem Kloster Neuwerk unter anderem dimidiam
fossam in monte Ramsberg in Wales werke.
2) Auf die frühe Existenz von freien Handwerkern weist auch Wolfstieg
S. 46 hin.
3) Neben ihnen erscheinen Personen mit Beinamen, wie albus, niger,
rufus, parvus. Das Wort nicalar weiss ich weder als Berufsbezeichnung
noch als Beinamen unterzubringen. Nicht als Letzter steht Gerwardus pugil.
Es ist natürlich nicht entfernt daran zu denken, dass dies ein unehrlicher
»kemphec ist. Pugil wird Bdname gewesen sein. In Urk. Brunos von Hildes-
heim von 1160 (Lünzel, Die ältere Diöcese Hildesheim S. 377) erscheint
unter den cives Goslarienses de parochia S. Jacobi auch ein Thizeco pugil.
Nach Gerwardus pugil folgt noch Liuderus gener domine de Celem, der
Schwiegersohn einer Rittersfrau. Die zwei officiales sind auch mir ebenso
räthselhaft wie W. S. 41 ; schwerlich aber wird man an Beamte der kaiser-
lichen Kämmerei denken dürfen.
. 4) S. Wolfstieg S. 56.
Hansische Geschichtsblätter. XIV. 3
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— 34 —
Mit einem Worte muss ich wenigstens auch der Ansicht
Hegel's gedenken, welcher, gegen FrensdorfF polemisirend *), an-
nimmt, dass der Rath in Dortmund aus dem SchöffencoUegium
hervorgegangen sei, wie das in rheinischen Städten (Aachen, Duis-
burg) nachzuweisen ist, durch Erweiterung dieses Collegs von
zwölf auf achtzehn Mitglieder. Diese von Heusler bekanntlich
generell vertretene Ansicht, welche ja alles am einfachsten er-
klären würde, findet weder in Dortmund noch in Goslar irgend
einen Anhalt in den Quellen«). Der Ausdruck scabinus oder ein
ähnlicher ist mir in den Goslarer Urkunden nirgends begegnet 3).
In der einzigen mir bekannten Urkunde, welche einen Akt vor
dem Gerichte des Vogtes bezeugt, der oben citirten von 1147,
heisst es >in presencia Hermanni advocati et omnium civium
Goslariensium« *).
Aber selbst wenn die Ansicht Hegel's richtig wäre, so bleibt
das Problem das gleiche, wie unter Annahme der Ansicht Frens-
dorflfs von der Entstehung des Rathes aus der Gilde: wie kam
es, dass in dem einen Falle die Schöflfengeschlechter, in dem
anderen die Gildegenossen anderen Leuten Antheil an ihren Be-
fugnissen einräumten, und welches waren diese Anderen 5)?
Im 6. Capitel behandelt Wolfstieg »Goslar in der zweiten
Hälfte des 13. Jahrhunderts«. Wie im 5. die Darstellung wesent-
lich auf Grund des Privilegs von 12 19 rückwärts construirt war,
i) Hist. Zeitschrift Bd. 49, S. 336 ff.
*) Dass der Rath in Dortmund im 14. Jahrhundert sich selbst consules
et scabini nennt (Frensdorff S. LXIV), ist natürlich kein solcher.
3) Als Zeugen der zu Goslar ausgestellten Urk. Adelogs von I186
(U. B. für Niedersachsen i, Nr. 5) erscheinen Thietmar judex, Heinricus
judex. Das sind zwei der vier Stadtrichter des Privilegs von 12 19, deren
Existenz für das 12. Jahrhundert also damit erwiesen ist.
4) In den späteren Bestätigungen von 1158 und 11 71 (Heineccius S. 161.
170) heisst es dafür merkwürdiger Weise: simulque nominatissimorum civium
Goslariensium.
5) Gegenüber den Beispielen von Aachen und Duisburg möchte ich doch
auch auf die von Zeumer, Städtesteuem S. 63, angeführten Beispiele von Bonn
und Neuss hinweisen, wo in den 50er Jahren des 13. Jahrhunderts das
SchöffencoUeg, dem seither die Vertretung der Stadt oblag, durch einen Rath
ersetzt ward.
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— 35 —
so ist sie es hier auf Grundlage der Urkunden des Jahres 1290.
Eine der wichtigsten ist S. 94 zum ersten Male aus dem Originale
abgedruckt: die in diesem Jahre am 14, September vom Rath,
den Montanen, den Kaufleuten und Gilden gemeinsam verein-
barten Statuten»). Auch in diesem Capitel findet sich viel Phan-
tasie ; der Ausgangspunkt der Darstellung ist, wie ich oben nach-
gewiesen zu haben glaube, ein verkehrter, da W. S. 62 annimmt,
erst jetzt (also etwa 1250) habe »das Reichsgebiet«, d. h. die
Montanen und Silvanen, in den Streit des Rathes, der Kaufleute
und Gilden eingegriffen. Auch hier weiss W. S. 63 ganz genau,
dass die Montanen die heftigste Opposition gegen das Bestreben
des Rathes machten, die Vogtei zu erwerben-, in den Quellen
findet sich darüber auch nicht die leiseste Andeutung.
Mit diesem Capitel berührt sich ein Aufsatz von C. Neu-
burg: »Der Streit zwischen den Wald- und Bergleuten und den
Innungen zu Goslar am Ende des 13. Jahrhunderts«^), welcher
W. schon vorlag. Den Kampf zwischen Gilden und Montanen,
welchen die verschiedenen Transactionen und Urkunden des Jahres
1290 beendeten, hält Neuburg für einen lediglich wirthschaft-
lichen; W. dagegen glaubt, dass politische Motive dabei minde-
stens ebenso sehr mitspielten wie materielle Interessen. Zweifellos
ist W. darin beizupflichten, dass N. die Bedeutung des ganzen
Kampfes sehr unterschätzt hat, wenn er meint, dass derselbe
lediglich die kleinlichsten materiellen Interessen betroffen habe.
Andererseits, glaube ich, hat W. hinwiederum die politische Seite
des Streites sehr überschätzt. Die Urkunden des Jahres enthalten
über diese sehr wenig. Die eigentliche Verfassung der Stadt
scheint keine Veränderung erlitten zu haben; auch die Zustän-
digkeit des Vogtes bleibt dieselbe, obgleich in diesem Jahre 1290
die Stadt das Amt erworben hat. Wir sind in keiner Weise
1) Bisher nur in der deutschen Uebersetzung des Kaufleutebuchs abge-
druckt im Vaterland. Archiv 1841, S. 44.
2) In der Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft Bd. 40 (1884),
S. S6 — 106. Der Vf., welcher gleichfalls das Göslarer Archiv benutzt hat,
zeigt einen bedauerlichen Mangel an paläographischen Kenntnissen. Seine
Kenntniss der Goslarischen Verhältnisse scheint auch nur ad hoc zusammen-
gerafft zu sein.
3*
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- 36 -
berechtigt, zu schliesseii; dass etwa die Montanen oder die In-
ntmgen in dem Kampf danach gestrebt hätten, die Herrschaft im
Rathe zu erlangen. Ob auf der anderen Seite etwa der Rath
dahin gestrebt hat, die Autonomie der Montanen in Bezug auf
die Angelegenheiten des Bergbaues und was damit ztfsämmenhing
zu vernichten, liesse sich höchstens aus daaem Artikel des oben
citirten Statutes deduciren : Item tale jus, Bicut silvani et moDtani
habent, debent inter se discutere secundum placitum ipsorum et
ordinäre»). Der schriftlichen Fixirung und Anerkennung eintes
alten rechtlichen Herkommens^) braucht aber durchaus kan
Angriff auf sein Fortbestehen vorauszugehen.
Einen anderen politischen Punkt des Streites hat W. S. 64
gefunden, indem er annimmt, den Montanen sei es vor allem
auf die Erhaltung des Gerichtes trans aquam angekommen,
welches der Rath nach der Erwerbung der Vogtei mit »der bereits
erweiterten Marktgerichtsbarkeit« zu vereinigen gestrebt habe.
Diese Annahme findet einen Anhalt in einem Artikel des Statuts
vom 14. September 1290: Dicimus etiam et volumus, quod Judi-
cium trans aquam in tali jure stet et permanteat, sicuti fuit, prius-
quam burgenses prefate civitatis hoc Judicium sibi adsumerent et
usurparent. Der Erwerb der Vogtei durch die Stadt erfolgte im
Mai 1290. Nun ist ja immerhin möglich, dass der Rath in den
Monaten vom Mai bis September Angriffe auf die Selbständigkeit
des Gerichtes trans aquam gemacht, dasselbe zu beseitigen, etwa
mit dem Gerichte des grossen Vogtes, den er jetzt zu setzen
hatte, zu vereinigen gesucht hat. Allein diese Angriffe können
doch auch in eine frühere Zeit fallen 3) und von dem Erwerbe
der Vogtei unabhängig sein. Denn darin irrt W. vollständig,
wenn er S. 73 meint, dass dem Rathe durch die Erwerbung
i) Wolfstieg S. 95. Neuburg S. 99 liest hier: inter se discutare saepe
dictum placitum imperiale et ordinarium ! !
*) Das besondere jus silvanortim erscheint schon im Privileg von IÄ19,
welches 1275 ^^^ Rudolf bestätigt war.
3) Von dem Rath ist eigentlich auch in der Stelle nicht die Rede.
Man könnte immerhin auch daran denken, dass die Bürger sich in das
Gericht trans aquam als Urtheilfinder eingedrängt hätten, welche Function,
da die Gerichte local getrennt waren, nur den Montanen zustand.
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— 37 ~
d«r Reichsvogtd die Besetzung beider Gerichte zustand. Denn
erst im Jahre 1348 hat der Rath auch die kleine Vogtei (advo
caciam minorem in Goslaria que appellatur advocacia ultra aquam
— de lutteke voghedye to Goslere) von dem Grafen Heinrich
von Regenstein, der sie vom Reiche zu Lehen trug, erworben*).
Daran ist aber doch nicht zu denken, dass, wenn der Rath 1290
beide Vogteien erwarb, er sich der kleinen später wieder ent-r
äussert hätte. In diesem Jahre erwarb er vielmehr nur die grosse
Vogtei; der kleine Vogt also wurde bis 1348 nicht vom Rathe,
sondern von den Grafen von Regenstein gesetzt. Aber wahr-
scheinlich schon vor 1290 machten die Bürger oder der Rath
den, wie es scheint, rechtswidrigen Versuch, das kleine Gericht
trans aquam an sich zu ziehen. Dass die Montanen sich dem
widersetzten, darin wird W, Recht haben, und sie erreichten im
Statute von 1290 auch die Anerkennung des Fortbestandes des
Gerichtes trans aquam.
Das 7. Capitel behandelt die Verfassung der Statuten und
des Bergrechtes. Mit Recht bemerkt W. S. 67 , dass das Jahr
1290 das Geburtsjahr dieser beiden Rechtsdenkmäler sei, wenn^
gleich ihre Abfassung erst in die ersten Jahrzehnte des 14. Jahr-
hunderts falleii mag. Es ist aber dann doch eine eigenthümliche
Anschauung, wenn S. 68 im Eingange des 7. Capitels gesagt
wird: »Die Grundlagen, auf welchen die neue Verfassung
gegründet werden musste, waren in dem Privileg von 1290 ge-
geben: das Stadtrecht sowohl als das Bergrecht hatten nur die
Aufgabe, die Bestimmungen für die einzelnen Gesetzesabschnitte
festzusetzen«. Seither hatte mai^ die beiden Rechtsdenkmäler
wesentlich für die Codification alten Rechtes gehalten*); W. will
sie aJs Ausftihrungsgesetze der neuen Verfassungsurkunde von 1299
hinstellen. Von der eigentlichen Verfassung der Stadt, der Stel-
lung, den Befugnissen u. a, w. des Rathes ist aber in den Statuten
nur ganz beiläufig die Rede. Solches Hereintragen moderner
Vorstellungen muss nur verwirrend wirken, abgesehen davon, dass
i) Zwei Urkunden des Grafen in Zeitschr. des Harzvereins 1872,
S. 488. 489.
*) Bei dem Bergrechte ist der ofßcielle Ursprung zudem mindestens
zweifelhaft.
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- 38 -
sie hier gar nicht passen. Im übrigen ist über die eigentliche Stadt-
verfassung auf knappen drei Seiten nichts Neues beigebracht,
was man nicht schon aus Göschens Darstellung wüsste. Wenn
S. 69 gesagt ist: »Die öffentliche Gewalt in der Stadt lag gänz-
lich in den Händen des Rathes«, so ist das Angesichts der Vor-
rede zu den Statuten durchaus nicht richtig. Denn diese sind
erlassen vom Rathe mit vulbort der Kaufleute, Waldwerchten
und Gilden*) und sollen auch nur mit deren Zustimmimg ver-
ändert werden dürfen. In Bezug auf die statutarische Gesetz-
gebung hatte also der Rath durchaus nicht allein die obrigkeit-
liche Gewalt. Andererseits scheint mir auch die Definition von
Göschen S. 513 nicht zutreffend zu sein: »die höchste Gewalt in
der Stadt wird geübt von dem Rathe und den gewerbtreibenden
Genossenschaften«. Göschen nämlich findet den Inhalt der
höchsten Gewalt allein in der statutarischen Gesetzgebung, welche
schliesslich doch nur eine Seite derselben darstellt. Hier war
der Rath an die Mitwirkung der Corporationen gebunden. In
anderen Beziehungen aber erscheint er als der alleinige Inhaber
der obrigkeitlichen Gewalt, wie das W. S. 69 mit Recht im Ein-
zelnen ausführt. Wenn auch die Vogtei im Jahre 1290 (ebenso
wie die kleine im Jahre 1348) dem Rathe und der Gesammtheit
der Bürger von Goslar verkauft wurde, so wurde sie doch allein
den sog. Sechsmannen zu Lehen gereicht, und der Rath allein
bestellte den Vogt.
Ueber Zahl, Zusammensetzung, Ergänzung des Rathes, über
die Betheiligung der Corporationen am Stadtregiment, also über
die »Verfassung«, erfahren wir aus den Quellen, zumal den
Statuten, direct nichts. Es heisst ganz den Charakter und den
Zweck solcher mittelalterlichen Rechtsaufzeichnungen verkennen,
wenn man solche Anforderungen an sie stellt. Göschen und
nach ihm Wolfstieg haben sich abgemüht, aus den paar gelegent-
lichen Andeutungen der Statuten über die Sechsmannen, den alten
und den neuen Rath, über die »wisesten« *) zur Erkenntniss der
1) Es ist jedenfalls zu beachten , dass auch schon das Statut von 1290
von Rath, Montanen, Kaufleuten und Gilden zusammen erlassen ist
») Vgl. vor allem Statuten loi, i. 7.
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Rathsverfassung zu gelangen. Man kann nicht sagen , dass es
ihnen gelungen ist. Ich unterlasse es, ihre zum Theil entgegen-
gesetzten Aufstellungen aufzuführen, da ich den Schlüssel zu den
Angaben der Statuten in einem Aktensttjcke des Jahres 1682
gefunden zu haben glaube. Es ist der Recess, welcher, unter
Vermittelung kaiserlicher Commissarien zwischen dem Rathe, den
Gilden und der Bürgerschaft über die Regimentsverfassung abge-
schlossen, zugleich die Geltung der alten Statuten ausser Kraft
setzt, Hergewäte und Gerade abschafft und das kaiserliche ge-
meine Recht einführt^). Das erste Caput dieses Recesses beginnt
mit einer Nummer, nach deren Kenntniss alle Zweifel schwinden
müssen, was die Statuten unter dem neuen und dem alten Rathe
verstehen: »Es sind in dieser Stadt von Alters her jedesmahl
gewesen und noch findlich zwei Räthe, welche jährlich in der
Regierung abwechseln. Derowegen denn auch derjenige Rath, so
das Stadt-Regiment ableget, der alte, und der Rath, welcher es
wiederumb annimpt, der neue Rath genennet wird, und präsidiret
in jeglichem Rath ein Burgermeister«. Wir treffen also in Goslar
die Einrichtung des amtirenden, sitzenden, und des ruhenden
Rathes, wie sie auch anderwärts nicht selten ist. In den Statuten
ist diese Einrichtung schon sicher erkennbar; S. 97, 23 ist von
dem sitzenden Rathe die Rede, S. iqi, 5 von dem neuen
und dem alten Rathe. Dass unter den letzteren Bezeichnungen
nichts anderes verstanden sein kann als der sitzende und der
ruhende Rath, sowie dass letzterer in gewissen Fällen mit zu
Rathe gezogen wurde, zeigt eine Aufzeichnung aus dem Jahre
135 1 2). Ich will nun in aller Kürze das Wichtigste aus der
Regimentsverfassung, wie sie der Recess darlegt, ausheben, ohne
damit die Meinung vertreten zu wollen, dass nun auch alles so
schon im Anfange des 14. Jahrhunderts gewesen sei. Merk-
würdig stabil scheinen aber die Goslarischen Verhältnisse ge-
blieben zu sein.
Beide Räthe zusammen haben 40 Personen, jeder einzelne
x) Gedruckt bei Job. Jacob Moser, Reichs-Stättisches Handbuch i,
S. 801 ff.
») Göschen S. 109, i.
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zwanzig. Mit letzterer Zahl kommen einigermaassen die ältesten
Urkunden überein, welche die Rathmannen aufzählen. Darf man
die Zeugen der Urkunde von 1254, durch welche der Vogt
Dietrich von Sulingen und die Consules das Johannishospital
stiften, für die Rathmannen halten*), so waren es damals sieb-
zehn. Eine Urkunde von 1269«) führt 22 Rathmannen nament-
lich auf, eine von 1290^) deren 18, eine von 1293*) deren 19;
in einer Aufzeichnung 5) von 1360 werden 21 Rathmannen ge-
nannt. Auffallend ist nun, dass in einer zweiten Urkunde von
1269^) nur ro Consules Urkunden, darunter ein Name, welcher
sich unter den 22 der ersten Urkunde aus diesem Jahre nicht
findet. Sollten in der ersteren die Mitglieder des gesammten, in
der letzteren die des neuen (sitzenden) Rathes aufgezählt sein,
dieser anfänglich nur etwa aus 10 Personen, jener aus etwa 20
bestanden haben?
Nach dem Recesse werden von den 20 Mitgliedern jedes
Rathes je sechs »sicherer Prärogativen halber die sechs Män-
ner genannt«, aus welchen der Bürgermeister und der Kämmerer
zu erwählen ist Welcher Art weiter diese Prärogativen der
Sechsmänner sind, wird hier nicht angegeben. Man ist ja zu-
nächst geneigt, die Sechsmannen für einen Ausschuss des Rathes
zu halten, der etwa die laufenden Regierungssachen erledigt,
wichtigere Dinge für den ganzen Rath vorberäth u. dgl. Ein
solcher Ausschuss sind aber die Sechsmannen wenigstens zur Zeit
des Recesses nicht gewesen; hierfür bestand damals, wie ange-
geben wird^, »für langen gantz undencklichen Jahren«, ein anderes
CoUegium, der engere Rath, »der wird auch wol der alte Rath
oder die alten Herren genandt und ist ein Ausschuss der Sechs-
manne <^ bestehend aus drei Personen aus den Sechsmannen des
neuen und dreien aus den Sechsmannen des alten Rathes, dar-
i) Heineccius S, 274; den 17 voraus geht als Zeuge der Vogt.
») S. Wolfstieg S. s6 Anm. 8.
3) Daselbst S. 57 Anm. 9.
♦) Heineccius S. 312.
5) Vaterland. Archiv 1841, S. 32.
^) Kalenberger ü. B. 3, Nr. 298; s. Wolfstieg S. 56 Anm. 8.
7) S. 809, Cap. III, Nr. i.
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— 41 —
unter beide Bürgermeister und der Kämmerer. «Denen sitzet
auch von Alters her bei und hat in solchem engen Rath sein
Votum mit der Syndicus und der Gemeine Worthalter von den
Achtmannen«.
Die Sechsmannen lassen sich ziemlich weit zurück verfolgen.
In der merkwürdigen Urkunde des Jahres 1258*), in welcher die
Grafen von Woldenberg bekunden, dass ihnen der Rath erlaubt
habe, das Lehen Volrads von Hessen (aus der Vogtei) zu nehmen,
geben sie Sicherheit für daraus etwa entstehende Schädigung der
Stadt in die Hand von sechs dem Ritterstande angehörigen
Bürgern. Die dem Rathe verkaufte Vogtei reicht der Graf
von Woldenberg 1290 sechs BtLrgem ad manus consulum und
verspricht, dass nach dem Tode derselben er oder seine Erben
sie sechs anderen Bürgern, die ihm namentlich zu bezeichnen
seien, reichen werde'). Die Zahl sechs ist doch wol hier beide
Male nicht zufällig; Rathsmitglieder werden es, doch sicher ge-
wesen sein 3), und so dürfen wir in ihnen wohl die Sechsmannen
sehen. Bestanden dann 1290 schon die beiden Räthe, so haben
wir, da den Sechsen die Vogtei auf Lebenszeit gereicht ist,
vermuthlich in denselben jenen späteren engeren Rath zu
sehen *).
Die übrigen 14 Mitglieder eines Rathes werden nach dem
Recesse aus den fünf ersten Gilden (sieben sind es im Ganzen)
genommen, und zwar stellt die Kaufmanns-, Wort- oder Gewand-
schneider-Gilde sechs, die Kramer-, Becker-, Schuster- und
i) Zeitschr. des Harzvereins 1872, S. 473. Merkwürdig ist bei der
Urkunde vor allem das gänzliche Ignoriren des Vogtes. Es war in diesem
Jahre Berthold von Gowisch (Walkenrieder U. B. i, Nr, 330), ein Anver-
tirandter des unter den Sechsen genannten Arnold von Gowisch. Die Urkunde
scheint mir weiter ein Beweis dafür zu sein, dass die Woldenberger 1258 die
Vogtei noch nicht zu Lehen hatten.
*) Zeitschr. des Harzvereins 1872, S. 474.
3) Ist das der Fall, so erhöht sich, da vier von den Sechsen des Jahres
1290 unter den Consules der früher erwähnten Urkunde dieses Jahres nicht
genannt werden, die Zahl dieser auf 22.
♦) Nur zwei dieser Sechse von 1290, ein Astveld und ein Dömthen,
lassen sich sicher als ritterbürtig nachweisen ; bei den vier Anderen (Copmann,
Albus, BuUic, Trost) ist diese Qualität zweifelhaft.
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— 42 —
Knochenhauer-Gilde je zwei Mitglieder. Diese Vertheilung legt
dann die Vermuthung nahe, dass die Sechsmannen aus besonders
bevorzugten Einwohnerklassen genommen werden mussten. Wir
werden schwerlich fehlgehen in der Annahme, dass dies die alten
patricischen, ritterbürtigen Familien früher gewesen sind.
Derjenige neue Rath, welcher Freitag nach Maria Empfang-
niss das Regiment von dem alten Rathe erhalten soll, muss vor-
her ergänzt sein. Die Ergänzung zunächst der Sechsmannen findet
statt durch die Concurrenz zweier Wahlcollegien : der Sechsmannen
des abtretenden Rathes und der sog. Achtmannen. Diese Achtman-
nen wurden, wie angegeben wird *), aus den vier Hauptpfarreien der
Stadt genommen, aus jeder Pfarre zwei ; es waren also ursprüng-
lich Kirchspielsvertreter ; später ergänzte man das Collegium ohne
Rücksicht auf die Pfarreien. Diese Ergänzung geschieht so, dass
die Sechsmannen des abtretenden Rathes dem Collegium zwei
Personen präsentiren, von denen eine zu wählen ist. Das so
ergänzte Collegium der Achtmannen präsentirt nun zur Ergän-
zung der Sechsmannen des antretenden Rathes denen des ab-
tretenden zwei Personen (in der Regel) aus dem Rathe, um eine
davon zum Sechsmanne zu erwählen; die Achtmannen sind bei
der Präsentation an keine Rücksicht auf eine der Gilden u. dgl.
gebunden, können auch wol Personen präsentiren, welche seither
dem Rathe noch nicht angehört haben.
Die Ergänzung der 14 anderen Rathsmitglieder erfolgt durch
diejenigen Gilden direct, in deren Rathsstülen eine Vacanz ein-
getreten ist.
Der Wahlmodus der Sechsmannen ist demnach ein etwas
complicirter, modemer. Nach den Statuten scheint die ganze
Ergänzung des Rathes wesentlich in der Hand der Sechsmannen
des abtretenden Rathes gelegen zu haben. S. 101, i heisst es:
Wanne men den rat küset, de minnere del volge dem mereren.
Eschet de minnere del, dat men kese bi eden, dat schal men
don. Keset aver dre enne unde de anderen dre den anderen,
so scolen se ere wisesten to sich nemen, wat de merere del
spreke bi waren worden, des scolde men volgen. Das hier ge-
x) S. 808, Cap. II, Nr. 3.
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— 43 —
schilderte Wahlverfahren bezieht sich ohne Zweifel doch nicht
allein auf die Ergänzung der Sechsmannen, sondern auf die des
Rathes überhaupt. Wer sind nun aber »ere wisesten«, welche
im Falle, dass die Sechsmannen keine Mehrheit erzielen können,
zugezogen werden sollen? Keinenfalls, woran man wol denken
könnte, die übrigen Rathmannen des abtretenden Rathes. Der
alte sowol wie der neue Rath wird in den nächsten Zeilen
erwähnt ; auch das Wort Rathmann ist den Statuten geläufig ; es
wäre wunderlich, wenn auf wenigen Zeilen die Ausdrücke wechsel-
ten, wenn statt eines präcisen Ausdruckes ein weniger präciser
gewählt wäre.
Auch der Rath hat seine »wiseren«, ebenso die Sechsmannen
(Vormünder, provisores) des Berges. Nach einer Einzeichnung
im Kaufleutebuch*) urtheilte im Jahre 1360 der Rath über ein
Marktvergehen ; seine 2 1 Mitglieder werden namentlich aufgezählt,
und dann heisst es: >ok hadden se öre wiseren dar to vorbodet«,
dann folgen 9 Namen. Der § 146 des Bergrechtes besagt, dass,
wenn die Sechsmannen des Berges unter sich keine Mehrheit
erzielen können^), »so scuUet se ore wiseren van den woltluden
to sek beboden laten« , welche dann per majora entscheiden.
Ebenso im § 182: wenn man im Gericht kein ürtheil finden
kann, soll man die Sache vor die Sechse des Berges ziehen;
sind diese nicht einhellig, »so scullen se de woltiude unde ore
wiseren dar to verboden«.
Nach der Analogie von anderen Städten ^) werden wir unter
den »wisesten« erfahrene, vor allem des Rechtes und Herkommens
kundige Bürger zu sehen haben, welche von den Behörden bei
einzelnen wichtigen und schwierigen Fällen als Vertrauenspersonen
ad hoc zugezogen wurden, um die Entscheidung mit herbeizu-
führen und zugleich die Verantwortung mit zu tragen. Die
»wiseren« des Rathes von 1360 gehören alle neun den alten patri-
cischen Familien an. Man könnte daran denken, dass die »wise-
sten« der Sechsmannen, welche bei der Ergänzungswahl des Rathes
i) Vaterland. Archiv 1841, S. 32.
') Von ihnen heisst es § 144: dar se in rades wise sin.
^) Vgl. Frensdorff, Die Stadtverfassung Lübecks S. 201 ff.
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— 44 —
thätig werden, die späteren Achtman»en, jene Vertreter der Kirch-
spiele sein könnten. Doch ist dies wenig waibrscheinlich.
Eine Gemeindevertretung gab es zur Zeit der Statuten nicht.
Der Recess *) kennt eine solche unter dem Namen »der gemeine
Rath« oder »die Freunde von Gilden und Gemeinen«. Diese
Vertretung besteht aus den Worthaltem und Tafelherren der
Gilden und aus 20 Personen, welche keiner Gilde angehören,
aber gildefähig sein müssen. Zu diesen 20 Freunden von der
Gemeine zählen die Achtmannen, dann 12 andere Personen,
deren Ergänzung in derselben Weise, durch Präsentation von
Seiten der Sechsmannen des abtretenden Rathes, zu erfolgen hat,
wie die der Achtmannen.
Die Bürgermeister, magistri consulum, erscheinen erst sehr
spät in Goslar, in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts").
In den Urkunden vor 1290 erscheint noch der Vogt an der
Spitze der Rathmannen.
Es ist nicht viel, was die Quellen über die Rathsverfassung
bis zu der Zeit der Statuten ergeben; vor allem fehlen sichere
Nachrichten über die Vertheilung der Rathsstüle an die ver-
schiedenen Classen der Bevölkerung, Patricier, Kaufleute und
Gildegenossen.
Auch über die Gerichtsverfassung dieser Zeit ist keine
vollständige Klarheit zu erzielen 3). Vor allem das örtliche Aus-
einanderbrechen des ursprünglich einheitlichen Vogtsgerichtes in
die sog. grosse und die kleine Vogtei ist in seinem Ursprünge
völlig räthselhaft. Nitzsch wies, wie W. S. 72 erinnert, daraufhin,
dass vom Markte aus die börgerlich-kaufmännische Selbständigkeit
den Reichsvogt überhaupt in die Königsstadt über die Abzucht
(trans aquam) zurückgedrängt habe. Das ist aber auch nur eine
i) S. 804, Cap. I, Nr. 7 und S. 8q8, Cap. II, Nr. i— -3,
*) 1382 wie es scheint zuerst, Walkenrieder U. B. 2, Nr. ^78 (Heinec-
cius S. 358). Vgl. Göschen S, 515.
3) Vgl. Göschen S. 367 ff., Wolfstieg S. 71 ff. und vor allem auch
Planck, Das deutsche Gerichtsverfahren im M. A. i, S. 30 ff., mit deren
Ausführungen ich aber nicht in allen Punkten überein^tioan^en kann. Göschen
und Planck scheinen mir darin zu fehlen , dass sie di$ zeitlich auseinander-
liegenden Zeugnisse promiscue verwenden.
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— 45 —
Hypothese und, wie ich glaube, keine richtige. Ganz irrig sind
aber die weiteren Consequenzen, welche W. an sie anknüpft. Er
meint, der Rath habe zuerst um die Wende des 12. und 13. Jahr-
hunderts das Marktgericht durch einen eigenen Beamten, den
Marktvogt, haken lassen; allmälig hätten die Bürger auch Fälle
anderer Art vor sein Forum gebracht, die seine Competenz ge-
wohnheitsmässig erweitert hätteln. Damit wäre die Gerichtsbarkeit
des Vogtes über das Wasser gedrängt gewesen. Das sind alles
unerwiesene Behauptungen, in welche wieder die irrige Anschau-
ung hineinspielt, dass der Rath 1290 die Besetzung der beiden
Vogteien erworben habe. Hätte sich die Sache so verhalten,
wie W. meint, so wäre der Bezirk des über die Abzucht ge-
drängten Vogtes die kleine Vogtei gewesen. Da diese vom
Rathe erst 1348 erworben wurde, so versteht man gar nicht,
was er 1290 erworben haben soll, wenn sein Beamter, der Markt-
vogt, schon vor diesem Jahre das Gericht auch über andere
Sachen als Marktvergehen diesseit des Wassers abhielt.
Das Privileg des Jahres 12 19 zeigt den Vogt noch in voller
richterlicher Thätigkeit für den ganzen Bezirk (vgl. besonders
Göschen 114, :^6); die Gerichtsstätte ist in palatio imperii(ii4, 12)
also trans aquam. Der Rath hatte damals nur die Marktgerichts-
barkeit und vielleicht (s. oben) die der Fax dei. Der Vogt hat
vier Unterrichter, judfces civitatis (114, 8), unter sich (nicht mehr
darf er haben), welche die Bürger (der Rath) wählen, welche
aber der Vogt gewältigt (statuit 114, 37) 0. Dass die Compe-
tenz dieser Unterrichter örtlich geschieden gewesen, ist nirgends
gesagt. Aber möglich, dass eine solche örtliche Geschäftsver-
theilung allmälig Platz griff, vielleicht nach den vier Hauptkirch-
spielen; das lag ja nahe. Diese Unterrichter Hessen sich also wol
den Gogreven des Landrechtes vergleichen. Vielleicht erklärt sich
hieraus das örtliche Auseinanderbrechen des ursprünglich einen Ge-
richtsbezirks. Wie der Rath die ihm zustehende Gerichtsbarkeit
damals verwaltete, wissen wir nicht; von einem eigenen Beamten
(»Marktvogt«) ist nicht die Rede. Am wahrscheinlichsten scheint
mir, dass ein Rathmann sie besorgte.
i) Schon 1186 treten zwei solcher judices auf, s. oben S. 34 Anm. 3.
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- 46 -
Die zeitlich nächste Quelle »), das von W. S. 94 zum ersten
Male herausgegebene Statut von 1290, zeigt die Einheit des Ge-
richtes schon gebrochen; es spricht zum ersten Male von einem
»Judicium trans aquam«, welches »in tali jure« bleiben soll, wie es
früher war. Das Statut ist erlassen, nachdem die Stadt die (grosse)
Vogtei erworben hatte. Die Bestimmung über Erhaltung des
Gerichtes trans aquam ist, wie ich mit W. annehme, eine Con-
cession an die Montanen. 12 19 bestand dieses Gericht als selb-
ständiges Gericht noch nicht, sonst wäre es sicher doch in dem
betr, Artikel der Urkunde (115, 31: Haec sunt jura silvanorum
u. s. w.) angeführt worden 2). Ist die Vermuthung richtig, dass
der Fortbestand dieses Gerichtes von den Montanen gefordert
wurde, so muss unter demselben das später sog. Berggericht,
von welchem das Bergrecht 3) handelt, und kein anderes, ver-
standen werden. In dem Bergrechte haben die Montanen von
der ihnen durch das Statut von 1290 vorbehaltenen Autonomie
Gebrauch gemacht. Der Bezirk dieses Berggerichtes, welches
regelmässig auf dem Rammeisberg*), für besondere Fälle aber
vor dem Münster ^ j gehalten wurde, ist örtlich abgeschlossen ; seine
Grenze gegen die Stadt ist die Abzucht^), es ist also recht
eigentlich ein Gericht trans aquam. Seine Competenz erstreckt
sich nicht etwa nur auf Streitfalle, welche sich aus den beson-
deren Verhältnissen des Berg- und Hüttenbetriebes, der ver-
schiedenen Arbeiterklassen zu dem Lohnherrn ergeben, sondern
auch auf Geldschuld und Friedebruch, kampfwürdige Wunden
i) Haenel in der Zeitschrift für Rechtsgesch. i, 274 Anm. 2 will die
Statuten früher, vor 1283, ansetzen nach einem argumentum e silentio. Da-
gegen scheint mir ihre Abfassung nach 1290 sichergestellt durch den Satz
84,9: Welken voget de rat sat, de schal deme rade vorwissenen de len to
gevende.
*) Möglich, dass schon damals einem der vier Unterrichter des Vogtes
der örtliche Bezirk des späteren Gerichts über Wasser zugewiesen war.
3) Hrsg. von Schaumann im Vaterland. Archiv 1841, S. 268 fF.
4) Bergrecht § 2.
5) § 113 — 115. 196. Vor das Münster wird geladen um alle stuke de
des berges not hetet. Vgl. § 124, 127, wo die Rede ist von Verfestung
wegen Todtschlags, kampfwürdiger Wunden und des Berges Noth.
') § 130.
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— 47 —
und Todtschlag^), Hier hat das Fortbestehen dieses Gerichtes
für die Montanen die hohe Bedeutung, dass der von einem
anderen Bürger verklagte Montane nicht auf dem Markte, sondern
auf dem Berge von seinen Genossen gerichtet wurde. Der Richter
im Berggerichte heisst auch der Bergmeister «) ; wer ihn zur Zeit
der Abfassung des Bergrechtes setzte, erhellt aus diesem nicht 3).
Möglich, dass sich dieses Amt aus den Functionen eines der vier
Judices des Jahres 1219 entwickelt hat. Im Bergrecht ist auch
§ 121 der Fall vorgesehen, dass es mehrere Bergrichter geben
könne, und dass das Amt verlehnt wird : Is wol mer berchraester
gesät eder belenet mit deme gerichte wen en, on allen weddet
doch en man en wedde um ene sake. In der That finden sich
in Urkunden aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts zwei judices
montis^).
In den Statuten wird 82 , 35 eine allgemeine Scheidung
anscheinend zweier Gerichte angegeben : Dat grote gerichte unde
dat lütteke dat schedet sich af jene sit der Aghetucht to deme
Rammesberge wort. Zunächst scheint nichts im Wege zu stehen
unter letzterem das Judicium trans aquam des Statuts von 1290,
das spätere Berggericht zu verstehen. Auch die Identificirung
desselben mit der »advocacia minor ultra aquam, der lutteken
i) Des genaueren kann ich auf die Competenz der verschiedenen Ge-
richte der späteren Zeit nicht eingehen, muss im aUgemeinen auf Göschen
verweisen, welcher vor allem schon darthut, dass die Gerichte vielfach ein-
ander, aushalfen. Auch das Bergrecht § 17 zählt eine Anzahl von Fällen auf,
die sowol in dem Berggerichte wie >in der stad gerichte« angebracht werden
können.
*) § I De richter des Rammesberges de ok wol het en berchmester.
Schon in den 50er Jahren des 13. Jahrhunderts begegnet dominus Thidericus
berchmester, also ein Ritter, Zeitschr. des Harzvereins 1872, S. 468.
3) Im Jahre 1471 setzte ihn der Rath und er schwor diesem, s. Vater-
land. Archiv 1841, S. 340. Das beweist natürlich nichts für die frühere Zeit.
4) Walkenrieder U. B. 2, Nr. 680, S. 290 Nr. 107, und Nr. 722 aus
den Jahren 1306. 1309. 13 10. Auf einen ähnlichen Fall weist hin R. Schröder
in seinem so sehr lehrreichen Aufsatze *Die Gerichtsverfassung des Sachsen-
spiegels' , Zeitschr. für Rechtsgesch. 18, S. 64 Anmerkung: in der Graf-
schaft Regenstein sollen 1270 zwei Gogrefen ernannt werden, zusammen
richten und zusammen die Wedde beziehen.
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- 48 —
vogedie«, welche bis 1348 der Graf von Regenstein als Reichs-
lehen besass und in diesem Jahre dem Rathe verkaufte, ist nahe-
liegend. Der Graf von Regenstein hätte demnach also bis zum
Jahre 1348 die oder den Bergrichter gesetzt.
Besondere Schwierigkeiten erwachsen nun aber dieser Deu-
tung sowol als der Darstellung der Goslarischen Gerichtsver-
fassung überhaupt aus dem Umstände, dass die Statuten an
mehreren Stellen von mehreren kleinen Gerichten und von
mehreren Gerichten über Wasser, dann auch noch von anderen
besonders bezeichneten Gerichten reden. Mehrere kleine
Gerichte werden erwähnt 27, 30: Dat moste eme de scultechte
wol kündighen in der lüttiken richte emme; 61, 30: Nen voghet
ne scal der veste in den lütteken richten staden .... scude
aver en vredebrake in der lüttiken richte emme'). — Mehrere
Gerichte über Wasser erscheinen 65, 27: In den richten
over deme watere dar scal de voghet oder sin bodel besetten.
Weiter heisst es 52, 16: Welk man in den richten over deme
watere oder up deme hove nicht vore ne kumt. Aus letzterer
Stelle zu schliessen, dass es mehrere Gerichte »over deme watere«
sowie mehrere »up deme hove« gegeben, ist man wol nicht ge-
nöthigt. Auch die in der zweiten Stelle erscheinenden mehreren
Gerichte »over deme watere« kann man mittels der letzten Stelle
auf zwei reduciren. Denn der »hof« ist doch zweifellos der Pallas,,
das Kaiserhaus, und dieses liegt eben auch über dem Wasser.
Mit dem Gerichte over deme watere schlechtweg wäre dann hier
die kleine Vogtei, das Berggericht gemeint.
Noch andere Gerichte enthüllt eine andere Stelle 35, 19:
i) Zu bemerken ist, dass in beiden Stellen die Hds. B, welche nach
Göschen die älteste Redaction enthält, nicht den Plural, sondern den Singular
hat; noch zweifelhafter ist die Sache 92, 16 auch durch die Lesart von A. —
Auch im Bergrecht § 134 ist von mehreren kleinen Gerichten die Rede:
De lütteken richte scal me bliven laten bi sodanem rechte alse de weren er
se de rad kofte. Dieser Satz scheint mir die Annahme der Abfassung des
Bergrechtes nach dem Jahre 1348 sicherzustellen. Zur Bestimmung der
Abfassungszeit kann wol auch die dreimalige merkwürdige Erwähnung des
Namens des sog. Fronknechtes dienen, § 92. 196. 198: alse Bernd nu is,
wan he mit Bernde geit. Fast möchte man diesen Bernd auch für den Ver-
fasser halten.
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— 49 —
Were ene anverdighet (thätlich angreift) mit vredebrake in
emme gherichte, mit den dar he de anverdighinghe in deme
gherichte mede irtüghen mach, mit den selven.irtüghet he wol de
in den anderen gherichten unser stad unde up deme
hove unde up der Reperestraten. Hier werden also
mehrere Gerichte der Stadt dem Gerichte auf dem Hofe und
dem auf der Reperstrasse gegenübergestellt. Da es hier doch
wol auf erschöpfende Aufzählung abgesehen ist und die lutteke
vogedie over deme watere (das Berggericht) bis 1348 kein Ge-
richt der Stadt war, so scheint es das natürlichste, das Gericht
auf der Reperstrasse mit jener zu identificiren. Ich trage aber doch
Bedenken, diese Identität zu behaupten , und muss das Gericht auf
der Reperstrasse für ebenso dunkel erklären, wie alle Vorgänger;
nicht einmal der Strassenname ist in Goslar bis jetzt nachgewiesen.
Jedenfalls aber war es ein Gericht, welches zur Zeit der Abfassung
der Statuten noch nicht in den Besitz der Stadt gelangt war.
Lütteke gerichte waren wol alle die verschiedenen, die wir
seither kennen gelernt; über dem Wasser lagen sicher ihrer zwei.
Das eigentiiche Stadtgebiet diesseit der Abzucht dürfte also der
Bezirk des grossen Gerichtes gewesen sein , der grossen Vogtei,
welche der Rath 1290 erworben hatte. Spricht nun die zuletzt
angezogene Stelle 35, 19 von mehreren Gerichten der
Stadt, so fragt es sich, ob solche in örtlicher Geschiedenheit
etwa diesseit der Abzucht bestanden haben, oder ob hier die
nach Competenz geschiedenen Gerichte verschiedener Beamten
gemeint sein können.
Die Statuten nennen ausser dem grossen Vogte zunächst
den Vogt in deme lutteken richte, dessen Gewedde auf
30 kleine Schillinge (84, 28) angegeben wird. Wenigstens an einer
Stelle 65, 36 wird dann aber eine Mehrzahl von kleinen Vögten
genannt: Weigherde de scultechte emme rechtes, des scal de
voghet richtere sin ; weigheret de voghet emme rechtes oder der
lutteken voghede en, dat sal men soken an deme rade'). Unter
1) An einer anderen Stelle 98, 28, wo es auch auf erschöpfende Auf-
zählung abgesehen ru sein scheint, wird dem grossen Vogte und dem Schult-
heissen nur ein Vogt in einem kleinen Gerichte gegenübergestellt.
Hansische Geschichtsblätter. XIV. 4
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— 50 —
dem lütteken voghet schlechtweg, dessen Wedde angegeben wird»),
darf man wol den Richter der advocatia trans aquam, des Berg-
gerichtes verstehen. Da wir nun wissen, dass es zeitweise und
zwar gerade in der Zeit, wo vermuthlich die Statuten entstanden
sind, im Anfange des 14. Jahrhunderts, zwei judices montis gab,
so klärt sich die Mehrzahl 65, 36 ganz passend auf*).
Weiterhin kommt das Amt des Schultheissen in Betracht.
Nach der allgemein recipirten Ansicht soll es nur einen gegeben
haben. In dem Statute von 1290 (Wolfstieg S. 94) heisst es
aber: Item nulli burgenses civitatis per sculthetos extra forum
sunt citandi, sed hospites et alieni possunt citari^). Zwei Schult-
heissen lassen sich dann auch urkundlich im Jahre 1272 nach-
weisen: der Graf von Woldenberg bekundet, dass er dem
Kloster Walkenried ein Viertel der Cäcilienkapelle verkauft
und coram judicibus in Goslaria aufgelassen habe*, unter den
Zeugen an erster Stelle Hirzo advocatus, Thancmarus et Ber-
toldus sculteti"*).
Auch in den Statuten finden sich Spuren einer Mehrzahl
von Schultheissen 5). Was ist nun natürlicher, als diese Schult-
heissen in directer Descendenz von den vier judices des Jahres
12 19 abzuleiten^)? Der Name bildet kein Hinderniss. Wenn
z) Den Bergmeister hat allerdings nach dem Bergrechte § 118. 119. 132
nur zwölf Schillinge Goslarscher Pfennige Wedde. Da das Bergrecht aber
um einige Jahrzehnte später anzusetzen ist als die Statuten, die Stadt auch
damals schon das Berggericht erworben hatte , und »die Münzverhältnisse
schwankend waren, so kann ich diese Verschiedenheit des Geweddes nicht
für einen maassgebenden Einwand halten.
*) Anderenfalls bliebe nur der Ausweg, anzunehmen, dass auch die
Gerichte auf dem Hofe und in der Reperstrasse ihre eigenen Richter gehabt,
welche dann auch mit dem Namen der kleinen Vögte bezeichnet worden seien.
3) Diesem Satze ist der der Statuten 63, 7 nachgebildet: De scultheten
ne möten nenne borghere noch ere ghesinde wenne up dem markede vore
beden. Diese Nachbildung nimmt der Stelle die volle Beweiskraft für die
Zeit der Statuten. Heisst es 75, 39: ne weide men den voghet oder de scul-
techten up de were nicht laten, so könnte de leicht für den verschrieben
sein. Aehnlich 30, 23.
♦) Walkenrieder U. B. i, Nr. 414, leider nur im Auszuge.
5) S. Anm. 3.
^) Den causidicus der Urk. von 1219 (Göschen. S. 112, 16) halte ich
nicht für den Schultheissen, sondern für den Fürsprech.
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— 51 —
R. Schröder*) neuerdings bemerkt hat: »Der Schultheiss des
sächsischen Stadtrechts ist der Gogrefe des Landrechtes«, so sehe
ich nicht ein, weshalb Goslar hier eine Ausnahme machen soll.
Der Unterschied von anderen Städten war nur der, dass Goslar
ursprünglich vier solcher städtischen Gogrefen besass, jedenfalls
weil einer die Fülle der Rechtsfalle des volk-, gewerb- und indu-
striereichen Platzes nicht bewältigen konnte. Ihre Zahl ver-
ringerte sich zunächst um einen (oder vielleicht zwei?) dadurch,
dass das Gericht des Bezirkes over deme watere eigens verlehnt
wurde, wie das ja auch bei einzelnen Goschaften auf dem Lande
vielfach vorgekommen ist : der kleine Vogt geht, wie schon oben
wahrscheinlich gemacht ist, auf einen der vier judices zurück*).
Weshalb in der Folge eine weitere Verringerung der Zahl der
Schultheissen stattfand, sodass zur Zeit der Abfassung des Stadt-
rechtes die Einzahl die Regel war und später blieb, lässt sich
kaum vermuthen. Die Geschäftslast war sicher nicht verringert,
denn Goslar erreichte im Anfange des 14. Jahrhunderts die
Blütezeit städtischen Lebens. Möglich aber, dass der Erwerb
der grossen Vogtei durch den Rath im Jahre 1290 die Verände-
rung hervorrief. Der grosse Vogt war jetzt Beamter der Stadt
und konnte als solcher zweifellos mehr in Anspruch genommen
werden als in seiner früheren Stellung, wo er Afterlehnsträger
des Reiches war und einem Herrengeschlechte angehörte. Er
mochte jetzt wieder mehr zum Vorsitze auch im Niedergerichte
herangezogen werden, die Anstellung eines zweiten Schultheissen
somit überflüssig erscheinen.
Die Gerichte der Stadt in den Statuten (35, 19) sind also
das Gericht des grossen Vogtes und das des (oder der) Schult-
heissen. Ob in der Zeit, wo es mehrere Schultheissen gab, deren
Competenzen örtlich geschieden waren, erhellt nicht. Gab es nur
einen Schultheissen, so beziehen sich seine Functionen ohne Zweifel
auf den ganzen Bezirk des grossen Vogtsgerichtes ^). Diese Func-
x) A. a. O. S. 58.
*) Auch R. Schröder sagt S. 58 Anna, i, der kleine Vogt scheine an
die Steile des Gogrefen getreten zu sein.
3) Anders deducirt Göschen S. 375 aus 67, 37 (In allen steden binnen
sime ghe richte mach de scultechte pant upbeden, sunder in kerken unde up
4*
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- 52 -
tionen waren nach den Statuten einmal die eines selbständigen
Vorsitzenden in einem Gerichte über bestimmte Sachen und Per-
sonen (wesentlich das Niedergericht über Gäste) *), dann aber —
und das unterscheidet den Goslarischen Schultheiss von dem
Gogrefen, stellt ihn dem fränkischen Schultheissen (Centenar)
gleich — die eines Unterbeamten des Vogtes, des Gerichtsvoll-
ziehers «). Letztere Qualität überwog wenigstens nach den Statuten
sehr die richterliche 3) ; es wäre aber nicht unmöglich, dass der
Schultheiss erst nach 1290 wieder das Niedergericht über die
Bürger eingebüsst hätte.
Auffallend ist nun, dass der Schultheiss nach den Statuten
73, 9 die drei echten Dinge abzuhalten hat und zwar unter
Königsbann. Alle Hauseigenthümer *sollen nach 73 , 7 die
drei echten Dinge suchen. Planck S. 31 sieht darin einen
»Beweis der verschwundenen Bedeutung der allmälig wohl zur
blossen Formalität herabsinkenden echten Dinge«. Wolfstieg
S. 74 genügt das als Erklärung nicht, und er stellt daher die
kühne Hypothese auf, dass der Schultheiss der Vorsteher der
alten freien Gemeinde gewesen sei und als solcher nochimmer
die echten Dinge abgehalten habe. Davon kann natürlich keine
Rede sein; aber auch die Bemerkung Planck's genügt nicht zur
Erklärung der Entstehung der auffallenden Erscheinung: Wie
kommt der Schultheiss zum dauernden Vorsitze im echten
Dinge ?
Die Fortdauer der drei echten Dinge hängt offenbar zu-
sammen mit dem auch noch in den Statuten 26, 33 anerkannten
Erfordemiss, dass die Auflassung von Eigen nur vor Gericht
gewigheden kerkhoven. Dat selve mach men in anderen richten don), dass
das Gericht des Schultheissen ein local abgegrenztes gewesen sei. Die Stelle
halte ich nicht fär beweiskräftig, und auch Planck S. 31 theilt die Ansicht
Göschen' s nicht
1) S. Göschen S. 375 und Planck S. 31.
*) So auch R. Schröder S. 58 Anm. i ; vgl. S. 62. Auch die judices
des Jahres 121 9 haben die Function des Gerichtsvollziehers, wie aus dena
Artikel über die Haussuchung 114, 5. hervorgeht.
3) Aus dieser seiner untergeordneten, dem Büttel nahestehenden Thätig-
keit erklärt Planck S. 31 das geringe Gewedde von 4 kleinen Schillingen»
welches die Statuten 84, 27 dem Schultheissen zuweisen.
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— 53 —
erfolgen könne ; nach altem Rechte konnte das bekanntlich nur im
echten Ding unter Königsbann geschehen. In einer besonderen
Aufzeichnung über das Amt des Schultheissen (Göschen
S. HO, 6 — 42), die in einer Handschrift der Statuten erhalten
ist und nach der Reihenfolge in derselben vermuthlich dem Ende
des 14. Jahrhunderts angehört^), wird gleichfalls erwähnt, dass
der Schultheiss, »unde nicht de voghet«, dreimal im Jahre unter
Königsbann dinge; der Schultheiss, »unde nicht de voghet«, soll
richten über Haut und Haar, soll in die Overhöre kündigen und ver-
festen »in der richtestat dar he dinget under koniges banne « .
Es folgen weitere Bestimmungen über das Gericht des Schult-
heissen, welche sich, wie mir scheint, doch nicht sämmtlich auf
das echte Ding beziehen, dann auch scdche über die executiven
Functionen des Schultheissen. Weiter der Artikel: De schultete
schal eghenen unsen borgheren ervegud, hus unde hoff ichte
ander erve, beleghen in unser stad gherichte, unde vrede werken
alse recht is. Aver dat scholde he don mit witschup unde van
betendes weghen des rades. Der Schultheiss ist also der Vor-
sitzende des Gerichtes, in welchem die Auflassung stattfindet,
und dass damit das echte Ding gemeint sei, das er dreimal im
Jahre unter Königsbann abhält, ist wohl nicht zweifelhaft.
Zu den Erfordernissen des echten Dinges gehört bekanntlich
auch die echte Dingstatt. Diese war aber für Goslar in palatio
imperii , wo allein nach der Urkunde von 1 2 1 9 die Bürger zu
Gericht stehen sollen. Hier sass also der kaiseriiche Vogt dem
Gerichte vor, mochten seine Unterrichter vielleicht auch an
anderen Orten der Stadt Gericht in causis minoribus abhalten.
In den Statuten aber wird das Gericht des grossen Vogtes
zweifellos regelmässig unter der Rathhauslaube abgehalten «). Das
1) S. Göschen S. IX.
*) Vgl. 52, 9. 14. 24; 60, 39. Unter der Laube hält dann vermuthlich
auch der Schultheiss gewöhnlich sein Gericht ab. Wenn Karl IV. 1351 den
Btlrgem das Priyilegium de non «vocaado .bestätigt mit Ausnahme des Falles
»quod actoribus et impetentibus eos coram imperiali adrocato et imperiali
civitatis ejusdem palatio justicia denegata fuerit«, so hat diese Erwäh-
nung der alten Diugstatt wol nur den Werth einer historischen Reminiscenz ;
Heineccius S. 349. Dass das gebotene Ding auch anderswo gehalten werden
kann, als in der Laube, zeigen Statuten 62, 21. 31.
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— 54 —
Gericht des Vogtes ist also nicht vom Markte, wie Nitzsch
meinte, über das Wasser gedrängt, vielmehr von daher auf den
Markt gezogen worden. Hier findet jetzt regelmässig auch die
Klage auf Ungericht, die Klage, welche an Hals und Hand geht,
statt. Ich vermuthe nun, dass das echte Ding nicht auf den
Markt gezogen worden ist, denn hier war keine echte Dingstatt;
es ist nach wie vor vor dem Kaiserhause abgehalten worden ; es
kann daher eines der kleinen Gerichte, eines der Gerichte über
Wasser sein ; es ist wohl identisch mit dem Gericht up deme
hove. Die oben angeführte Stelle aus dem Aufsatze über das
Schultheissenamt scheint das zu erhärten: an der Dingstatt, wo
der Schultheiss unter Königsbann dingt, kann er auch über
Haut und Haar richten und verfesten. Das ist sicher local zu
fassen: hält er an anderer Dingstatt Gericht (z. B. unter der
Laube), so kann er das nicht. Er hat also eine besondere Ding-
statt, wo er unter Königsbann richtet. Da scheint doch das
Nächstliegende zu sein, dieselbe mit der alten echten Dingstatt
zu identificiren.
Warum aber hält der Vogt nicht mehr das echte Ding ab,
wie seines Amtes gewesen wäre? Die oben angefahrte Auf-
lassung eines Theiles der Cäcilienkapelle 1272 ist vermuthlich
noch vor dem Vogte erfolgt, der vor zwei Schultheissen als erster
Zeuge der Urkunde erscheint. Die Veränderung des Vorsitzes
im echten Ding würde demnach in den Zeitraum von diesem
Jahre bis zur Abfassung der Statuten, Anfang des 14. Jahr-
hunderts, fallen. In diesen Zeitraum fallen, wie ich glaube, zwei
für die Goslarsche Gerichtsverfassung wichtige Ereignisse : erstens
die Belehnung des Herzogs von Sachsen mit dem Amte des
Vogtes und die Verafterlehnung dieses Amtes an den Grafen
von Woldenberg '), zweitens im Mai 1290 der Erwerb des Amtes
x) Der Erwerb dieses Lehens durch den Herzog von Sachsen föUt doch
wol in die Zeit, als er zuerst (1277) zusammen mit dem Herzog von Braun-
schweig, dann (1279) zusammen mit den Markgrafen von Brandenburg von
König Rudolf mit der Reichsverweserschaft über die Städte Lübeck, Goslar,
Mühlhausen und Nordhausen sowie über alles, was das Reich noch in Sachsen
und Thüringen besass, ernannt wurde; s. U. B. der Stadt Lübeck i, S. 353.
369. Das Verhältniss, in welchem die Fürsten zu den Reichsstädten standen,
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— 55 —
durch den Rath. Durch das erstere Ereigniss musste die Stellung
des Vogtes zu dem Rathe und der Bürgerschaft eine ganz andere
werden, als sie früher war. Früher war der Vogt, wenn auch
königlicher Beamter, doch ein Bürger gewesen; jetzt war es ein
auswärtiger, wenn auch der Stadt benachbarter und vielfach
verbundener Graf; denn dass er die Vogtei weiter verlehnt habe,
zeigt sich nicht ^). Sein persönliches richterliches Eingreifen
möglichst zu beschränken, lag zweifellos im Interesse der Bürger-
schaft. Andererseits mochte der vielfach auswärts weilende und
beschäftigte Graf selbst gerne zu einer Vertretung die Hand
bieten. Auf diesem Wege mochte es geschehen, dass die Ver-
tretung des Vogtes durch den Schultheiss in weiterem Umfange
eintrat und dauernd wurde , vor allem gerade bei dem echten
Ding, dessen Abhaltung zu bestimmten Zeiten dem auswärts
weilenden Grafen unbequem sein mochte. Der Goslarsche Schult-
heiss, der ja eigentlich eine andere Abstammung hatte, bekam
dadurch die Stellung des Schultheissen des sächsischen Land-
rechtes, der ja schon in der ersten Hälfte des 13. Jahr-
hunderts den Grafen »nicht nur im Gericht über Hals und
Hand, sondern auch wo es sich um Eigen handelte zu vertreten
vermochte *)< .
Als die Stadt dann 1290 die Vogtei erkaufte und der Rath
nun wieder Vögte aus der Bürgerschaft ernannte, da mochte,
wie ich oben schon bemerkte, der Schultheiss wieder manche
Seite seiner richterlichen Thätigkeit einbüssen; der Vogt wird sich
jetzt weniger oft im Vorsitze des Niedergerichtes durch den
als Vogtei zu bezeichnen, ist durchaus uncorrect. Als Vertreter des Königs
hatten sie zweifellos den Vogt in Goslar zu ernennen. Unabhängig von
diesem Verhältnisse ist dann noch der Erwerb der Vogtei als Reichslehen
durch den Herzog von Sachsen. Beides aber in diese zeitliche Verbindung
zu bringen, liegt nahe.
x) Denn es ist wohl kein Zufall, dass von 1272 an bis über 1290 hinaus,
also eben in der Zeit, wo, wie ich vermuthe, die Woldenberger die Vogtei
als Reichsafterlehen besassen, kein Vogt in Goslarschen Urkunden erscheint.
Erst 1302 finde ich wieder Johann von Barum als solchen; Lüntzel, Aeltere
Diöcese Hildesheim S. 415.
s) Vgl. R. Schröder S. 66 und die daselbst Anm. 4 angeführten
Beispiele.
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- 56 -
Schultheissen haben vertreten lassen. Dass aber trotzdem dem
letzteren die Abhaltung des echten Dings verblieb, mag einmal
seinen Grund darin gehabt haben, dass die Auflassungen, derent-
wegen das echte Ding zunächst allein noch abgehalten wurde,
in der That eine blosse Formalität geworden waren*), welche
man ohne Bedenken dem niederen Beamten überlassen konnte.
Noch ein anderer Grund kommt aber vielleicht hinzu. Aus
einigen Stellen der Statuten ergibt sich nämlich, dass der grosse
Vogt den Königsbann nicht immer eingeholt hat. Zweifelhaft
kann die Sache sein 83, 8: Welk voghet deme rike nicht ge-
huldighet ne heft, de scal tüghen mit sinerae ede, de deme rike
ghehuldeghet hevet, de scal tüghen bi des rikes hulden. Hier
könnte mit dem zuerst erwähnten der kleine Vogt gemeint sein;
einfacher wäre der Gegensatz aber doch auszudrücken gewesen.
Eine andere Stelle 92, 8 stellt aber die Sache klar: Wur men
mit gherichte enne tüch don schal, dar schal de voghet vore
sweren oder de schultechte up den hilleghen , dat de sake also
si . . . . Heft aver de voghet deme rike ghehuldighet, so schal
he tüghen bi des rikes hulden. . . . Welk voghet in den lütteken
richten voghet is, wanne de tüghen schal, de schal sweren up
den hilleghen liker wis alse de dinglüde. Die Bestimmung
scheint nicht allein den Fall im Auge zu haben, dass etwa der
grosse Vogt vom Rathe ernannt ist und noch keine Zeit gefunden
hat, den Königsbann einzuholen; sie scheint vielmehr als Regel
vorauszusetzen, dass der Vogt dem Reiche nicht gehuldigt hat.
Irre ich nicht, so ist diese Unterlassung ein Stück städtischer
Politik gewesen. Nachdem der Rath die Vogtei erworben, konnte
ihm schwerlich mehr viel daran liegen , ob sein Beamter den
x) Indem der vor dem Rath geschlossene Contract bindend war (s. oben
S. 23 Anm. i) und die Auflassung, wenigstens nach dem Aufsatz über das
Schultheissenamt , nur mit Zustimmung des Rathes erfolgen darf. Schon in
den Statuten 25, 35. 26, 17. 27, 15 ist beim 'Eigenen' und 'Friede wirken*
die Gegenwart zweier Rathmannen im Gerichte erforderlich. Der Keim hierzu
.liegt schon in der oben angeführten Bestimmung des Jahres 12 19. Aus dies^
Qualität des echten Dings, wesentlich als Gericht über Erbe und Eigen, erklärt
sich wohl auch der Satz der Statuten 27, 30, dass 4er Schultheiss Jemanden,
der einen Anderen in der Ersitzung eines Erbes gestört hat , in einem der
kleinen Gerichte zur Verantwortung ziehen soll.
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— 57 —
Königsbann einholte und dem Reiche Hulde schwor. Die For-
malität machte nur Unkosten. Der in Sachsen seit Rudolf von
Habsburg schwindende Einfluss der Reichsgewalt leistete einer
solchen Politik nur Vorschub. So mag das einige Jahrzehnte
gegangen sein. Da versuchte Ludwig der Baier, der noch einmal
zeitenweise wenigstens auch hier im Norden der Reichsgewalt
Einwirkung zu verschaffen wusste, im Jahre 133 1 die gestörte
Ordnung wiederherzustellen'). Indem er den Goslarem erlaubt,
sich ihrer Widersacher mit Gewalt zu erwehren, wenn dieselben
nicht zu Recht stehen wollen, erinnert er sie daran, dass sie
Glieder des Reiches seien, welche sich nicht in Widerspruch zu
dem Haupte setzen dürften, und befiehlt : vobis . . . damus firmiter
in mandatis, quatinus advocatus vester presens vel futurus judicia
et edicta in districtu predicto celebranda sub banno imperiali
judicet et edicat temporibus in futuris. Durch dieses Mandat
wird die obige Stelle der Statuten passend erläutert. Ob dem
Befehle des Königs lange nachgekommen wurde, ist allerdings
eine andere Frage.
Der eingerissene Missbrauch, dass der Vogt den Königsbann
nicht einholte, hat es dann jedenfalls erleichtert, dass der Schult-
heiss auch nach dem Jahre 1290 den Vorsitz im echten Dinge
behielt, den er, wie wir vermutheten, vor diesem Jahre als dauern-
der Stellvertreter des Grafen von Woldenberg schon eingenommen
hatte. Ja der Umstand, dass man hier keine Aenderung eintreten
liess, mochte die Thatsache, dass der Vogt den Königsbann nicht
erworben hatte, einigermaassen verschleiern. Denn dieser galt
damals nur noch für erforderlich im echten Dinge beim Gericht
über Erbe und Eigen. Der Schultheiss hatte dieses unter Königs-
,bann gehegt, solange er der Stellvertreter des mit dem Königs-
banne beliehenen Grafen von Woldenberg gewesen war. Beliess
man ihm diesen Vorsitz, auch nachdem sein Vorgesetzter ein
Richter ohne Königsbann war, so konnte wenigstens die Fiction
Platz greifen, dass das alte Verhältniss fortdauere, dass der
Schultheiss, der ja auch früher nicht persönlich mit dem Königs-
banne beheben war, unter Köjtiigsbann im echten Dinge richte.
x) Urk. bei Heineccius S. 337.
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- 58 -
So klärt sich auch der Widerspruch in den Statuten auf, dass
der Nichterwerb des Königsbannes durch den Vogt als Regel
angenommen und doch ohne Weiteres erklärt wird, der Schult-
heiss dinge dreimal im Jahre unter Königsbann»).
Schliesslich sei noch zweier weiterer Gerichte wenigstens
Erwähnung gethan: des echtenForstdinges und des sog.
Zehntgerichtes. Ersteres wird schon erwähnt in der sog.
Bergordnung des Herzogs Albrecht von Braunschweig vom Jah i;e
1271*), dann im Bergrechte § 180 unter Benutzung der Berg-
ordnung; eine Anzahl Urtheile und Weisthümer desselben aus
den Jahren 1321 bis 1353 hat Leibniz^) aus einer Handschrift
des Bergrechtes abgedruckt. Das echte Forstding wird dreimal
im Jahre abgehalten, einmal »vor des rikes pallenze«, dann ober-
halb der Viehtrift vor dem Clausthor bei Goslar, das dritte Mal
zu Zellerfeld. Den Vorsitz hat der Förster, der die Nacht vor-
her auf der Försterhufe zugebracht haben muss; seine Wedde
sind acht Schillinge Kaiserpfeunige. Pflichtig dieses Ding zu
suchen ist nach einem Urtheil von 132 1 »iowelk man de sek in
deme wolde unde in deme vorst eirnerde^)«, also die Silvani, die
Hüttenleute und Hüttenherren ; da Berg- und Htittenbetrieb viel-
fach zusammenfiel, also im Ganzen dieselben Leute, für welche
das Bergrecht aufgezeichnet war. Vor allem sollen auch die
x) Nach der obigen Darlegung wird man es nur als einen Irrthum
bezeichnen können, wenn (löschen S. 368 annimmt, dass die Vergleichuug,
welche in dem Aufsatze vom Schultheissenamt zwischen Schultheiss und Vogt
gemacht wird, sich auf den kleinen Vogt beziehe.
*) Bei Wagner, Cod. jur. metallici S, 1022. Das Document ist schwer-
lich in authentischer Fassung tiberliefert. Dass der Herzog diese Ordnungen,
von welchen der grösste Theil in das Bergrecht Übergegangen ist, selbständig,
etwa als Inhaber des Bergzehnten und damit des Bergregals erlassen, wie
ich früher Bode folgend in den Hans. Geschbl. 1884, S. 32 annahm, ist mir
jetzt mehr als zweifelhaft geworden. Der Schluss scheint anzudeuten, dass
wir es hier mit einer gemeinsamen , wohl auf Vertrag beruhenden Ordnung
aller Betheiligten zu thun haben.
3) Scriptores rer. Brunsvic. JII, S. 555 ff.
4) Leibniz a. a. O. S. 555, wo aber irrig 'irverde' steht. Die richtige
Lesart ergibt der Eingang der Bergordnung: den to hulpe de sek in deme
wolde generen.
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- 59 —
sog. Vormünder des Berges (pfovisores montis Rammesberg),
nach ihrer Zähl auch Sechsmannen genannt, im Forstdinge er-
scheinen '). Das Gericht war, wie aus den Urtheilen hervorgeht,
zuständig nur für solche Materien, welche sich aus der Benutzung
des Forstes, der verschiedenen Eigenthtimern angehörte, durch
die Hüttenleute ergeben konnten, vor allem also unrechtmässige
Ausbeutung des Forstes, säumige Zinszahlung und dergl. Wurde
im Forstdinge Einem ein Eid auferlegt oder sollte Jemand ver-
festet werden, so konnte im 14. Jahrhundert wenigstens nur
unter der Rathslaube in nächster Gerichtssitzung geschworen und
verfestet werden. Es erhellt nicht, wer den Richter zu setzen
hatte ; vielleicht waren es drei Förster, welche von verschiedenen
Herren (Goslar, Herzog von Braunschweig), denen der Forst
gehörte, ernannt waren. Im 14. Jahrhundert scheint das Forst-
ding aber ganz in der Hand des Rathes zu Goslar gelegen zu
haben, entsprechend dem Umstände, dass die Forsten meist in
den Besitz der Stadt übergegangen waren; im Jahre 1353 fragt
Einer um ein Urtheil, und da wird geantwortet: Dufse vrage
en is bi langer tid vor deme vorstinge nicht gevraget unde
de rad wel sek darup bedenken wente to deme negesten
vorstinge*).
Ein eigenes Zehntgericht, d. h. ein Gericht in Sachen
des den Herzogen von Braunschweig seit 1235 zustehenden
Zehnten aus dem Rammeisberg, wird, soweit ich sehe, nicht
früher erwähnt als 1359, wo die Stadt von einer Linie des
Hauses Braunschweig die Hälfte des Zehnten mit dem Gerichte
erkauft 3). Dieses Zehntgericht mit dem sog. Berggerichte, von
welchem das Bergrecht handelt, zu identificiren *), scheint mir
x) Bergrecht § 180.
») Leibniz III, S. 558.
3) Urk. im Hercynischen Archiv, hrsg. von Holzmann (1805), S. 423 als
Anlage zu einem in vieler Beziehung sehr instructiven Aufsatze des bekannten
V. Dohm: Goslar, seine Bergwerke, Forsten und schutzherrlichen Verhältnisse,
4) Diess thut z. B. der Zehnter Meyer in seinem Aufzatze im Hercyn.
Archiv (Goslarsche Bergwerksverfassung und Bergrechte im 14. Jahrhundert)
S. 192. 197. Dieser Aufsatz enthält im übrigen sehr schätzbare Erläuterungen
des Bergrechtes.
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— 6o —
völlig unstatthaft, obschon das Berggericht gerade an der Stelle
gehegt wurde , wo die Zehntbank ihren Platz hatte *). Auch
nicht eine Spur in den umfangreichen Bergrechten weist auf eine
Verbindung mit Braunschweig hin; der Zug vom Berggerichte
geht an die Sechsmannen des Berges"). Sehr verständig und
richtig bemerkt gegen diese Identificirung v. Dohm^), dass
Kaiser Friedrich II. 1235 dem Herzoge Otto nur den Zehnten
und keine Gerichtsbarkeit verliehen habe: »aber das Herkommen
scheint allerdings diese mit dem Zehnten verbunden zu haben,
nach der Sitte des Mittelalters, welche jedem mit einem Gute
oder nutzbaren Rechte Beliehenen auch das Recht beilegte, die
wegen desselben entstandenen Streitigkeiten durch ein eigen be-
stelltes Gericht entsdieiden zu lassen c.
Zum Schluss sei noch der Hoffnung Raum gegeben, dass
das baldige Erscheinen des Goslarer Urkundenbuches alle Zweifel
lösen möge, welche über die Raths- und Gerichtsverfassung
Goslars bei dem jetzt vorliegenden Quellenmateriale noch bleiben
jnussten.
x) Bergrecht § 7 und 9.
*) § 182.
3) A. a. O. S. 393. Ganz verwirrt ist dagegen dasjenige, was S. 394 über
die Abhaltung f Dingstatt des Berggerichtes und des Zehntgerichtes, welches
mit dem Ititteken Gerichte identificirt wird, vorgebracht ist.
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III.
ZUR
GESCHICHTSCHREIBUNG
DES
ALBERT KRANTZ.
VON
RUDOLF LANGE.
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JJie Geschichts werke des Hamburgers Albert Krantz ge-
messen grosses und nicht unberechtigtes Ansehen, vor allem
soweit ihr Verfasser darin die Geschichte seiner Zeit erzählt.
Denn Krantz war selbst Politiker, wurde von Lübeck und Ham-
burg häufig zu wichtigen diplomatischen Sendungen verwandt
und konnte sich so- eine gründliche Kenntniss der politischen
Verhältnisse auch ausserdeutscher Länder erwerben. Auch war
er ein scharfer Beobachter, und ein Grund, an seiner Wahrheits-
liebe zu zweifeln, liegt nicht vor. Dass seine Werke oft lange
Auszüge aus älteren Schriftstellern bringen, vieles auch ganz
wörtlich aufnehmen und überhaupt einen etwas kompilatorischen
Charakter haben, ist für die damalige Zeit nichts Auffallendes
und berechtigt, wie längst hervorgehoben worden ist, keineswegs
zu der Meinung, dass seine Werke in ihrem jetzigen Zustande
(sie sind erst nach seinem Tode herausgegeben worden) nur
Materialsammlungen seien, zu deren Bearbeitung er nie gekom-
men sei. Diese Ansicht beruht lediglich auf einer falschen Auf-
fassung der Geschichtschreibung jener Zeit.
Indess das Lob, das dem Hamburger Historiker meist ge-
spendet wird, scheint doch einer Einschränkung zu bedürfen;
denn selbst da, wo er über Dinge handelt, über die er unzwei-
felhaft genau Bescheid wissen musste, giebt er zwar die Haupt-
sachen gewöhnlich richtig an, erzählt aber sonst öfters so dürftig
und ungenau, dass der Leser in manchen Punkten zu irrigen
Ansichten verleitet wird; ja, mitunter berichtet er, wenn auch
in minder wichtigen Dingen, geradezu Unrichtiges. Es lässt
sich dies an verschiedenen Stellen aus dem 13. und 14. Buch
seiner Wandalia nachweisen.
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- 64 —
1. Krantz' Bericht über die Rostocker
DomhändeP).
Die Herzöge Magnus II. und Balthasar von Mecklenburg,
die seit dem Tode ihres älteren Bruders Albrecht VI. (1483)
gemeinschaftlich die ganzen mecklenburgischen Lande regierten,
beschlossen, in Rostock ein mit der Universität zu verbindendes
Domkapitel zu errichten. Die Pfarrkirche zu St. Jakob ward zu
dieser Stiftung bestimmt. Die Universität war damit einverstan-
den; auch der Magistrat konnte nichts dagegen einwenden; aber
die Gemeinde wollte von dem Projekte nichts wissen, weil sie
fürchtete, dass dadurch der Einfluss der Geistlichkeit steigen
und ihre Freiheiten beschränkt werden würden. Die Stadt wider-
setzte sich also der Absicht der Herzöge. Diese riefen die Hilfe
des Bischofs von Schwerin an, der nun mahnend und strafend
gegen die Stadt vorging. Diese aber appellirte an den erz-
bischöflichen Stuhl nach Bremen, und die Herzöge wieder
wandten sich nach Rom. Wurde schon dadurch die Stimmung
zwischen Rostock und den Fürsten immer erbitterter, so trugen
noch andere Vorfälle dazu bei, die Feindschaft zu steigern, vor
allem ein durch einen Eingriff des Herzogs Magnus in die Ge-
richtsgewalt der Stadt hervorgerufener nächtlicher Kampf zwischen
den Herzoglichen und den Städtern und das Verfahren der Her-
zöge gegen die an ihrer Küste strandenden Schiffe, für welches
sich die Rostocker dadurch rächten, dass sie einen herzoglichen
Vogt, der schiffbrüchige Güter in Beschlag genommen hatte,
gefangen nahmen und hinrichteten. — Im Verlauf des Streites
bannte der Schweriner Bischof die Stadt; diese aber achtete
nicht darauf, sondern appellirte an Rom. Der Papst aber be-
stätigte — dies geschah noch vor der eben erwähnten Hinrich-
tung des herzoglichen Vogts — am 27. November 1484 die
projektirte Stiftung, und obwohl sich die Rostocker auch jetzt
noch weigerten, zu gehorchen, und immer von neuem an die
Kurie appellirten, setzte Herzog Magnus, der i486 selbst nach.
Rom leiste, doch seine Absicht endlich durch. Der Papst be-
stätigte die Stiftung nochmals, und die Rostocker mussten ge-
') Vgl. die nfeuste genaue Darstellung derselben von K. Koppmann, Zur
Geschichte Rostocks, Rostocker Zeitung, 1885, Nr. 220, 232, 244, 256, 268, 279.
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- 65 -
horchen. Sie geben wenigstens eine dahin gehende Erklärung
ab, wissen aber trotzdem die wirkliche Errichtung des Dom-
stiftes immer weiter hinauszuschieben , bis endlich beide Her-
zöge, des langen Zaudems müde, selbst nach Rostock kom-
men und dort die Einweihung vornehmen (1487 Jan. 12).
Sofort aber brach in der Stadt ein gewaltiger Aufruhr aus,
dem der Propst der neuen Stiftung, der Kanzler Thomas Rode,
zum Opfer fiel. Selbst Herzog Magnus und seine Gemahlin
(Balthasar hatte die Stadt bereits verlassen) entkamen nur mit
Mühe. Die anderen wendischen Städte suchten nun zwischen
dem aufrührerischen Rostock und den erzürnten Fürsten zu ver-
mitteln. Immer neue Tagfahrten wurden abgehalten ; aber trotz-
dem kam es zum offenen Krieg. Die Herzöge rückten vor die
Stadt und belagerten sie, begnügten sich aber dann, als sie keine
rechten Fortschritte machten, mit einer losen Cernirung. Unter-
dess dauerten zwischen den Gegnern unter Vermittlung der
wendischen Städte jahrelang die Verhandlungen fort, die besonders
dadurch erschwert wurden , dass in Rostock selbst ernste innere
Streitigkeiten ausbrachen. Endlich, nach vielen vergeblichen Ver-
suchen, gelang es, zunächst diese zu schlichten, und dann blieb,
nachdem in Rostock der Haupt-Uebelthäter , Runge, sammt sei-
nen vertrautesten Genossen hingerichtet worden war, auch die
Beilegung des Streits mit den Herzögen nicht mehr lange aus
(1491). Die Stadt musste sich der Errichtung der KoUegiat-Stiftung
endgültig fügen, wogegen ihre alten Freiheiten bestätigt wurden.
In diese Rostocker Domhändel nun, von denen uns Albert
Krantz in der Wandalia XIII, 39 bis XIV, 17 erzählt, hat er
selbst wiederholt thätig eingegriffen. Zu MichaeHs i486 war er
Syndikus der Stadt Lübeck geworden^), und als solcher hat er
seitdem an den meisten der zahlreichen Tage in Lübeck, Wils-
nack und anderen Orten th eilgenommen, auf denen eine Schlich-
tung der Domstreitigkeiten versucht und endlich auch erreicht
wurde. Er wird uns unter den Theilnehmern an diesen Ver-
handlungen überall da ausdrücklich genannt, wo der Bericht er-
halten ist und die Berathungen nicht in Lübeck stattfanden. Denn
in letzterem Falle werden mit einer einzigen Ausnahme (beim
>) Hanserecesse , Dritte Abtheilung 2, Nr. 75 § i. Wo im Folgenden
die Hanserecesse (H. R.) citirt werden, ist immer diese Abtheilung gemeint.
Hansische Geschichtsblätter. XIV. 5
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— 66 -^
Hansetage zu Lübeck, 1487 Mai 24 — Juni 20*)) die Vertreter
von Lübeck nicht namentlich aufgeführt, sondern nur der »rath to
Lubeke«, zu dem ja Krantz gehörte, genannt. Nicht anwesend
war er jedenfalls nur dann, wenn er durch eine seiner dienst-
lichen Reisen daran verhindert war ; so während des wendischen
Städtetages zu Lübeck 1490 T>tz, 13 und während des Tages
von Wismar 1491 Mai 14 — 20. An ersterer Versammlung
konnte er nicht theilnehmen, weil er von November 1490 bis
Januar 1491 im Auftrage der wendischen Städte eine Reise nach
Livland und Preussen unternahm«), und die Theilnahme an dem
Wismarer Tage vom Mai 1491 wurde ihm unmöglich gemacht durch
seine Anwesenheit bei den Antwerpener Verhandlungen desselben
Jahres^). Ueber mehrere der abgehaltenen Tage haben wir sogar von
Krantz selbst aufgezeichnete Berichte ; so über die Verhandlungen
zu Wilsnack i486 Okt. 15 — 18*), zu Schönberg 1487 Apr. 24 s),
in und vor Rostock 1487 Juli 25 — 29^), zu Bützow und Wis-
mar 1487 Sept. 21 — 277). Er wurde femer verschiedene Male
zu Gesandtschaften in der Rostocker Angelegenheit benutzt. So
sandten ihn die wendischen Städte im März 1487 an die Her-
zöge von Mecklenburg, damit er bei ihnen für Wiederaufnahme
der Verhandlungen wirke 8); am 5. Sept. 1487 ward er mit
Lübecker und Stralsunder Boten nach Rostock geschickt, und
erreichte dort den Abschluss eines vierzehntägigen Waffenstill-
standes 9); am 20. März 1489 ging er mit dem Hamburger
Raths- Sekretär Nikolaus Schulte von Wismar aus, wo die wen-
dischen Städte vorher mit den Herzögen neue Verhandlungen
gepflogen hatten, abermals nach Rostock und bewirkte dort
eine Aussöhnung des Raths mit der Gemeinde, der. allerdings
bald neue Unruhen folgten. Im Oktober des folgenden Jahres
1) H. R. 2, Nr. 160 § 3.
3) H. R. 2, Nr. 409 — II, 414, 464, 486.
3) H. R. 2, Nr. 496 §§ 16, 47, 65, 131, 137, 149, 160,166, 175,191,234,
4) H. R. 2, Nr. 75; dazu die summarische Aufzeichnung Nr. 76.
5) H. R. 2, Nr. 102.
6) H. R. 2, Nr. 199.
7) H. R. 2, Nr. 200.
8) H. R. 2, Nr. 98, 100.
9) Van der Rostocker Veide, herausgegeben von Krause (Rostocker
Gymnasialprogramm 1880) S. 6.
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_ 67 -
endlich ward Krantz mit Stralsunder und Wismarer Raths-
mitgliedem abermals afi die Herzöge gesandt, um diese noch-
mals für gütliche Verhandlungen mit Rostock geneigt zu machen ').
Aus alledem geht deutlich hervor, dass unser Historiker eine
recht genaue Kenntniss der Rostocker Domhändel und der sich
daran anschliessenden mannigfachen Verhandlungen haben musste
und dass es ihm nicht schwer werden konnte, eine ganz richtige
Darstellung derselben zu geben. Das hat er indess nicht gethan.
Vielmehr genügt der Bericht, den er giebt (Wand. XIII, 39, 40;
XIV, I, 6 — II, 14, 16, 17), den Anforderungen nicht, die man an
einen so genauen Kenner jener Vorgänge zu stellen wohl berechtigt ist.
Zunächst ist dieser Bericht ausserordentlich dürftig. Das
ist nun an und für sich kein schwerer Vorwurf für seinen Ver-
fasser; denn seine Absicht war ja nicht, eine Geschichte der
Domstreitigkeiten zu geben; dieselben bilden vielmehr nur eine
kleine Episode in der Wandalia, die die Geschichte des deut-
schen Nordens und Ostens erzählen soll. Indess geht Krantz
doch auch hierin vielfach zu weit, indem er zum Theil sehr
wichtige Dinge, deren wenigstens kurze Erwähnung zur Charak-
teristik des Streites unzweifelhaft gehört, einfach mit Stillschweigen
übergeht. So treten bei ihm vor allem die immer wiederholten
Bemühungen der übrigen wendischen Städte, Frieden zu stiften,
auffallend zurück. Diese fünf Städte — Hamburg, Lübeck,
Stralsund, Wismar, Lüneburg — nahmen sich von Anfang an
der Rostocker Domhändel sehr eifrig an, verträten die Stadt den
Herzögen gegenüber und versuchten immer und immer wieder
eine Versöhnung derselben mit den erzürnten Fürsten. Auf
mehr als 30 Versammlungen«), die entweder ad hoc berufen
oder doch von den wendischen Städten zur Berathung über
die Rostocker Domhändel mit benutzt wurden, ward in den
Jiahren 1484 — 1491 über diese Streitigkeiten verhandelt, bis end-
lich auf einer Versammlung zu Wismar, 1491 Mai 20 , der Streit
awischeü den Herzögen und der Stadt beigelegt ward 3). Natür-
') H. R. 2, Nr. 399, §§ 32, 40.
») Die Nachrichten darüber H. R. Bd. i u. 2, Rostocker Veide und
Wöchentliche Lieferung alter nie gedruckter Rostockscher Urkunden und
andrer Nachrichten 1759 u. 1760.
3) H. R. 2, Nr. 564.
5*
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— 6S --
»
lieh würde es viel zu weit führen, wollten wir den Gang der
Verhandlungen, das mühsame Vordringen der Städte zum er-
ersehnten Ziel hier ausführiich schildern, und es wird genügen,
in groben Umrissen darüber zu berichten, um erkennen zu lassen,
wie eifrig die Bemühungen der wendischen Städte waren, die
ja selbstverständlich ein grosses Interesse daran hatten, das ver-
bündete Rostock der fürstlichen Gewalt nicht unterliegen zu lassen.
Schon am 15. März 1484 erklären die Städte den Herzögen,
sie würden Rostock nicht im Stich lassen^). Diesem Versprechen
bleiben sie die ganze folgende Zeit treu, ohne sich durch die
lange Erfolglosigkeit ihrer Bemühungen irre machen zu lassen.
In eine sehr unangenehme Lage kamen sie dadurch, dass in
Rostock selbst nach dem Aufstand vom 14. Januar 1487 innere
Zwistigkeiten ausbrachen. Die beiden Bürgermeister Bertold
KerkhofF und Arnd Hasselbeke mussten die Stadt verlassen, und
die Gemeinde gerieth in immer grösseren Gegensatz zum Rathe.
Eine Vermittlung zwischen der Stadt und den Herzögen wurde
dadurch natürlich viel schwieriger ; die wendischen Städte mussten
jetzt zuerst darauf sinnen, die inneren Streitigkeiten beizulegen,
und auch dieser Aufgabe unterzogen sie sich mit grösster Bereit-
willigkeit. Das Ansinnen der Herzöge an sie, jeden Verkehr mit
Rostock abzubrechen, lehnen sie, wenn auch in diplomatischer
Form, ab«); aber andererseits vermögen sie doch wegen der
Rostock bedrohenden Anarchie nicht mehr so entschieden für
die Stadt einzutreten ; sie machen den Rostocker Gesandten Vor-
würfe 3) und senden sie vom Lübecker Hansetage (1487 Mai 24)
in ihre Stadt zurück, um sich gültige Vollmachten zu verschaffen
und auf Wiederherstellung der Autorität des Rathes zu dringen:
habe derselbe erst das Regiment der Stadt wieder fest in der
Hand, so wollen sie »nener moye, arbeydes unde vlytes sparen«,
um Rostock mit den Herzögen zu versöhnen*). Mit der Bei-
legung der inneren Zwistigkeiten ging es nun freilich nicht so
schnell. Es kam zum Kampf Rostocks mit den Herzögen ; aber
die Städte gaben ihre Vermittlungsversuche darum nicht auf.
i) Wöchentliche Lieferung 1759, S. 18.
2) H.-R. 2, Nr. 102 § 5 ; 160 § 40.
3) H.-R. 2, Nr. 160 § 57.
4) H.-R. 2, Nr. 160 § 65.
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- 69 -
Da diie Fürsten sich in ihrer Hoffnung auf kriegerische Erfolge
getäuscht sahen und sich deshalb allmählich wieder versöhnlicher
zeigten, gelang es den Bemühungen der wendischen Städte, einen
kurzen Waffenstillstand zu stände zu bringen, während dessen zu
Bützow und Wismar neue Verhandlungen stattfanden (1487 Sept.
21 — 27). Die Städte schlagen hier nach längeren Berathungen vor,
ein Schiedsgericht einzusetzen *) ; aber dieser Plan scheitert an der
Hartnäckigkeit Rostocks, und so bleiben auch diese Verhand-
lungen ohne Resultat. Gegen Ende dieses Jahres (1487) gelingt
es dem König Johann von Dänemark und dem Kurfürsten Johann
von Brandenburg, mit deren Bemühungen die wendischen Städte
die ihren vereinen, den Abschluss eines diesmal viel längeren
Waffenstillstandes durchzusetzen. Während desselben wurden
wieder verschiedene Tage abgehalten. Auf dem wendischen
Städtetag zu Lübeck (1488 Juli 28) wird der Streit Rostocks
mit den beiden ausgewichenen Bürgermeistern Bertold Kerkhoff
und Arnd Hasselbeke durch einen Schiedsspruch beigelegt*),
und Stralsund und Wismar erhalten den Auftrag, abermals Unter-
handlungen mit den Herzögen zu beginnen und die Sache »uth
den grovesten spönen« zu hauen 3). Die Bemühungen schienen
von Erfolg gekrönt zu werden — da brach in Rostock am
IG. Februar 1489 ein neuer Aufstand aus, imd die Sisyphus-
Arbeit der Städte begann abermals. Wieder wurden sie durch
die inneren Unruhen in eine äusserst schwierige Lage gebracht*);
wieder mussten sie zugleich Rostock gegen die Herzöge und
den Rostocker Rath gegen die Gemeinde vertreten. Mit Mühe
gelingt es ihren Gesandten Albert Krantz und Nikolaus Schulte,
Rath und Gemeinde wieder zu versöhnen (1489 März 23)5).
Dem Urtheil, das dann, auch diesmal wieder unter Betheiligung
der wendischen Städte, zu Wismar durch die zu Schiedsrichtern
ernannten Herrscher von Dänemark und Brandenburg, von denen
der erste anwesend war, der zweite sich vertreten Hess, gegen
Rostock erging, fligte sich die Stadt nicht. Abermals brachen
1) H.-R. 2, Nr. 200 § 19.
3) H.-R. 2, Nr. 255.
3) H.-R. 2, Nr. 254 § 32.
4) H.-R. 2, Nr. 270 §§ 3, 9—12, 14, 26.
5) H.-R. 2, Nr. 271.
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— 70 —
Unruhen aus. Aber die Städte gaben ihre Bemühungen auch
jetzt nicht auf, sondern versuchten immer wieder, die Ordnung
und Einigkeit in der Stadt herzustellen. Die Annahme ihrer
Vermittlung in den inneren Streitigkeiten machten sie zur Be-
dingung ihres Beistandes gegen die Herzöge ; Rostock erklärt
sich schliesslich auch bereit^ die wendischen Städte als Schieds-
richter anzuerkennen«), und nun senden diese abermals Boten
an die Fürsten, um bei ihnen zu Gunsten Rostocks zu wirken 3).
Die inneren Streitigkeiten wurden nun definitiv geschlichtet
(1490 Dez. 13)*); bald darauf (im April 1491) wurden Runge
und die anderen Häupter der Aufrührer hingerichtet, und nun
endlich kam zwischen den Herzögen und der Stadt zu Wismar
am 20. Mai 1491 ein Vergleich zu stände.
Von dieser ganzen angestrengten Vermittlerthätigkeit der
wendischen Städte, die fiir den Verlauf des Streites von der
grössten Wichtigkeit ist, ist in der Wandalia sehr wenig die
Rede. Allerdings erwähnt Krantz den Bund der wendischen
Städte (XIV, I : Jam foedera civitatum Wandalicarum enunciata
intumescere fecerunt urbis habitatores etc. und weiter unten:
Quid sibi velint nova civitatum foedera s), non esse obscurum) ;
von den sämmtlichen abgehaltenen Tagen berührt er aber nur
die Versammlung in Wismar (1489 August 29 — Sept. 7)
(XIV, 14) und nachträglich (in demselben Kapitel) die Wils-
nacker Verhandlung von i486 Oktober 15 — 18, beide jeden-
falls deshalb, weil sie durch das Eingreifen der Herrscher von
Dänemark und Brandenburg einen hervorragenden Rang einzu-
nehmen schienen. Rechnen wir hinzu, dass Krantz der Ein-
mischung der Städte in Bezug auf die Angelegenheit der schiff-
brüchigen Güter gedenkt (XIII, 40 : ea de re quum litteris et
nunciis quererentur urbium consilia, reposcentes miserorum res
n^ufragas etc.), nach der Schilderung des ersten Tumults in
Rostock, unmittelbar nach Einweihung der Kollegiat-Stiftung,
i) H.-R. 2, Nr. 356.
«) H.-R. 2, Nr. 398.
3) H.-R. 2, Nr. 399 §§ 32, 33, 40, 41.
4) H.-R. 2, Nr. 424, 425.
3) Bezieht sich auf das am ii.Nov. i486 «uf 5; Jahre erneute Bündniss
der wendischen Städte; vgl. H.-R. 2, Nr. 23, 26 §§ 1—5.
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— 71 —
die von ihm selbst übernommene Gesandtschaft^) (XIV, lo:
Lubicenses nihil, quod sui esset officii, intermisere, mittentes nun-
cium ad principes , qui placidis verbis molliret justas iräs etc.)
und die Verhandlungen in und vor Rostock (1487 Juli 25 — 29)»)
berichtet (XIV , 11: jam caeterae civitates in castra mittebant
oratores, causam controversiae coeperunt contrectare etc.), bei
Gelegenheit der Erzählung von der Hinrichtung des Gherd Frese,
des Vogts zu Schwaan, durch die Rostocker (XIV, i) die Mit-
wissenschaft der wendischen Städte erwähnt (non ignorantibus
[ut ferebant] vicinis urbibus), endlich noch seine und des Niko-
laus Schulte Sendung nach Rostock erzählt (XIV, 16: sed vici-
narum urbium consulares misere ex suis quosdam in eam urbem
deputatos, qui rem inter consulares et communitatem com-
ponerent etc.), so haben wir alles, was in der Wandalia über-
haupt über die Thätigkeit der wendischen Städte zur Beilegung
des Streites angeführt wird. Man gewinnt aus ihrer Schilderung
den Eindruck, ^s hätten dieselben nur gelegentlich in die Ros-
tocker Händel eingegriffen. Von den zum Theil so wichtigen
wendischen Städtetagen zu Lübeck, auf denen die Domhändel
zur Sprache kamen, wird nicht ein einziger namhaft gemacht ; ja,
es wird nicht einmal im allgemeinen angegeben, dass ausser den
zwei angeführten noch eine Menge von anderen Tagen stattfand,
dass immer und immer wieder Boten hinüber und herüber ge-
schickt und eine Unzahl von Briefen geschrieben wurde. Vor
allem ist auffällig, dass die so wichtige Lübecker Versammlung
vom 13. Dez. 1490, auf der eine endgültige Schlichtung der
inneren Streitigkeiten herbeigeführt wurde, von Krantz mit Still-
schweigen übergangen wird, während er die Gesandtschaft vom
März 1489, die doch nur einen vorübergehenden Erfolg hatte,
erwähnt (XIV, 16) und zwar so "kurz vor der Erzählung vom
Ende des ganzen Streites, dass man dadurch zu dem Irrthum ver-
leitet werden kann, als seien durch diese Sendung Krantz' und
Schlüters die Streitigkeiten innerhalb des Rathes definitiv beigelegt
worden, um so eher, als das, was die folgenden Zeilen über Runge's
Treiben berichten, zeitlich gar nicht fixirt ist, so dass der Leser
x) H.-R. 2, Nr. 98.
3) H.-R. 2, Nr. 199.
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— 72 —
vollkommen im unklaren darüber bleibt, dass die -verderbliche
Wirksamkeit dieses Demagogen noch zwei Jahre nach jener Ge-
sandtschaft fortdauerte; denn erst im April 1491 war Runge's
Rolle ausgespielt»). Mit solcher Dürftigkeit von Krantz* An-
gaben über die Vermittlerthätigkeit der wendischen Städte steht
in sonderbarem Widerspruch, dass er die Geschichte von Gherd
Frese, dem Vogt zu Schwaan, den die Rostocker, gestützt auf
den Beschluss des Lübecker Städtetages vom 11. Jan. 1485 —
die Städte waren überingekommen, die mecklenburgischen Vögte,
die sich noch ferner an dem gestrandeten Gut vergreifen wür-
den, zu bestrafen und dies gemeinsam zu verantworten«) — , er-
greifen und hinrichten Hessen, zweimal erzählt (XIII, 40 ; XIV, i).
Sehr dürftig sind auch Krantz' Angaben über die Ein-
mischung der Kirche in den Rostocker Domstreit. Er erzählt
(XIV, 6), dass der Bischof von Schwerin auf die Aufforderung
des Herzogs Magnus hin ein poenale monitorium an die Ros-
tocker erlässt. Diese appelliren und kümmern sich nicht weiter
darum. Nun bannt der Bischof die ungehorsame Stadt, die sich
aber, auf ihre Appellation gestützt, auch dadurch nicht beirren
lässt. Da die Stimmung der Rostocker gegen das Projekt immer
bedrohlicher wird, so reist Herzog Magnus mit dem Bischof
von Ratzeburg selbst nach Rom , unterrichtet den Papst Inno-
cenz VIII. von seinem Plan (XIV, 6 : fundandi coUegii sanctum
propositum per supplicationem insinuavit summo pontifici Inno-
centio) und erlangt von ihm volle Zustimmung und die Einsetzung
bestimmter Kommissarien zur Vollziehung der päpstlichen An-
ordnungen (Facile inclinabat pontifex rei ; dedit exequu-
tores etc.). Nun ist die Stadt gezwungen, zu erklären, dass sie
gehorchen würde; sie thut es aber auch jetzt nur sehr wider-
willig und mit der geheimen Absicht, die wirkliche Einweihung
der Stiftung immer weiter hinauszuziehen, um sie wo möglich
doch noch zu verhindern. — So ist der Hergang nach der
Darstellung der Wandalia. Dieselbe ist aber ganz ungenau
und übergeht eine Menge wichtiger Dinge. Dass die Herzöge
schon damals, als Rostock zuerst — an Bremen — appellirt
i) H.-R. 2, Nr. 525; Rost. Veide S. 21 f.
a) Vgl. H.-R. I, Nr. 582 §§ 19—26.
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— 73 —
hatte*), in der Furcht vor einem ihnen ungünstigen Spruch des
Erzbischofs sich nach Rom wandten»), dass in Folge des Banns
und Interdikts auch Rostock bei der Kurie Hilfe suchte 3), dass
der Papst nach Untersuchung der Sachlage bereits am 27. No-
vember 1484, längst ehe Herzog Magnus nach Rom kam (das
geschah erst i486), eine Bestätigungsbulle für die Domstiftung
erliess*), dass dieselbe durch den Bischof von Ratzeburg zu
Marien-Ehe den Deputirten des Rostocker Rathes bekannt ge-
gegeben wurde, dass die ganze Gemeinde, als sie sich auch
jetzt nicht fügte, von dem erwähnten Bischof von neuem in den
Bann gethan wurde 5), dass die Stadt dagegen abermals nach
Rom appellirte^) und dass die Kurie die Angelegenheit noch-
mals untersuchen liess^) — alle diese Dinge, die der Reise des Her-
zogs Magnus nach Rom und der erneuten Bestätigung der Stif-
tung durch den Papst vom 31. März i486 vorausgehen^), lässt
Krantz unerwähnt. War er auch allerdings nicht dazu verpflichtet,
alle die einzelnen Momente der Verhandlungen mit der geist-
lichen Gewalt ausdrücklich hervorzuheben, so hätte er doch
wenigstens (XIV, 6) kurz erwähnen müssen , dass dieselben sehr
komplizirter Natur waren, und keinesfalls durfte er, da die
eigentliche Bestätigungsbulle des Papstes schon vom 27. Nov. 1484
datirt ist , durch seine Weise der Schilderung in dem Leser den
Glauben erwecken, dass der Papst erst in Folge der Reise des
Herzogs Magnus nach Rom (i486) sich in die Domangelegen-
heit gemischt und die Errichtung der Stiftung geboten habe
(profectus [Magnus] devotionis gratia in urbem Romam
fundandi coUegii sanctum propositum per supplicationem in-
sinuavit summo pontifici Innocentio, orans deputari exequu-
i) Es geschah das wiederholt; vgl. Weitere Nachrichten von gelehrten
Kostockschen Sachen 1743, S. 211.
3) H.-R. I, Nr. 547 § 45; vgl. auch Weitere Nachrichten S. 211»
3) Weitere Nachrichten S. 212.
4) Papistisches Mecklenburg 2, S. 2359 ff.; vgl. auch Weitere Nach-
richten S. 213 ff.
5) Papistisches Mecklenburg 2, S. 2374 fF.
6) Weitere Nachrichten S. 216; Wöchentliche Lieferung 1759, S. ööff. ;
Papistisches Mecklenburg 2, S. 2370 f.
7) Weitere Nachrichten S» 216 f.
8) Vgl. Weitere Nachrichten S. 209 ff.
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— 74 —
tores. Facile inclinabat pontifex rei, in qua divini nominis am-
pliücari gloria quaereretur. Dedit exequutores et inter alios
Raceburgensem episcopum). Nur ganz kurz erwähnt mag noch
werden , dass Krantz auch sowohl die Ereignisse , die zwischen
der Erklärung der Rostocker, dass sie sich fügen würden, und
dem Januar- Aufruhr liegen»), wie das Verhältniss der Stadt zur
Kirche nach jener Krisis '), ganz mit Stillschweigen tibergeht. —
Auch durch falsche Anordnung der Ereignisse in der Wan-
dalia wird der Leser oft zu irrigen Ansichten verleitet. Wie schon
angegeben, erwähnt Krantz XIV, 14 die schiedsrichterlichen Ver-
handlungen, die in Wismar vom 29. Aug. — 7. Sept. 1489 statt-
fanden. Dass er wirklich diesen und keinen anderen Tag zu
Wismar meint , ist unzweifelhaft. Die betreffende Stelle aber ist
eine durchaus unpassende; denn sowohl unmittelbar vorher, als
nachher, werden Dinge erzählt, die ins Jahr 1487 fallen. Vorher
nämlich spricht Krantz von den Truppen, die über Lübeck nach
Rostock kamen; dass dies nur 1487 geschehen sein kann, geht
schon aus einer flüchtigen Betrachtung der Sachlage hervor, wird
aber auch ausdrücklich bezeugt 3). Fast unmittelbar nachher
aber (nur die Wilsnacker Verhandlungen erwähnt er dazwischen,
indem er sie mit Jam quidem ante einführt) berichtet Krantz
von dem Auszug der Universität aus der Stadt, der ebenfalls
ins Jahr 1487 fieH). Als die Wismarer schiedsrichterlichen Ver-
handlungen stattfanden, war die Universität schon längst wieder
nach Rostock zurückgekehrt^); da aber Krantz das Jahr derselben
nicht angiebt, so müss der Leser nothwendig die Meinung be-
kommen, sie hätten in derselben Zeit, wie jene anderen Er-
eignisse, die vorher und nachher berichtet werden, stattgefunden.
1) H.-R. 2. Nr. 75 § 34/ 45; 7^^ 79-
2) Vgl. Papist. Mecklenburg S» 2403, 2456; Wöchentliche Lieferung
1760, S. 121, 164.
3) Rostocker Veide S. 6f. ; vgl. auch Wöchentliche Lieferung 1760,
S. 89»
4) Papist. Mecklenburg S. 2403 — 10. Dass in dem hier abgedrackten
Privilegium Innocentii Pontificis Romani de reditu professomm etc. am
Schluss statt 1487 zu lesen ist 1488, hat schon Rudloff, Pragm. Handb. der
mecklenburg. Gesch. 2, S. 864 Anm. i nachgewiesen.
5) Papist. Mecklenb. a. a. O. und S. 2467; Krantz a. a. O.: sed
postea, quum res in treugis esset, locum suum repetentes redierunt.
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— 75 -
Ganz ähnlich verhält es sich mit der Angabe der Wandalia
über die Einmischung des Bischofs von Schwerin in den Streit.
Krantz berichtet XIII, 39 von dem Plan der Herzöge, ein
Kollegiatstift zu gründen , imd von der Missstimmung der Ro-
stocker darüber. Dann fährt er fort: »Praecesserant causae
aliae, quae animos principis a civibus, urbicorum averterant a
principe«, und gleich darauf sagt er: »Id ut suspicione coUigerent,
effecere priores, quae inciderant, perturbationes« . Unter diesen
»priores perturbationes« werden zunächst angeführt die Hinrich-
tung des Gherd Frese, der durch die Befreiung des Strassen-
räubers Wengelyn veranlasste nächtliche Kampf der Rostocker
mit den Herzoglichen und der Streit über die Landgüter Ros-
tocker Bürger (XIII, 40). Im ersten Kapitel des folgenden Buchs
erwähnt Krantz dann die Erneuerung des wendischen Städte -
bündnisses, erzählt nochmals die Geschichte von Gherd Frese
und berichtet über die von den Herzögen zur Berathung über
das Verfahren gegen die Städte einberufene Adels Versammlung.
Nachdem er darauf in den folgenden Kapiteln von anderen An-
gelegenheiten gesprochen, kommt er erst XIV, 6 auf die Ein-»
mischung des Schweriner Bischofs (Sed episcopus Zwerinensis,
a duce Magno commonitus, poenale monitorium decrevit etc.);
dann fährt er fort: »Objecere Rostockcenses appellationem qua-
lemcunque; et in ea conquiescentes episcopi mandata neglexere.
nie exercebat in eos ecclesiae gladium«. Nun fallen aber alle
diese hier erwähnten Ereignisse, das erste Eingreifen des Bischofs,
die Appellation Rostocks nach Bremen und der Bann des er-
zürnten Kirchenfürsten, in's Jahr 1484^). Die Vereinbarung der
Stadt Rostock mit ihrem Klerus , die Krantz gleich darauf er-
wähnt (XIV, 6 : invenere derum, qui illis adhaereret), gehört dem-
selben Jahre 1484 an»). Dagegen kann die Hinrichtung des
Schwaaner Vogts, die doch so viel früher erzählt wird, erst
na£h dem 11. Jan. 1485, also mindestens ein Jahr nach dem
Vorgehen des Schweriner Bischofs gegen Rostock, stattgefunden
i) H.-R. I, Nk. 495 (wonach das Momtorinm des Bischofs und die
darauf folgende Citation sogar schon vor den 20. Januar 1484 zu setzen
sind), 497, 501 §§ 3» 7 ; 547 § 45)- ' '
2) Wöchentliche Lieferung 1759, S. 25 ff.
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- 76 -
haben, da erst damals auf dem wendischen Städtetage zu Lübeck
der Beschluss gefasst wurde, auf den sich die Rostocker bei
ihrem harten Einschreiten gegen Gherd Frese stützten *). Ebenso
wurde die von den Herzögen einberufene Adelsversammlung erst
im Februar 1485 abgehalten*). Der nächtliche Kampf mit den
Herzoglichen (XIII, 40) fand allerdings schon 1483 statt 3); der
Streit über die Landgüter dagegen (ebenfalls XIII, 40) ent-
brannte erst im Anfang des Jahres i486*). So ist denn auch
hier die Reihenfolge der Begebenheiten eine ganz andere, als
sie nach Krantz' Berichte zu sein scheint, und besonders für
die XIII, 40 erzählten Vorgänge, welche mit den Worten: »Prae-
cesserant causae aliae« eingeleitet und gleich darauf als
priores perturbationes bezeichnet werden, kann man aus der
Darstellung der Wandalia unmöglich ersehen, dass sie erst nach
dem XIV, 6 Berichteten fallen.
Aber nicht nur indirekt, durch unrichtige Reihenfolge der
Ereignisse, wird der Leser von Krantz zu falschen Anschauungen
verleitet , sondern auch direkt , durch unrichtige Darstellung der-
selben. Die Entstehung des Plans zur Gründung eines Kollegiat-
stiftes erzählt er XIII, 39 mit folgenden Worten: »Erant per
haec tempora viri boni ecclesiastici in consilio ducis Magno-
polensis domini Magni, qui optimo zelo propagandi divini cultus
suggererent magnificentiae ejus optimum factu esse, si in oppido
illustri Rostockcio ... de parochiali sancti Jacobi curaret fieri
collegiatam ecclesiam .... Placuit res principi. EfFervescit in
re, quam divinus cultus et splendor religionis omnibus facit com-
mendabilem«. Das kann man nicht anders verstehen, als der
Plan sei unter den geistlichen Rathgebem des Herzogs Magnus
entstanden; dieser sei von ihnen dafür gewonnen worden und
habe sich nun der Sache mit Eifer angenommen. Aus einem
x) H.-R. i, Nr. 582 § 26. Den tenninus ante quem für die Hin-
richtung des Vogts giebt der in den Jahrbüchern des Vereins für mecklenb.
Gesch. 16, 238 abgedruckte, vom i. April 1485 datirte Brief Rostocks an
Heinrich , Bischof von Münster und Administrator in Bremen. Vgl. auch
Chronicon Sclavicum, herausg. von Laspeyres S. 367, 369»
a) Chron. Sclav. S« 367.
3) Chron. Sclav. S. 359.
4) H.-R. 2, Nr. 26 § 77, 78; Nr. 28, 29.
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— 77 —
Briefe Lübecks an Rostock vom 21. Febr. 1484 geht aber
hervor, dass die Sache sich wesentlich anders verhielt, dass der
Plan schon aus der Zeit des Herzogs Heinrich III., des Vaters der
Herzöge Magnus und Balthasar (f 1477), stammte: »dat sodanes
(das Kollegiatstift) mannichmael by erer gnedigen herrn vader
van merkliken personen ock ledematen der universiteten bynnen
juwer Stadt (Rostock), to Dobberan unde andern wegen wer ge-
sunnen»)«. Heinrichs ältester Sohn und Nachfolger, Albrecht VI.
(f 1483), hatte die Ausführung während seiner Regierung ver-
hindert, dann aber in seiner letzten Krankheit seinen Sinn geändert
und auf dem Todtenbette noch seinen Brüdern Magnus und
Balthasar das Versprechen abgenommen, das Kollegiatstift zu
gründen: »unde wowol hertoge Albrecht seliger dat vortydes
Yorhindert, so hadde he doch na in syner latesten kranckheidt
ensodanes vor eyn selegerede to funderende begert, dat de
hochgebornen forsten, hern Magnus und Baltazar, em so ge-
lovet und deshalven in juwe Stadt by juwen raedt gekomen
wem«.
Bei Gelegenheit der nachträglichen Erwähnung der Wils-
nacker Verhandlungen vom Oktober i486 sagt Krantz (XIV, 14):
»Jam quidem ante . . . dominus marchio in Wilsenaco ad prae-
sentiam ducum memoratorum ac Rostockcensium \qui in suam
partem consulares oratores de Lubica, Hamburgo et Luneburgo
adesse rogarunt) causam omnem controversiarum inter memo-
ratas partes tractabat«. Nun ist es aber unrichtig, dass ausser
Rostock nur Lübeck, Hamburg und Lüneburg in Wisnack ver-
treten gewesen seien. Denn in dem von Krantz selbst aufge-
zeichneten Bericht») ist zu lesen: »Aderant Rostoxenses . . .
quibus assistebant velut amici legati 5 civitatum stagnahum
Lubek, Hamburgh, Sundis, Luneburgh, Wismarie«, und ferner:
«ex Sundis duo consulares . , ., ex Wismaria dominus Johannes
Hoppenacke proconsul, dominus Otto (Tancke) consul et do-
minus Hermannus Gropeling legum doctor, sindicus«.
x) H.-R. I, Nr. 497. Vgl, auch die Reimchronik über die Rostocker
Händel , herausgegeben von E. Sass , in : Jahrbücher und Jahresbericht des
Vereins f. mecklenb. Gesch.- und Altertumskunde 45 (1880), Zeile 7—32.
a) H..R. 2, Nr. 75 § 3.
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- 78 —
Unrichtig ist auch die Darstellung der Vorgänge unmittelbar
vor der Einweihung des Kollegiatstiftes (XTV, 7). Nach der-
selben hätte Herzog Magnus, nachdem die Rostocker den päpst-
lichen Anordnungen gehorchen zu wollen erklärt hatten, in der
Hoffnung, dass die leidenschaftliche Abneigung der Bürger gegen
die geplante Stiftung allmählich nachlassen werde, sich noch
eine Zeit lang hinhalten lassen (dux ipse cessit, nihil properans) ;
die Stimmung in Rostock sei aber im Gegentheil immer schlimmer
geworden ; niemand in der Stadt habe von dem verhassten Plane
auch nur zu sprechen gewagt (sed expertus est [dux] in urbe
omnia in diem fieri deteriora etc.). Auf das Drängen des Her-
zogs habe man immer nur erwidert, das Volk sei nicht soweit
zu beruhigen, dass man den Plan zur Ausführung bringen könne ;
die grössten Gefahren würden daraus entstehen, und man könne
nur hoffen , dass sich die Verhältnisse allmählich doch noch
bessern würden (non posse tamen redigere populum in quietem,
ut patiatur exequutionem. Quae si intentata fuerit, omnium fore
commune periculum et qui exequantur et qui patiantur. Sperari
posse, quod fervor ille tempori immoriatur). Der Herzog aber
sei des ewigen Zögerns müde geworden und habe beschlossen,
der Sache dadurch ein Ende zu machen, dass er selbst nach
Rostock ging und die Einweihung der Stiftung vornahm (Sed
non jam diutius sibi passus illudi princeps . . . constituit urbem
ipse ingredi etc.). Diesen Entschluss habe er auch Anfang 1487
ausgeführt. Der Rath habe sich fügen müssen, sei aber dauernd
von den schlimmsten Befürchtungen erfüllt gewesen (jam formi-
dante senatu pessimos exitus . . .; mens omnibus male omina-
tur). Aber in Wirklichkeit kam Herzog Magnus nicht allein
nach seinem eigenen Entschluss und trotz der Abmahnung des
Rathes zur Einweihung des Domes nach Rostock, sondern dieser
Schritt war auf einem Tage zu Güstrow, am 14. Nov. i486, in
Gegenwart von Abgesandten Wismars zwischen den Vertretern
Rostocks und der Herzöge vereinbart worden'), und Herzog
Magnus behauptete auf dem Tage zu Schönberg, 1487 April 24,
nach dem von Krantz selbst aufgezeichneten Bericht, die Ro-
stocker hätten ihm die besten Hoffnungen auf einen guten Aus-
x) H.-R. 2, Nr. 102 § 4.
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-- 79 —
gang der Sache gemacht, ihm sicheres Geleit zugesagt und ihm
versichert, dass die Gemeinde schon viel ruhiger über die Sache
denke (Interlocuti [Rostoxenses] etiam cum principe optimam
spem future rei dabant promittentes commune suum jam meliori
consilio adquievisse Responderunt omnia esse pacifica
rogantes, ut principes non faciles aures haberent ad vanos
rumores de contrariis)*).
Von dem Aufruhr, zu dem es in Folge der Einweihuivg der
Domstiftung kam, erzählt Krantz XIV, 9. Nach seinem Berichte
verliessen beide Herzöge erst nach dem Ausbruch des Aufruhrs
am Sonntag den 14. Januar flüchtig die Stadt (Die Dominico,
quum .... duces . . . abire pararent) und weiter unten: (Prin-
cipes audito tumultu exire properabant) ; aber allen anderen
Nachrichten zufolge hatte Balthasar bereits tags zuvor die Stadt
verlassen «).
Des Vermittlungsversuches, den die Städte trotz des Eintritts
dieser Krisis unternahmen, erwähnt die Wandalia XIV, 10. Aber
die betreffende Stelle (Lubicenses nihil, quod sui esset officii, inter-
misere, mittentes nuncium ad principes, qui placidis verbis moUiret
justas iras) verleitet zu der falschen Anschauung, dass die Lübecker
auf eigene Faust einen Boten an die Herzöge gesandt hätten, wäh-
rend vielmehr ein solches Vorgehen von den Städten gemein-
schaftlich beschlossen worden war^). In dieser falschen Anschauung
wird man bestärkt durch den im nächsten (11.) Kapitel der Wan-
dalia folgenden Satz: »jam caeterae civitates in castra mittebant
oratores, causam controversiae coeperunt contrectare« , der
doch nur den Sinn haben kann: »Nun mischten sich auch die
anderen Städte ein«. Aber auch abgesehen von jener Botschaft
ist dieses »coeperunt« anstössig; denn die betreffende Stelle be-
zieht sich auf die Zeit der Belagerung Rostocks durch die
Fürsten, während doch schon lange vor Ausbruch des offenen
Kampfes, der ja erst 1487 fallt, die wendischen Städte sich
i) Vgl. auch Reimchronik über die Rostocker Händel Z. 137 — 146.
a) Vgl. Rostocker Veide S. i: An dem Sonnavendt dar nha reth
hertoch Baltazar mit sinen prelatenn vann dar, wente he vornam dit
snrrenth.
3) H.-R. 2, Nr. 981 Stralsund freilich war, wie sich aus diesem Schrei-
ben ergiebt, bei diesem Beschlüsse nicht betheiligt gewesen.
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— 8o —
ausserordentlich lebhaft der Rostocker Händel angenommen und
sogar die von Krantz selbst, freilich erst nachträglich (XIV, 14),
erwähnten Wilsnacker Verhandlungen vorher, im Jahre i486,
stattgefunden hatten. Auffällig ist ferner, dass unser Autor
gerade von diesem Versuch, den Streit zu schlichten, berichtet
und als Resultat angiebt: »Sed tum civitatum oratores frustra
abierunt« , ohne hinzuzufügen , dass kurz darauf eine neue Ge- ^
sandtschaft, an der er wiederum selbst betheiligt war, wenigstens
den Erfolg hatte, dass Waffenstillstand geschlossen wurde»). In
Bezug auf den Ausbruch des offenen Kampfes mag noch er-
wähnt werden, dass Krantz XIV, 1 1 nur den Herzog Bugislaw X.
von Pommern als Bundesgenossen der Herzöge nennt, während
ausserdem auch Herzog Johann von Sachsen-Lauenburg, Herzog
Heinrich der Aeltere von Braunschweig-Wolfenbtittel und der
Graf von Ruppin am Kampf theilnahmen »).
Endlich finden sich verschiedene Unrichtigkeiten in dem,
was Krantz XIV, 17 über die Bedingungen des im Jahre 1491
abgeschlossenen Vergleichs angiebt (In quintum annum extracto
hello . . . tandem . . . terminatur . . . . Ea vero lege componitur, ut
collegio in suo statu permanente aliquot milia principibus darentur ;
pulsi e statu reciperentur et cum iis, qui in novum erant allecti
concilium, considerent). Zunächst übergeht er die Abtretung der
zwei Dörfer Fahrenholz und Nienhusen, über die man sich zu Wismar
einigte^) ; ferner verschweigt er ausser der minder wichtigen erneuten
Eidesleistung die Demüthigung der Bürgermeister und Rathsherren
vor den Herzögen, die ebenfalls zu Wismar beschlossen wurde ^)
i) Rostocker Veide S. 6 f . ; H.-R. 2, Nr. 200 § i. Von Waflfen-
stillständen wird in der Wandalia nur XIV, 11 a, E. ganz im allgemeinen
gesprochen : »saepe deinde treugae, renovata bella extraxerunt aliquot annos«.
3) H.-R,. 2, Nr. 199 § 5 ; Rostocker Veide S. 5.
3) H.-R. 2, Nr. 364: dar to twe dorppe, benomliken Nyenhusen unde
Warmholt, wo de mit erer tobehoringe an allen eren enden (unde) scheden
belegen unde tegrepen zindt etc.
4) Item scholen de upgenanten borgermeister unde raitmanne mit den
borgeren vor deme d6re vor der Stadt den genanten heren ein demotige bede mit
enem knS up de erden roren(de) d6n, sick otmodigen gnade to bidden, so
se eren gnaden entegen ged&n hebben, van allen mishegelicheiden , umme
Codes willen ene dat tho vorgeven.
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— 8i —
und, wie aus einem Briefe Rostocks an Lübeck hervorgeht ^)^
auch wirklich (1491 Juni 11) stattfand. Wenn er dagegen eine
solche Demüthigung einige Jahre später eintreten lässt, nachdem
über eine von den Rostockern eigenmächtig eingeführte Accise
und über die Landgüter Rostocker Bürger neue Streitigkeiten
entstanden waren, im Verlauf derer die Stadt den Herzögen,
als sie Rostock betreten wollten, die Thore verschloss (Wandalia
XIV, 19: »eo res rediit, ut constituto die urbem egressi primores
senatus cum civibus projecti ad pedes principum veniam pre-
carentur«), so wird wohl bei der Unwahrscheinlichkeit der An-
nahme, dass damals eine solche Demüthigung wiederum statt-
gefunden habe"), die Meinung gerechtfertigt sein, dass Abbitte
und Fussfall von Krantz in eine falsche Zeit verlegt sind. End-
lich giebt die Wandalia unter den Bedingungen des Friedens
mit an: »[ut] pulsi e statu reciperentur et cum iis , qui in
novum erant allecti concilium, considerent«. Davon aber sagt der
Vergleich 3) nichts. Vielmehr war bereits, als die Streitigkeiten
zwischen der Stadt und den Herzögen noch fortdauerten, am
17. Dez. 1490 auf dem wendischen Städtetage zu Lübeck ein
Sühnevertrag zwischen dem alten und dem neuen Rath abge-
schlossen und dabei bestimmt worden, dass nach Beendigung
des Streites mit den Herzögen den alten Rathsherren das Ihre
wieder erstattet und sie »in den raetstoel to Rosteke wedder
ghesath werden« sollten^), — eine Abmachung, welche beim
Friedensschluss , wo stets vom alten und neuen Rath geredet
wird, vollkommen als feststehende Thatsache behandelt wird.
i) H.-R. 2, Nr. 569.
a) Traziger, Chronika der Stadt Hamburg, herausgegeben von Lappen-
berg, S. 244, erzählt dasselbe, folgt aber nur Krantz' Berichte.
3) H.-R. 2, Nr. 564.
^) H.-R. 2, Nr. 425.
Hansische Geschichtsblätter. XIV.
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2. Die Streitigkeiten zwischen Riga und
dem Deutschen Orden.
Der Deutsche Orden hatte mit der Geistlichkeit von Riga
von jeher in Streit gelebt. Lange Zeit hatten die Bischöfe und
Erzbischöfe dieser Stadt (Riga war Erzbisthum seit 1255) die
Oberhoheit über den Deutschen Orden in Livland in Anspruch
genommen ; denn ein Bischof von Riga, Albert, war es gewesen,
der 1202 den Schwertritter-Orden ins Leben gerufen hatte, und
dessen Rechte und Pflichten hatte der Deutsche Orden über-
nommen, als jener in ihm aufging. Naturgemäss suchte der
Orden dieses Abhängigkeitsverhältniss zu lösen, und in langen
Kämpfen erreichte er dieses Ziel: 1366 musste der Erzbischof
von Riga allen seinen Hoheitsrechten entsagen. Aber der Streit
war damit keineswegs zu Ende. Denn der Orden war mit dem
erlangten nicht zufrieden, sondern wollte mehr. Und wirklich
setzte der Hochmeister Konrad von Jungingen es durch, dass
Papst Bonifaz IX. (1389 — 1404) bestimmte, niemand solle im
Rigischen Erzstift ein Kirchenamt erlangen, der nicht dem Deut-
schen Orden angehöre (1394), und der Erzbichof selbst solle
ein Bruder des Ordens sein (1397). Darüber brachen neue
Kämpfe aus, in denen besonders auch die Kleidung der Rigischen
Stiftsgeistlichkeit eine wichtige Rolle spielte. Der Orden ver-
langte nämlich für dieselbe das weisse Gewand, dessen Farbe
der Ordenstracht entsprach, während die Geistlichkeit die schwar-
zen Kutten und Kappen tragen wollte, die früher, bis 1209, ihr
Gewand gewesen waren. Den erwähnten päpstlichen Bestimmun-
gen Gehorsam zu verschaffen, gelang dem Orden um so weniger,
als Papst Martin V. (1417 — 1431) dieselben im Jahre 1426
wieder aufhob. Johann Habundi, der von 14 18 — 1424, und
Henning Scharfenberg, der von 1424 — 1448 auf dem erzbischöf-
lichen Stuhl sass, gehörten dem Deutschen Orden nicht an.
Dagegen wurde nach Henninngs Tode dank den eifrigen Be-
mühungen des Ordens der Ordenskanzler und Kaplan des
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Hochmeisters, Sylvester Stodewäscher , Erzbischof von Riga
(1448 — 1479). Nun schien die Stunde gekommen, die Stadt zu
demüthigen, die bisher fast immer vereint mit ihrem Erzbischof
und der Geistlichheit gegen die Ansprüche des Ordens ange-
kämpft hatte. Wie schon einmal, im Jahre 1330, sollte sie wie-
der gezwungen werden, den Deutschen Orden, ihren Feind,
neben dem Erzbischof geradezu als Herrn anzuerkennen. Wirk-
lich gestand Sylvester im Vertrage zu Kirchholm 1452 dem
Orden die Mitherrschaft über Riga zu; aber da die Stadt davon
nichts wissen wollte, benutzte der Erzbischof, der auch lieber
allein, als mit dem Orden regieren wollte, diese Stimmung, um
den Vertrag zu brechen. Der Orden, der in ihm nur sein Werk-
zeug gesehen hatte, fand sich bitter getäuscht, und die alten
Streitigkeiten begannen abermals und dauerten, obwohl gerade
damals Livland durch die Russen heftig bedroht wurde, Jahr-
zehnte fort. Trotz aller immer wieder aufgenommenen Ver-
handlungen kam es 1479 — ^^ diesem Jahre starb Sylvester —
zum offenen Kriege, und erst €491 wurde der Kampf beendet:
Riga musste sich den Ansprüchen des Ordens fügen»).
Krantz, welcher über diese Streitigkeiten, mit der Zeit Syl-
vesters beginnend, berichtet (Wandalia XIII, 16, 41; XIV, 5, 15),
war über die Ereignisse, von denen er zuerst erzählt, da sie
vor seiner Zeit lagen, vielleicht weniger gut unterrichtet. Von
den späteren Vorgängen aber musste er ganz genaue Kenntniss
haben«). Denn die wendischen Städte, voran Lübeck, nahmen
sich seit 1481 der livländischen Streitigkeiten eifrig an, und
Krantz war (seit Michaelis i486), auf all' den zahlreichen Tagen 3),
auf denen jene Dinge noch zur Sprache kamen, anwesend,
wurde sogar (Ende 1490) selbst nach Livland gesandt, um dort
*) Vgl. K. V. Schlözer, VcrfaU und Untergang der Hansa und des
Deutschen Ordens in den Ostseeländern, Berlin 1853, S. 103 ff.; Bergmann,
Magazin für Russlands Geschichte, Länder- und Völkerkunde Band i u. 2.
a) Auch die Ereignisse der unmittelbar vor i486 liegenden Jahre
mussten ihm bekannt sein ; jedenfalls kamen sie bei den späteren Hansetagen
und auf seiner Gesandtschaftsreise oft genug zur Sprache.
3) Hansetag zu Lübeck 1487 Mai 24 — Juni 20. ; Wendische Städte-
tage zu Lübeck am 1488 Juli 28, 1489 März 12, 1490 Mai 24, Okt. 11 ;
Verhandlungen zu Antwerpen 1491 Mai i.
6*
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~ 84 —
die streitenden Parteien zu versöhnen*). Es ist demnach un-
zweifelhaft, dass Krantz imstande sein musste, eine richtige
Schilderung des Streites, mindestens in seiner letzten Periode, zu
geben. Das hat er aber nicht gethan; wir finden vielmehr in
seinem Bericht ganz dieselben Mängel, wie in dem,, was er über
die Rostocker Domhändel überliefert hat.
Was die Dürftigkeit in den Angaben unsers Historikers
über die livländischen Streitigkeiten betrifft, so darf man ihm
nach der Aufgabe, die er sich gestellt, allerdings nicht übel
nehmen, dass er keine ausführliche Schilderung giebt und vieles
nicht erwähnt, was für den Verlauf des Streites immerhin von
Wichtigkeit war: wenn er z. B. XIII, ,i 6 nur sagt: »Per idem
tempus — er hat vorher von den Kämpfen zwischen Mathias
Corvinus und Kaiser Friedrich III. gesprochen — in Livonia ab
fratribus ordinis Teutonicorum controversia excitatur archiepi-
scopo Rigensi Silvestro« , ohne mit einem Worte anzudeuten,
dass der Streit zwischen dem Orden und dem Erzbisthum Riga
fast so alt war, wie dieses selbst; wenn er femer nicht alle die
zahlreichen Verhandlungen aufführt, auf denen man die Streitig-
keiten beizulegen suchte, oder wenn er manche nicht unwichtige
kriegerische Ereignisse, wie den Sieg der Rigaer bei Dünamünde am
2 2. März 1484*), ebenso mit Stillschweigen übergeht, wie z. B.
die Kriegserklärung des Hochmeisters Hans von Tiefen an Riga
vom 14. Juni 14902). Weniger entschuldbar ist es schon, dass
Krantz XIV, 15 von den Bedingungen des endlich 1491 ab-
geschlossenen Friedens^) nur zwei nennt (Reddita est ordini ärx
Dunemunde; ipsa, quae in urbe fuit, renovanda non in arcis,
sed domus formam praefinitam, accoepit in laudo consistentiam).
Noch auffälliger aber ist die Dürftigkeit der Wandalia in anderen
Fällen. So berührt Krantz erst ganz am Schluss seiner Dar-
stellung der livländischen Streitigkeiten (XIV, 15) die Einmischung
der wendischen Städte: »miserant tum Wandalicae urbes oratorem
i) H.-R. 2, Nr. 409—". 414, 514 § 17; 515 §• 28.
3) H.-R, I, Nr. 533; Chronicon Sclavicum S. 360.
3) Monumenta Livoniae antiqua IV. p. CCXLII Nr. 137.
4) Die sogenannte wollmarsche Afspröke , Arndt, Liefl. Chron. 2,
167—173-
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- 85 -
in eam provinciam« ^). Gemeint ist die Sendung Krantz' selbst
vom Jahre 1490«). Aber die wendischen Städte und mit ihnen
Danzig hatten sich schon seit vielen Jahren mit der livländischen
Angelegenheit befasst; bereits auf dem wendischen Städtetage zu
Lübeck am 16. Sept. 1481 kam sie zur Sprache 3) und blieb
seitdem auf der Tagesordnung; immer und immer wieder such-
ten die Städte zu vermitteln, wandten sich brieflich an die Strei-
tenden und erboten sich schon lange vor 1490, eine Gesandt-
schaft nach Livland zu schicken^) und auf einem abzuhaltenden
Tage die Vermittlerrolle zu übernehmen 5). Von alledem be-
richtet uns Krantz kein Wort^).
Auch von der doch immerhin sehr wichtigen Einmischung der
Schweden sagt er nichts. Riga rief, nachdem schon Erzbischof
Sylvester und sein Erzstift 1477 ein Bündniss mit dem Erz-
bischof von Upsala, dem Bischof von Strengnäs und anderen
schwedischen Herren geschlossen hatte ^), im Jahre 1485 von
neuem Schwedens Hilfe an^), und am 24. Dez. desselben Jahres
kam zu Riga zwischen Kapitel und Ritterschaft des Erzstiftes
und der Stadt Riga einerseits und den genannten Kirchenfürsten,
dem schwedischen Reichsvorsteher Sten Sture und dem ganzen
geistlichen und weltlichen Reichsrath andererseits ein Bünd-
niss gegen den Orden in Livland zu stände^). Die Schweden
unterstützten nun einige Jahre hindurch die Stadt mit Hilfs-
truppen und mischten sich auch, wie sie dies übrigens vor dem
Abschluss des Bündnisses schon gleichfalls gethan, in die Ver-
i) Vorher wird nur Lübeck einmal erwähnt (XIII, 41), und zwar bei
der Erzählung von der Schleifung der Burg von Riga : »cives arcem demo-
liuntur ; ex lapidibus lateribusque mittunt Lubicam pro gratulatione«.
a) H.-R. 2, Nr. 409 ff.
3) H.-R. I, Nr. 334 §§ 3-7, 15-
4) Vgl. z. B. H.-R. I, Nr. 482 § 10; 489; 2, Nr. 13—15; 18.
5) Vgl. H.-R. 2, Nr. 241, 244 ff.
6) Die wiederholt unternommenen Vermittelungsversuche der Bischöfe
von Kurland , Oesel und Dorpat , sowie anderer geistlicher und weltlicher
Herren erwähnt er an zwei Stellen (XIII, 41 und XXV, 15).
< 7) Index corporis historico-diplonmtici Livoniae , Esthoniae , Curoniae
II, Nr. 2127.
8) H.-R. 2, Nr. 4. Ind. corp. II, Nr. 2228.
9) Urkunde im Reichsarchiv zu Stockholm; vgl. H.-R. 2, S. 11 Anm 4.
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— 86 —
Handlungen ein»). Krantz hat für diesen Bund mit Schweden
kein Wort; ja XIV, 5, wo er von dem nach den Verhandlungen
vom Juli und August 1484 erfolgten Wiederausbruch des Krie-
ges im Jahre 1485 handelt»), sagt er sogar: »Quid faceret civi-
tas, quae cum capitulo sola manebat?«, während gerade damals
die Unterhandlungen mit den Schweden, die zum Abschluss des
Bündnisses führten, begannen.
Im Verschweigen und Uebergehen der zahlreichen Ver-
handlungen und Vermittlungsversuche zur Beilegung der Streitig-
keiten geht Krantz ebenfalls zu weit. Nachdem er XIII, 41
über die Verhandlungen vom Juli und August 1484 3) berichtet
hat, fahrt er XTV, 5, wo er den Bericht über die livländischen
Händel wieder aufnimmt, folgendermassen fort: »Bellum vero,
quod tum in Livonia conquievit, non sunt diu passi jacere fratres
Teutonici ordinis, quod arcibus et prediis suis spoliati deteriorem
fovere conditionem viderentur. Audito ergo, quod suus, quem
voluere, archiepiscopus prosperaretur, bellum renovare conantur:
presertim jam aucti viribus tantis, quod dioecesis Rigensis plena
militaribus viris, qui hactenus ecclesie inservierint contra ordi-
nem, nunc essent illis accessuri. Quid faceret civitas, quae cum
capitulo sola manebat? Jam enim postulatus rem infiniti sumptus
et laboris posthabuit. Defensionis finibus constiterat civitas jam
arbitrata ad plenam libertatem pervenisse sublatis duabus ar-
cibus, quarum altera ad portum in Dunemunde, altera in ipsa
urbe constituta sepe, quod noUent videre, faciebant. Varie diu
conflictatum est : sed cives intra urbem se continuere usi ex com-
modo navigatione. Ordo autem, ut aditum maris navigaturis
x) H.-R. 2, Nr. 319, 321 , 413 ; A. W. Hupel, Neue Nordische Mis-
cellaneen St. 3 und 4, S. 259 ff. und S. 709 ff.
3) Dass Krantz hier wirklich von dieser Zeit und nicht von der Wie-
dererneuerung der Streitigkeiten im Jahre 1488 nach den Verhandlungen von
i486 spricht, geht einmal daraus hervor, dass er XIII, 41 , an welches Ka-
pitel XIV, 5 anknüpft, mit dem Bericht über die erwähnten Friedensverhand-
lungen des Jahres 1484 schliesst; sodann aus den Worten: »audito ergo,
quod suus, quem voluere, archiepiscopus prosperaretur«, die nur auf diese
Zeit passen.
3) Die betreffende Urkunde in den Neuen Nord. Mise. St. 3 und 4,
S. 668 ff.; vgl. auch H.-R. i, Nr. 601 §48; 603.
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interciperet , infra arcem Dunemunde ad eandem fluminis ripam
communivit presidium ex suppositis invicem roboribus (trabalem
vocant domum) eaque pro arce sunt usi ad frenandam liber-
tatem enavigandi; sed parum profecit; eo enim presidio non
obstante preternavigavere, qui volebant*)«. Er erwähnt dann noch
kurz, dass sich der Krieg noch Jahre lang hinzog, und berichtet
XIV, 15 beiläufig, dass Michael Hildebrand — derselbe wurde
nach dem Tode Stephans von Gruben vom Ordensmeister zum
Erzbischof von Riga vorgeschlagen und von Sixtus IV. bestätigt ;
das Kapitel dagegen postulirte Heinrich von Schwarzburg, der
später, nachdem er schon angenommen hatte, wieder verzich-
tete — das Erzbisthum erlangte und vergeblich den Streit bei-
zulegen suchte. Das ist alles, was uns Krantz von den Ereig-
nissen der Jahre 1484 bis Ende 1489 mittheilt! Er übergeht
also, von minder wichtigen Verhandlungen abgesehen, völlig
den ewigen Frieden, der nach der Anerkennung Michael Hilde-
brands von Seiten Rigas*) am 2. Mai i486 zwischen den beiden
Parteien abgeschlossen wurde 3), der unzweifelhaft viel wichtiger
war, als die von ihm berichteten Verhandlungen von 1484, welche
über die wichtige Frage, wer Erzbischof sein solle, noch gar keine
Entscheidung gebracht hatten. Nach seiner Darstellung zu Anfang
von XIV, 5 (Bellum vero, quod tum in Livonia conquievit, non
sunt passi diu jacere fratres Teutonici ordinis) muss man also
annehmen, dass der kurz nach 1484 wieder ausgebrochene Krieg
ohne Unterbrechung fortgedauert habe, während doch der i486
abgesschlossene »ewige« Friede in den Streitigkeiten einen der
wichtigsten Einschnitte macht und wirklich auf zwei Jahre Ruhe
x) Von diesem Versuch des Ordens, die Dünamündung zu sperren, ist
sonst nichts bekannt. Wir kennen von solchen Versuchen nur den von
Krantz übergangenen von 1484 (H.-R. i, Nr. 530) , der zu dem schon er-
wähnten Kampf bei Dünamünde (1484 MKrz 22) führte , und den von 1490
oder frühestens Ende 1489 (H.-R. 2, Nr. 349), welchen er Wandalia XIV, 15
erwähnt. Trotz der nicht unerheblichen Abweichungen ist es wohl möglich
dass Krantz an der oben mitgetheilten Stelle dasselbe Ereigniss (von 1490, resp.
Ende 1489) meint, das er XIV, 15 behandelt.
*) Neue Nord. Mise. St. 3 und 4, S. 690 ff.
. 3) Das Friedensinstrument in den N. Nord. Mise. a. a. O. S. 701 ff. ;
vgl. auch H.-R. 2, Nr. 160 §§ 232 f., 251 ff.
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— 88 —
schaffte. — Damit hängt zusammen, dass Krantz, der überhaupt
das wichtige Eingreifen Roms') fast ganz unberücksichtigt
lässt, auch darüber vollkommen schweigt, dass nach dem Frie-
den von i486 Papst Innocens VIII., dessen Vorgänger Sixtus IV.
einst sehr scharf gegen den Ordensmeister Bernhard von der Borch
eingeschritten war, der Stadt Riga bei Strafe des Bannes befahl,
trotz des Friedens dem Orden alles, was sie ihm entzogen hatte,
zurückzugeben, die zerstörten Schlösser wieder aufzubauen etc.,
und dass die Stadt, da sie diesem Befehle nicht gehorchte, in den
Bann gethan wurde (1487 Juli 28)»), nur mit Mühe dem Interdict
entging und erst 1489 vom Bann wieder losgesprochen wurde 3).
Direkte Unrichtigkeiten lassen sich Krantz hier nicht nach-
weisen, wohl aber mehrfach irreführende Ungenauigkeiten. So
erzählt er XIII, 16, nach dem Tode des Erzbischofs Sylvester
(1479 J^^^ ^2) sei vom Kapitel ein Nachfolger fiir ihn gewählt
worden; vom Papst aber sei ein »vir primarius et doctus in
urbe Roma, ordinis dicti procurator« — gemeint ist Stephan von
Gruben — mit dem Erzbisthum betraut worden, und damit sei
dann Rigas Geistlichkeit sowohl, wie der Orden zufrieden gewesen
(non repugnantibus utrinque partibus tam ecclesie, quam ordinis,
quod sperarent ambe , suum in eo praelatum invenire ; nam habuit
ecclesia nonnuUos in urbe Roma, qui auribus novi archiepiscopi
rem omnem detegerent ; ut facile fiderent, qui pro ecclesia stabant
illum ecclesie non defuturum et cum esset ordinis in urbe pro-
curator, illi quoque commendatus erat, ut bene de illo speraret.
Utrisque ergo visus est idoneus , qui pacem rebus daret). In
Wirklichkeit fügte sich allerdings Riga dem päpstlichen Befehl,
aber keineswegs der Orden. Vor allem war der livländische
Ordensmeister Bernhard von der Borch der erbittertste Gegner
Stephans; er erkannte, solange er sein Amt behielt, Stephan
nie als Erzbischof an, sondern bekämpfte ihn auf alle Weise und
i) Vgl. besonders die Bulle Sixtus IV, vom 11. Dezember 1481; Ind.
corp. II, Nr. 2160.
3) Ind. corp. II, Nr. 2238; vgl. H.-R. 2, Nr. 238.
3) »Fragmente zur Gesch. Lieflands u. s. w. aus einer noch un-
bekannten Handschrift« in den Nord. Mise. St. 26, S. 235 f.
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zog sich dadurch sogar den Bann zu ^). Auch der Hochmeister^
der freilich mit dem Vorgehen des Ordensmeisters durchaus
nicht einverstanden war 2), war ungünstig gegen Stephan ge-
stimmt"*). Nach dem Tode Stephans (1483) postulirte Riga, wie
schon oben erwähnt, den Grafen Heinrich von Schwarzburg,
den Bruder des Bischofs Heinrich von Mtinster, zum Erzbischof*) ;
der Hochmeister schlug zuerst seinen Kaplan Nikolaus Creuder
vor 5), erklärte sich aber dann mit der Einsetzung des Michael
Hildebrand einverstanden, für den sich der Ordensmeister Freitag
von Loringhoven verwandte ^) ; dieser erhielt auch wirklich das
Erzbisthum. Dass Krantz den Nikolaus Creuder nicht erwähnt,
ist nicht auffällig. In Bezug auf Heinrich von Schwarzburg er-
zählt er: »Ille — Heinrich — dum secum deliberat, quod difficile
«sset in longinquam provinciam ire ad bellum gravissimum, rem
et laboris et sumptus infiniti, non prompte est assensus. Interea
. . . ordo quendam ex suis asseclis, dominum Michaelem . . .
commendatitiis principum literis mittit in urbem; qui, quod
nemo veniret, qui electionem praeferret, tamquam de vacante
ecclesia provisionem accepit«. Das klingt^ als sei damit die Kan-
didatur Heinrichs abgethan gewesen. Dem war aber nicht so.
Vielmehr nahm Heinrich, wie er dies der Stadt Lübeck am
4. Juni 1484 berichtete 7), die Postulation an und verzichtete erst
i) Ind. corp. II, Nr. 2145, 2148, 2 161; ferner die päpstliche BuUe
vom 31. Juni 1482 in den N. Nord. Mise. St. 3 u. 4, S. 660 ff. Vgl. auch
■das Schreiben des Papstes an Kaiser Friedrich III. vom 2$. Mai 1482 (N.
Nord. Mise. St. 3 u. 4, S. 656 ff., in dem er den Kaiser ermahnt, Bernhard
von der Borchj, den er (der Kaiser) mit der Stadt Riga sammt anderen Be-
sitzungen beschenkt hat, nicht mehr zu unterstützen, sondern die Schenkung
zu widerrufen und sich der Rigischen Kirche gegen Bernhard anzunehmen.
a) Vgl. Ind. corp. II, Nr. 2168. •
3) Vgl. Ind. corp. II, Nr. 2187.
4) H.-R. I, Nr. 531 , 582 § 55 mit Anm. 3 ; S. 550 Anm. i. Ind.
corp. II, Nr. 2216, 2217.
5) Ind. corp. II, Nr. 221 1.
6) Ind. corp. II, Nr. 2222, 2223.
7) Wöchentliche Rostocker Nachrichten 1758, S. 30; vgl, auch Frag-
mente u. s. w. in den Nord. Mise. St. 26, S. 204. Von demselben Tage ist
zufällig die päpstliche Bestätigungsbulle für Michael Hildebrand datirt , vgl.
Cod. dipl. regni Pol. Tom. V, Nr. LXXXIX S. 159.
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später, weil verschiedene Bedingungen, die er nachträglich stellte,
von Riga nicht angenommen wurden'). Nachdem erzählt wor-
den ist, dass Michael in Rom bestätigt wurde, heisst es pCIII, 41)
weiter: »Objecerunt se quidam in urbe, sed sine viribus, sine
nervis ad causas in urbe agendas«. Danach muss man annehmen,
Michael habe, nachdem er einmal vom Papst bestätigt war, in
Riga nur einen ganz schwachen Widerstand gefunden. In Wirk-
lichkeit aber hielt Riga an seinem Kandidaten hartnäckig fest»);
selbst als dieser verzichtete, fügte es sich nicht, sondern wollte
zur Wahl eines andern Erzbischofs in der Person des bisherigen
Propstes Heinrich Hilgenfeld schreiten, und nach den »Frag-
menten zur Geschichte Livlands« ^) hat die Wahl am Michaelis-
tage 1485 auch wirklich stattgefunden. Erst am 2. März i486
kam ein Vergleich zustande, in dem auch Riga den Erzbischof
anerkannte^).
3. Die hansisch-englischen Verhältnisse.
Schon um die Wende des i. und 2. Jahrtausends gelang
es dem deutschen Handel, sich in England bestimmte Rechte
zu verschaffen. Damals war es Köln, das sich die grössten Ver-
dienste erwarb ; ihm mussten sich die anderen deutschen Städte,
die dieselben Freiheiten gemessen wollten, unterordnen. Aber
im 13. Jahrhundert begann Lübeck an der Spitze der Ostsee-
städte mit ihm zu wetteifern, und nach kurzer Zeit war Köln
in den Hintergrund gedrängt. Die Macht der Hansen und ihre
Privilegien in England, wie anderwärts, wuchsen immer mehr.
Am I. Februar 1303 gewährte Eduard I. (1272 — 1307) in der
Charta mercatoria volle Handelsfreiheit in England. Allerdings
») Nord. Mise. St. 26» S. 212, 215.
a) H.-R. I, S. 550 Anm. i.
3) A. a. O. S. 218; vgl. Ind. corp. II, Nr. 2235.
4) Neue Nord. Mise. St. 3 u. 4, S. 690 ff.
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— 91 —
ward dieselbe den Hansen nicht allein bewilligt, sondern ebenso
allen anderen fremden Kaufleuten ; aber jene allein wussten sich
die gewährten Rechte durch mehr als zwei Jahrhunderte zu er-
halten. Freilich gelang ihnen dies nicht mühelos; vielmehr be-
gannen sehr bald, schon im 14. Jahrhundert, die Versuche Eng-
lands, die Privilegien der Hansen zu verkürzen. Schon 1377
wurden ihnen dieselben durch Parlamentsbeschluss aberkannt,
und erst 4 Jahre später erhielten sie sie zurück. Von dieser
Zeit an hörte der Kampf um die Vorrechte der Deutschen nicht
mehr auf. Die englischen Kaufleute, die im hansischen Gebiete
nicht gleiche Rechte genossen, wie die Hansen in England, und
sich ausserdem durch den lebhaften Zwischenhandel der Deut-
schen zwischen England und den Niederlanden beeinträchtigt
sahen, stritten unablässig gegen ihre Rivalen, und König und
Parlament konnten » ihre Klagen nicht unberücksichtigt lassen.
Noch einmal freilich wurden im Utrechter Frieden 1473, der durch
Eduard IV. 1474 ratificirt wurde, alle Rechte der Hansen an-
erkannt; aber auch dadurch konnte der Zusammenbruch ihrer
Macht nur verzögert, nicht verhindert werden. Bald klagte der
deutsche Kaufmann in London wieder über Verletzung seiner
Rechte, und die feindselige Gesinnung der Engländer wuchs, als
in dem dänisch -englischen Kaperkriege während der ersten Re-
gierungsjahre Heinrichs VII. (1485 — 1509) die Engländer durch
Deutsche, die zwar in dänischen Diensten standen, von jenen
aber ohne weiteres als Hansen betrachtet wurden, so manchen
Schaden zur See erlitten, für den sie dann wieder an hansischen
Schiffen und Gütern Repressalien nahmen. Beide Theile be-
schuldigten sich demnach der Beraubung, und die Hansen hatten
noch ausserdem fortdauernd über Privilegien- Verletzung zu klagen.
Es wurden nun wiederholt Tage abgehalten, um über die strei.
tigen Punkte zu entscheiden und ein friedlicheres Verhältniss
herzustellen. Das Ergebniss dieser Verhandlungen, soweit die-
selben hier in Betracht kommen, war stets das gleiche : die end-
gültige Entscheidung wurde auf eine spätere Zeit verschoben.
Auch über diese Angelegenheiten war Krantz sehr gut unter-
richtet. An den Antwerpener Verhandlungen vom i. Mai bis 28. Juni
1491 nahm er noch als Syndikus von Lübeck theil; schon hier
war er, obwohl auch der Lübecker Bürgermeister Hermann von
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— 92 —
Wickede gegenwärtig war, der Wortführer und das geistige Haupt
der Gesandten der Hansa 0- Nicht lange danach siedelte er nach
Hamburg über; aber auch bei den Verhandluiigen vom 28. Juni
bis 4. Juli 1497, die ebenfalls in Antwerpen stattfanden, war er
der Vertreter der Hansestädte, und ausser ihm nahmen, abge-
sehen von einigen hansischen Kaufleuten aus Brügge und Lon-
don, nur noch drei Kölner Gesandte an den Besprechungen
teil»). Als dann 1498 auf dem Hansetage zu Lübeck über eine
neue, mit den englischen Gesandten abzuhaltende Tagfahrt be-
rathen ward, wurde der Beschluss gefasst: »derhalven an den
werdigen heren meister Alberde Crantz doctor domheren to
Hamborch etc. to schrivende, ene fruntliken biddende de reyse
raitsempt etliken anderen antonemende unde sick der gemey-
nen anzestedere wegen darmete to belastende« 3). Krantz nahm
den Auftrag an und ging mit dem Lübecker Syndikus Mathäus
Pakebusch 1499 nach Brügge, wo ausser ihm noch je drei
Vertreter von Köln, Danzig, Brügge und London an den Ver-
handlungen vom 13. Juni bis 20. Juli t heilnahmen*). Als in
Brügge von den hansischen Gesandten beschlossen wurde, einen
Brief an den König von England zu richten mit der Bitte, ihre
i) H.-R. 2, Nr. 496 §§ 16, 47, 65, 131, 137, 149, 160, 166, 175,
191, 234.
2) Recess in den Stadtarchiven zu Köln und Kampen: »Eadem fere
hora reversus ex Frantia dominus Albertus Krantz theologie et decretorum
doctor nuntius et orator civitatum Wandalicarum, urbis Coloniensis oratoribus
domino Johanni Vastrard legum doctori, Johanni Ring et Arnolde Wester-
barch consulibus se conjunxit«. Herr Professor Schäfer, dem ich dafür zum
grössten Danke verpflichtet bin , war so gütig , mir das für die Herausgabe
des 3. Bandes der Hanse-Recesse gesammelte Material für die vorliegende
Arbeit zur Verfügung zu stellen. Ein genaueres Citiren war, da der Band
noch nicht erschienen ist, natürlich unmöglich.
3) Recess des Lübecker Hansetags von 1498 in den Stadtarchiven zu
Bremen, Stralsund, Köln, Goslar, Reval, Danzig.
4) Brügger Recess in den Stadtarchiven zu Köln , Danzig , Kampen :
«Anno salutis 1499 ad primam Junii Brugis comparituri cum Anglie regis
oratoribus inibi tractaturi nomine tocius anze Teutonice deputati Albertus
Crantzs theologie ac decretorum, Matheus Pakebusch legum doctores Ant-
werpiam pervenerant . . . et . . . substiterunt eo loco, donec adesse Anglicos
Brugis intellegerent«.
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— 93 —
Privilegien gegen die Parlaments- Akten zu schützen, war es
Krantz, der diesen Brief abzufassen ersucht wurde'). Damit ist
wohl erwiesen, dass Krantz über die Händel der Hansen mit
England sehr genau unterrichtet sein musste*). Ueber die Ant-
werpener Verhandlungen von 1491 berichtet die Wandalia
XIV, 16 Folgendes: »Erat jam annus XCI post mille qua-
drigentos , quum inter Anglicos et oratores urbium consulares de
Lubica, Hamburg©, Colonia, Gdano omnium de communione
Hansae Theutonicae nominibus ageretur in Antwerpia. Venerant
eo Lubicenses et Hamburgenses, ut voluere, mercatores magno
apparatu et sumptu usi jumentis supra L. Tractavere cum An-
glicis fere per mensem, quum ante etiam totum ibi mensem, ante
adventum Anglicorum, ociosi contrivissent. Sed nihil tum potuit
concludi, quod paria paribus semper Anglici referrent atque ob-
jicerent. Damna sunt irrogata post initam pacem nostris ab
Anglicis in rnari. Rejecerunt illis damna, quae accepissent An-
glici a Danis : nee fuit constantia reluctari, quum ea res de more
conjicitur«. Was zunächt die Aufzählung der auf dem Tage
vertretenen Städte betrifft, so fehlen Münster und Deventer,
Deputirt waren eigentlich die Städte Lübeck, Köln, Bremen,
Hamburg, Danzig, Münster und Dortmund^). Dortmund aber*)
und Bremen 5) blieben aus. Dagegen erschienen am* 5. Mai Ge-
sandte von Münster^), die ausser ihrer Heimathsstadt noch
Minden vertraten 7), und schon vorher waren auch von Deventer
Gesandte erschienen^) die auch von Zwolle, Kampen und Gro-
ningen bevollmächtigt waren ^). Allerdings verliessen diese Raths-
i) Rogatus Albertus conclpere non recusat.
9) Der Irrthum von Schanz , Engl. Handelspolitik gegen Ende des
Mittelalters i , S. 190, dass Krantz auch 1494 Verhandlungen mit den Eng-
ländern geführt habe, ist von Schäfer in seiner Recension dieses Buchs
(Jahrb. für Nationalökonomie u. Stat. N. F. 7, S. 112 f.) berichtigt worden.
3) H.-R. 2, Nr. 496 § I.
4) H.-R. 2, Nr. 515, §§ 15, 79.
5) H.-R. 2, Nr. 514, §§ 17, 28.
6) H.-R. 2, Nr. 496 §§ 33. 34-
7) H.-R. 2, Nr. 496 § 40.
8) H.-R. 2, Nr. 496 § 16.
9) H.-R. 2, Nr. 496 § 40.
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— 94 —
sendeboten Münsters und Deventers Antwerpen bereits vor Schluss
der Verhandlungen, die ersteren am 22. Juni»), die letzteren
zwei Tage später *) ; aber da sie bis dahin an den Verhandlungen
theilgenommen hatten und diese nach ihrem Weggang nur noch
kurze Zeit, bis zum 28. Juni, fortdauerten 3) , so war kein Grund
vorhanden, ihre Anwesenheit mit Stillschweigen zu tibergehen. —
Wenigstens erwähnt mag werden, dass Krantz sowohl bei diesen
Verhandlungen, wie bei denen von 1497 und 1499, auch der
Gegenwart einiger Vertreter des Brügger und des Londoner
Komptoirs nicht gedenkt.
Mindestens ungenau sind die Worte: »Sed nihil tum potuit
concludi«. Es wurden in Antwerpen zuletzt doch gewisse Ar-
tikel) vereinbart und ausgewechselt 5); bis zum 8. Dezem-
ber sollten beide Theile darüber berichten, ob diese Artikel
ratificirt worden seien oder nicht, und bis zum i. Mai 1492,
wo ein neuer Tag abgehalten werden sollte, um das begonnene
Werk zu vollenden, sollten alle Streitigkeiten ruhen ^); auch soll-
ten die Bestimmungen des Utrechter Friedens durchaus in Gültig-
keit bleiben 7). Die Städte hielten Wort und sandten rechtzeitig
ihren Bescheid zur Auswechselung gegen den des Königs nach
Antwerpen 8) ; von diesem aber traf daselbst kein Schreiben ein^) ;
die Städte deuteten jedoch solches Schweigen als Zustimmung
zu den Antwerpener Beschlüssen^''). So blieb denn die Tagfahrt
zu Antwerpen, auf der doch immerhin eine Reihe von Be-
schlüssen gefasst und den Parteien zur Bestätigung mit heim-
gegeben wurde, nur durch die Schuld des englischen Königs
ohne rechtes Ergebniss.
H.-R. 2, Nr. 496 § 271.
a) H.-R. 2, Nr. 496 § 281.
3) H.-R. 2, Nr. 496 § 298.
4) H.-R».2, Nr. 497.
5) H.-R. 2, Nr. 496 § 298.
6) H.-R. 2, Nr. 498 § 6.
7) H..R. 2, Nr. 498 § i; vgl. auch §§ 2-5, 9.
8) H.-R. 2, Nr. 547.
9) H..R. 2, Nr. 550, 551.
»o) Brief der wendischen Städte an den König von England von 1492,
ohne Datum, St.-A. zu Lübeck.
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— 95 —
Der neue Tag, den man am i. Mai 1492 hatte abhalten
wollen , wurde auf Veranlassung theils der Hansen , theils des
englischen Königs von Jahr zu Jahr verschoben. Auch nach-
dem man endlich übereingekommen war, die Verhandlungen
am I.Juni 1497 wiedjer aufzunehmen*), bat der König in einem
Schreiben vom 29. November 1496 wegen des Krieges mit
Schottland um abermalige Verlegung der Tagfahrt. Die zu Lübeck
versammelten Rathssendeboten der wendischen Städte antworteten
darauf am 13. Januar 1497, dass sie nur sehr ungern darein willig-
ten, und baten den König, zum i. Juni wenigstens eine kleine
Gesandtschaft (»non magno numero nee apparatu gravi«) nach
Antwerpen zu schicken, die dort mit einer gleichen Gesandtschaft
der Hansen über die seit dem letzten Tage erhobenen Klagen
verhandeln sollte, damit der Grund für weitere Verhandlungen
gelegt und vielleicht auch aller Zwiespalt beigelegt werde.
Darauf ging der König ein =*), und so kam es denn zu den Ant-
werpener Verhandlungen des Jahres 1497. Wo Krantz über
dieselben berichtet (Wandalia XIV, 21), sagt er von alledem
kein Wort, erwähnt er vor allem nichts davon, dass diese Be-
sprechungen von vornherein einen mehr provisorischen Charakter
tragen sollten. Hier zeigt sich also so recht die Dürftigkeit seiner
Erzählung. — Auch was er über die Besprechungen selbst be-
richtet, ist sehr kurz und ungenau, ja zum Theil geradezu falsch.
»Eodem tempore, erzählt er, quum annus ageretur XCVII, per
eundem civitatum Wandalicarum . . . nuncium adjunctis dominis
Coloniensibus, qui in Antwerpiam illi constituto die concurrerunt,
actum est cum Anglicis de perpesso damno in mari, deque in-
fractione et violatione libertatum et privilegiorum in Anglia
nostris hominibus indultorum. Sed posteaquam per mensem
integrum verbis sunt reddita verba, nihil tum poterat concludi,
quod Anglici causarentur sufficiens de parte civitatum non esse
mandatum. Promissa cautio sufficiens de rato non est accep-
tata. Ita tum disceditur rebus ad treugas solitas in duos annos
1) Brief der zu Lübeck versammelten Rathssendeboten der wendischen
Städte an Heinrich von England vom 13. Mai 1496; Antwort Heinrichs
vom 15. Juni 1496.
a) Brief vom 20. März 1497.
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- 96 -
rejectis«. Die Verhandlungen dauerten längst nicht einen Monat.
Obwohl eigentlich der i. Juni für den Beginn der Verhandlungen
festgesetzt worden war, trafen die englischen Gesandten doch erst
am 24. Juni in Antwerpen ein'). Ungefähr gleichzeitig kam
Krantz an»). Der 26. und 27. Juni vergingen unter Besprechungen
der hansischen Abgeordneten und der anwesenden Gesandten
von Brügge und London, und erst Mittwoch den 28. Juni fand
die erste gemeinsame Berathung statt 3). Zwei Tage darauf er-
klären die Engländer die Vollmacht der Hansen für ungenügend^).
Am Sonnabend (Juli i) fordern die Engländer die Hansen auf,
ihre Klagen aufzusetzen und ihnen zu übergeben. Das thun
dieselben am darauf folgenden Montag 5); am Dienstag (Juli 4)
fanden dann die letzten Verhandlungen statt, und wohl noch an
demselben Tage reisten die Engländer nach Calais ab^). Der
Aufenhalt der englischen Gesandten hatte also nur 11, die Ver-
handlungen mit den Hansen nur 7 Tage gedauert. Allerdings
blieben die Abgeordneten der Städte noch in Antwerpen; denn
sie hatten, als ihre Vollmacht von den Engländern nicht als
genügend anerkannt worden war, sogleich einen Eilboten nach
Lübeck geschickt, um ein vollgültiges Mandat herbeizuholen, und
warteten nun auf seine Rückkehr. Sowie er eintraf (es war am
18. Juli), sandten sie den Brügger Sekretär Gerard mit der Voll-
macht und einem doppelt ausgefertigten Recess zur Unterschrift
für die Engländer diesen nach Calais nach. Der Recess enthielt
i) Bericht über die Antwerpener Verhandlungen von 1497 im Stadt-
archive zu Köln: »Ipso die natalis baptiste in vesperum oratores Serenissimi
regis Anglie ingressi Antwerpiam proxima die, que fuit dominica,
quieverunt«.
2) »Eadem fere hora reversus ex Frantia dominus Albertus Krantz
urbis Coloniensis oratoribus se conjunxit.«
3) »Die Mercurii, que fuit apostolorum Petri et Pauli vigilia hora tertia-
rum , que more nostro computatur octava, praemisso ad Anglicos nuntio
insinuavimus illis accessum etc.«.
4) »Die Vcneris, que fuit ultima Junii, ad regios oratores regressi tale
accepimus responsum . . . explorati juris esse credentiarum literas ad tractandas
causas minime sufficerec
5) »Die lune redeuntes ... ad Anglicos obtulimus articulosc.
6) Im Bericht steht am Schluss der letzten Verhandlungen vom 4. Juli
nur »Itaquc amplexati more Anglicano invicem amicissime discessimus«.
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— 97 —
folgende Punkte: Aufrechterhaltung des bisherigen Zustandes,
Sicherheit der Hansen in England, freien Gebrauch der Privi-
legien und Abhaltung einer abermaligen Tagfahrt im folgenden
Jahre. Als aber Gerard am 26. Juli in Calais eintraf, waren
zwei der englischen Gesandten soeben nach England abgereist.
Der Recess wurde also nicht unterschrieben, und die hansischen
Abgeordneten kehrten unverrich teter Sache nach Hause zurück.
Sie hatten allerdings einen ganzen Monat in Antwerpen zuge-
bracht; aber nicht dies berichtet Krantz, sondern er sagt aus-
drücklich, die Verhandlungen selbst (»verbis sunt reddita verba«)
hätten so lange gedauert. —
Auch die schon angeführten Worte: »Promissa cautio suf-
ficiens de rato non est acceptata. Ita tum disceditur« sind
wenigstens ungenau. Denn es kam, nachdem die von den Hansen
angebotene Kaution von den Engländern abgelehnt worden war,
nicht sogleich zum Abbruch der Verhandlungen, sondern die
Hansen schlugen den englischen Gesandten vor, sie wollten ent-
weder eine Kaution stellen oder sich bemühen, ein gültiges Mandat
noch zur Stelle zu schaffen, ehe sie Antwerpen verliessen ; unterdess
sollten die Verhandlungen fortgesetzt und nach Eintreffen der
Vollmacht abgeschlossen werden»). Auf den zweiten Vorschlag
gingen die Engländer, obwohl die Hansen die Annahme des
ersten lieber gesehen hätten, ein, reisten dann aber doch ab,
als sie erfuhren, wie lange Zeit bis zum Eintreffen der Voll-
macht vergehen würde.
Lässt sich diese Ungenauigkeit unsers Geschichtschreibers
durch die Kürze seiner Darstellung zur Noth rechtfertigen, so
muss die Zeitbestimmung: »Ita tum disceditur rebus ad treugas
solitas in duos annos rejectis« als durchaus falsch bezeichnet
werden. Denn entweder hätte Krantz mit Rücksicht darauf,
dass der den Engländern nachgesandte Recess von diesen nicht
unterschrieben wurde , sagen sollen, es sei gar nichts beschlossen,
c) »Cautionem . .. exhibuimus aut, si id mallent, daremus operam, ut
priusquam loco cederemus, mandatum appareret; spem nobis esse medio
tempore factam diligentiara super colligendo consensu civitatum ; interim tarnen,
ne tempus inaniter laberetur, tractaretur in causa suspensa conclusione in
tempus apparentis mandati«.
Hansische Geschichtsblätter. XIV. 7
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- 98 -
oder er hätte die Zeitdauer als ein Jahr bezeichnen müssen ;
denn von einer zweijährigen Frist ist nirgendwo die Rede.
Als die Hansen von den Engländern wenigstens darüber Aus-
kunft verlangen, wie es bis zur nächsten Tagfahrt, die im fol-
genden Jahre stattfinden solle, zu halten sei, antworten diese,
es sei des Königs Wille, dass so lange alles ruhig und die Privi-
legien in Gültigkeit bleiben sollten»). Und dem entspricht genau
der Inhalt des erwähnten, nach Calais gesandten Recesses^).
Nachdem Krantz über die Antwerpener Verhandlungen be-
richtet hat, fährt er fort: »Per idem tempus missus est idem ille
Wandalicarum urbium nomine, qui supra, nuntius (er selbst) in
Franciamc. Diese Erwähnung seiner Sendung nach Frankreich
erweckt den Schein, als ob er erst nach den Antwerpener Verhand-
lungen dahin gegangen sei; aber aus dem Recesse selbst geht
deutlich hervor, dass er erst von Frankreich nach Antwerpen
kam 3) und schon Mitte April von der Heimath abgereist war'^).
Die Fortsetzung der 1497 resultatlos gebliebenen Verhand-
1) »Unum tarnen esse peropus intelligere . . . quid renuntiare debeamus
. . super statu medii temporis ex hoc die in futuram dietam, de privilegiis
et de securitate nostrorum in Anglia et de ipsa dieta, ut quoniam in novissimo
hujus loci ante annos sex tractatu conclusum fuit, omnia pacata manere usque
in proximam dietam, que dilata est per annos aliquot usque in hanc diem
et ex hoc tempore in annum sequentem. An eodem statu etiam per
proximum annum res sint permansure. Interlocuti benigne responderunt
•esse voluntatem regis sui, ut omnia quieta permaneant. Privilegia, libertates
et communicationes nostrorum in Anglia in securitate perdurarent , . . . deni-
que ipsam dietam in annum sequentem et diem literis regiis comprehensum
de regia voluntate firmaverunt*.
3) In den Stadtarchiven zu Köln und Kampen : »Concordarunt in hec
que sequuntur capita : Primum , ut anno proximo sequente videlicet
nonagesimo octavo ad mensem et diem in primis literis regiis super hac re
comprehensum servetur tractatus Antwerpiensis Item , quod ex
hoc die in annum et mensem memoratum omnia conquiescant in eo
statu, quo dimissa sunt anno nonagesimo primoor.
3) »Eadem fere hora reversus ex Frantia dominus Albertus Krantz
urbis Coloniensis cratoribus se conjunxit« . Trazigcr, Chronika der Stadt
Hamburg, erzählt denn auch S. 244 nach dem Bericht über die Verhand-
lungen in Antwerpen: »Fol gen ts verrucket gemelter doctor Albertus Crantz
aus befelich der stette in Frankreich« u. s. w.
4) »ad medium aprilis, cum domo egrederer, ait orator Lubicensis«.
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lungen zwischen England und den Hansen sollte zuerst am 24. Juni
1498 stattfinden, wurde aber dann erst auf den 14. September
desselben Jahres und hernach auf den i. Juni 1499 verschoben.
Davon erwähnt Krantz wieder nichts. Dagegen berichtet er
XIV, 24 kurz über den Tag zu Brügge, auf dem die hansischen
Abgeordneten während und nach den Besprechungen mit den
Engländern auch mit Brügge verhandelten. Der Anfang seines
Berichtes (Interea mittunt civitates Wandalicae omnium nominibus
legationem suam in Flandriam .... Aderant Gdanenses , super-
veuere Colonienses. Primum cum Anglicis Bruggis agebatur),
kann nicht wohl anders aufgefasst werden, als so: »als die Ver-
handlungen begannen , waren auch von Danzig Gesandte an-
wesend; später kamen dazu auch noch Kölner«. Aber zur fest-
gesetzten Zeit waren weder die Danziger, noch die Kölner Abge-
sandten zugegen. Am 6. Juni baten deshalb die hansischen
Gesandten die Bevollmächtigten des englischen Königs, noch
einige Tage mit dem Beginn der Verhandlungen zu warten^).
Da sich indess die Ankunft ziemlich lange verzögerte, beschloss
man am 13. Juni, die Verhandlungen einstweilen zu beginnen*).
Erst am Abend des folgenden Tages erschienen die Säumigen,
und zwar sowohl die Kölner wie die Danziger 3).
Im Uebrigen ist der Bericht über die Brügger Verhandlungen
zwar sehr kurz und dürftig, aber richtig. Dagegen enthält das
25. Kapitel noch eine Ungenauigkeit , deren Nachweis freilich
eigentlich nicht hierher gehört. Krantz beginnt dasselbe mit
den Worten: »Quum ad regem Anglie iret nuncius, ne quid
temporis infructuose labatur, causa Florentinorum mercatorum
longo circuitu est acta« und berichtet dann ziemlich ausführlich
>) Recess der Brügger Tagfahrt: »Die Jovis, que fuit sexta Junii, civi-
tatum oratores duo adierant regios purgabant suam illam qualemcun-
que ac suorum de Colonia et Gdano moram, quod Colonienses hello vicino
detinerentur , Gdanenses per mare venirent incerto itinere , orabant , ut pau-
corum dierum patientiam praestarent«.
2) »Die Jovis, que fuit Junii 13., convenerant in locum deputatum
regii oratores ; Albertus quoque et Matheus civitatum Anze oratores
coram illis comparuere«.
3) Die veneris in serum vesperum venerunt de Colonia
de Gdano
7*
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lOO
über die Verhandlungen mit Brügge, giebt aber nicht an, dass
dieselben nicht nur in der Zeit geführt wurden, wo die Ver-
handlungen mit den Gesandten König Heinrichs ruhten, sondern
auch nach der Beendigung derselben Quli 20) noch lange
fortdauerten und zwar, wie aus dem Recess ersichtlich ist, bis
zum 5. November. Abgesehen* von diesem Flüchtigkeitsfehler
giebt er aber über die Verhandlungen mit Brügge, an denen er
bis zu ihrer Beendigung theilnahm, einen richtigen Bericht.
Fassen wir das Ergebniss unserer immerhin etwas minutiösen
Untersuchung kurz zusammen, so finden wir in den betreffenden
Stellen der Wandalia im allgemeinen der Wirklichkeit entspre-
chende, sachgemässe Berichte eines mit den Verhältnissen genau
vertrauten Zeitgenossen, deren Glaubwürdigkeit nirgendwo durch
ein absichtliches Abweichen ihres Verfassers von der Wahrheit
beeinträchtigt wird , die aber in ihrer Knappheit zuweilen auch
wichtige Dinge mit Stillschweigen übergehen, in Folge ihrer Kürze
oder durch ungeschickte Anordnung der Thatsachen mehrfach zu
Irrthümern verleiten und wenn auch selten geradezu falsche, so
doch häufig ungenaue und irreführende Angaben enthalten.
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IV.
ZUR GESCHICHTE
DER
MEKLENBÜRGISCHEN KUPPHÄFEN.
VON
KARL KOPPMANN.
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JtlfS ist ein im Allgemeinen wohl bekanntes, doch wenig
näher untersuchtes Gebiet, auf das ich tair hier den Leser dieser
Blätter zu fuhren erlaube. Amtliche Arbeiten haben mich ihm
zugeführt, der Reichthum des Stoffs hat mich festgehalten, bei
der Bearbeitung ist er mir lieb geworden. Seinem eigentlichen
Wesen nach gehört der Gegenstand dem grossen Bereiche des-
jenigen an, was heutigen Tages Wirthschaftsgeschichte genannt
wird, denn in der Hauptsache handelt es sich um die Frage,,
welches Recht den Städten Rostock und Wismar in ihrer Eigen-
schaft als meklenburgischen Seestädten in Bezug auf die von und
nach Meklenburg betriebene Seeschiffahrt zustand und was sie bei
der VerlheidiguDg dieses Rechtes gegenüber den Niederländern,
gegenüber den Landesherren, dem Adel und der übrigen Land-
schaft, gegenüber den Hansegenossen von der Ostsee und Westsee
und selbst wohl einmal einander gegenüber beanspruchten und auf-
rechthalten konnten oder aufgeben mussten : eine von den vielen
Fragen, die meiner Ansicht nach noch gestellt und thunlichst
beantwortet werden müssen, ehe man zu einem sicheren Urtheil
über die wirthschaftliche Bedeutung des hansischen Städtebundes
gelangen kann. Auf die allgemeinen politischen Verhältnisse
habe ich, wie auch auf die Territorial- und Lokalgeschichte, immer
nur soweit einzugehen gesucht, als es mir des Verständnisses
und der Beurtheilung wegen durchaus noth wendig zu sein schien.
Die von mir gewählte Form ist das Referat unter Beobachtung
der Zeitfolge; die Quellen sind grösstentheils Korrespondenzen
und Landtagsverhandlungen.
Am 21. Oktober 1393 schreibt Rostock an die preussischen
Städte : es thue ihm leid, wenn irgend einem Biedermann Schade
geschehe, und es sorge nach Kräften dafür, dass die Seinen den
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— I04 —
Preussen kein Arges zufügen; aber, fügt es hinzu, es fahren in
unsers Herrn und unserm Kriege mancherlei Leute auf ihr
eigenes Abenteuer aus, derer wir nicht mächtig sind und denen
wir nicht steuern können; auch giebt es in den Landen unsers
Herrn wohl mancherlei Häfen, in die sie einsegeln und von denen
sie abzuhalten wir nicht die Macht haben (ok so sin dar wol
mengherleye havene yn uses heren landen, dar se in zeghelen,
der wie en nicht mechtich sin tho kerende)'). Mit diesen
mancherlei Leuten sind die Vitalienbrüder gemeint, mit den
m^cherlei Häfen diejenigen, welche nicht, wie Rostock und
Wismar, als Handelshäfen privilegirt sind.
Solche nicht privilegirte Häfen Meklenburgs waren die
Golwilz — zwischen der Insel Pol und dem meklenburgischen
Festlande — , der Bug — Küstenstrich zwischen Wustrow und Arens-
see — mit Alt-Gartz und Bukow, die Doberaner Wiek mit Bruns-
haupten, Swante-Wustrow, das jetzige Fischland, mit Wustrow
und dem Darsser Kanal.
Am frühsten bekannt war die Golwitz»). Im Jahre 1345 liefen
die zur Beschirmung der Kauffahrer von den Städten Lübeck,
Rostock und Wismar ausgerüsteten Friedeschiffe in den Hafen
Golwitz ein (in portum Gholvitze)^). 1377 hatten die livlän-
discben Städte vereinbart, dass ihre Schiffe, bevor sie sich in
den Sund hineinwagen würden, sich in der Golwitz (in Golvitze)
versaipmeln sollten^). 1381 wurde der Hafen Golwitz (portus,
qui (Mcitur Gholvicze) den hansischen Friedeschiffen zum Ver-
sammlungsort angewiesen 5). 1396 wurden die preussischen
Schiffshauptleute durch den Sturm genöthigt, in die Golwitz ein-
zulaufen (also daz wir van wyndes halben in dye Golvitze
queipen)^). Von der Golwitz aus (ud der Golvisse) fuhr 1396
H. R. I, 4, Nr. 163.
a) 12S9 Mai 27 ertrank Fürst Johann III. von Meklenburg nach
Kifchberg (Mekl. Jahrb. 25, S. 62) auf der Fahrt von Wismar nach Pol,
nach Detmar (Städtechroniken 19, S. 381) in der Liepz bei Pol (vgl. daxu
Mekl. Jahrb. 31, S. 39 — 44), nach einer Ueberlieferung des Grauen Klosters
zu Wismar (das. 6, S. loi) in der Golwitz.
3) M. U. B. 9, Nr. 6564.
4) H. R. I, 2, Nr 145.
5) H. R. I, 3, Nr. 137.
6) H. R. I, 4, Nr. 375, 376.
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— I05 —
Herzog Erich, des Schwedenkönigs Albrecht Sohn, nach Gotland
hinüber, um hier sein Vitalienbrüder-Königthum zu errichten«).
1427 brachten Wismarsche Auslieger ein Danziger Schiff in die
Golwitz"). 1428 benachrichtigte Rostock die Lübecker, dass
mehr als 2000 Freibeuter in der Golwitz lägen 3). In demselben
Jahre erhielt Lübeck die Kunde, dass 30 preussische Schiffe von
den Ausliegern in die Golwitz gebracht seien*). In der Golwitz
(Goldfizze) ward J435 Danziger Kaufgut durch den ausgewichenen
Rostocker Rath mit Beschlag belegt 5). 1443 wurde der Bremer
Auslieger Grote Gert niit seiner Beute durch die Stadt Wismar
aus der Golwitz vertrieben^).
Die Insel Pol, welche durch die Golwitz vom meklen-
burgischen Festlande geschieden wird, war der kirchlichen Gewalt
des Bischofs von Lübeck unterstellt und dem Lübecker Dom-
kapitel zehntpfiichtig ^) \ Lübische kirchliche Stiftungen hatten oder
erwarben hier Grundbesitz^); Lübische Bürger kauften Kornrenten
aus Pol von dem Fürsten. Um solches Korn von Pol abzuholen,
kamen Lübische Schiffe nach der Golwitz : auch in Theurungs-
tmd Kriegszeiten sollten die Rentenkäufer ihr Korn nach ihrem
Belieben verführen dürfen 9). Aus diesem Abholen des eigenen
Korns entwickelte sich erklärlicher Weise, erst vielleicht zufällig
und gelegentlich, dann plan- und regelmässig, der Einkauf fremden
Getreides, das der mittelalterlichen Anschauung gemäss nach den
meklenburgischen Städten auf den Markt gebracht und eventuell
aus Rostock oder Wismar hätte verschifft werden sollen. Ein
solches Aufkaufen auf dem Lande mit Umgehung des Marktes
war sogenannte Vorkäuferei, Häfen, welche zur Ein- und Aus-
schiffung von Kaufmannsgut gebraucht wurden, ohne dazu privi-
H. R. I, 4, Nr. 413 § II.
2) Ltib. U. B. 7, Nr. 47.
3) Das. 7, Nr. 183,
4) Das. 7, Nr. 277.
5) Hirsch, Handels- und Gewerbsgesch. Danzigs S. 195 Anm, 721.
6) H. R. n, 3, Nr. 49, S^
7) M. U. B. I, Nr. 78; vgl. I, Nr. 197; 4, Nr. 2479.
8) M. U. B. I, Nr. 78, 167; 4, Nr. 2480; I, Nr. 592. Mekl. Jahrb.
48, S. 2-3.
9) M. U. B. 3, Nr. 2381 ; 4, Nr. 2536.
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— io6 —
legirt zu sein, wurden als ungewohnte Häfen, Klipp-, Pflück- oder
Winkelhäfen bezeichnet.
Von vornherein wird man solcher *Klipphafen- Schiffahrt ein
hohes Alter zuschreiben dürfen. Ernstere Massregeln gegen die-
selben wurden zunächst wohl nur dann ergriffen, wenn es galt,
der bedrohlichen Konkurrenz auswärtiger Kaufleute entgegen-
zutreten oder wenn in Theurungszeiten die Kornausfuhr in den
Seestädten verboten und deshalb der Schleichhandel besonders
schädlich war. Der erstere Grund bewog die Hansestädte, gegen
die Holländer einzuschreiten, die im Gefolge der Lübecker auch
die meklenburgischen Klipphäfen früh benutzt haben werden.
Auf der Tagfahrt, die am 20. Jan. 141 7 zu I-,übeck stattfand, ward
verhandelt »wegen der Holländer, die das Korn vorkaufen und
in ungewohnten Häfen verschiffen»*), und es wurde der Beschluss
gefasst, dass durch den Sund und durch den Belt, aus der Elbe
und aus der Weser bei Verlust des Gutes nur solches Korn ge-
führt werde, das in einer Hausestadt gekauft worden sei*). Auch
der Bestimmung der Wismarschen Bursprake von 26. Mai 1435,
dass Niemand seine Waaren anderswo verschiffen solle, als im
Hafen der Stadt, da es bei Verlust der Güter und bei will-
kürlicher Strafe des Rathes verboten sei, in der Umgegend Wis-
mars neue Häfen zu suchen und einzurichten 3), liegt vermuthlich
die gleiche Absicht zu Grunde*).
Im Jahre 1482 aber, mit dem die Klipphäfen- Akten des
Rostocker Rathsarchivs beginnen, waren es die in Flandern
herrschenden hohen Kompreise, welche den Korn- Vorkauf und
die Klipphafen Schiffahrt ungewöhnlich vermehrten. Die Adligen
in diesen Landen, erzählt die Lübische Chronik, und die gierigen
Kaufleute wurden Kornhändler, sandten das Korn zu Schiffe nach
Flandern und steigerten dadurch den Preis des Scheffels Roggen
1) Burmeister, Bürgersprachen und Btirgerverträge der Stadt Wismar
S. 62 Anm. *. S. auch dessen Beiträge zur Gesch. Europa's S. 106 Anm. **.
*) GrautofF, Lüb. Chroniken 2, S. 22. Vgl. Burmeister, Bürgersprachen
S. 84 und S. 67—68 § 16.
') Burmeister, Bürgersprachen S. 62 § i.
♦) So interpretirt Burmeister, Bürgersprachen S. 62 Anm. *. Ein Ver-
gleich der Hansestädte mit den Holländern war am 10. Mai 1435 abgeschlossen
worden; s. H. R. II, i, Nr. 399.
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— I07 —
in Lübeck auf 7 Schilling und darüber^). Im September dieses
Jahres hatte Rostock wegen des Aufkaufs von Korn und der zu
befürchtenden Einschiffung desselben auf dem Bug an Wismar
geschrieben. Wismar antwortete Sept. 13, es habe bisher noch
Nichts davon erfahren, wolle sich aber fleissig danach erkundigen.
Am 23. September berichtete es dann, dass in Gartz und dessen
Umgegend die Häuser mit Korn angefüllt seien und zur Ver-
sendung desselben Schiffe erwartet werden. Sept. 25 kamen die
Eathssendeboten Rostocks und Wismars zusammen. Auf ein
gemeinschaftliches Schreiben beider Städte an den Lübecker Rath
antwortete dieser Sept. 28, er habe die Bürger und Bürgerknechte,
wegen deren Aufkauf von Korn und Verschiffung aus ungewohnten
Häfen auf dem Bug bei Gartz zwischen ihren beiden Städten sie
ihm geschrieben, vor sich gehabt ; es sei ihm nicht lieb, dass
durch solches Beginnen Andere neue Häfen kennen lernen (so
is uns, leven heren, sodane anwysinghe und leringhe der nyen
havene nicht leff); er habe die Seinen deshalb ernstlich getadelt
und sich von ihnen versprechen' lassen, sich dessen enthalten zu
wollen; die nun einmal gekauften 7 — 8 Last aber bitte er sie
nach Lübeck verschiffen zu lassen.
Wenn sich Lübeck in diesem Schreiben, freilich nicht grund-
sätzlich, sondern aus praktischen Rücksichten, gegen die Klipp-
hafen-Schiffahrt seiner Bürger ausspricht, so ist davon in den
späteren Zeiten nicht mehr die Rede. In der Städteversammlung
vom 14. Oktober 15 13 zu Lübeck beschwerten sich die Rathssende-
boten Rostocks darüber, dass man von Travemünde aus nach
Meklenburg in ungewohnte Häfen fahre, um Korn zu kaufen;
der Lübecker Rath entgegnete jedoch, dass Schiffahrt und Korn-
kauf dieser Art, wie es von den Seinen gehört, seit 30 und mehr
Jahren frei gewesen sei. In einem undatirten Schreiben aus etwa
gleicher Zeit meldete Rostock an Lübeck, dass Travemünder
Schiffer in die Golwitz, nach Bukow und anderen ungewohnten
Häfen kämen, um Korn aufzukaufen und nach der Trave zu
führen, und begehrte, dass Lübeck seinen Travemünder Unter-
thanen dies verbiete. Auf ein späteres Schreiben Rostocks ähn-
lichen Inhalts antwortete der Lübecker Rath am 6. März 1527, da
x) Grautoff. Lüb. Chroniken 2, S. 430.
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— io8 —
es seine Pflicht sei für freie Hantierung und Kaufhandlung seiner
fiürger aller Orten zu sorgen, so gebühre es ihm nicht, denselben
die Wege, auf denen sie ihre Nahrung suchen, hier oder dort
zu verschliessen ; auch sei der betreffende Komhandel in der
Golwitz von geringer Bedeutung und deshalb wenig beschwerlich \
was aber die Holländer betreffe, so habe er, sobald er von deren
Absicht in der Golwitz und im Fürstenthum Meklenburg Korn
zu kaufen gehört, denselben erklärt, dass sie ihr Korn in Stral-
sund und jenseit, aber nicht diesseit desselben kaufen sollen,
wozu sie sich auch eidlich verpflichtet haben.
Auf das Verhältniss der Holländer zu den Hansestädten,
speziell in Bezug auf die Befahrung der Ostsee, des Näheren
einzugehen, ist hier nicht der Ort. Offenen Kämpfen zwischen
den Holländern und den Hansestädten hatte im Jahre 1441 ein
zehnjähriger Stillstand ein Ende gemacht *), der nach mehrfacher
Erneuerung 1479 ^^^ 24 Jahre verlängert wurde ^); nach einigen
Zwischenfällen wurde dann wieder 15 14 ein Stillstand auf 10 Jahre
geschlossen 3). Die Flucht König Christian II. von Dänemark
nach den Niederlanden (1522 April 13)^) schien Lübeck die
willkommene Gelegenheit zu bieten, den Niederländern mit der
Unterstützung des Königs auch den Verkehr mit Dänemark und
die Fahrt durch den Sund zu untersagen ^) ; aber der neue König,
Lübecks Verbündeter, Friedrich III., ging im Interesse seines
Landes 1524 einen Vertrag mit den Niederländern ein und 1525
kam auch zwischen diesen und den Hansestädten ein Abkommen
auf 2 Jahre zu Stande^).
Wie sich das den Holländern auferlegte Verbot diesseit
Stralsunds Korn zu kaufen rechtfertige oder erkläre, muss vor-
läufig auf sich beruhen bleiben. Als bald nach Erlass desselben
wieder ein holländisches Schiff um Korn einzunehmen in die
Golwitz kam, liess Wismar dasselbe anhalten und in seinen
Hafen bringen. Im Zorn darüber gestattete Herzog Albrecht
») H. R. H, 2, Nr. 491. Waitz, Lübeck unter Jürgen WuUenwever
und die europäische Politik i, S. 10, 254.
») H. R. III, I, Nr. 228, 230—33.
3) Waitz, WuUenwever i, S. 17—18, 253^—55.
4) Das. I, S. 22.
5) Das. I, S. 23—24, 255.
<') Das. I, S. 27—29, 356—59.
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— I09 —
von Meklenburg, wie Wismar am i8. Juni 1527 an Rostock
berichtet, dass ein Adliger Hans von Daldorf mit Gewaltthätig-
keiten gegen Wismar vorging, und verlangte, dass die Stadt
das Schiff wieder in die Golwitz bringen lasse und ihm selbst
eine Strafe von 4000 Gulden bezahle.
Zweifelsohne erklärt sich solcher Zorn des Herzogs dadurch,
dass er selbst in diesem holländischen Schiffe Korn zu versenden
Willens gewesen war. Seit Anfang des 16. Jahrhunderts waren
nämlich die meklenburgischen Herzoge darauf bedacht gewesen,
ihr Korn des zu erzielenden höheren Preises wegen auf aus-
wärtige Märkte zu schicken, waren aber dabei auf einen ener-
gischen Widerstand ihrer Hafenstädte Rostock und Wismar ge-
stossen. Am 7. Mai 1503 schreiben die Herzöge Magnus IL
und Balthasar an den Rostocker Rath: sie haben einen Schiffer,
der ein Schiff von 30 Last besitze, aufgefordert, mit einer Ladung
von ihrem eigenen Korn nach Amsterdam zu fahren und ihnen
für den Erlös Gegenstände zu ihrem eigenen Gebrauch von
dorther zurückzubringen (dat hie dat schip mit unseme eigenen
roggen mochte beladen, und den beth to Amsterdamme schepen,
darsulvest uns ruckelakcn und anders to unseme behove darvor
to haiende); da jedoch der Schiffer sich beklage, dass er das
ohne Genehmigung des Rathes nicht thun dürfe, so ersuchen sie,
gedachtem Schiffer ihnen zu Gefallen (uns to leffmode und ge-
fallen) solches zu gestatten und sie nicht durch eine abschlägige
Antwort zu schädigen (und uns solks in keynem wege weigeren
noch verseggen, dar durch wy des roggen nicht to schaden
kamen. Dar ane don gy uns dancknhemens gefallen, in sundern
gnaden to bedencken). Der Rath lehnt aber am 10. Mai dieses
Begehren ab, weil die Segelation und die Verschiffung aus Stadt
und Hafen Rostock bisher nur von den dortigen Einwohnern
und Kaufleuten ausgeübt worden sei und ihnen allein zustehe.
Auch am 1 2 . Oktober 15 1 o wird ein Gesuch der Herzöge Heinrich Y.
und Albrecht VlL, ein Schiff von 30 — 40 Last zur Au»ftrhr
einiger Waaren nach Dänemark und zur Einfuhr von Lebens-
mitteln von dorther miethen zu dürfen, vom Rostocker Rath
abgeschlagen.
Durch diese Weigerung der Seestädte, den Herzögen die
Benutzung ihrer Häfen, das jus navigandi, zu gestatten, waren die-
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HO —
selben den Klipphäfen und zwar zunächst der Golwitz zugeführt
worden, und Herzog Albrecht VII., der Schöne, der mit dem
älteren Bruder Heinrich V., dem Friedfertigen, damals noch
zusammen regierte, nahm an der Kornausfuhr nach den Nieder-
landen ein lebhaftes Interesse. Gleich seinem Schwiegervater,
Kurfürst Joachim von Brandenburg, war er fortwährend bemüht,
dessen Schwager, dem entthronten König Christian II., zur
Wiedergewinnung seines Reichs oder doch zur Erlangung einer
Entschädigung zu helfen. König Christian aber, in Folge seiner
Vermählung mit Isabella von Spanien, der Schwester Kaiser
Karls, der Nichte der Statthalterin Margaretha, wenigstens des
Schutzes und der Verwendung des kaiserlichen Hauses sicher,
leitete seine Unternehmungen von den Niederlanden aus.
In schneller Entscheidnng fasste Herzog Albrecht den Ent-
schluss, sich eigene Schiffe bauen zu lassen. Am i8. Juli 1527
protestiren Bürgermeister und Rath zu Rostock, dass sie vor noch
nicht zehn Tagen erfahren haben, Herzog Albrecht habe befohlen,
einige Schiffe in der Golwitz zu erbauen, dass sie, weil solche
Neuerung gegen Herkommen, Gewohnheit, Privilegien und ge-
meines Recht sei, dem gemeinen Besten, dem konfirmirten Hafen
und der Stadt Rostock zum Verderben gereiche und niemals
vorher von der Landesherrschaft unternommen worden sei, nicht
stillschweigend darein willigen können, und dass sie sich zu ge-
richtlichem Verhör und Erkenntniss an gebührlichen Orten er-
bieten. Gleichzeitig schreibt die Stadt an Herzog Albrecht, sie
habe in Erfahrung gebracht, dass — über die bisherigen mannich-
fachen Beschwerungen und Neuerungen in der Golwitz hinaus —
der Bau von Schiffen durch ihn befohlen sei; sie könne nicht
glauben, dass von ihm als Landesherrn die Benachtheiligung
seiner eigenen Unterthanen anderen Leuten gestattet werde, ge-
schweige denn selbst ausgehe, und bitte daher, dass er von solchem
Unternehmen abstehe; eventuell aber unterwerfe sie sich, wie sie
darüber protestirt habe und hiermit protestire, richterlichem Er-
kenntniss und vertraue darauf, dass bis dahin der Herzog Nichts
unternehmen werde. In einem weiteren Schreiben Rostocks vom
31. Juli heisst es, dass die Stadt von Anfang an zumeist darauf
begründet sei, »dass ihr gebannter und konfirmirter Hafen und
Hantierung unverrückt bleibe und nicht an andere ungewohnte
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Orte verstreut werde«. Darauf antwortet der Herzog am
7. August: da seine Vorfahren und er den Golwitzer Hafen zu
ihrer eigenen Schiffahrt zu gebrauchen in Uebung und Gewähr
gewesen, so hege eine Neuerung nicht vor; ohnehin aber habe
er als Landesfürst das Recht und die Macht, seiner Regalien,
Lande und Leute ohne Jemandes Widerspruch zu gebrauchen;
Rostock, dem ein merklicher Schade oder Verderb nicht daraus
erwachse, werde nicht nachzuweisen vermögen, dass solches durch
die Reichsordnung verboten sei; vermeine es aber, durch Privilegien
dagegen geschützt zu sein, so werde er, durch solche Priviliegien
genugsam erinnert, sich fürstlich und untadelhaft zu bezeigen wissen.
Für mündliche Verhandlungen, welche seine Sendeboten mit
Herzog Albrecht und vorher mit dem Rath zu Wismar führen
sollten, ertheilte der Rostocker Rath am 16. August den Bürger-
meistern Hinrich Goldenitz und Bernd Krön folgende Instruktion.
In Wismar sollen sie berichten, was Rostock von Herzog Albrecht
begegnet ist, und sich mittheilen lassen, was Wismar von Herzog
Heinrich erlangt hat; dann sollen sie sich erkundigen, ob Wismar
Privilegien besitze, welche ausdrücklich von der Golwitz handeln ;
wenn das aber auch nicht der Fall sei, so müsse doch die Sache
mit Billigkeit und Recht gefördert werden; Rostock wolle in
Bezug darauf mit Wismar zusammengehen, finde aber für diesmal
eine Mitbesendung Herzog Albrechts von Seiten Wismars nicht
gerathen ; was Rostock dem Herzog vortragen lassen will, soll
Wismar klärlich dargelegt werden; solche Verhandlung soll vor
dem ganzen Rathe stattfinden. Herzog Albrecht soll gebeten
werden, die Neuerung in der Golwitz abzustellen oder, wenn er
etwa, wie man nicht hoffe, über Rostock der Bede halber sich
zu beschweren habe. Verhör und Erkenntniss zuzulassen; will
der Herzog in die Abstellung nicht willigen, so sollen die Ge-
sandten sich auf weiteres Verhandeln nicht einlassen, sondern
auf Verhör dringen; einen bestimmten Termin für das Verhör
sollen sie weder vorschlagen, noch definitiv anzunehmen er-
mächtigt sein, weil man einerseits nicht wissen kann, wann Herzog
Heinrich und die übrige Landschaft zusammengebracht werden
können, und weil andrerseits Herzog Albrecht vielleicht einen
allzu langen Termin vorschlägt ; eine etwaige Frage des Herzogs,
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ob sein Bruder, Herzog Heinrich, bei dem Rechtsspruch betheiligt
sein solle, haben sie nicht zu beantworten.
lieber den Verlauf der Verhandlungen mit Herzog Albrecht,
denen unmittelbar darauf auch Verhandlungen mit Herzog Heinrich
sich anschlössen, sind wir leider nicht unterrichtet. Am 29. August
meldete aber Wismar an Rostock, dass Herzog Albrecht dem
Gerüchte nach Korn in dem bewussten Holländer zu verschiffen
gedenke, und am i. Sept. schrieb Herzog Albrecht an den Rostocker
Rath: er habe ein Schiff mit selbstgewonnenem Korn in der
offenen See, das nach den Niederlanden bestimmt sei; der Rath
möge seinen etwaigen Ausliegern befehlen, dieses dem Herzog
allein gehörige Schiff ungehindert passiren zu lassen.
lieber neue Verhandlungen, die im Februar oder März 1528
mit den Herzogen zu Doberan stattfanden, fehlt uns wieder die
nähere Kunde. Am 19. März erwiederte Herzog Albrecht dem
Rostocker Rath, sein heftiges und unsinniges Verlangen in der
Golwitzer Angelegenheit, über den Abschied hinaus, der ihm
jüngst von seinem lieben Bruder Herzog Heinrich und ihm selbst
zu Doberan ertheilt sei, befremde ihn nicht wenig; doch wolle
er sein Schreiben in Erwägung ziehen und hernach beantworten.
Herzog Heinrich antwortete am 22. März, auf Rostocks Schreiben
wegen der Neuerung, welche Herzog Albrecht seit dem Doberaner
Abschiede in der Golwitz vorgenommen haben solle, wolle er
binnen Kurzem durch eine besondere Botschaft antworten lassen.
Im Juni fand auf der Sagsdorfer Brücke bei Stemberg ein Land-
tag statt, auf welchem die Rostocker Sendeboten die Golwitzer
Angelegenheit vor die Stände brachten und Herzog Albrecht
einwilligte, die Sache zum Verhör kommen zu lassen. Auf die
Nachricht davon sprach Wismar am 27. Juni dem Rostocker Rath
seinen Dank aus, meinte aber, in diese Einwilligung des Herzogs
kein Vertrauen setzen zu dürfen (dath under deme schine de
sake thor vorhore kamen to latende unsers ermetens nicht anders
den vuste frig vortan myt gewalt vorttofarende unde derhalven
to drengende willen to makende gementh werth). Jedenfalls
verzögerte sich die Sache sehr lange. Am 16. Juli antwortete
Herzog Heinrich auf ein Schreiben Rostocks, es werde demnächst
ein allgemeiner Rechtstag ausgeschrieben werden, auf dem auch
die Beschwerden Rostocks, namentlich wegen der Golwitz, zum
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— 113 —
Verhör kommen können und den er deshalb zum Termin be-
stimme. Zwei Monate später, am 13. September, erwiderte er auf
ein neues Schreiben bezüglich der Golwitz und anderer Be-
schwerden, er wolle dasselbe Herzog Albrecht bei dessen Zurück-
kunft zustellen lassen, und unter gleichem Datum antwortete
Herzog Albrecht, er sei ausserhalb des Fürstenthums beschäftigt
gewesen und müsse sich wiederum hinwegbegeben; wenn er
wieder heimkehre, werde er Rostock antworten lassen. Zum
12. Oktober aber wurden Rostock und Wismar vom Herzog
Heinrich nach Güstrow gefordert; am 9. Oktober erklärte sich
Wismar gegen Rostock bereit, seine Sendeboten dorthin abzu-
fertigen; am IG. Oktober versprach es, die Privilegien, welche
in der Golwitzer Sache etwa dienlich sein könnten, nach Güstrow
mitzuschicken. Ueber den Verlauf und den Ausgang des Rechts-
tages sind wir nicht unterrichtet.
Im Jahre 1530, als die Herzoge Albrecht und Heinrich am
Reichstage zu Augsburg theilnahmen, gab die Golwitz zu Be-
sorgnissen Anlass. Am 23. Juli wandte sich die Herzogin Anna,
Albrechts Gemahlin, an Rostock : nach Bericht des Küchenmeisters
zu BukoW seien drei Jachten mit Volk und- vielem Geschütz in
die Golwitz gekommen ; die Absicht derselben sei noch unbe-
kannt; Rostock möge jedoch seine Knechte und Unterthanen
bereit halten und, sobald es feindliche Absichten merke, mit
aller Macht herbeiziehen und jener Gegend Hülfe und Rettung
bringen.
Zwei Jahre darauf, im Juni 1532, ist zuerst von einem Plan
Herzog Albrechts die Rede, auf Pol einen Bau aufführen zu
lassen, der von ihm selbst für ein harmloses Lustschloss aus-
gegeben, von den wendischen Städten aber für eine Festung ge-
halten wird.
Der vertriebene König Christian II. hatte sich am 24. Ok-
tober 1531 zu Medenblick eingeschifft, in der Hoffnung, die ver-
lorene Herrschaft wiederzugewinnen ; im Kattegat aber war seine
Flotte von einem heftigen Sturm überfallen und theilweise ver-
nichtet worden ; mit dem Rest derselben war er nach Norwegen
gekommen^). Hier fand er Anerkennung; aber das Schloss
») Waitz, Wullenwever i, S. 121.
Hansische Geschichtsblätter. XIV.
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— 114 —
Aggeishuus widerstand seiner Belagerung. Zum Entsatz desselben
fahr im Mai 1532 eine däntsch*Hibische Flotte nach Norwegen;
ihrem Oberbefehlshaber Knud Gyldenstjera, erwähltem Bischof von
Odensee, gelang es, den König am i. Juli zu bewegen, sich
adbst nach Kopenhagen zu begeben, um mit König Friedrich
persöalidi zu rerhandelQ >). An> 24. Juli kam Christian im Ver-
trauen auf das ihm verbriefte sichere Geleit nach Kopenhagen«);
am 28. Juli liess ihn König Friedrich als Gefangenen nach
Soiiderburg abflihren^).
Da Christian seine Flotte in de» Niederlanden zusammen-
gebracht hatte, verlangte König Friedrich am 1 1. Januar 1532, dass
die Holländer die Fahrt nach Norwegen und nach der Ostsee bis
zum 7. April völlig einstellen und alsdann Gesandte zu Ver-
handlungen nach Hamburg schicken sollten^). Im April wurde
der Termin bis zum 24. Juni verschoben und Kopenhagen zum
Verhandlungsort besthnrot^). Durch dieses Verbot fühlten sich
die Niederländer schwer betroffen; alle Waaren des Ostens stiegen
im Preise^ die Last Roggen von 20 auf 46 Goldgulden^). Es
wurde eine Flotte von 60 Schiffen au^^gerüstet, die, wemi die
Verhandlungen nicht zum Ziete föhren würden, mit Gewalt in die
Ostsee dringen und eine Kornladung aus Danzig zurückbringen
sollte 7). Am 9. Juli kan» jedoch zu Kopeohagen zwischen den
Niederländern einerseits und den Reichen Dänemark und Schweden
und den wendischen Städten andererseits ein Vertrag zu Stande,
in welchem den Niederländern gegen das Versprechen, König
Christian in keiner Weise unterstützen zu wollen-, das Abkommen
von r52'5 bestätigt wurde 8).
Als nun die Gefangennahme König Christians erfolgte, suchte
Lü^beck, das den Vertrag widerwillig eingegangen war, nach
einem Ausweg, um demselben zu entgehen. König Friedrich
») Waitz, Wullenwever i, S. 170 — 73, 353 — 55.
») Das. I, S. 176.
3) Das. I, S. 179.
♦) Das. I, S. 131.
5) Das. I, S. 136—37. 316—17.
<>) Das. I, S. 154.
7) Das. I, S. 157.
8) Das. I, S. 162—64, 340 — ^42.
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— 115 —
willigte ein, dass eine dänisch-lübische Gesandtschaft die hollän-
dischen Städte um Schadensersatz ansprechen sollte. Da aber
die Niederländer diese Forderung abwiesen, wollte der König
von dem von Lübeck verlangten Kriege nichts wissen. Auch
König Gustav von Schwede» und' selbst die Wendischen Städte
verhielten sich ablehnend '). Da entschloss sich Lübeck, wo eben
der bisherige Worthalter der Vierundsechziger, Jürgen Wüllen-
wever, in den Rath gewählt worden war und die Bürgeriweister-
würde erlangt hatte*), in der Hoffnung die Verbündeten doch
mit sich fortzureissen, den Krieg allein anzufangen. Aber ehe
noch die gegen di^ Holländer ausgerüsteten Schilfe den Hafen
verlassen hatten, starb König Friedrich am lo. April 1533^).
Die Insel Pol, wo mitten in diesen Kämpften um die Ostsee
Herzog Albrecht v<m Meklenburg sich angeblich ein Lustschloss
bauen lassen wollte, war im Jahre 13 18 von Fürst Heinrich II.
der Familie von Stralendorf zu voMem Eigenthum verkauft worden ^) ;
zu Anfang des x6. Jahrhunderts aber wurde das Jagckeckt von
den Landesherren in Anspruch genommen und tbatsächlich aus-
geübt. Auf einem Stücke Landes, die Drenow gdieissen, das
einer Vikarie zu St. Nikolai in Wismar, deren Patronatsrccht
den Landesherren zustand, gehörte, lag ein Haus, in welchem
bei Jagd-Gelegenheiten die Jäger der Fürsten herbergten (darinne
der Fürsten jacht lach, wenner se dor Jagden efft jagen leten
dar up deme lande); Heinrich von Stralendorf aber hatte das
Haus niedergerissen, die Drenow zu seinem Kruge gelegt und die
Jagdherberge auf eine seiner Käthen übertragen (und de jacht
in sinen katen gekcht)^). Ob nun durch gütliche Auseinander-
setzung mit Heinrkh von Stralendorf oder wie sonst das Terrain
zu dem beabsichtigten Bau von Herzog Albrecht gewonnen
worden war, wissi&n wir nicht; auch über die Lage desselben
ist Näheres nicht bekannt.
Als der Rostocker Rath von der Absicht Herzog Albrechts
Nachricht erhielt, erregte dieselbe lebhaft seihe Besorgniss. Alsbald
>) Waitz, WuUenwever i, S. 183—88.
a) Das. I, S. 198—99.
3) Das. I, S. 189.
4) Mekl. Jahrb. 48, S. 3.
5) Das. 41, S. HO— 12; 48, S. 4—5.
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— ii6 —
machte er dem Herzog Vorstellungen und setzte Wismar von
dem Unternehmen sowohl, wie von seinem Schreiben an Herzog
Albrecht in Kenntniss. Am 30. Juni 1532 antwortete Wismar^
es habe ebenfalls von dem beabsichtigten Bau Kunde erhalten
(dath sich de dinge mid thohopeforinge averswindigen vieleir
Buwholtes darsulvest thor stede in der warheit also begeven
schollen), wolle in gleicher Weise, jedoch mit anderen Worten an
Herzog Albrecht schreiben und sei damit einverstanden, dass auf
der bevorstehenden Zusammenkunft in Güstrow die Angelegenheit
gemeinsam erwogen werde. Auch Herzog Heinrichs Vermittelung
wurde von Rostock angerufen; am 22. Juli antwortete der Herzog,
er sei bereit, Rostocks Anliegen seinem Bruder zu berichten und
das Beste der Stadt zu fördern. Insbesondere aber setzten
Rostock und Wismar ihre Hoffnung auf eine gemeinschaftliche
Einsprache der wendischen Städte und sprachen deshalb den
Wunsch aus, dass Lübeck im Namen ihrer aller ein Schreiben
an Herzog Albrecht ergehen lasse. Die Städte erklärten sich
damit einverstanden, Stralsund Juli 26., Hamburg und Lüneburg
Juli 31., Lübeck Aug. 2. Stralsund freilich fügte hinzu, im
Uebrigen wisse es Rostock wenig zu rathen ; denn seinerseits
vermöge es die Neuerungen, welche von den ihm benachbarten
Adligen zum Schaden der Städter eingeführt werden, mit allen
Mitteln und Geldaufwendungen nur selten abzuschaffen und würde
es stillschweigend ertragen, wenn sein Landesherr solche eben-
falls vornehmen würde. Das uns nicht erhaltene Schreiben
Lübecks an Herzog Albrecht machte offenbar demselben böses
Blut. Als Wismar am 20. August in anderen Angelegenheiten seine
Rathsverwandten zu ihm nach Pol sandte, fragte er sie, ob
Wismar zu dem Briefe, welchen ihm Lübeck im Namen der
wendischen Städte geschrieben, seinen Konsens gegeben habe;
die Abgeordneten räumten dies ein; was aber dann der Herzog
über diesen Brief geäussert, war nach einem Schreiben Wismars
vom 24. August der Feder nicht anzuvertrauen. Eine Zeitlang
gab wenigstens Wismar der Hoffnung Raum, dass der Bau ein-
gestellt werde. Die Deputirten vermochten nicht sicher zu er-
kennen, ob der Herzog von seinem Vorhaben abstehen wolle
oder nicht; ihres Bedünkens aber war Aussicht, dass der Bau
unterbleibe (eres bedunckendes hedde id sich ja laten ethlicher
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— 117 —
raathe vormercken, als solde id wol vorbliven mögen). Als Rostock
auf Grund entgegengesetzter Nachricht an Wismar schrieb, ant-
wortete dieses am 24. August, es habe gleich nach Empfang des
Rostocker Schreibens einen Boten nach der Golwitz gesandt, um
Erkundigung einzuziehen; nach Bericht desselben werde aber
kein Holz mehr herangeführt, nichts Neues mehr vorgenommen
und mit dem Begonnenen nicht fortgefahren (dath dar kein holt
mehr thogeforeth, ock nichts furder angericht werdt edder mit
deme donde vortgefaren). In einem neuen Schreiben vom
10. September meldete es jedoch, dass Herzog Albrecht gegen
alles Erwarten weiteres Bauholz herbeiführen lasse (dath unse
gnediger here, hertoch Albrecht, flux mher buwholtes aldarhen
tho sulcheme schedtlichen buwende leth foren und bringen), das,
wie es heisse, über Rostock aus der Heide gebracht werde.
Vielleicht ist daraufhin eine neue Abmahnung Lübecks an Herzog
Albrecht ergangen oder doch von den meklenburgischen Städten
nachgesucht worden. Am 23. November berichtet Lübeck an
Rostock : obwohl es in dem Schreiben, das es im Namen der
wendischen Städte an Herzog Albrecht gerichtet, um definitive
Antwort gebeten habe, so sei ihm doch unlängst nur die Er-
widerung geworden, dass der Herzog seinen beiden Städten Rostock
und Wismar antworten wolle, bei denen Lübeck sich nach seiner
Meinung erkundigen könne; wenngleich aber Lübeck nicht be-
zweifele, dass Rostock ihm zum Zwecke weiterer Berathung
solche Antwort mittheilen werde, so habe es doch dem Herzog
nochmals geschrieben, dnss der beabsichtigte unleidliche und
schädliche Bau nicht nur Rostock und Wismar, sondern ebenso
sehr auch Lübeck und die anderen Städte angehe, und dass es
deshalb nochmals um gnädige und definitive Antwort ersuchen
müsse.
Zum 3. Januar 1530 waren Abgesandte Rostocks vor Herzog
Albrecht nach Güstrow gefordert. Die Rostocker Deputirten
wurden instruirt, falls die Verhandlungen die Golwitz betreffen
würden, so sollten sie erstens die Theilnahme von Sendeboten
Wismars verlangen, zweitens den Herzog von dem Bau abzu-
stehen bitten und drittens die Sache ad referendum an den
Rath und an Lübeck und die übrigen wendischen Städte nehmen.
Nach dem uns erhaltenen Bericht erledigte sich der erste Punkt
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— Ii8 —
dadurch, dass Abgesandte Wismars ebenfalls eingeladen und zu-
gegen waren.
Die Verhandlungen fanden am Freitag, dem 3. Januar, Abends
spät, auf dem Schlosse zu Güstrow statt. Nach gnädiger Hand-
reichung hiess der Herzog die Deputirten sich setzen, dankte
ihnen für ihr Kommen und eröffnete ihnen dann seine Meinung:
wie ihnen wohl bekannt sei, wolle er auf Pol ein Lusthaus
bauen-, bisher habe er, wenn er dort gewesen, bei den Bauern
einliegen müssen: »da schreien die Kühe, da blöken die Schafe,
da quiken die Schweine, da schreie Alles zusammen und lärme
durcheinander, dass man Niemand hören könne«; auch müsse
der Strohdächer wegen immer Feuersgefahr befürchtet werden;
sei er doch neulich erst zu Bukow mit seiner Gemahlin einem
Brande nur mit genauer Noth entkommen; ein Lusthäuschen, in
welchem er und seine Gemahlin sich in Bequemlichkeit aufhalten
können, sei alles, was er beabsichtige ; nun aber habe ihm Lübeck
geschrieben , es könne nicht dulden, dass er auf Pol eine Festung
bauen wolle; demgemäss bitte er also, ihm zu rathen, was
I^übeck geantwortet werden solle. Nachdem sich die Sendeboten
der beiden Städte berathen, nahm zunächst Bürgermeister Bernd
Krön von Rostock das Wort: zwar habe der Herzog dem
Rostocker Rath nicht mitgetheilt, weshalb er das Erscheinen von
Abgesandten begehre ; doch sei der Rath sich . schon vorher
schlüssig gewesen, den Herzog, wo immer man ihn antreflfe, zu
bitten, dass er den beabsichtigten Bau aufgebe; solle er dem
Herzog getreulich rathen, so könne er nur rathen, den Plan
fallen zu lassen; der Herzog lasse sich zwar vernehmen, dass
es nur ein Lusthaus werden solle, aber der Bau könne sich auch
zu einem Unlusthause gestalten, wenn auch nicht unter der
Regierung des jetzigen Herzogs, so doch unter seinen Nachfolgern ;
und was für eine Lust könne es dort wohl auch geben, beim Strande
und an der See? er sei selbst zur See gewesen, habe aber keine
Lust dabei verspürt, sondern Gott gedankt, wieder ans Land zu
kommen; seinerseits ziehe er einem Lusthause an der See ein
solches vor, das 10 bis 20 Meilen landeinwärts liege, und wolle
auch dem Herzog getreulich dazu gerathen haben; im üebrigen
aber bitte er, da der Herzog aus hohem fürstlichen Verstände
solches selbst zu erwägen wisse, die Gesandtschaft des Rath-
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— 119 —
gebens wegen gnädiglich zu verschonen. In gleichem Sinne
antworteten auch die Rathssendeboten Wismars. Der Herzog
entgegnete darauf in längerer Rede : es sei nicht seine Meinung,
eine Festung zu bauen oder ein Unlusthaus für die Zukunft;
weder von ihm selbst, noch von seinen Nachkommen werde
Böses beabsichtigt werden, man möge also auch nichts Böses von
ihnen argwöhnen; müsste doch, was von ihm und seinen Nach-
kommen zum Verderben seiner Städte gethan würde, ihnen selbst
zum Verderben gereichen; Lübeck aber solle von Rostock und
Wismar geschrieben werden, es möge ihren Herzog auf seinem
Grund und Boden nach seinem Belieben bauen lassen, wie ihr
Herzog es leiden könne, dass Andere auf dem ihrigen bauen. Die
Abgesandten erwiderten jedoch allseitig, dass sie solche Antwort
den Lübeckern nicht geben könnten, baten nochmals, dass der
Herzog von seinem Plan abstehe, und nahmen endlich das An-
liegen desselben ad referendum*).
Schon zwei Tage danach, am 5. Februar, verlangte Herzog
Albrecht von Wismar, dass die Stadt wiederum eine Gesandtschaft
zu ihm nach Güstrow schicke, welche aus zwei Bürgermeistern
und zwei Mitgliedern der Gemeinde bestehen und bevollmächtigt
werden sollte, über dringliche Angelegenheiten mit ihm zu ver-
handeln. Einestheils betrafen diese Angelegenheiten den Kanal 2),
der nach einem, schon von Albrechts Vater, Herzog Magnus
(f 1503 Nov. 20), gefassten Plape^) Wismar mittels des Schweriner
Sees und der Eide mit der Elbe verbinden sollte^); andemtheils
bezogen sie sich auf drei Schiffe, die der Herzog in Wismar mit
Korn befrachtet hatte und deren Auslaufen der Rath nicht zu-
geben wollte. Was ihm von Seiten Wismars zugesagt sei, schreibt
') Das Protokoll dieser Verhandlung ist gedruckt bei Pötker, Neue
Sammlung Mecklenb. Nachrichten Stück 4, S. 20 — 22 ; das Original befindet
sich im Rathsarchiv zu Rostock.
a) S. Pötker Stück 4, S. 23—33.
3) Das. S. 24 — 25 : »und ist diese neue Fahrt allbereit vor hundert
Jahren, nemlich Anno 1480. von Hertzog Magno, den altem, löbl. Gedächt-
niss, vor die Hand genommen, aber doch nichts würckliches darinnen be-
schaffet wordene.
♦) S. Hamb. Chroniken in niedersächs. Sprache, herausg. v. Lappen-
berg, S. 288, 428 zum Jahre 1530.
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I20
der Herzog, danach möge sich der Rath bei denjenigen erkun-
digen, die über die SchiflOfahrt in der Golwitz mit ihm verhandelt
und sich verglichen haben; wolle Wismar diese Zusage nicht
halten, so werde auch für ihn der Vertrag nichtig sein; was der
Rath keinem seiner Bürger verwehre, dürfe er seinem Landes-
herrn, dem die Stadt mit ihrem Grund und Boden eigne, viel
weniger verweigern ; wolle aber der Rath, der ihm immer zuge-
sagt, dass Jedermann in der Stadt frei handeln und wandeln
könne, seinem Landesherm, dem er mit Eiden und Pflichten ver-
haftet, seiner eigenen Zusage entgegen, die drei Schiffe nicht nach-
geben, so könne er solches gewaltthätige, freventliche und muth-
willige Vornehmen nicht für billig ermessen. Am 8. Februar
theilte Wismar dieses Schreiben Rostock mit und ersuchte um
eine gemeinschaftliche Besprechung zu Klützbeck.
Unmittelbar nach dem Tode König Friedrichs (April lo)
berief Lübeck die wendischen Städte zu einer Zusammenkunft,
die am 13. Mai stattfinden sollte. Nach dem Einladungsschreiben,
das Lübeck am 25. April an Rostock richtete, sollte auch über
den Bau Herzog Albrechts in der Golwitz verhandelt werden*).
Hauptsächlich aber handelte es sich darum, ein gemeinsames
Auftreten der wendischen Städte gegen die Holländer zu erzielen.
Dazu aber vermochte Lübeck die übrigen Städte nicht zu be-
wegen ^).
Durch den Widerstand, den Herzog Albrecht gefunden, ist
er bewögen worden, das Pöler Lusthaus-Projekt, wenigstens vor-
läufig, aufzugeben. Sofort aber hat sich seinem findigen Geiste
ein neuer Weg gezeigt, ihm die Ostsee, unabhängig von dem
guten Willen seiner Seestädte, zugänglich zu machen.
Am 5. März 1533 beurkundet Herzog Albrecht zuRibnitz:
nachdem er Willens geworden, Hafen und Tief der Stadt Ribnitz
aufräumen und herstellen zu lassen, habe ihm seine Schwester,
die Aebtissin Dorothea, berichten lassen, dass sie zwar mit solchem
Vorhaben einverstanden sei, ihre Klosterunterthanen aber dadurch
nicht geschädigt sehen möchte; diesem Wunsche gemäss ver-
spricht der Herzog, dass dem Kloster und dessen Unterthanen
») Waitz, Wullenwever i, S. 389.
*) Das. I, S. 222, 389.
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kein Schade aus seinem Unternehmen erwachsen, sondern ihnen
auch gestattet werden solle, ihr Vieh zollfrei über die neue
Brücke zu treiben, die er über den Hafen hin anlegen lassen
werde.
Mit diesem Hafen und Tief der Stadt Ribnitz verhält es sich
folgendermaassen. Nach der Darlegung von Peters ^) ist Swante-
Wustrow, das jetzige Fischland, als Insel entstanden 2) und von
Anfang an vom alten Darss und vom Festland Meklenburg durch
Wasserläufe getrennt gewesen; der nördhche Wasserlauf ist der
jetzt sogenannte Darsser Kanal bei Ahrenshoop 3) ; der südliche
hat den Namen Permin geführt^); dieser südliche Wasserlauf ist
aber nach und nach versandet und der Ribnitzer Binnensee hat dann
— abgesehen von einer engen Mündung neben dem jetzigen
Kirchdorf Wustrow beim Rönnebaum ^) — hier nur noch mittels
schmaler Rinnen mit der Ostsee in Verbindung gestanden; zwei
dieser Rinnen sollen sich noch jetzt in der Steinsbeck und im
sogenannten alten Hafen erkennen lassen^). Dieser alte Hafen
ist aber in Wirklichkeit nur ein künstlich gezogener Graben, der
Anfang eines schmalen Durchstichs, der zwischen zwei 10,7 Meter
auseinander liegenden Wällen vom Ribnitzer Binnensee auf den
Strand zugeht 7). Nördlich von ihm befindet sich der mehr als
doppelt so breite neue Hafen, ebenfalls ein Durchstich, vom
Binnensee aus bis nahe an die Dünen, zwischen zwei 23 Meter
auseinander liegenden Wällen 8). Das Terrain, auf dem diese
Durchstiche unternommen worden sind, ist gemeint, wenn von
einem Ribnitzer Hafen die Rede ist^). Nach den bisher be-
x) Peters, Das Land Swante- Wustrow oder das Fischland. Zweite Auf-
lage, Rostock, 1884.
») Das. S. 5.
3) Das. S. 8 — 12. Mekl. U. B. 5, Nr. 3483: uncus, qui vulgariter
Arneshop dicitur.
♦) Das. S. 12 — 14, 46. 1442 by dem vlote der olden Praminen: das.
S. 1.17.
5) Das. S. 7. Nach Latomus bildet die Reknitz »unter Damgarten einen
See, welcher beym Dorfe . . . Wustrow . . . durch einen engen Strohm
von der Ostsee unterschieden wird« : das. S. 12.
6) Das. S. 7.
7) Das. S. 59: »Dieser angefangene schmale Durchstich«.
8) Das. S. 59.
9) Das. S. 45.
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kannten Zeugnissen zu urtheilen, geschieht aber von Zeitgenossen
niemals eines wirklich vorhandenen, sondern immer nur eines
einst vorhanden gewesenen Ribnitzer Hafens Erwähnung*).
Nach einem noch genauer mitzutheilenden Bericht vom Jahre
1595 war damals der Ribnitzer Hafen für Wagen .und Pferde,
aber nicht für Schiffe befahrbar; wie es schien, hatte es früher
zwei Häfen gegeben, den einen bei Ahrenshoop, wo Rudera eines
Baues vorhanden waren, den andern unterhalb Wustrows, wo bei
stillem Wetter noch Pfähle in der See sichtbar sein sollten ; keinen
Büchsenschuss von diesem letzteren entfernt war vor undenk-
liehen Jahren ein neuer Hafen angefangen worden, aber, trotzdem
nur noch eine Strecke von etwa 1 50 Klaftern auszugraben übrig ge-
wesen wäre, unvollendet geblieben.
Was nun zunächst die Rudera bei Ahrenshoop anbelangt 2),.
so gehen dieselben offenbar auf einen Bau zurück, von dem uns
der Lübische Franziskaner-Lesemeister Detmar als Zeitgenosse
berichtet. »Um St. Margarethen (Juli 13), so erzählt er zum
Jahre 13952), zogen die von Rostock mit tausend Wehrhaften
aus und brachen einen festen Bergfried bei Ahrenshoop nieder,
das auf der Scheide von Swante-Wustrow zwischen den Herr-
schaften Rostock und Stralsund liegt. Dieses Ahrenshoop hatte
der Herzog von Stralsund (Barnim VI., Sohn des 1394 gestorbaien
Wartislaw VI.) befestigt mit Bergfrieden und mit Gräben, zu denen
ein Tief hatte führen sollen. Nun kamen die Rostodcer und
brachen es nieder, wie sie vorher schon zweimal gethan hatten,
und dämmten die Gräben wieder zu bis auf den Erdboden«.
Der etwas jüngere Dominikaner Hermann Korner giebt diese
Nachricht etwas nüancirt folgendermaassen wieder: 1395 um
Juli 13 sind die Rostocker mit tausend Gewappneten ausgeritten
und haben das Schloss Ahrenshoop niedergebrochen, das Herzog
*) Die Angabe Reimar Kocks (Grautoff i, S. 494): »De forste leth
deme gelick uthropen, dat de Haven Ribbenize unde Golwetzc scheiden,
apen sin aUen denjennen, wol up de vorbenomden Rike wolde voren unnd
nehmen«, kann hier nicht in Betracht kommen.
*) Genauer thut ihrer Tilemann Stella (Peters S. 11) Erwähnung, nach
dem hier bei Ahrenshoop »die von Ribnitz von alters ihre Schiffarth durch-
gehabt«.
3) Grautoff i, S. 368.
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— 123 —
Bogislaw von Wolgast erbaut und mit tiefen Gräben befestigt
hatte und wo er zu grossem Nachtheil filr die Rostocker einen
neuen Schiflfshafen hatte anlegen wollen. In dieser Form, auch
mit dem Irrthum in der Person des Herzogs, ist die Nachricht
durch die Vermittlung der späteren Chronisten allgemein bekannt
geworden.
Die beiden Durchstich-Arbeiten unterhalb Wustrows werden
nur in der Weise zu erklären sein, dass man die jüngere für das
Werk Herzog Albrechts, die ältere für das Unternehmen eines
seiner Vorgänger hält'). Immer aber bleibt es auffällig, dass
von einem Einspruch Rostocks gegen solche Arbeiten keine Nach-
richten kund geworden sind.
Wegen der Klipphafen-Schiflffahrt in der Golwitz nehmen die
Streitigkeiten im Jahre 1534 ihren Fortgang. Am 17. Februar
schreibt Wismar an Rostock: mit dem Schreiben, das beide
Städte wegen des Kom-Vorkaufs an Lippold von Oertzen gesandt
haben, sei es nicht gethan: man müsse auch anderweitig mit
Ernst vorgehen; einige Schuten und, Kreier von vielen Lasten
seien bereits aus Travemünde in die Golwitz gekommen —
andere liegen noch in Travemünde bereit — , um von Edelleuten
und Bauern Korn einzunehmen ; vielleicht sei es rathsam, dass
die in Hamburg sich aufhaltenden Rathssendeboten beider Städte
mit Lübeck und eventuell auch mit den übrigen Städten über
diese Angelegenheit reden. Am 25. März») berichten die Ab-
gesandten Wismars an ihren Rath: sie haben gestern nach Em-
pfang seines Schreibens sowohl mit den Sendeboten von Lübeck,
Rostock und Stralsund, als auch mit den Bürgermeistern Ham=
burgs, wegen der beiden Hamburgischen Schiffe gesprochen, die
aus der Trave in die Golwitz eingelaufen sind; die Sendeboten
haben erklärt, solche Schifffahrt gereiche nicht nur Wismar und
») Peters S. 59 denkt an Albrecht VI. und Gustav Adolf (1636— 1695),
Letzteren macht der Bericht von 1595 unmöglich. Gegen Johann Albrecht
(l547"*— 157^) spricht, dass man den neaeren Durchstich 1595 als vor undenl>
lipben jAhren gemacht ansah.
*) Die Kostocker Absehrift ist datirt: ahm dage Conceptionis Marie
(Dez. 8); auf der Rückseite steht aber als Datum des Einganges in Rostock:
feria 2 post palmarum (März 30); offenbar ist der Tag Annuntiationis Mariae
gemeint. Vgl. Waitz, WuUenwever S. 243, 394 — 95, 400.
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— 124 —
Rostock, sondern auch Lübeck und allen Nachbarstädten zum
Schaden, und die Bürgermeister haben ihnen nach Besprechung
mit ihrem Rathe geantwortet, die Sache sei ihnen unbekannt
gewesen und thue ihnen leid; nach der von ihnen eingezogenen
Erkundigung seien die beiden Schiffe von Danzig gekommen,
haben in der Trave überwintert und haben das Korn von den
Landesherren eingenommen; der Rath werde aber dafür sorgen,
dass in Zukunft über die Seinen keine Klage komme. Gegen
solche Verschiflfung von Korn von Seiten der Landesherren ist
dann Rostock, wie sieben Jahre früher Wismar, mit Arrest ein-
geschritten. Am 15. April antwortet Herzog Albrecht auf die
betreffende Anzeige Rostocks: er habe sein Fürstenthum mit
Land und Leuten als dessen natürlicher erbgeborener Fürst und
Herr sammt allen Regalien in ruhigem Possess und Gebrauch,
und sei Rostock einer Gerechtigkeit in Bezug auf die Golwitz,
deren es der Wahrheit entgegen sich berühme, ohne sie bisher
erwiesen zu haben, mit nichten geständig ; es befremde ihn daher,
dass Rostock sich unterfange, ihm wegen der in seinem Fürsten-
thum Amts Bukow gelegenen Golwitz Vorschriften zu machen
und die Verschiflfung seines eigenen Korns anzufechten, und er
begehre, dass Rostock sich solcher Uebergriffe gegen ihn und
die Seinen enthalte, ihnen das Geraubte ersetze und gebührlichen
Abtrag thue. Trotz dieses gelegentlichen Einschreitens und jener
Erklärung der wendischen Städte ist aber die Klipphafen-Schiflffahrt
nicht unterblieben. Am 25. August berichtet Wismar, ausser
dem Ltibischen Schiffer, von dem es neulich geschrieben, sei
jetzt auch ein Bremischer Schiffer mit einem Kreier von 40 Last
aus der Trave, um Korn einzunehmen, in die Golwitz gekommen.
Völlig geändert wird jedoch das Verhältniss der meklen-
burgischen Städte zu Herzog Albrecht — freilich nur zeitweilig —
durch die sogenannte Grafenfehde. Rostock und Wismar schliessen
sich der von Jürgen Wullenwever geleiteten Politik Lübecks an,
die jetzt in der Befreiung und Wiederherstellung des gefangenen
Christian II., beziehentlich in dem Sturz Christians III. von Däne-
mark, das Mittel sieht, die Niederländer doch noch von der
Ostsee auszuschliessen. Herzog Albrecht, dem erst Dänemark,
dann Schweden, endlich die Wahl zwischen beiden Reichen an-
geboten wird, schiflft sich nach langem Zögern als Verbündeter.
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— 125 —
der Städte Lübeck, Rostock und Wismar') am 8. April 1535
in Rostock ein und kommt am 16. April nach Kopenhagen»).
Der Verlauf des Unternehmens ist bekannt. Am 11. Juni er-
ficht Johann Rantzau den Sieg am Ochsenberg bei Assens ^) und
am 24. Juli beginnt die Belagerung Kopenhagens*). Nachdem
dann WuUenwever gestürzt (Aug. 26)^) und durch den Erzbischof
von Bremen gefangen genommen ist (November)^), macht Lübeck
am 14. Februar 1 536 zu Hamburg seinen Frieden mit Christian III 7).
Rostock und Wismar aber treten diesem Frieden nicht bei, und
der Kampf in Dänemark dauert fort. Am 27. Mai muss jedoch
Marx Meyer Warberg übergeben^), und am 29. Juli übergeben
Herzog Albrecht von Meklenburg und Graf Christoph von Olden-
burg dem Könige Christian auch das ausgehungerte Kopenhagen ^) ;
erst am 25. Oktober 1537 und nur gegen eine Zahlung von
IG 000 Gulden gelangen dann Rostock und Wismar zum Frieden
mit Dänemark''').
Der Hamburger Friede erfüllte die meklenburgischen Städte
mit Bitterkeit gegen Lübeck, das sie erst in das unglückliche
Unternehmen hineingezogen und sich nun von ihnen getrennt
hatte, durch das sie auf der einen Seite der Feindschaft des
Königs von Dänemark, auf der anderen der Ungnade Herzog
Albrechts überlassen waren"). Am 2. März 1536 hatte Wismar
Herzog Heinrich schriftlich gebeten, dem Vogt zu Bukow und
wo es sonst nöthig sein möge den Kornverkauf an die Lübecker
zu untersagen "). Von den Rostocker Ausliegern wurden Schiffe
angehalten, welche Lübischen Bürgern gehörten '3). Am 5. Mai
>) Vertrag von 1535 Febr. 13 bei Burmeister, Beiträge zur Gesch.
Europa's S. 181—83; Waitz, WuUenwever 2, S. 202.
*) Waitz 2, S. 227, 228.
3) Das. 2, S. 237.
4) Das. 3, S. 36, 134.
5) Das. 3, S. 107, 114.
6) Das. 3, S. 184.
7) Das. 3, S. 161.
8) Das. 3, S. 225.
9) Das. 3, S. 306.
»°) Das. 3, S. 343. •
") Das. 3, S. 287, 550.
") Im Original steht Herzog Albrecht, vermuthlich ein Schreibfehler.
M) Waitz, WuUenwever 3, S. 550.
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126 —
befiehlt Herzog Heinrich auf Ansuchen Wismars, dass die AusUegef
dem Danziger Gesellen Gert Valke seinen Stangen-Kreier zurück-
geben sollen, den sie ihm auf der See abgenommen und in die
Golwitz gebracht haben; am 7. Mai sendet Wismar diesen Befehl
nach Rostock, da inzwischen das Schiff aus der Golwitz weg-
geführt ist und nun vor der Warnow oder in deren Umgegend
liegen soll.
Ehe Herzog Albrecht sich persönlich an der Kriegfilhrung
betheiligte, hatte er vofi der Gelegenheit zu vortbeilhaften Handels-
geschäften, wie der Krieg sie darbot, eifrig, (gebrauch gemacht.
Freilich hatte er sich Rostock gegenüber am 27. Det. 1534 erboteö,
wenn man ihm ein Gelddarlehn bewillige, so wolle er alle uii«
nöthige Kaufmannschaft abthun und sein Korn, Mehl und Salz
nur in Rostock und Wismar auf den Markt bringen; von der
Stadt aber war solches Ansuchen am 22. Febr. 1535 nach längeren
Verhandlungen ablehnend beantwortet worden'). Der Kanzler
Joachim von Jetzen, der am 5. Januar 1535 mit WuUenwever
nach Kopenhagen gekommen war, um das Interesse des Herzogs
wahrzunehmen, schrieb ihmi am 8. dieses Monats, dass das Salz
und die anderen Waareny^ auf deren Erlös der Herzog ihn an-
gewiesen habe,, noch nicht verkauft seien"). In seinem Schreibe»
vom 20. Janaar heisst es: Eure fürstlichen Gnaden müssen sich
vor allen Dingten der Kaufmannschaft enthalten, denn um deren
willen wird der Add von dem gemeinen Mann gehasst, und
wenn Emre Gnaden dieselbe gebrauchen wollten, so würde» Sie
dadurch die Sache alsbald verderben; wolle der Herzog Erfolg
haben, schreibt er weiter, so müsse er die alten Ceremonieen
aufgeben, die Kaufmannschaft einstellen und die Befreiung des
gefangenen Königs Christian II. als sein einziges Ziel darstellen^).
Am I. Februar schreibt er nochmals, der Herzog müsse die
alten Ceremonieen fallen lassen, von aller Kaufmannshandluiig ab-
stehen und sich von seinen eigentlichen Absichten gegen Niemand
etwas merken lassen^). Trotz solcher Mahnungen aber hat
') Waitz, WuUenwever 2, S. 184 Anm. 3.
*) Paludan-Müller, Aktstykker til Nordens Historiie i Grevefeidens Tid
S. 310.
3) Das. I, S. 322.
4) Das. I, S. 337—38.
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— 127 —
Jetzen am 4. März aus Wordingborg von einem Boiert mit
Korn, za berichten, dessen Ertrag der Herzog erst bei seiner
Herüberkunft nach Dänemark in Empfang nehmen kann, und
begehrt, dass der Herzog ihm die beiden Sehnten schicke, damit
er sie mit Gerste befrachte; denn das bittere Gustrowsche Bier,
das man daraus brauen könne, gelte dortigen Ortes für eitel
Mumme und der gemeine Wein für eitel Poitou- und Rheinwein*).
Dusch dais verunglückte Unternehmen waren dem Herzog
grosse Kosten verursacht, die er auf nicht weniger als 300 000
Gulden berechnete und um deren ErsÄtz er bald beim burgundischen
Hofe, bald bei Lübeck, bald bei den meklenburgisehen Ständen
nachsuchte. Ein im Jahre 17 10 abgefasster Schweriner Archival-
bericht, die »Gründliche Benachrichtigung von der sogenannten
Hispanischen Schuld-Forderung der Herren Hertzoge zu Mecklen-
burgc «), giebt uns von undatirten Privilegienentwürfen Kunde,
die auf eine Befriedigung Herzog Albrechts wegen dieser Forderung
Bedacht nehmen^). Da dieselben nach der Ansicht des Ver-
fassers >der Hand- und SchrifFt-Art nach aus der Kayserl. oder
Mayntzischen Cantzeley zu seyn scheinen«, so stellt er die Ver-
muthung auf, dass solche Privilegien dem Herzog von Karl V.,
um ihn »etlicher maassen zu vergnügen«, 1546 auf dem Reichs-
tage zu Regensburg bewilligt und nur deshalb unvoUzogen ge-
blieben seien, weil Herzog Albrecht «wegen zugestossener und
anhaltender Krankheit«, an der er bald darauf (1547 Jan. 5)
gestorben, den Reichstag habe verlassen müssen. Zweifelsohne
haben wir* es aber nur mit Entwürfen von Privilegien zu thun,
die der Herzog^ einmal — auch das Jahr ist doch erst festzu-
stellen — von Karl V. bewilligt zu sehen wünschte, aber nicht
bewilligt erhielt*). Einer dieser Privilegienentwürfe giebt nun
Herzog Albrecht die Erlaubniss, »zweene Hafen, einen in der
Göldenitz, den andern auf der Rekenitz anzulegen* : offenbar
hat sich also der Herzog nicht für befugt erachtet, aus eigener
«) Paludan-M-üller, Aktstykker i, S. 353, 352.
a) Bei Gerdes, Nützliche Samlung S. 582—605,. Vgl. Waitz, Wullen-
wever 3, S. 341—42.
3) A. a. O. S. 597—98,
♦) Das ist auch von Schirrmacher, Johann Albrecht I,, Bd. i, S. 21—722
nicht deutlich erkannt oder doch nicht klar genug ausgedrückt.
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— 128 —
Machtvollkommenheit befestigte Häfen in seinem Lande anzu-
legen, sondern die Erlaubniss des Kaisers für nothwendig ge-
halten; der Versuch, dieselbe bezüglich zweier Häfen in der
Golwitz und auf Fischland zu erhalten, ist aber fehlgeschlagen.
Im Jahre 1538 war die Golwitz der Sammelplatz für Aben-
teurer, die auf der See Beute zu machen suchten. Ueber ein?
Schiff, das unter Pol lag, hatte Rostock gehört, dass es vonr
einem Bruder des hingerichteten Marx Meyer zum Seeraub be-
stimmt sei. Lübeck berichtete aber am 7. Juni, dass nach dea
von ihm eingezogenen Erkundigungen der Hauptmann desselben
ein Oldenburger, Otto Bonning, sein solle. Auch Wismar hatte
nach einem Schreiben vom 19. Juli sowohl über das bewusste,.
in seinem Hafen liegende Schiflf, als auch wegen der anderen.
Jachten und Schuten, die eine Zeitlang in der Golwitz gelegen,.
Nachforschungen angestellt und dadurch in Erfahrung gebracht,,
dass Gottschalk Remlingrode der Leiter des ganzen Unternehmens
war; ein aus der Trave ausgelaufenes Schiff, das dem Vorgeben
nach Proviant nach Kopenhagen hatte bringen wollen, sollte dem
Vernehmen nach den Jachten und Schuten in der Golwitz Proviant
und Geschütz gebracht haben, und Gottschalk Remlingrode hatte
denselben 2 Tonnen Pulvers gesandt, die ihm auf dem gewöhn-
lichen Lübischen Fuhrwagen zugegangen waren. Diese Besorgniss
erregenden Nachrichten wurden von Wismar an Rostock, von
Rostock an Lübeck mitgetheüt ; aber irgend eine Maassregel, den
Absichten Remlingrodes vorzubeugen, wurde nicht ergriffen. Am
5. Oktober 1538 schreibt Lübeck an Rostock: Christopher von
Drontheim und Gottschalk Remlingrode haben englische Schiflfe
auf der Westsee weggenommen und in die Golwitz gebrächt, um
ihre Beute dort zu verkaufen und zu repartiren; Rostock möge
sowohl seinen Bürgern, wie den Anwohnern der Golwitz den
Verkehr mit ihnen untersagen, sie eventuell anhalten und sofort
die meklenburgischen Landesfursten ersuchen, Fürsorge zu
treffen, dass weitere Beschwerde verhütet werde. In seiner
Antwort hat Rostock unter Hinweis auf seine frühere Meldung
von Remlingrodes Zurüstung den Lübeckern Vorwürfe gemacht.
Lübeck erwiderte aber am 16. Oktober: da die Ausrüstung der
Schiffe von Rostock und Wismar viel leichter als von ihm hätte
verhindert werden können, so würde die Schuld von dem, was
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— 1^9 —
geschehen, keineswegs ihm zuzuschieben sein; habe es doch
dafür, dass es oft und vielfach mit eigenen Kosten anderer Leute
sich angenommen, nur Ungnade und Missgunst neben Schaden
und Nachtheil erfahren und selbst in gemeinsamen Angelegen-
heiten wenig Htilfe und Beistand gefunden; nichtsdestoweniger
aber sei es, wenn weiterem Schaden vorgebeugt werden könne,
zur Mitwirkung bereit, falls sich auch Andere der Sache an-
nehmen wollen. Am 3. Februar 1539 wandte sich Herzog
Albrecht wegen des Mathias Pfannkuche, eines Bürgers zu Kopen-
hagen, an Rostock mit dem Begehren, dass es die Güter, die
derselbe »aus dem Schiffe in der Golwitz« gekauft und für Schuld
angenommen, aus dem Arrest loslasse. Diese Güter waren auf
Anhalten des englischen Abgesandten Gilbert Dirick in Warne-
münde angehalten, demselben aber nicht, wie er verlangt hatte,
ohne Weiteres ausgeantwortet, sondern von Rostock arrestirt
worden und wurden erst am 6. April 1541 auf vielfaches Begehren
des Königs von Dänemark, nachdem sie zu einem Gesammtwerth
von 47 2 Mark i o Schilling Lübisch wardirt und dessen eventueller
Ersatz gewährleistet worden, dem Pfannkuche zurückgegeben.
Am II. Juni 1539 hat Wismar Nachricht, dass bei Rostock
in der Prerow *) oder deren Umgegend sich Freibeuter versammeln.
Am 12. Juni ist auch von Lübeck in Erfahrung gebracht, dass
Freibeuter, vielleicht Gottschalk Remlinkrode und seine Genossen,
mit einer gekaperten Jacht und einigen Böten in der Golwitz
liegen; Rostock soll als die nächstgelegene Stadt fleissig Acht
darauf geben, seinen Landesfürsten die Schädlichkeit und Un-
leidlichkeit solcher Unternehmungen auseinander setzen und seinen
Bürgern, Einwohnern und Gästen die Betheiligung an denselben
bei höchster Strafe verbieten. Durch ein inzwischen einlaufendes
Schreiben Rostocks in Betreff der Plackerei in der Golwitz wird
Lübeck bewogen, sofort die beiden meklenburgischen Landes-
herren zu beschicken. Am 22. Juni meldet Lübeck: da es er-
fahren, dass abermals, wie im vergangenen Jahre, in der Golwitz
eine Zurüstung beabsichtigt werde, so hat es im Interesse seiner
selbst und der übrigen wendischen Städte einen Rathssekretär
>) Der Prerowsche Strom trennt in Folge einer Sturmfluth vom Jahre
1625 den Darss von dem Zingst; Peters S. 8.
Hansische Geschichtsblätter. XIV. 9
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— i3<y —
zu Herzog Heinrich und zu den Statthaltern und Käthen Herzog
Albrechts gesandt und ihnen Vorstellungen machen lassen, so-
wohl über den Schaden, der daraus den wendischen und anderen
Hansestädten erwachsen, als auch über die nachtheiligen Folgen,
die es für die meklenburgischen Lande und Leute haben könne;
aber die erhaltene Antwort ist wenig tröstlich ; denn wenn auch
Herzog Heinrich und die Räthe angeblich solche Beschwerde
ungern erfahren und zur Abstellung derselben sich höchlich er-
boten haben, so ist doch die Sache bis zur Rückkehr Herzog
Albrechts hinausgeschoben, und bis dahin können die in der
Golwitz mit ihren Vorbereitungen fertig sein; Rostock soll daher
alle Vorgänge in der Golwitz beobachten lassen und Lübeck mit-
theilen, was man zur Verhinderung des Vorhabens thun kann ;
auch soll es den Fürsten oder deren Räthen ebenfalls mündlich
oder schriftlich Vorstellungen machen. Nach einer von Sartorius
beiläufig gegebenen Nachricht') ist auch »auf der Versammlung
der Wendischen Städte, von den Jahren 1538 und 1539, zu
Lübeck« von Rostock über Goslich Remlingrode, »der mit einigen
westwärtigen Seefahrern zerfallen«, Klage erhoben worden, »dass
er mit Wissen des Landesherrn auf Golnitz und Ribbenitz Schuiten
und Jagden ausrüste, womit er auch ihre Schiflfe aufbringen könne
und werde; da ihr aber als Meklenburgischen Stadt die Hände
mehr gebunden wären, so begehrte sie, dass Lübeck sich ins
Mittel schlüge, welche Stadt denn auch an den Herzog von
Meklenburg schrieb, um dem Gosslich die Seeräuberey zu
untersagen. Wismar hatte eines seiner Schiffe, welches er in
ihrem Hafen ausbessern Hess, an sich gekauft und ihn so ver
trieben. Allein er hatte Wege gefunden, heimlich Lebensmittel
und Ammunition zu Lübeck einzukaufen. Lübeck war dafür ein
Placat anzuschlagen, dass alle, die an den Plackereyen Thei
nähmen, an ihrem freyen Höchsten gestraft werden sollten;
Hamburg sagte, man sollte mit dem Herzoge handeln und Schiffe
kreuzen lassen; Rostock, es müsse dem Herzoge und Statthalter
gedroht werden«.
Auch in den nächsten beiden Jahren waren wenigstens Ge-
rüchte über ähnliche Unternehmungen in der Golwitz im Schwange.
*) Sartorius, Gesch. des hanseat. Bundes 3, S. 504 Anm. i.
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— 131 —
Am 26. Mai 1540 meldet Wismar, es habe auf Rostocks Nach-
richt hin, dass in der Golwitz oder deren Nähe zwei Jachten
ausgerüstet würden, sofort zwei Diener, den einen nach der
Golwitz, den andern nach Gartz, auf Nachforschung ausgesandt;
dieselben haben aber berichtet, dass dort seit langer Zeit weder
Schiffe noch Knechte gesehen seien, von denen man eine Schädigung
des gemeinen Kaufmanns zu befürchten habe. Am 13. April
154I bittet Stralsund um Auskunft über Absicht und Stärke der
Jacht, die, wie man höre, mit Landsknechten, Geschütz und
anderm Bedarf in der Golwitz ausgerüstet werde.
Nachdem dann die Freibeuterei aufgehört, sucht Wismar der
wieder beginnenden Klipphafen-Schifffahrt mit Gewalt zu steuern.
Gegen Ende des Jahres 1541 hat es durch seine Auslieger zwei
Schiffe einholen lassen, die zu Gartz Korn eingenommen haben.
Nun aber ist dieses Korn für Rostocker Kaufleute bestimmt
gewesen, und Rostock hat sich seiner Bürger angenonimen. Am
31. Dezember antwortet Wismar auf das betreffende Schreiben
des Rostocker Raths : Rostock werde sich zu erinnern wissen,
dass Wismar mannichfach bei Lübeck, Rostock, bei den wendischen
Städten und bei den gemeinen Hansestädten über die beschwerliche
Neuerung in den Häfen zwischen Rostock und Wismar Klage
erhoben habe; nicht nur die Adligen, sondern auch die Bauern
treiben Kaufmannschaft, kaufen und verkaufen Hering, Salz,
Osemund, Butter, Rotscher und dergleichen Waaren; das ganze
Jahr hindurch nehmen die Hausleute, was sie gebrauchen, in
Wismar auf Borg ; wenn sie aber geerntet haben, so schicken sie
ihr Korn in die Fremde, ausserhalb Landes, und denken nicht
an die Bezahlung ihrer Schulden; des Weiteren werde Rostock
unvergessen sein, welche Mühe und Unlust beiden Städten da-
durch erwachsen sei, dass in vorigen und unlängst vergangenen
Zeiten Abenteurer ihren erbeuteten Raub in diese Häfen gebracht
haben ; könne nun Wismar nicht in Abrede stellen, dass kürzlich
bei Gartz zwei mit etwa 9 oder 9^/2 Last Korn geladene Schiffe
nach erhaltener Warnung von den Seinen eingeholt worden seien,
so habe es doch nicht gewusst, dass die Bauern, die sich übrigens
billig der Segelation enthalten und ihr Korn zu Lande auf den
Markt bringen sollten, solches Korn nach Rostock hätten bringen
wollen; aus den eingezogenen Erkundigungen ergebe sich auch
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— 132 —
das Gegentheil ; denn trotzdem , dass die Schiffe schon seit Langem
ihre Ladung eingenommen, haben doch die Bauern den »lieblichen
Südwind«, der eine Zeitlang geweht, nicht benutzt, sondern
in Erwartung von Ostwind ihr Korn nass werden und in Folge
dessen durch die Säcke wachsen lassen; Rostock möge daher
darauf bedacht sein, der Schifffahrt der Bauern in den ungewöhn-
lichen Häfen, aus der den Städten Schaden und Verderb er-
wachse, gemeinsam mit Wismar ein Ende zu setzen. Einestheils
meint sich Wismar für solches Einschreiten auf die am 4. Ok-
tober 1542 von den Herzogen Heinrich und Albrecht veröffent-
lichte Polizeiordnung, die übrigens nur eine neue Redaktion der
von ihnen schon im Jahre 1 5 1 6 publicirten Ordnung ist '), be-
rufen zu können; andemtheils sucht und findet es Rückhalt bei
Herzog Heinrich. Am 31. Oktober 1543 schreibt Wismar, es
müsse täglich erfahren, dass nicht nur Adlige und Bauern in
der Golwitz sowohl, wie auf Wustrow und sonst in der Doberaner
Wiek bis nach Brunshaupten hinauf ihr Korn nach Lübeck schiffen
und Osemund, Salz, Hering und allerlei andere Waaren zurück-
bringen, sondern dass auch holsteinische Schuten dorthin kommen,
um Korn von weither, wie z. ß. von Alt-Karin, aufzukaufen und
hinwegzuführen; €olche Neuerung sei der gemeinen Bürgerschaft
Rostocks und Wismars nachtheilig und widerstreite der von beiden
Landesfürsten verkündigten gemeinen Landesordnung; Wismar
habe deshalb Herzog Heinrich in dieser Angelegenheit beschickt
und nicht anders vermerken können, als dass demselben die
Neuerung missfalle; auch habe er, wie schon früher geschehen,
dem Rathe die Einholung der Kornschuten gestattet, da er nicht
dulden könne, dass mehr als zwei Häfen in Meklenburg seien
(unnd overmals, wo och vorher geschein, uns vorheten lathenn,
desulven Schuten mit dem körn ahn uns halen tho lathen, den
ehre F. G. nicht mher haven wen twe in ehrer G. lande ge-
dulden konen) ; demgemäss habe Wismar einige Schuten aus der
Golwitz und anderswoher einholen lassen und ersuche Rostock,
auch seinerseits solche schädliche Schifffahrt zu verhindern. Darauf
antwortet Rostock am 13. November: es habe sich lange Zeit
schriftlich und mündlich, auch in Versammlungen der wendischen
») Glöckler in Mekl. Jahrb. 16, S. 342—49.
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— 133 —
Städte, über solche Schifffahrt bei Lübeck beklagt, ohne dadurch
Wandel schaffen zu können; Schiffe und Schuten mit dem ein-
genommenen Korn wegzunehmen, halte es nicht für rathsam, da
durch die landesherrliche Ordnung nicht sowohl die auswärtigen
Käufer, als die einheimischen Verkäufer gebunden seien und
solche Maassregeln eine Klage der Geschädigten beim Reichs-
Kammergericht wegen Landfriedensbruchs, Störung der Freund.
Schaft mit den Nachbarn und Repressalien zur Folge haben
können; wenn aber die Landesherren ihre Ordnung ernstlich ge-
halten wissen wollen, so empfehle es sich, sie zu bitten, wegen
Kornverkaufs an Auswärtige gegen Adlige und Bauern mit strengen
Strafen vorzugehen ; sei das nicht zu erlangen, so wisse Rostock
keine Mittel und Wege; nach denjenigen, die zu Brunshaupten
Korn eingenommen, sei bei den Warnemündern vergeblich nach-
geforscht worden; falls Wismar dieselben kenne, solle mit ernst-
licher Strafe gegen sie eingeschritten werden. Am 8. März 1545
antwortet Wismar auf ein Schreiben Rostocks in Betreff der täg-
lichen Zunahme des Kornaufkaufs und der Schifffahrt in der
Golwitz und einer deshalb von beiden Städten vorzunehmenden
Beschickung beider Landesherren am 1 1. März zu Güstrow : es habe,
nachdem es über solchen Handel sich mannichfach bei Rostock
beklagt und den Beistand desselben zu Vorstellungen bei den
Landesherren und bei den wendischen Städten angerufen, diesen
letzteren auf der letzt vergangenen Tagfahrt durch seine Abge-
sandten vortragen lassen, dass es zu anderen Mitteln zu greifen
verursacht worden sei, habe auch vor Kurzem die mit Korn ge-
adene Schute eines Lübischen Bürgers Augustin Hövesche ein-
holen lassen und dadurch Lübecks Unmuth erregt, sei aber
trotzdem bereit, seine Rathssende boten zu dem vorgeschlagenen
Tage nach Güstrow zu senden.
Damit brechen die Rostocker Klipphäfenakten ab, um nach
zwölf Jahren genau an derselben Stelle wieder einzusetzen.
Wiederum war Wismar gegen die ungewöhnliche Hantierung auf
dem Lande Pol und zu Gartz mit Gewaltmaassregeln vorgegangen,
und wiederum war es — bezeichnend genug für die Erfolglosigkeit
auch solcher Maassregeln — der Lübische Bürger Augustin
Hövesche, dessen Schute eingeholt worden war. Nach einem
Schreiben Wismars vom 25. Februar 1557 hatte aber Lübeck
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— 134 —
dies mit einer Arrestirung Wismarscher Schuten vergolten, und
am i6. März bat Rostock, dass Lübeck diesen Arrest aufhebe,
da Rostock sich dafür verbürge, dass Wismar einem Schiedssprüche
der wendischen Städte in allen Stücken gehorsamen werde.
Inzwischen waren auf Herzog Albrecht VII. von Güstrow,
der am 5. Januar 1547 gestorben war^), seine drei mündigen
Söhne Johann Albrecht I., Ulrich und Georg gefolgt. Ulrich, der
nach dem am 28. Januar 1550 erfolgten Tode seines Vetters
Magnus Administrator des Bisthums Schwerin geworden war*),
trat am 2. April desselben Jahres seinen Antheil fan der Re-
gierung Johann Albrecht auf 10 Jahre ab 3); Georg stand, ohne
sich an der Regierung zu betheiligen, in kaiserlichen Diensten
und fiel am 20. Juli 1552 vor Frankfurt am Main ^). Da nun aber
kurz vorher auch Albrechts VII. Bruder, Herzog Heinrich V. von
Schwerin, ohne regierungsfähige Nachkommen zu hinterlassen,
am 6. Februar 1552 gestorben war^), so erhob neben Johann
Albrecht natürlich auch Herzog Ulrich Anspruch auf die Erbschaft,
und im Wismarschen Vertrage vom 11. März 1555 wurde be-
stimmt, dass die Brüder die Regierung des Landes gemeinsam
führen, die Einkünfte aber in derselben Weise, wie die Herzöge
Albrecht und Heinrich, zu gleichen Theilen beziehen sollten^).
Ueber die Art der Theilung entstanden jedoch »furstbrüderliche
Irrungen«, die weder durch den Alt-Ruppiner Machtspruch vom
I. August 1556^), noch durch den Sternberger Vergleich vom
19. August 1557^) völlig beseitigt werden konnten.
Die ersten fünfzehn Regierungsjahre des Herzogs Johann
Albrecht gingen vorüber, ohne dass die Klipphafen-SchifFfahrt —
soviel wir wissen — zum Gegenstande des Streites zwischen ihm
und den Seestädten Rostock und Wismar geworden wäre. Dann
Wigger in Mekl. Jahrb. 50, S. 283 ; Schirrmacher, Johann Albrecht I.
Bd. I, S. 15.
*) Wigger a. a. O. 50. S. 285; Schirrmacher i, S. 39—44.
3) Schirrmacher i, S. 42; 2, S. 3—5.
♦) Lisch in Mekl. Jahrb. 18, S. 36; Schirrmacher i, S. 197.
5) Wigger a. a. O. 50, S. 278; Schirrmacher i, S. 168.
6) Gerdes, Nützliche Samlung ungednickter Schrifften und Uhrkunden.
S. 177 — 97, Schirrmacher i, S. 266 — 69,
7) Gerdes S. 198 — 207; Schirrmacher i, S. 329—31.
8) Schirrmacher i, S. 356 — 57.
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— 135 —
aber erneuert sich der Kampf, und es ist von Interesse zu sehen,
wie Johann Albrecht genau dieselben Wege einschlägt, die vor
ihm Albrecht VII. beschritten hat.
Im Jahre 1562 hatte der Herzog, der am 8. Februar eine
Reise nach Königsberg angetreten hatte, von der er am 25. Juni
nach Schwerin zurückgekommen war'), einem Königsberger
SchijQfer Korn verkauft; Wismar aber weigerte sich, die Aus-
führung desselben zu gestatten. Am 26. August bedankt sich
die Stadt für den treuen Rath, den Rostock in Betreff der be-
schwerlichen Schifffahrt Herzog Albrechts ihren Rathssendeboten
ertheilt hat, erklärt sich bereit, morgen Abend zwei ihrer Raths-
mitglieder in Güstrow eintreffen zu lassen, und bittet, dass die
beiden Sendeboten Rostocks auch den Dr. Lorenz Kirchhof, ihren
Syndikus, in ihrem Wagen mitbringen. Ein Schreiben vom
12. September meldet, dass der Rath nach den fruchtlosen Ver-
handlungen zu Güstrow die Gemeinde versammelt und mit deren
Zustimmung dem Herzog sein Verlangen abgeschlagen hat und
dass darauf der betreffende Schiffer ohne Ladung weggesegelt
ist; heute ist ein Sekretär des Herzogs erschienen und hat sich
dahin vernehmen lassen : da der Rath den Schiffer das ihm vom
Herzog verkaufte Korn abzuführen verhindert, ihn drei Wochen
lang aufgehalten und ihm dadurch Kosten und Schaden verursacht
habe, so befehle der Herzog, dass der Rath sich mit demselben
sofort über einen Ersatz seines Schadens vergleiche, falls er nicht
wolle, dass der Herzog mit Repressalien vorgehe; der Rath hat
darauf Frist bis zum 15. September erbeten und ersucht nun
Rostock, ihm schriftlich zu rathen, was er dem Herzog ant-
worten solle.
Mit diesem Widerstände Wismars wird es zusammenhängen,
dass Herzog Johann Albrecht, den Plan, den sein Vater,
Herzog Albrecht, 1533 aufgegeben hatte, wieder aufnahm
und durch den Bau eines Schlosses »im Fleckenhagen«,
südlich von Kirchdorf am Kirchsee, zur Ausführung brachte*).
Ueber die Geschichte dieses Baues, der nach Wigger seit dem
Jahre 1562 vor sich gegangen ist 3), fehlt uns die nähere Kunde.
i) Mylios bei Gerdes, Nützliche Samlung S. 273 ; Lisch in Mekl. Jahrb.
18, S. 79—80; vgl. Schirrmacher i, S. 403 Anm. 2.
a) Mekl. Jahrb. 48, S. 5—8.
3) Das. 48, S. 5.
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— 136 —
Auch über einen etwaigen Widerspruch der Städte Rostock und
Wismar haben wir keine Nachricht^).
Nach der Ansicht Wiggers*) hatte das Schloss »nur die
Einrichtung eines Jagdhauses, in welchem der Herzog vielleicht
auch im Sommer einige Wochen verweilen mochte, um auf der
Insel der frischen Seeluft zu geniessen«. Jedenfalls war es im
Jahre 1565 nicht mit grösserem Geschütz versehen. Während
des Krieges, den Dänemark und Lübeck gegen Schweden führten 3),
lief damals ein Revalsches Schiff, von einer Lübischen Pinke ver-
folgt, in die Golwitz ein; Herzog Johann Albrecht Hess dasselbe
»auf S, F. G. Ströhme durch etliche der seinen annehmen und
besetzen, auch näher der Golwitz am Strande eine Schantze auf-
werffen, auch etliche Stück Büchsen von Schwerin in Eyle dahin
bringen« ; als dann die Lübische Pinke sich zwischen das Revalsche
Schiff und die Schanze legte und auf das Schiff zu schiessen
begann, »seynd aus der Schantze in die Pincke etliche Schuss
auch abgangen und die Pincke wieder abgelauffen« ^).
Vermuthlich stand jedoch die Ausführung eines zweiten Plans,
den einst Herzog Albrecht gehegt hatte, mit dem Pöler Schloss.
bau in innerem Zusammenhange. Herzog Johann Albrecht, der
im fahre 1563 vom 12. November bis zum 29. Dezember
in Königsberg verweilte, benutzte solchen Aufenthalt, um sich
»zwei grosse schöne Schiffe« in Memel bauen zu lassen, die
trotz der von Herzog Alhrecht von Preussen gewährten Unter-
stützung an Holz, Hanf, Theer und andern Dingen »unglaub-
liche Unkosten« verursachten; am 15. Dezember begab er sich
selbst nach Memel »zu Besichtigung der Schiffe und Bestellung
dero Nothdurfft« ^). Aber es dauerte länger als drei Jahre, ehe
diese Schiffe vollendet wurden. Erst nachdem der Herzog am
21. März 1566 nochmals nach Memel gereist war, diesmal in
x) Wiggers Bemerkung (das. 48, S. 6) : »Mochte Wismar auch zu
diesem neuen Schlossbau von 1562 scheel sehen : es war nicht im Stande,
denselben zu hemmen«, hat wohl keine aktenmässige Grundlage.
2) Das. 48, S. 8.
3) Becker, Gesch. der St. Lübeck 2, S. 1 62—64.
4) Mylius bei Gerdes, Nützliche Samlung S. 280.
5) Mylius a. a. O. S. 278; Lisch in Mekl. Jahrb. 18, S. 82; Schlrr-
macher i, S. 644 Anm. 2.
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— 137 —
Begleitung seiner Schwester Anna und ihres Gemahls, des Herzogs
Gotthard Kettler von Kurland, deren Beilager kurz vorher zu
Königsberg stattgefunden hatte ^), kamen im Jahre 1567 die
beiden Schiffe glücklich in Meklenburg an ; zu ihrer Besichtigung
fuhr Herzog Johann Albrecht nach Brandenhusen auf Pol, süd-
westlich von Kirchdorf«). Eine weitere Nachricht über diese
Schiffe, die ihren Untergang betrifft, lehrt uns den Zweck kennen,
zu dem sie bestimmt waren: »So seynd auch dieses Jahres«, ge-
richtet Mylius zu 15713), »die zwey herrlichen schöne Schiffe
in Preussen erbauet und mit Waaren nach T^issabon abgefertiget,
in der Wiederreise zu unterschiedenen Zeiten und Oerthern mit
allen innehabenden Gtithem untergegangen. Die Leute seynd
dem mehren theil in einem Bothe zu Lande kommen«.
Auch den dritten Plan seines Vaters, die Einrichtung eines
Hafens auf Fischland, hat Herzog Johann Albrecht ins Auge
gefasst. In einem Schreiben^ das er im Jahre 1572 an den
damals in Venedig sich aufhältenden Christoph von Schöneich
richtet^), sagt der Herzog, der Hafen vor,Ribnitz sei vor langer
Zeit (vor etzlichen vielen Jaren) mit Schiffen versenkt und hernach
durch den angetriebenen Sand so flach geworden, dass er nicht
mehr befahren werden könne; weil er nun erfahren habe, dass
die Venetianer es verstehen, den Triebsand aus ihrem Hafen
herauszuwinden, so begehre er, da er gern den Ribnitzer Hafen
aufräumen und die dortige Schifffahrt in Schwang setzen wolle,
dass Schbneich einen Sachverständigen befrage, mit was für
welchen Instrumenten man den Sand und die Rudera heraus-
bringen könne, da der in die See fliessende Wasserstrom, der
den dortigen Hafen bilde, zwar seinen Lauf behalten, aber durch
das Zusenken sich ausgebreitet und sein Tief verloren habe;
x) Als Datum des Beilagers nennt Mylius a. a. O. S. 284 den 10. März;
Wigger in Mekl. Jahrb. 50, S. 289 entscheidet sich mit Rücksicht auf die
»Einladungen« für den 24. Februar; Schirrmacher i, S. 655 Anm. 4 fuhrt
ebenfalls eine »Einladung zur Hochzeit« an, giebt aber im Text das Datum
März IG.
9) Mjlius a. a. O. S. 286.
3) A. a. O. S. 293 — 94. Beselin's Auszüge aus Chemnitz berichten (das
S. 652) über Bau und Untergang der beiden Schiffe zum Jahre 1563. Vgl.
V. Rudioff, Meckl. Gesch. 3, i, S. 192.
4) Peters, Swante-Wustrow S. 48—49.
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- 138 -
auch bitte er, ihm sowohl einen Abriss des betreffenden Instru-
ments, wie auch ein Holzmodell desselben anfertigen zu lassen.
Weitere Nachrichten fehlen bisher. Im Jahre 1595 wurde in
Ribnitz behauptet, der Herzog habe ein halbes Jahr vor seinem
Tode (1576 Februar 12) den Ribnitzer Hafen auf Wunsch
seiner Tante, der Aebtissin Ursula, in Augenschein genommen
und seine Wiedereröffnung durch holländische Meister verheissen *).
Ob das richtig ist oder auf einem Irrthum in der Zeitrechnung
beruht, weiss ich nicht zu entscheiden.
Mit dem Jahre 1572 beginnt dann die Klipphafen-Schifffahrt
auch auf den Landtagsverhandlungen eine Rolle zu spielen. Eines-
theils geht dabei die Anregung von der Ritterschaft aus, die sich
durch die von den Landesherren erhobene Rekognition für die
Benutzung von Klipphäfen, beziehentlich durch die Verbote der
Kornausfuhr beschwert fühlt. Am 25. März 1572 zu Güstrow
reicht die Landschaft eine Beschwerde der Gebrüder von Oertzen
ein 2), welche unter Anderem auch die vom Amte Bukow ge-
forderte Abgabe für die Verschiffung von Korn betrifft und
von Herzog Johann Albrecht dahin beantwortet wird, dass ihm
solche Hebung als stehende Einkunft von seinem Herrn Vater
überkommen und in der Erbtheilung mit seinen Brüdern in Rech-
nung gesetzt sei, weshalb er sie denen von Oertzen zu Gefallen
nicht abschaffen könne 3). — Diese Rekognition wird bezeichnet
als »die Tonne Salz und einen Thaler von jeder Schute« und
betrug also wohl für jede Schutenladung verschifften Korns eine
Tonne Salz und einen Thaler. Am 22. April 1607 wird ab.
Seiten der Adligen im Bukower Ort auf dem Deputationstage zu
Güstrow gebeten, dass Serenissimus ihnen ihre Gerechtigkeit
wegen der Schifffahrt konfirmiren und den Beamten befehlen wolle,
ihnen nicht mehr abzuverlangen, als von Altersher üblich gewesen
sei. Hier wird als die herkömmliche Rekognition angegeben:
»I Tonne Salz aufs Amt und i Rthlr von einem jeden aufs
Jahr Amts-Gebtihrniss«, also von Jedem, der in dem betreffenden
Jahre Korn verschiffen will, eine einmalige Leistung von einer
Tonne Salz und einem Thaler. Eine Rostocker Aufzeichnung
«) S. unten.
«) Spalding, Mecklenb. Landes- Verhandlungen i, S. 81 § 8.
3) Das. I, S. 94 ad 8 c.
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— 139 —
vom 30. Oktober 1623 besagt: »Dess Burgermeisters Schute von
der Newstatt auss dem Lande zu Holstein (welcher Bürgermeister
Moritz Nieman genandt) hat zu zweien mahlen Korn von Poele
abgeholt, so Jasper Parleberg ihm zu gutte aufgekaufFt, hatt dafür
dem HofFmeister zum KoldenhofFe gegeben vor eine jede Schute
eine Tonne Saltz benebenst i Reichsthaler, inmassen ich von
desselben Hoffmeisters Frawen und Sohne berichtet worden«.
Anderntheils sind es die Klagen der Landstädte bezüglich
des Vorkaufs und des Betriebes bürgerlicher Gewerbe von Seiten
der Adligen, welche den Seestädten Veranlassung geben, ihre
mit dem Vorkauf eng zusammenhängende Spezialbeschwerde über
die Klipphafen-Schifffahrt zur Sprache zu bringen. Am 25. März
1572 beschweren sich die Landstädte darüber, dass die fürst-
lichen Beamten allerlei Waaren aufkaufen und an ausländische
Kaufleute verkaufen*). Serenissimi antworten darauf, dass solche
Vor- und Aufkäuferei in den von jedem Amtmann und Küchen-
meister zu beschwörenden Amtsordnungen verboten sei und dass
jeder Uebertreter dieses Verbots dermaassen von ihnen bestraft
werden solle, dass sich Andere daran spiegeln können»). Am
25. März reicht die Landschaft auf dem Landtage zu Güstrow
einige Beschwerden der allgemeinen Landstädte ein 3), auf welche
die Fürsten am 4. Juni zu Stemberg antworten, dass der Vorkauf
in der neuen Polizeiordnung strenge verboten sei und ernstlich
geahndet werden solle ^).
In der revidirten Polizeiordnung, welche vom 2. Juli dieses
Jahres datirt ist^), wird allen Unterthanen, »sonderlich denen
vom Adel«, befohlen, die Waaren, welche sie zu verkaufen haben,
Korn, Wolle u. s. w., nach der nächsten Kaufstätte auf den
Markt zu bringen, beziehentlich sie dort zu dem gleichen Preise,
für den sie dieselben nach auswärts verkaufen können, anzubieten :
finden sie zu diesem Preise keinen Abnehmer, so können sie
») Spalding 1, S. 50 § 20b.
») Das. I, S. 67 ad 20b.
3) Das. I, S. 81 § 15.
4) Das, I, S. 96 ad 15a.
5) Uebcr die beiden Ausgaben mit der Jahreszahl 1572 s. Wichmann,
Meklenburgs altniedersächsische Literatur i, S. 191 — 92.
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— 140 —
ihre Waaren nach ihrem Belieben innerhalb oder ausserhalb des
Landes verführen»).
Diese Polizeiordnung war für die Städte Rostock und Wismar
nicht verbindlich. In der ursprünglichen Redaktion von 15 16
hatten die Herzoge Heinrich und Albrecht ausdrücklich erklärt,
dass die Städte Rostock und Wismar, da dieselben bereits der-
gleichen Ordnung haben, die Landesordnung fleissig erwägen,
berathen und — soweit es thunlich und möglich — befolgen
oder nach alter Gewohnheit selbst Ordnung machen, jedoch in
Bezug auf diejenigen Artikel, welche alle Stände angehen, sich
ebenmässig verhalten sollten»). Bei der Revision von 1542 war
dieser Passus beibehalten worden 3); die Redaktion von 1562^)
hatte ihn freilich ausgelassen; aber in dem am 21. September
1573 zu Güstrow zwischen den Herzogen Ulrich und Johann
Albrecht einerseits und der Stadt Rostock andererseits abge-
schlossenen Erbvertrage wurde bestimmt, dass der Rostocker
Rath eine Polizei- und Gerichtsordnung nach der Gelegenheit der
Stadt und »so viel sich immer leiden wil und müglich sein wird«
der von den Landesfürsten ausgegangenen Polizei- und Gerichts-
ordnung gemäss und gleichförmig alsbald abfassen und drucken
lassen sollte *).
Trotz dieses Ausnahmezustandes, in dem sich die beiden
Städte der Polizeiordnung von 1572 gegenüber befanden, zweifelten
dieselben nicht daran, sich bei einer Beschwerde über Vorkäuferei
auch auf diese Ordnung berufen zu dürfen. Am i. September
1575 erklärt sich Wismar Rostock gegenüber damit einverstanden^
dass man wegen des verfänglichen Kornaufkaufs, der von dem
Lübischen Bürger Jaspar Klausen zwischen Wismar und Kröpelin
geschehe, die Landesherren beschicke, sobald dieselben in Schwerin
zusammenkommen werden; Gott wolle nur, fügt es hinzu, dass
man mehr ausrichte, als in den bisherigen Verhandlungen, die
man mit den Fürsten und selbst mit der ganzen Landschaft
i) Policey und Landtordenunge S. LXXXIII— LXXXIV.
a) Bärensprung, Sammlung alter u. neuer Herz. Meckl. Landes- Gesetze
4, S. 36—37.
3) Glöckler in Mekl. Jahrb. 16, S. 349.
4) Bärensprung 4, S. 38 — 130.
5) Erb vertrag von 1573.
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— 141 —
mannichfach und noch im vergangenen Jahre mit Johann Albrecht
(bey unserm gnedigen Landtfursten) auf Pol gehabt habe. Am
6. September berichtet Wismar, dass die beiden Landesherren
heute in Schwerin zusammenkommen werden. Am 7. September
beglaubigt Rostock seine Abgeordneten Bürgermeister Christopher
Bützow und Dr. Markus Lüschow bei den Fürsten und instruirt
sie, die Herzoge als Väter des Vaterlandes um Maassregeln gegen
Jaspar Klausen zu bitten, der jährlich im Herbst in der Vogtei
Bukow und den umliegenden Aemtern zwischen Wismar und
Doberan die Gerste aufkauft. Am 10. September resolviren sich
die Fürsten folgen dermaassen : da die Städte Rostock und
Wismar sich in ihrer Werbung auf des heil, Reichs Konstitution,
die geschriebenen Rechte und die landesherrliche Polizeiordnung
beziehen, der natüriichen Billigkeit und den geschriebenen Rechten
nach aber Jeder, der ein Recht gegen einen Andern gebrauchen
will, demselben auch seinerseits nachleben niuss, so sollen erst
die beiden Städte die publicirte meklenburgische Polizeiordnung
annehmen, dann werden auch die Fürsten dafür sorgen, dass
sich Adlige und Bauern ihnen gegenüber derselben gemäss ver-
halten; Rostock, dem freilich im Güstrowschen Erbvertrage die
Einführung einer eigenen Polizeiordnung zugestanden worden sei,
könne dieses Recht, nachdem es fast zwei Jahre darüber habe
vergehen lassen, jetzt nicht mehr ausüben, sondern sei gleich
Wismar gehalten, die fürstliche Polizeiordnung anzunehmen. Am
13. September schreibt Rostock an Wismar, da seine Gelegenheit
es nicht erfordere, diesen Bescheid mit Stillschweigen zu über-
gehen, so habe es den Fürsten durch gegenwärtigen Boten seine
schriftliche Resolution zugesandt, von der es Wismar nach dessen
Begehr eine Abschrift zustelle.
Diese Resolution Rostocks ist leider bisher noch nicht auf-
gefunden worden. Jedenfalls wurde darin die Forderung, dass
die Stadt die Landesordnung einführe, mit Entschiedenheit
abgelehnt. Am 14. April 1576 ist dann die Rostocker Polizei-
ordnung, am 24. April desselben Jahres die Rostocker Gerichts-
ordnung veröffentlicht worden.
Herzog Johann Albrecht freilich hat den Druck dieser Gesetze
nicht mehr erlebt; am 12. Februar 1576 ist er gestorben. Für
seinen ältesten Sohn Johann VII., der ihm in der Regierung
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— 142 —
nachfolgen sollte, führte der Oheim Herzog Ulrich die Vormund-
schaft bis zum 12. September 1585.
Während solcher Vormundschaft baten >die Städte insgemeinc
auf dem Landtage zu Stemberg am 18. Juni 1584, dass sie bei
ihren Privilegien und Gerechtigkeiten, auch ihrer Nahrung und
Hantierung geschützt und dass das Vorkaufen und das Brauen
auf dem Lande, wo letzteres nicht von Altersher ausgeübt worden,
abgeschafft werden möchte^), und Herzog Ulrich erklärte sich
bereit, der Polizeiordnung nach das Vorkaufen und das Brauen
und Mülzen auf dem Lande, wo es nicht hergebracht sei, zu
verbieten").
Nachdem dann Herzog Johann VII. sich mit seinem jüngeren
Bruder Sigismund August abgefunden (1586, Mai 20) 3) und die
Huldigung des Landes (1588) entgegengenommen hatte ^), reichten
die Landstädte im Jahre 1589 wiederum eine Beschwerde über
das Vorkaufen, Brauen und Mülzen auf dem Lande ein, und die
Herzöge antworteten darauf am 27. November auf dem Land-
tage zu Güstrow: sie wüssten sich ihrer bei der Erbhuldigung
gethanen fürstlichen Zusage wohl zu erinnern und wären gemeine
Landstädte bei ihren wohlhergebrachten und von ihnen konfir-
mirten Privilegien zu schützen erbötig; insbesondere sollten
wegen des Vorkaufens, Brauens und Mülzens, welches Alles der
fürstlichen Konstitution, der Polizeiordnung und den 1574 er-
lassenen gemeinen Ausschreiben zuwider wäre, nicht nur die
Landstädte von dem, was ihnen in der Konstitution und den
Ausschreiben erlaubt worden, fleissig Gebrauch machen, sondern
Serenissimi wollten auch ihren Amtleuten ernstlich befehlen, auf
die Anforderung der Städte hin den Bestimmungen der Kon-
stitution, Polizeiordnung und Ausschreiben unweigerlich nach-
zukommen 5),
Gleichzeitig mit dieser Beschwerde der Landstädte waren
auch Gravaraina der Ritterschaft aufgesetzt worden, in denen
dieselbe unter Anderm verlangte, dass es ihr gestattet würde,
») Spalding i, S. 151 ad II.
») Das. I, S. 153 ad II.
3) Rudloflf 3, 2, S. 52.
4) Das. 3, 2, S. 55.
5) Spalding 1, S. 188.
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— 143 —
Schuten zu bauen und ihr Korn selbst zu verschiffen ; auf dem
Landtage zu Stemberg vom i. Oktober 1589 wurde jedoch von
den Landräthen nicht flir rathsam erachtet, solches Gravamen
Serenissimis zu übergeben, und von Seiten der Städte Rostock
und Wismar ward dagegen Protest erhoben»).
Am 22. März 1592 starb Herzog Johann VII., und wiederum
hatte Herzog Ulrich, diesmal flir die Grossneffen, Adolf Friedrich I.
und Johann Albrecht II., die Vormundschaft zu übernehmen.
Dieser Zeit gehört die Korrespondenz über eine angebliche Klipp-
hafen-Schififahrt auf Fischland an, auf die wir ihres mannichfach
interessanten Inhalts wegen etwas häher einzugehen haben.
Im Oktober 1595 war ein holländischer Schiffer Anna
Tonnies nach Stralsund gekommen, um Korn einzukaufen. Da
der Rath sich dem widersetzte und ihm nur etwas Mehl aus-
zuführen gestattete, einigte sich Tonnies mit einem Sundischen
Bürger Valentin Ruche dahin, dass dieser ihm für 300 Thaler
Korn auf dem Lande aufkaufen und nach Ribnitz liefern sollte.
Die Kämmereiherren untersagten zwar Ruche solchen Handel ;
Ruche aber begab sich nach Meklenburg und schloss verschiedene
Lieferungsgeschäfte ab. Am 20. Oktober wurde dem Rostocker
Kaufmann Elias Arnim geschrieben, dass Valentin Ruche am'
vergangenen Sonnabend bei denen von der Luhe, von Zepelin
und von Kardorff gewesen sei und um die Lieferung von 60 Last
Roggen geworben habe; diese seien für einen Preis von 15 Schüling
Lübisch für den Scheffel Rostocker Maass darauf eingegangen
und werden zum 27. Oktober die ersten 15 — 16 Last nach
Ribnitz liefern, die, wie es heisse, nach Lübeck bestimmt seien.
In Folge dessen sandte am 22. Oktober der Rostocker Rath ein
Beschwerdeschreiben nach Stralsund. Der dortige Rath antwortete
darauf am 26. Oktober, wenn Ruche, der zur Zeit nicht orts-
anwesend sei, dem Befehl der Kämmereiherren nicht nachgelebt
habe, so solle er bei seiner Rückkehr bestraft werden ; übrigens aber
habe auch Stralsund sich darüber zu beschweren, dass vor ungefähr
drei Wochen einige Rostocker Bürger in der Umgegend von Stral-
sund etwa 50 Last Roggen aufgekauft und mit 15 Schilling Lübisch
für den Scheffel bezahlt haben, wodurch der Preis auch für die
x) Spalding i, S. 177.
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— 144 —
Stralsunder Bürger, die vorher zu 12, höchstens zu 13 Schillinge
haben einkaufen können, zu gleicher Höhe gesteigert sei. Nach-
dem dann der Rostocker Rath in Erfahrung gebracht, dass bereits
ein mit Roggen beladenes holländisches Schiff von Wustrow ab-
gefahren sei^ berieth er sich darüber, was man gegen solche
Klipphafen-Schifffahrt thun könne. Beschlossen wurde, in Rück-
sicht auf die Zeitumstände nicht, wie die Vorfahren »für etliche
hundert Jahr gethan«, solches de facto zu verhindern und das
Korn einzuholen, sondern bei dem Landesherrn um Abstellung
anzuhalten. Am 4. November wurde demgemäss bei Herzog
Ulrich Beschwerde darüber erhoben, dass Valentin Ruche aus
Stralsund von einem holländischen Schiffer einige hundert Thaler
aufgenommen und damit bei ^denen von der Luhe, Kardorff,
Zepelin und andern Adligen in der Umgegend von Ribnitz
etwa 60 Last Roggen aufgekauft habe, dass auch von Heinrich
Küster und Lieffert aus Ribnitz, zweifelsohne ebenfalls mit
fremdem Gelde, ein Gleiches geschehen und dass von allen dreien
solcher Roggen mit kleinen Prähmen oder Böten über den Grund
und Boden des Klosters Ribnitz (über den Ribnitzischen Bodem)
durch den von den Vorfahren der Rostocker versenkten Hafen
in ein holländisches Schiff gebracht sei, welches vor demselben
unterhalb Wustrows (vor der berurten Hafe unter Wustrow) ge-
legen habe. Diese Sache sich angelegen sein zu lassen, wurde
am 5. November der Kanzler Professor Dr. Jakob Bording gebeten.
Am II. November befahl Herzog Ulrich dem Ribnitzer Rath,
nicht mehr zu gestatten, »das einig Korn von dannen mit Kähnen,
Prämen oder Boten durch die vorsenckte oder verwüste Hafe ge-
fuhret unnd in einige Schuten oder Schiffe gebracht werden
muege«, beziehentlich seine Einwände binnen 14 Tagen ein-
zuschicken. Am 28. November sprach der Rostocker Rath dem
Herzog Ulrich für diesen Befehl seinen Dank aus, berichtete, dass
wiederum vor dem versenkten und verwüsteten Hafen, dem
gegenüber Rostock nach den Berichten des Albert Krantz und
des Verfassers der Pommerschen Historien sein jus prohibendi
seit dem 13. Juli 1395 ausgeübt habe, ein fremder Schiffer liege, um
von Ribnitz her Korn einzunehmen, und bat um die abermalige
Erlassung eines solchen Verbotes. Nach Empfang dieses Schreibens
befahl Herzog Ulrich, da die Antwort des Ribnitzer Rathes
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— 145 —
damals noch nicht eingegangen war, am 30. November den
herzoglichen Beamten zu Ribnitz, Amtmann Joachim von Olden-
burg und Küchenmeister Jakob Hidde, die Sache zu untersuchen
und eventuell das durch Vorkäuferei zusammengebrachte Korn mit
Arrest zu belegen. — Inzwischen hatte am 29. Nov. der Ribnitzer
Rath einen ausführlichen Gegenbericht abgesandt. Vor wenigen
Wochen, heisst es hier, sei Valentin Ruche, jetzt Bürger zu
Stralsund, früher Bürger zu Ribnitz, Sohn des weiland dortigen
Bürgermeisters Hans Ruche, nach Ribnitz gekommen und habe,
nicht von den in der Beschwerdeschrift Rostocks genannten
Adligen, sondern von Ribnitzer Rathmannen und Bürgern Korn
gekauft und Angeld darauf gegeben; solches Korn, 25 Last
Roggen und Weizen, sei ihm geliefert auf 2 Boierte, mit denen
er von Stralsund auf den pommerschen Strömen bis nach Ribnitz
vor das dortige Fischerthor gekommen sei, erst 15 Last auf den
einen, dann etwa 14 Tage später 10 Last auf den andern; mit
diesen Boierten, die keineswegs holländischen Schiffern, sondern
Sundischen Bürgern gehören, sei er dann denselben Weg zurück-
gefahren, »durch die gedachte Pommerische Strome bei dem
Darsse, so den Fürsten unnd Hertzogen zu Pommern, Hertzogk
Bugschlaffen itziger Zeit zustendig, auch volgendts durch des-
selben Strome nach dem Jollen hinauss in die offenbare Sehe« ;
weil aber beim Darsse eine Untiefe (eine kleine flecke) vorhanden,
über welche die beladenen Boierte nicht wohl hätten fliessen
können, so habe Ruche zwei barthische Schuten bestellt, um den
Boierten hinüber zu helfen. Von den genannten Adligen aber,
heisst es weiter, wie auch von den Amtleuten zu Dargun und
Gnoien, habe Ruche vor etwa 6 Jahren, da er noch Bürger zu
Ribnitz gewesen, Korn gekauft, das er einem Lübecker Kauf-
mann, der damit ebenfalls durch die pommerschen Ströme in
die offene See gefahren, zu Ribnitz aufs Schiff geliefert habe;
ob er damals mit fremdem Gelde gehandelt oder von dem Kauf-
mann Angeld erhalten habe, sei zwar nicht bestimmt zu wissen;
doch sei Beides unter Kaufleuten überhaupt und insbesondere
auch in Rostock gebräuchlich. Von einer ungewöhnlichen und
neuen Schifffahrt sei aber auch in diesem letztgenannten Falle
nicht zu reden; denn seit Menschen-Gedenken haben nicht nur
Ribnitzer Bürger Korn und Holz aufgekauft und durch die
Hansische Geschichtsblätter. XIV. lO
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— 146 —
pommerschen Ströme nach Stralsund und auch wohl nach Lübeck
verschifft und Malz und andere Waaren von Stralsund zurück-
gebracht, sondern auch die verstorbene Aebtissin habe häufig
Korn und Butter in grossen Böten nach Lübeck geschickt, manch-
mal mittels der pommerschen Ströme, manchmal auch von Müritz
aus; auch von Bürgermeister Heinrich Köster seien noch vor
wenig Jahren 10 Last Roggen bei Müritz verschifft und einem
Brauer in Lübeck, Jürgen Strauch genannt, zugesandt worden.
Dass aber solche Schifffahrt schon vor langen Jahren und in viel
grösserem Maasse betrieben worden sei, werde durch die an
einigen Orten erhaltenen Rudera erwiesen. Wie also Ribnitz den
Rostockern bezüglich der Schifffahrt eines juris prohibendi nicht
geständig sei, so meine es auch durch seinen Kornhandel nicht
wider die Polizeiordnung zu Verstössen; denn wenn derselbe
als Vorkäuferei aufgefasst werden solle, so mache sich Rostock
einer solchen in viel höherem Maasse schuldig; komme doch
hiesigen Ortes kein Haupt Vieh, kein Lamm, keine Gans und
kein Huhn zu Verkaufe, ja, werde doch kaum ein Fisch ge,
fangen, ohne dass die Rostocker damit Handel, Wucher und
Vorkäuferei treiben. Die Behauptung Rostocks, dass den Land-
städten keine Schiflffahrt und Kaufmannschaft zukomme, sei unbe-
gründet; denn der Kaufhandel sei den Landstädten weder in
Meklenburg noch sonst irgendwo verboten, und kleine Schiff-
fahrten seien bei Menschen-Gedenken, ja vor wenig Jahren, in
Parchim, Schwerin, Neustadt, Grabow, Bützow, Dömitz und
anderswo zu ihrem Gebrauche neu eingerichtet worden. Was
aber den Hafen unterhalb Wustrows auf dem Grund und Boden
des Klosters betreffe, so sei derselbe von solcher Beschaffenheit,
dass man jetzt mit Pferden und Wagen fahren könne, wo vordem,
wie der Augenschein beweise, ein ansehnlicher Hafen gewesen
sei; werde dieser Hafen wiederhergestellt, was mit geringen
Unkosten geschehen könne, da man nicht über 130 Klafter zu
' graben und zu bollwerken brauche, so könne man von Ribnitz,
das jetzt gegen 9 Meilen von der See entfernt sei, in einer
kleinen Meile an den offenen Strand laufen; Herzog Johann
Albrecht habe etwa ein halbes Jahr vor seinem Tode auf An-
suchen der verstorbenen Aebtissin die Gelegenheit desselben be-
sichtigt und sich dahin ausgesprochen, dass er sachverständige
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— 147 —
Holländer verschreiben und den Hafen wieder in Stand setzen
lassen wolle, sei aber durch den Tod daran verhindert worden.
Die Versenkung des Hafens durch die Rostocker sei unglaublich
und gewiss nicht rechtmässig geschehen ; wahrscheinlicher sei es,
dass er entweder bei der Verarmung, welche die Stadt Ribnitz
in Folge zweier grosser Feuersbrünste betroffen, vernachlässigt
und verfallen oder aber von anderer Seite — von den Landes-
herren — zugedäramt worden sei (oder aber sonsten, durch
Gottes Allmacht, wie an mehren orttem geschehen und denen
von Rostock selber woU wiederfahren, gedempfet unnd bewellet
worden). Seine Wiedereröflfnung aber werde nicht nur der Stadt
Ribnitz zu merklichem Nutzen gereichen, sondern auch für ganz
Dänemark und selbst für die Rostocker erspriesslich sein; denn
gerade an diesem Orte laufen die meisten Schiffe auf der Fahrt
von Dänemark nach Rostock auf den Strand ; seien doch bei
Zeiten des jetzigen Küchenmeisters, also in 7 Jahren, etwa 20,
theils dänische, theils Rostockische Schiffe gescheitert, die sich
hätten bergen können, wenn der Hafen in Stand gewesen wäre.
Demgemäss bittet also der Rath, der Herzog wolle Dietrich
Bevernest als mitverordneten Provisor des Klosters, Amtmann
Joachim von Oldenburg, Volrad von der Luhe zu Fahrenhoop
und Volrad von der Luhe zu Schulenberg beauftragen, die Ge-
legenheit des Hafens zu untersuchen und nach günstigem Bericht
die Wiedereröffnung desselben anordnen. — Unter dem 19. Dezbr.
erstatten dann auch Amtmann Joachim von Oldenburg und
Hauptmann und Küchenmeister Jakob Hedde den verlangten
Bericht. Unter Bezugnahme auf den Gegenbericht des Rib-
nitzer Rathes erklären sie kurz, dass der ehemalige Hafen
wohl mit Wagen und Pferden, aber nicht mit Schiffen
befahren werden könne, >ess wehre dan sache, das sie auff
trucken Lande siegelen konten« *, dass die Waaren, welche see-
wärts nach Ribnitz kommen oder von dort verschifft werden,
etwa 9 Meilen durch die pommerschen Ströme gehen müssen ;
dass trotzdem, namentlich zu den Jahrmärkten, allerlei Waaren
von Stralsund, Stettin und andern Orten nach Ribnitz gebracht
werden ; dass sowohl die verstorbene Aebtissin, als auch Kibnitzer
Bürger von Ribnitz und von Müritz aus Korn nach Lübeck
und anderswohin verschifft haben, und dass demgemäss von einer
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— 148 —
neuen Schifffahrt nicht die Rede sein könne. Was aber den
versenkten Hafen betreffe, so seien vormals wohl zwei Häfen,
vielleicht zu verschiedenen Zeiten, vorhanden gewesen, die sich
in den Ribnitzer Binnensee erstreckt haben, der eine auf dem
Ländchen Wustrow, der andere zwischen Wustrow und dem
Darss beim Ahrenshoop; möglicherweise seien beide zerstört
worden; denn von dem ersteren sollen nach dem Bericht der
Einwohner bei klarem und stillem Wetter noch einige Pfähle in
der See zu sehen sein, und beim Ahrenshoop scheinen die vor-
handenen Rudera zu beweisen, dass dort ehemals ein gemauertes
Gebäu gestanden habe; weshalb sie zerstört worden seien, wisse
man nicht; die Sage aber begründe die Zerstörung des Wustrower
Hafens mit dem Aufenthalt der Seehähne Störtebeker und Gödeke
Michel, die nach der Meinung der Leute auf Land Wustrow zu
Hause gehört haben, und wahrscheinlich sei auch der Hafen beim
Ahrenshoop, um die Seeräuber zu vertilgen, nicht um den Rib-
nitzern die Schifffahrt zu wehren, von den Rostockern zerstört
worden. Jedenfalls sei es wtinschenswerth, dass wieder ein Hafen
eingerichtet werde ; der Anfang dazu sei vor undenklichen Jahren
gemacht, indem man, keinen Büchsenschuss von dem versenkten
Wustrower Hafen ab, einen neuen Hafen zu graben begonnen
habe; aber das Unternehmen sei, als nur noch etwa 150 Klafter
zu graben und zu bollwerken übrig gewesen, wie man meine
wegen der durch Brandschäden verursachten Verarmung der
Ribnitzer, unfertig liegen geblieben; Herzog Johann Albrecht
solle dasselbe wieder aufzunehmen beabsichtigt haben; wolle
Herzog Ulrich darauf zurückkommen, so werde er ein gemein-
nütziges Werk unternehmen; in die von den Ribnitzem gewünschte
Kommission aber bittet Joachim Oldenburg ihn nicht zu deputiren.
In einem Schreiben vom 27. Dezember antwortet Joachim Olden-
burg dem Rostocker Rath, wegen der Vorkäuferei zu Ribnitz
sei er Willens gewesen, Herzog Ulrich vor den heiligen Tagen
Bericht zu erstatten; da ihm aber die Zeit zu kurz gewesen sei,
so denke er nach Verlauf derselben sich an den Hof zu be-
geben und dem Herzog darüber Relation zu thun. Am 23. Januar
1596 schickt dann Herzog Ulrich dem Rostocker Rath den Be-
richt der Ribrtitzer Beamten und weist ihn an, die Ribnitzer in
ihren hergebrachten Rechten nicht zu hindern.
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— 149 —
Herzog Ulrich starb am 14. März 1603, ohne männliche
Leibeserben zu hinterlassen. In der Regierung des Güstrowschen
Landestheils, wie in der Vormundschaft der unmündigen Gross-
nefFeii, folgte ihm sein jüngster Bruder Herzog Karl I.
Während dieser Vormundschaft beschwerten sich die Land-
städte am 25. Juni 1606 auf dem Landtage zu Sternberg über
vielfaches Vorkaufen und unerlaubtes Mülzen und Brauen und
baten um eine Renovation der im Jahre 1589 von Herzog Ulrich
erlassenen Dekrete ^). Herzog Karl erwiderte darauf am 2 2 . April
1607 auf dem Deputations-Tage zu Güstrow, er müsse zunächst
darüber die Ritterschaft hören*). Die Landstädte wiederholten
ihre Bitte, indem sie nicht zu bezweifeln erklärten, dass Serenissi-
mus sie bei den gemeinen Kaiserrechten, der Polizeiordnung und
den früher ergangenen Abschieden von 1555, 1574, März 16
und 1589 schützen und handhaben werde 3). Der Herzog
entgegnete am 27. April, er erwarte die Resolution der Ritter-
schaft, hoffe auf einen Vergleich zwischen ihr und den Städten
und wolle eventuell auf Mittel und Wege zur Abhelfung der
städtischen Beschwerde bedacht sein'*). Am 28. April erklärt
die Ritterschaft, sie sei damit einverstanden, dass das Vorkaufen
der Adhgen als dem Adelstande zuwider ernstlich verboten werde ;
doch solle damit nicht gemeint sein, dass nicht jeder Hauswirth
das auf seinen Gütern gewonnene Vieh und Korn nebst dem
von seinen Bauern erhobenen Pachtkorn an Orten und Enden,
da es ihm beliebe, frei verkaufen könne ; das Brauen und Mülzen
dagegen werde von den Adligen grösstentheils nur zu eigenem
Gebrauche betrieben und • könne ihnen ihres Ermessens nicht ver-
boten sein \ Serenissimus möge auch bedenken, welche Ungelegen-
heit ihnen daraus entstehen würde, wenn sie ihr Korn, falls sie
dafür in den Städten keinen Absatz finden, nicht auf ihren Gütern
gebrauchen dürften; auch müssen sie erinnern, dass die Polizei-
ordnung, auf welche sich die Städte beziehen, weder pure an-
genommen sei, noch auch von den Städten selbst in allen Punkten
gehalten werde; damit wollen sie aber nicht billigen, dass
i) Spalding i, S. 300 § 3«
a) Das. 2, S. 338 ad 3, 4, 8.
3) Das. I, S. 339 — 40 ad 3.
4) Das. I, S. 341 ad 3, 4, 8.
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— ISO —
einer von ihnen fremdes Korn aufkaufe oder über den Bedarf
seiner eigenen Güter hinaus braue*). In ihrer Erwiderung vom
29. April sagen die Städte, das Bierbrauen gehöre zur mercatura,
die dem Adel von den gemeinen Kaiserrechten verboten sei ; im
Uebrigen acceptiren sie, dass sich die Ritterschaft des schädlichen
Vorkaufens begebe, ohne jedoch die Restriktion zu annektiren,
dass dieselbe ihr eigenes Korn und andere Waaren verschiffen
könne, wohin sie wolle, und bitten nochmals, sie bei ihren Ge-
rechtigkeiten zu schützen»).
Dieses Gravamen wegen des Mülzens, Brauens und Vor-
kaufens wurde, nachdem inzwischen die jungen Herzöge Adolf
Friedrich I. und Johann Albrecht II. am 28. April 1608 die selbst-
ständige Regierung des Landestheils Schwerin gemeinschaftlich
angetreten hatten, auf dem von Herzog Karl gehaltenen Land-
tage zu Wismar am i. November 1609 von den Landstädten
wiederholt. Die beiden Seestädte adhärirten demselben und be-
klagten sich insbesondere über die Aufkäuferei und die seit
einiger Zeit vorgenommene ungewöhnliche Schiflffabrt von Gartz
und Güstrow aus 3). Am 12. Juni 16 10 antworten Serenissimi:
wegen des Mülzens, Bierbrauens und anderer bürgerlicher Nahrung
lassen sie es, sowohl in Betreff der Priester, Müller und Schäfer»
als auch bezüglich der Ritterschaft, sofern diese nichts Triftiges
dagegen einzuwenden haben, bei der Polizeiordnung von 1572;
wegen der Verschiffung des Korns von Seiten der Ritterschaft
sei es billig, diese zuvor zu hören; die von Seiten Lübecks und
Anderer geübte Vorkäuferei aber und damit zusammenhängende
Verschiffung des Korns solle mit Ernst abgeschafft werden^).
Nach der Erwiderung der See- und Landstädte nehmen dieselben
zwar dankbar an, dass es wegen des Mülzens und Brauens bei
der Polizeiordnung von 1572 verbleiben soll, fühlen sich aber
dadurch beschwert, dass dieselbe, die doch keineswegs die Schäfer,
Müller und Priester allein betreffe, nur hinsichtlich der Schwächsten
als Recht anerkannt werde, während bezüglich des Adels erst
Dispute stattfinden sollen ; zwar habe sich die Ritterschaft darauf
') Spalding i, S. 343 Anm. a.
») Das. I, S. 343—45 ad 3.
3) Das. I, S. 369—70 ad 3.
4) Das. I, S. 381—82 ad 3 und 4.
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— 151 —
berufen, dass die Polizeiordnung von den Städten selbst nicht
in allen Punkten gehalten werde; die Städte wissen sich aber
einer Verletzung derselben nicht zu erinnern ; was die Ausführung
des Korns anlange, so haben die Seestädte das Recht, dass nur
aus ihren Häfen Güter verschifft werden dürfen, und an der
Aufrechterhaltung dieses Rechtes müsse Serenissimis und dem
ganzen Lande gelegen sein; denn wenn allen Adligen gestattet
sein sollte, sich eigene Häfen zu machen und ihr Korn zu ver-
schiffen, so würden dadurch die commercia in allen Städten sehr
gesperrt werden, der Handel in Abgang kommen und besonders
die Seestädte nicht allein an ihren Privilegien gefährdet, sondern
auch in äusserstes Verderben gebracht werden^ weil nun diese
Städte des ganzen Landes Schlüssel, propugnacula und promp-
tuaria seien, auch Serenissimi niemals ihr Korn aus besonderen
Häfen zu verschiffen sich unterstanden haben und kein Adliger
sich eines Privilegs oder rechtmässigen Besitzes werde rühmen
können, so wollen alle Städte, sammt und sonders, solche be-
schwerlichen Eingriffe abzustellen gebeten haben ; hinsichtlich der
Vorkäuferei Lübecks und Anderer endlich wird das fürstliche
Erbieten, dieselbe mit Ernst abzuschaffen, von allen Städten accep-
tirt ^). In ihrer schliesslichen Resolution antworten die Fürsten am
26. Juni auf dem Landtage zu Stemberg : in Bezug auf das
Mülzen und Brauen haben die Städte sich nicht zu beschweren,
da dieses Gravamen nicht die Fürsten direkt betreffe, sondern
von dem einen Stande gegen den andern erhoben werde, wobei
die Fürsten nicht mehr thun können, als ergehen zu lassen, was
Rechtens sei; auf den fürstlichen Aemtem aber wollen sie das
Brauen und Mülzen, soweit dieselben nicht von Altersher diese
Gerechtsame gehabt, hinfort nicht mehr gestatten ; wegen der
Ausführung des Korns werde von den Städten selbst zugestanden,
dass sie darin von den Fürsten nicht beschwert werden; was
aber den Adel angehe, so können sie sich nicht weiter resolviren, als
die Angeklagten zu hören und richterliches Erkenntniss ergehen
zu lassen; wegen der Vorkäuferei lassen sie es bei ihrer vorigen
Resolution bewenden^). Die See- und Landstädte erklären in
1) Spalding i, S. 392—94 ad 3 und 4.
») Das. I, S. 403 — 4 ad 3 und 4.
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— 152 —
ihrer Repetitio gravaminum sich nochmals dankbar dafür, dass
auf die Befolgung der Polizeiordnung gehalten werden solle ; sie
hätten wohl gehofft, dass Serenissimi das darin enthaltene Ver-
bot des Brauens und Mülzens auf dem Lande auch der Ritterschaft
gegenüber aufrecht erhalten würden, und bitten um Erwägung der
dafür in der Polizeiordnung angeführten Gründe; Rostock und
Wismar seien stattlich damit privilegirt, dass ausser ihren Häfen
keine portus gemacht und kein Verschiffen geduldet werden solle ;
die Vorfahren der Fürsten haben darauf gehalten, und die beiden
Städte seien im Besitz; jetzt aber lassen sich die am Seestrande
wohnenden Adligen verlauten, es stehe ihnen frei, ihr Korn nach
ihrem Gefallen zu verschiffen, und weil dadurch die Privilegien
der Seestädte durchlöchert werden, so bitten sie nochmals, der
Ritterschaft solche Verschiffung ernstlich zu verbieten^).
Am 2 2. Juli 1610 starb Herzog Karl. Da er un vermählt
geblieben war, so fiel den Söhnen Johanns VII. auch der
Güstrowsche Landestheil zu.
Am 27. September erklären die See- und Landstädte auf
dem Landtage zu Sternberg, sie hätten gehoJ0ft, dass Serenissimi
die zwischen der Ritterschaft und den Landstädten obwaltenden
Misshelligkeiten in Güte oder durch Rechtsbescheid abgestellt
haben würden; gestern aber haben sie erfahren, dass die Sache
durch einen von den fürstlichen Räthen mündlich gegebenen Be-
scheid zum Prozess verwiesen sein solle ; da nun ihr ganzes An-
liegen nur darauf hinausgehe, bei der Polizeiordnung und den
fürstlichen Assekurationen geschützt zu werden, so sei ihnen ein
langwieriger Prozess beschwerlich, und sie halten dafür, dass es
Serenissimis freistehe, die Polizeiordnung auch ohne fernere
Kognition und neuen Prozess zu konfirmiren=*). Am 2. November
bitten die Landstädte auf dem Landtage zu Güstrow, dass einem von
Serenissimis auszustellenden Assekurations-Revers die Bestätigung
der den Städten von den früheren Fürsten gegebenen Assekura-
tionen und der mit Beliebung der Landschaft publicirten Polizei-
ordnung inserirt werde, beschweren sich darüber, dass ihre vor-
nehmsten Gravamina wegen des Brauens, Mülzens und Vorkaufen s
i) Spalding i, S. 414—15.
a) Das. I, S. 433.
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— 153 —
in dem Entwurf dieses Reverses sicco pede übergangen seien,
und ersuchen um ausdrückliche Hinzufügung der Resolution
vom 12. Juni, dass die schädliche Vorkäuferei mit Ernst abge-
schafft werden solle ^). Die Fürsten stellen in ihrer Resolution
in Abrede, an dem betreffenden Punkte sicco pede vorbeigegangen
zu sein ; sie haben vielmehr sowohl die Ritterschaft wie die Städte
ermahnt, ihre Streitigkeiten in Güte beizulegen; geschehe das
aber nicht, so seien sie den einen Stand ebensowohl wie den
andern zu schützen gemeint; jedoch wollen sie sich reserviren,
dass auf den fürstlichen Aemtem und bei Bauern, Priestern,
Müllern und Schäfern, sofern nicht die Gerechtigkeit zu brauen
hergebracht sei, die Polizeiordnung gehalten werden solle 2). In
ihrer Protestation vom 4. November sagen die Landstädte, die
Erklärung Serenissimorum wegen des Brauens, Mülzens und Vor-
kaufens sei ganz generell, obskur und derartig beschaffen, dass
ihre Deutung zweifelhaft sei und zu Streitigkeiten Veranlassung
geben könne 3). Unter gleichem Datum erklären die Seestädte:
in Bezug auf das Mülzen, Brauen und Vorkaufen müssen sie den
Landstädten adhäriren, und sie vertrauen darauf, dass Serenissimi
die Gravamina erwägen und erledigen, insonderheit den Revers
von 1555 konfirmiren und dabei die Aufrechthaltung der
Polizeiordnung auf dem Lande und in den Landstädten klärlich
ausdrücken werden; Bedenken werden Serenissimi dabei um so
weniger haben, als sich dieselben am 1 2 . Juni dahin erklärt haben,
dass ihre Beamten ebensowohl wie die Müller, Bauern, Priester
und 'Schäfer sich des Brauens und Mülzens enthalten sollen; die
Ritterschaft sei inzwischen gehört worden, habe aber keine
Gründe vorbringen können, und da keine ratio diversitatis zu
befinden sei, weshalb die fürstlichen Aemter.der Polizeiordnung
unterworfen, die Ritterschaft aber von derselben eximirt sein
solle, so seien zwar die Städte nicht gemeint, sich mit der
Ritterschaft in weitläufige Rechtfertigung einzulassen, hoflfen aber,
dass Serenissimi es ihnen nicht verdenken, wenn sie sich der
erlaubten Rechtsmittel bedienen werden ; was das Special-Gravamen
der Seestädte, die Verschiffung des Korns, anlange, so haben sie
1) Spalding i, S. 449.
a) Das. I, S. 452.
3) Das. I, S. 457.
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— 154 —
ihre stattlichen Privilegien aufzuweisen, in denen ihnen die
alleinige Verschiffung koncedirt und alle Klipphafen-Schifffahrt
verboten sei, und hoffen daher, dass Serenissimi ihre Seestädte,
des Landes Meklenburg herrliche Zier und Kleinodien, bei
ihrer Nahrung erhalten werden^). Daraufhin resolviren sich die
Fürsten: es sei ihnen nicht zuwider, dass die Seestädte wegen
des Brauens, Mülzens und Vorkaufens den Landstädten adhäriren
wollen, da sie sämmtliche Stände und also auch die Städte bei
ihren Gerechtigkeiten und der bürgerlichen Nahrung zu schützen
gemeint seien ; wegen des Special-Gravamens der Seestädte seien
sie entschlossen, den veris et justis possessoribus beizustehen
und sie bei ihren Rechten und Gerechtigkeiten zu handhaben").
In der Antwort der Landstädte anerkennen dieselben als eine
besondere Gnade, dass Serenissimi sowohl den einen wie den
andern Stand bei seinem Besitz, Rechten und Gerechtsamen
schützen und handhaben wollen; da sich nun die Städte in
notoria possessione des Brauens und Mülzens befinden, so be-
zweifeln sie nicht, dass Serenissimi sie auch darin zu schützen
gemeint seien, und wollen in diesem Sinne die fürstliche Re-
solution feierlich acceptirt haben; auch acceptiren sie mit Dank,
dass die Bestimmung über das Halten der Polizeiordnung auf
den fürstlichen Aemtem und von Seiten der Priester, Müller und
Schäfer dem Assekurations-Revers inserirt werden solle, und
bitten nur, die Klausel von dem alten Herkommen auszulassen
da die Städte Niemanden ein solches Herkommen zugestehen 3).
Die Seestädte acceptiren ebenfalls feierlich die Erklärung Sere-
nissimorum, dass sie die Städte bei ihren Rechten und in specie
bei der bürgerlichen Nahrung zu erhalten gemeint seien, und
hoffen, dass dadurch den gemeinen Beschwerden der See- und
Landstädte in effectu abgeholfen sei; denn nicht die geringste
bürgerliche negotiatio sei das Brauen und Mülzen, und die Städte
seien billig pro veris et legitimis possessoribus zu erachten; in
specie bitten sie noch, auch den Punkt von der Vorkäuferei, wie er
am 1 2 . Juni erledigt worden, in den Assekurations-Revers zu bringen ^).
t) Spalding i, S. 458—59.
2) Das. I, S. 459.
3) Das. I, S. 464 — 65.
*) Das. I, 466.
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— 155 —
Mit diesen feierlichen Annahme-Erklärungen vom 4. November
1610 kamen die Verhandlungen über die Gravamina der See- und
Landstädte vorläufig zur Ruhe; denn am 6. November ging der
Güstrower Landtag auseinander, ohne dass eine vollständige
Einigung über den Assekurations-Revers erzielt worden wäre, und
es verstrich ein volles Jahrzehnt, bevor die Verhandlungen wieder
aufgenommen wurden.
Am 21. Juli 1611 kam dagegen zu Fahrenholz ein vor-
läufiger Theilungsvertrag zwischen den Herzögen zu Stande, nach
welchem jeder der Brüder »die portus am Meere, als Ribnitz
imd dergleichen«, welche an seine Aemter stossen würden, für
sich gebrauchen, verbessern und auf eigene Kosten einrichten
und dagegen auch des daraus erwachsenden Vortheils zu gemessen
haben sollte. Da das Loos Herzog Adolf Friedrich die Schwerinsche,
Herzog Johann Albrecht die Güstrowsche Hälfte zutheilte, so fiel
Pol an den älteren, Ribnitz an den jüngeren Bruder.
Herzog Adolf Friedrich nahm im Jahre 161 2 den Bau-
meister Gert Evers, genannt Pilot, aus Emden in seinen Dienst
und beauftragte ihn insbesondere mit dem Bau einer neuen
Festung auf Pol ; denn der Bau Herzog Johann Albrechts war
»injuria temporum et incuria hominum« verfallen. Neujahr 161 6
begann die Bauarbeit, 16 18 war die Festung vollendet: nach
der Absicht des fürstlichen Bauherrn sollte sie ein Denkmal seiner
Verehrung gegen den Grossvater sein und »Anseeburg« genannt
werden. — Auch der Schiffe, die einst Johann Albrecht in
Memel hatte bauen lassen, mochte der Herzog sich erinnern.
Pilot machte ihm den Vorschlag, einen Dreimaster von 60 Fuss
Länge mit 12 Kanonen, eine Jacht mit 3 Kanonen und ein
kleines Boot von 1 8 Fuss Länge zu bauen ; der Herzog entschied
sich aber am 28. Novembfer 16 16 für 2 Jachten von 45 und
^6 Fuss Länge und ein Lastschiffe). Am 3. April 1619 bestellte
er Pilot »für unsem Capitein auff unser Vestung Pole unnd über
unsere Schiflfe, auch für unseren General-Bawmeister und Ingenieur
in tmserm Furstenthumb und landen« ; als Schiffskapitän sollten
ihm »unsere Schiffe, so wir bereit erbawen und etwa noch
') Mekl. Jahrb. 48, S. 17.
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- .56 -
kunflftig erbawen lassen möchten, hiemit anvertrawet und be-
fohlen sein« ').
Am 14. Dezember 1620 suchte die Ritter- und Landschaft
auf dem Landtage zu Güstrow um die Vollziehung des Asse-
kurations-Reverses nach, der den Städten ehemals im Koncept
übergeben sei*), und die Städte fühlten sich gedrungen, Serenissi-
mis ihre jetzigen Pressuren und Bedrängniss in unterschiedlichen
Schriften zu erkennen zu geben 3). Auf die letzteren erwiderten
die Herzoge am 11. Januar 162 1, da sie befanden, dass des
Brauens, Mülzens und Vorkaufens halber sich fast alle Städte
beschwerten, so wollten sie beschaffen, dass der Polizeiordnung
nachgelebt werde ^). Die Landstädte antworteten am 16. Januar,
sie bedankten sich wegen solcher Resolution und bäten, dass
Serenissimi auf Anhalten der Seestädte mit Exekution gegen die
Ungehorsamen einschreiten möchten 5). Am 13. Februar resol-
virten sich die Fürsten: was das Mülzen, Brauen und die Vor-
käuferei beträfe, so Hessen Serenissimi es bei ihrer der Ritter-
und Landschaft ertheilten Erklärung bewenden^). In dem am
selben Tage den Ständen überreichten Entwurf des Assekurations-
Reverses lassen die Fürsten wegen des Mülzens, Brauens und Vor-
kaufens es nochmals bei der Polizeiordnung bewenden und er-
klären, wider solche Missbräuche gebührende Verordnung machen
und mit der Exekution einschreiten zu wollen 7). Die Ritter-
und Landschaft replicirt freilich am 14. Februar, da sich über
diesen Punkt die Städte und die Ritterschaft nicht völlig einig
seien, so wolle jeder Stand sein Gesuch besonders vortragen ^). In
den Assekurations-Revers vom 23. Februar 1621 ist aber die Be-
stimmung in der Fassung vom 13. Februar als 40. Artikel unver-
ändert aufgenommen worden.
Damit hatten denn die Städte erlangt, dass die Bestimmung
der Polizeiordnung bezüglich des Mülzens, Brauens und Vor-
i) Mekl. Jahrb. 48, S. 19, 42—48.
a) Spalding i, S. 483.
3) Das. I, S. 488.
4) Das. I, S. 503 — 4.
5) Das. I, S. 524.
6) Das. I, 551.
7) Das. I, S. 562 § 38.
8) Das. I, S. 570.
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— 157 —
kaufens nicht nur für die Bauern, Priester, Müller und Schäfer,
für die Beamten auf den fürstlichen Aemtern mit der Klausel
vom alten Herkommen, sondern im Allgemeinen, voll und ein-
schränkungslos — also auch für den Adel — bestätigt ward. Frei-
lich aber kam Alles darauf an, dass diese Bestimmung, nachdem
sie bestätigt worden, auch ernstlich aufrecht gehalten wurde.
Schon am 17. Mai desselben Jahreä reichten die See- und
Landstädte auf dem Landtage zu Sternberg den Fürsten ein
Memorial ein, in welchem dieselben unter Hinweis auf das im
Assekurations- Revers enthaltene Versprechen, »dass die eine Zeit
her auf dem Lande bey den von Adel, Beamten, Krügern,
Bauren und andern wider die publicirte Fürstl. Policey-Ordnung
eingeschlichenen Missbräuche mit Vorkäuferey, Mülzen und Brauen
ernstlich abgeschafft und sie bey ihrer bürgerlichen Nahrung ge-
schützet werden sollten«, sich darüber beschwerten, dass solcher
Missbrauch immermehr zunähme, indem von unterschiedlichen
Amtleuten, Junkern und Bauern nicht nur auf den Aemtern,
Gütern und Dörfern nach wie vor gebraut, sondern auch Vor-
käuferei getrieben und die aufgekauften Waaren ausserhalb Landes
verführt würden; weil aber die Städte auf Handel und Wandel
und bürgerliche Nahrung fundirt und ihnen vordem erlaubt wäre,
sich wider alle monopolas, Vorkäufer, Brauer und Mülzer zu
schützen, so bäten sie, »dass Serenissimi gedachten Missbräuchen
durch eine ernste hochverpoente Constitution remediren und
ihren Beamten und allen andern auf dem Lande Wohnenden bey
namhafter Strafe demandiren mögten, sich aller bürgerlichen
Nahrung, in specie der Vorkäuferey, Brauens und Mülzens zu ent-
halten« ^). Eine Antwort der Fürsten auf diese Eingabe liegt
uns leider nicht vor. Am 14. Oktober 1623 erliess aber Herzog
Adolf Friedrich ein Edikt, in welchem er allen Beamten, Adligen,
Unterthanen auf dem Lande und städtischen Magistraten befahl,
in Gemässheit der Polizeiordnung die Vorkäuferei und Aus.
führung von allerlei Waaren, insbesondere des lieben Getreides,
nicht zu gestatten, den Uebertretern dieses Verbotes die gekauften
W^ren, von denen ein Drittheil den Beamten oder der Ortsobrig-
keit verfallen sein sollte, wegzunehmen und eine Geldstrafe von
1 5 Gulden aufzuerlegen und bei Adligen und Bauern sowohl auf
x) Spalding 1, S. 611 — 12.
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' — 158 —
solchen Unterschleif, wie auch auf das Milizen, Brauen und
Schenken mit ernstem Fleiss Achtung zu geben, da solches
Alles gänzlich abgeschafift sein sollte — »so lange die auf ver-
schienem Landtage gewilligten Landhülfen wehrenc »).
Inzwischen war, unmittelbar nach dem Zustandekommen
des Assekurations-Reverses, am 3. März 162 1 zu Güstrow die
definitive und totale Landestheilung erfolgt. In derselben heisst
es, dass die Meer-Porten jedem Fürsten in seinem Lande aus-
schliesslich verbleiben sollen und dass Herzog Johann Albrecht
sich vorbehalte, bei Ribnitz eine Schifffahrt einzurichten, wenn
dieselbe auch zum Theil durch die Güter des Klosters gehen möchte.
Das Kloster Ribnitz war am 2. Juli 1572 von den Herzögen
Johann Albrecht I. und Ulrich den Landständen zugewiesen und
ihnen am 18. Dezember 1599 wirklich übergeben worden*).
Doch hatten sich die Herzoge Adolf Friedrich und Johann
Albrecht II. schon im Fahrenholzer Vertrage von 161 1 dahin ge-
einigt, dass derjenige, dem das Amt Ribnitz zufallen würde, er-
mächtigt sein sollte, das Kloster an sich zu bringen und der
Landschaft dafür Ersatz zu leisten^). Nach längeren Verhand-
lungen ertheilten nun am 17. Mai 162 1 die Stände 6 Mitgliedern
der Ritterschaft und 6 Städten die Vollmacht, ihrerseits eine
solche Permutation vorzunehmen^). Die Seestädte wollten frei-
lich die Klausel eingeschoben wissen, dass kein neuer Hafen zum
Präjudiz der Städte Rostock und Wismar angelegt werden dürfe 5) ;
Herzog Johann Albrecht erklärte jedoch, in Bezug auf Anlegung
des neuen Hafens, als auf ein Regal, sei er, auch wenn die
Permutation mit dem Kloster nicht geschehe, Niemanden Etwas
geständig^). Ueber diese Permutation wurde dann 1623 und 1625
verhandelt, ohne dass eine Einigung zu Stande gekommen wäre.
Im Jahre 1626 schloss Herzog Johann Albrecht IL unter
Zustimmung seines Bruders einen Kontrakt über die Aufräumung
des Ribnitzer Hafens mit dem Holländer Cornelius Claussen ab ^),
i) Bäreospning 4, Supplement S. 21 — 23.
2) Mekl. Jahrb. 26, S. 89; Peters S. 31.
3) Gerdes S. 339 § 49.
4) Spalding i, S. 609—10.
5) Das. I, S. 610.
6) Das. I, S. 613.
7) Peters S. 51.
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— 159 —
Eine Denunciation beim Kaiser bewirkte jedoch, dass dieser am
2. März 1627 ein scharfes Abmahnungsschreiben an Herzog
Adolf Friedrich gegen die Erbauung neuer See-Porten zu Ribnitz,
Gartz und Klütz, sowie auch gegen den Abschluss eines Handels-
vertrages und Bündnisses mit den Staaten von Holland erliess.
Herzog Adolf Friedrich wies die Beschuldigung, Letzteres beab-
sichtigt zu haben, als unbegründet zurück und berief sich bezüg-
lich des Ersteren anf sein Recht, als Reichsstand und Landes-
herr in seinen freien Seehäfen und Meerporten zuträgliche
Ordinanz anzustellen.
Unmittelbar darauf haben dann aber Reichsstandschaft und
Landesherrlichkeit der raeklenburgischen Herzoge wenigstens zeit-
weilig ein trauriges Ende genommen. Im Juli 1627 rückte der
Wallensteinsche Oberst Hans Georg von Arnim ins Stargardsche
ein, und zu Ende des Monats überschritt Tilly die Elbe; am
10. Oktober musste Wismar eine kaiserliche Besatzung aufnehmen,
und am 21. November wurde die Kapitulation über die Festung
Pol abgeschlossen^). Wallenslein, dem Meklenburg am 19. Januar
1628 überwiesen worden war«), bestand darauf, dass vor seinem
Einzüge die bisherigen Fürsten seine Herrschaft räumen müssten,
»denn zween Hanen auf einem müst taugen nicht zusammen« ^).
Am 13. Mai verliess Herzog Adolf Friedrich, am 17. Mai Herzog
Johann Albrecht das Land^), und am 17. Juli nahm Wallenstein
seinen Wohnsitz in Güstrow s).
Rostock, das sich am 18. September 1626 der Werbung
des kaiserlichen Rathes Heinrich Husan gemäss verpflichtet hatte,
keine fremden Völker aufzunehmen, wenn es nicht durch Gewalt
dazu gezwungen würde ^), musste am 15. November, um einer
Besatzung der Kaiserlichen zu entgehen, dem Oberst von Arnim
gegenüber in eine Kontribution von 140,000 Thalern willigen^).
Am 1*5. Februar 1628 wurde sein Hafen, Warnemünde, auf
Wallensteins Befehl von Oberst San Julian besetzt und durch
t) Mekl. Jahrb. 48, S. 48—50.
a) Das. 17, S. 197.
3) Das. 40, S. 95.
4) Das. 17, S. 197.
5) Das. 35, S. 47.
6) Das. 51, S. 291—92.
7) Das. 51, S. 308.
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— i6o —
Anlegung einer Schanze befestigt*); am 9. März wurde der
Hafen durch dänische Schiffe blokirt =*). Eine von der Stadt am
23. Februar an Wallenstein abgeschickte Gesandtschaft, welche
unter Anderm auch darum nachsuchte, dass die Wamemünder
Schanze der Stadt eingeräumt würde, dass die Schiiffahrt Jeder-
mann, auch Dänen und Schweden, frei bliebe und dass ausser
den privilegirten Häfen Rostock und Wismar kein heimlicher und
verbotener portus benutzt werden dürfe ^), war natürlich in dieser
Beziehung gänzlich erfolglos, brachte aber ein Schreiben Wallen-
steins an San Julian mit, nach welchem, sofern nicht ratio belli
es anders erfordern würde, die Stadt mit ihren Hospital- und
Landgütern von der Landeskontribution befreit und mit Ein-
quartierung verschont, sowie auch wegen der Bezahlung der
noch restirenden 90,000 Thaler bis zu seiner Ankunft befristet
werden sollte^). Am 9. April leisteten Rath und Bürgerschaft
vor den Kommissarien Wallensteins den Huldigungseid s). Am
8. October Hess Wallenstein den Rath durch den Statthalter
Wingiersky benachrichtigen, er beabsichtige — von der frucht-
losen Belagerung Stralsunds aus — durch Meklenburg nach Hol-
stein zu ziehen; am 12. rückte er zwischen Damgarten und
Ribnitz in Meklenburg ein; am 13. marschirte er nach Schwan,
wo er am 14. und 15. Halt machte^); in der Nacht vom 15.
auf den 16. brach er von Schwan auf; am 16. Morgens 3 Uhr
stand er vor Rostock 7); am 17. Oktober Abends 6 Uhr zog
eine Besatzung von 1000 Mann in die Stadt ein^).
Durch das schwere Geschick, welches die meklenburgischen
Lande und ihr angestammtes Herrschergeschlecht heimsuchte,
wurden die Streitigkeiten, deren bisherigen Verlauf wir zu schildern
versucht, auf längere Zeit zum Schweigen gebracht. Als sie
nach Jahrzehnten wieder auflebten, waren Wismar und das Amt
Pol schwedische Besitzungen.
i) Mekl. Jahrb. 51, S. 312 — 13.
a) Das. 51, S. 316.
3) Das. 51, S. 322 — 23.
4) Das. 51, S. 327 Anm. i.
5) Das. 51, S. 322.
6) Das. 51, S. 331.
7) Das. 51, S. 332,
8) Das. 51, S, 339,
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V.
DIE CHRONISTIK ROSTOCKS.
VON
K. E. H. KRAUSE.
Hansische Geschichtsblätter. XIV
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Die Chronistik Rostocks entspricht keineswegs den Er
Wartungen, welche man von vornherein von einer Stadt von solch
historischer Bedeutung glauben sollte hegen zu dürfen; weder
die Stadtregierung noch die Gelehrsamkeit, über welche die
Universität verfügte, hat bis zur 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts
uns historische Aufzeichnungen über die reich bewegte Geschichte
der Stadt hinterlassen»).
Eine Original-Chronik besitzt Rostock erst aus der Zeit von
1488 — 1491 von der »Domfehde« oder dem »Quartus tumultus«.
AUes Aeltere verdient den Namen nicht.
Freilich existirt für die Jahre 1310 — 1314 eine Darstel- 1
lung des Rostocker Aufstandes gegen den Dänen- j
könig Erich Menved mit einzelnen Notizen bis 132 9, welche
in der Abschrift des Dr. jur. Valentin Gerdes») von 1558 er-
halten, aber erheblich älter ist ^). Der Verfasser oder ein früherer
Abschreiber nannte sie am Schlüsse »de manstritlike und grot-
lavige, werdige Cronica der loffliken Stadt Rostock« ; dass aber
das von Gerdes copierte Exemplar im Besitze des Bürgers Hinrick
Wedemann, welches anscheinend verschollen ist, nicht das
Original war, lehren schon die am Schlüsse stehenden hoch-
deutschen Verse:
1) S. Hans. Geschichtsbl. Jahrgang 1884, S. 50.
2) Zu Rat gekoren 1555, abgesetzt durch die Sechziger am 10. Mai
1565, auf fürstlichen Befehl nach Dömitz abgeführt; nachher wieder eingesetzt,
suspendiert am 6. Febr. 1580, weil er sich weigerte die ihm zuerteilten
Ratsämter zu übernehmen. S. Rost. Gymn. Progr. 1880 (Nro. 546), S. V Anm. 3.
— Dr. Hans Rud. Schröter, Beitr. z. Meckl. Geschichtskunde I. i (einziges
Heft), Rostock u. Schwerin 1826, 4. S. XIV.
3) Rostock. Univ. Bibl. Mss. Meckl. O. 55. 4. fol. 1— 11. Der alte,
von Schröter genannte, kostbare Pergamentumschlag (Pergamentdruck des
Psalters von 1457) ist jetzt abgelöst.
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— 164 —
»Ach, trewe du Got mit Fleiss,
So uberkumpst du sein Ewiges Reich,
Trcwe den uberherenn wol zu masse.
Gibestu was du ihnen phlichtich bist,
So machstu gehenn deine Strasse.«
Diese Chronik ist jedoch nicht eine selbständig verfasste.
Schon von dem ersten Herausgeber Schröter, von Lisch, BoU
und Wigger, später von Koppmann '), ist bemerkt, dass der Ver-
fasser auf Ernst v. Kirchbergs Schultern stehe; von mir ist dann
im Eijizelnen nachgewiesen«), dass der Verfasser die Wismar-
Rostockschen Wirren von 13 10 — 1314^) auch im Einzelnen ganz
genau aus Kirchberg ausschreibt. Sogar aus seinen mannigfachen
Missverständnissen ist das zu erkennen. Wir wissen freilich
kaum etwas von Kirchbergs specielleren Quellen'^), und einmal
klingt eine Stelle unseres Chronisten sogar an die Doberaner
Genealogie an ; trotzdem kann er nicht etwa nur gemeinsame
Quellen benutzt haben, sondern hat seine Vorlage direkt aus-
geschrieben. Nur eine Wismarsche Lokalität und die Rostocker
Aufstandspraxis hat er aus besserem Wissen zugegeben und einen
Eigennamen korrigiert ; 2 Data giebt er selbst an, aus der Lübecker,
der Detmar - Chronik, »welche de barvote Monnike bescreven
hefft«, entnommen zu haben: 13 12 und 1323 wegen des Turms
zu Warnemünde. Wismarer und Rostocker Urkunden kennt er
speciell nicht; doch mag er Einzelnes gesehen oder gehört haben.
Augenscheinlich schreibt er, um das Volk gegenüber den Rat-
sässigen, die er schon »de beslechteden« nennt s), herunter-
zureissen; eine gewisse Bösartigkeit im Auftreten gegen die
x) Schröter a. a. O. Lisch schliesst sich Jahrb. 8, S. 183 f. Schröter
ohne bestimmte Angabe an. Boll in Lisch Jahrb. 13, S. 239. Wigger im
M. U.-B. 5, Nr. 3481 Anm. und S. 609 unten. Wigger und Koppmann in
Hans. Geschsbl. 1872, S. 162.
») Rost. Gymn.-Progr. 1873.
3) 1305 (statt 13 10) ist Schreibfehler des Ms.
4) H. Thoms, Die Meckl. Reimchronik des Ernst von Kirchberg und ihre
Quellen, bei Schirrmacher, Beiträge z. Gesch. Meckl. Bd. 2, und Schirrmacher,
Ernst V. Kirchberg, ebenda.
5) Lisch, Jahrb. 11, S. 177, hat daraus für das Patriziertum Rostocks
viel zu weit gehende Schlüsse gezogen. — Es ist unerklärlich, woher der
Verfasser den Kirchberg erhalten habe, wenn er sich nicht zeitweise am Hofe
König Albrechts aufgehalten hat.
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- i65 -
Aemter und die kleineren Bürger ist nicht zu verkennen. Das
Alles weist auf die »Sechzigerc -Unruhen in den Städten im An-
fange des 15. Jahrhunderts. Da es nun nahe gelegen hätte, die
Rostocker Tumulte zu nennen, wenn sie schon wieder aus-
gebrochen gewesen wären, so setze ich die Abfassung vor 1409;
vielleicht ist 1408, wo die Unruhen sich in Lübeck erhoben, das
richtige Jahr. — Neues bietet also diese Chronik nicht; nicht
einmal zur Bestätigung von älter Bekanntem kann sie dienen.
Heinrich II. von Mecklenburg erhält freilich einen neuen Beinamen
»mit der platen« (dem Harnisch), ich denke aber, nur aus Ver-
wechselung mit einem gleichzeitigen Pommer Henricus cum
thorace und dessen Vermengung mit dem fürstlichen Beinamen
bellicosus, den die Parchimsche Genealogie wohl von Doberan
übernommen hatte. Früher wäre dieser durch »Borwy« wieder-
gegeben ; das 14. und 15. Jahrhundert setzte dafür Leo, »den
Louwen«»). — Die Ausgabe dieser Chronik von Hans Rud.
Schröter hat einige Verlesungen und Missverständnisse, ist aber
im ganzen korrekt und gut.
Schon länger bekannt war aus derselben Handschrift Ms.
O. 55 (fol. 12 — i8a) eine früher für wertvoll gehaltene Kom-
pilation") von Notizen zur Geschichte Norddeutsch.,^
lands, besonders der Wendischen Städte und der;
Hanse. Schröter (a. a. O. S. XIV) hat sie bereits ungefähr
richtig charakterisiert; Lisch meinte, sie seien »wegen Mangels an
Erkenn tniss ihrer Herstammung ohne grossen Wert« ^) ; sie haben
thatsächlich kaum irgend welchen. Nach der Stellung im ge-
nannten Ms. habe ich sie früher als »der Rostocker Chronik
zweiten Teil« bezeichnet und genauer untersucht^). Sie haben
sich darnach herausgestellt als eine recht mangelhafte Varietät
jenes »Kort Uttoch der wendeschen cronicon van ethken Scheften
diser Lande und stede«, welche Lappenberg unter den Ham-
1) Rost. Gymn.-Progr. 1880, S. 24.
2) Mantzel im Etwas von gelehrten Rostockschen Sachen, dem s. g.
»Rostocker Etwas« 1740, S. 680 ff.
3) Jahrb. 8, S. 183 f.
4) Rost. Gymn.-Progr. 1873, S. 9 — 13.
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— i66 —
burger Chroniken nach fünf Handschriften abdrucken Hess').
Die von ihm gesuchte sechste (von Kelp) ist von mir als Kelps
eigenes Ms. im Kön. Archiv zu Stade wieder aufgefunden und
1866 in der Zeitschr. f. Hamb. Gesch. beschrieben worden»).
Eine später erweiterte und fortgesetzte Form davon ist bis zum
Ende des 15. Jahrh. auch Gyseke's Hamburger Chronik, gleich-
falls bei Lappenberg 3) gedruckt. Die Rostocker Handschrift ist
ebenfalls von Valentin Gerdes 1558 aus der Wedeman'schen
Vorlage abgeschrieben ; und aus derselben oder einer fast gleichen
stammt die von Lisch a. a. O. erwähnte nachher noch zu be-
sprechende »Bouchholtzsche« Abschrift^) der Grossh. Regierungs-
Bibliothek zu Schwerin von 1583 in dem betreffenden Teile-
nur dass das Rostocker Exemplar reicher ist und einige Data
am Schlüsse mehr hat. Die älteste Angabe der letzteren betrifft
das Jahr 801, die späteste 1485, die älteste der Schweriner 840,
die jüngste 1438, richtiger 1439. Der Hamburger Titel und der
Kern des Inhalts erweisen gleichmässig, dass wir bei dieser
ganzen Gruppe es mit Auszügen aus der um 1485 gedruckten
deutschen Uebersetzung des Chronicon Slavicum (»de wendesche
Kroneke«) des sog. parochus Suselensis^) zu thun haben, welche
je nach Ort oder Geschmack des Bearbeiters excerpiert, mit
anderen Lesefrüchten vermehrt und später vielfach fortgesetzt
wurden. Dass die Rostocker und Schweriner Form, beide nieder-
deutsch, auf ein Urexcerpt zurückgehen, beweist der beiden ad
{421 gemeinsame Beiname des Erzbischofs Johann Slamstorpe
von Bremen: »March«, die gleichmässige Angabe von dem An-
«) Hamburgische Chroniken in niedersächs. Sprache. S. XXXVIII bis
XLIV und 229 ff.
3) Vermutlich ist sie jetzt im K. Archiv zu Hannover.
3) A. a. O. S. XLV f. und i— 17.
4) Nach Angabe von Lisch vom in der Handschrift ist sie aus dem
Nachlasse des weil. Reg.- und Lehnsüskals F. A. Bouchholtz in die Gross-
herz. Reg.-Bibl. gekommen. Die Univers.-Bibl. zu Rostock hat davon eine
(nicht ganz vollständige) Abschrift von Dr. Wiechmann^s Hand. Eine voll-
ständige Abschrift ist in meinem Besitz.
5) Herausg. von Dr. E. A. Th. Laspeyres, Lübeck 1865. Vergl. Jahrb.
f. d. Landeskunde von Schlesw.-Holst. und Lauenburg. 9 (1867), S. 161
bis 225.
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— i67 —
griffe auf Rostock am Laurentiustage (lo. Aug.) 1430 (wofür
der Boucholtzsche Schreiber 1403 setzt)*), und der sonst unbe-
kaiinte Ueberfall der Stadt am Tage Crispini und Crispiniani
(25. Oct.) 1433''). — So ist diese Chronik also überhaupt keine
Rostocker, sondern wäre in Betracht zu ziehen bei einer etwa zu
imtemehmenden neuen Edition jener von Lappenberg heraus-
gegebenen Sippe. Im Uebrigen wird es genügen, auf mein schon
angeführtes Programm zu verweisen.
Die volle Bedeutung eines Originals hat dagegen die Chronik
der rostocker Domfehde oder »van der Rostocker Veide«,
von 1487 — 1491, obwohl die Original-Handschrift nicht erhalten
ist. Es ist eine gleichzeitige, niederdeutsche, tagebuchartige Auf-
zeichnung eines dem Interesse des Rates nahestehenden, aber auch
der Gegenpartei nicht von vornherein abgeneigten, verständigen
Laien oder, wie ich nach seiner Kalender-Kenntnis annehmen
möchte, niederen Geistlichen oder Fraters. Diese Arbeit desj
schlichten Mannes ist äusserst wertvoll und ist in solcher Be-]
deutung auch von Dietrich Schäfer gewürdigt und für den!
2. Band seiner ELanserecesse (3. Serie) benutzt. Der damalige
Rostocker Aufstand zog, wie natürlich die Mecklenburger Fürsten
und die Hansestädte, so auch den König von Dänemark und den
Markgrafen von Brandenburg in Mitleidenschaft und reichte in
seiner Bedeutung weit über die gewöhnlichen städtischen Zwistig-
keiten hinaus. — Die älteste erhaltene Handschrift ist wieder die
des Dr. Valentin Gerdes^) von 1558. Das von ihm benutzte
Exemplar Wedeman's ist ebenso verschollen, wie ein zweites,
das Gerdes' Schwager, der Kaufmann und Gastgeber Hans Ber-
man, besass, und ebenso eine daraus genommene Abschrift des
Lüneburger Syndicus Dr. Johann Tussenrath (Dutzenradt). Ich
habe mich vergeblich danach hier, in Schwerin, Hamburg, Lübeck
und Lüneburg bei den Herren Bibliothekaren erkundigt. Nach
1) Nicht bei Lappenberg, im Chron. Slav. nur die darauffolgende Ver-
bindung Rostocks und Stralsunds mit Erich, dem Pommer. Vergl. Detmar
Forts, ad. a. und Krantz Wandalia XI cap. 21.
3) Die einzige bis dahin unbekannte Rostocker Notiz der Handschr., aus
der sie die späteren hochdeutschen Bearbeiter entlehnten. S. Rost. Prog.^
1873 S. 12.
3) Das genannte Ms. Meckl. O. 55.
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— i68 —
dem Berman'schen Manuscript hat aber Gerdes selbst seine Ab-
schrift 1562 mit penibler Genauigkeit verglichen und die ge-
ringen Abweichungen, selbst wenn sie nur in Buchstaben be.
standen, am Rande kenntlich verzeichnet, so dass sein Exemplar
nun für 2 gute und alte Abschriften gelten kann. Ich habe daraus
den Text zum ersten Male 1 880 herausgegeben '). — Eine Ver-
sion dieses Textes von absonderlicher Beschaffenheit hat das
obengenannte Bouchholtz*sche Exemplar»), die sich selbst als eine
höchst eilige »Abschrift« von 1583 angiebt. Lisch, der zuerst
darauf aufmerksam machte, hat sie augenscheinlich fiir eine Copie
gehalten ; sie weicht aber im Texte so auffallend ab, dass ich erst
bei dessen genauer Durchschreibung in den Gerdes' sehen meiner
Ausgabe hinter die Mache kommen konnte. Der Abschreiber über-
trug in grösster Hast (»mit hast«); er las daher in seiner Vor-
lage je einen Absatz durch und warf ihn dann aus dem Sinne,
so gut es gehen wollte, aufs Papier. Es sind daher grosse
Aenderungen, Kürzungen etc. entstanden. Bei der ganz ausser-
gewöhnlichen Genauigkeit des Valentin Gerdes ist daher diese
Version unbrauchbar; aber sie gerade ist nachher für die hoch-
deutschen Bearbeitungen benutzt. Einen gewissen, aber sehr
beschränkten Wert hat sie indessen durch eine kritische Ein-
schiebung, welche den Schreiber als 1543 in Rostock befindlich
ausweist und vielleicht einmal zu dessen sicherer Erkenntnis bei-
tragen kann. Lisch hat diese, für die Chronik der Domfehde
aber nicht erhebliche Kritik abdrucken lassen 3). Auch sie war
mit in einen Teil der hochdeutschen Bearbeitungen eingelaufen
i) Rost. Gymn.-Progr. 1880 (Nr. 546) S. 1—24.
a) Fol. 5a — fol. 28a, d. h. die Abschrift geht bis fol. iia unten; dort
steht der custos von fol. 13b, wo die Erzählung fortgeht. 12a; 12b und 13a
waren also freigelassen, um den von Lisch Jahrb. 8, S. 186 — 188 daraus ab-
gedruckten »Nachtrag« aufzunehmen, den der »Abschreiber« nachtragen wollte.
Er schrieb also erst von I3b-^28a die Fehde zu Ende und trug später seine
Kritik ein, fing damit, querschreibend 13a an, fuhr dann iib und 12a damit
fort; I2b blieb leer.
3) S. Anm. 2; dazu: Krause im citierten Progr. 1880 S. i f., wo irrig
Johann Huber für den Verf. dieser Notiz angesehen ist. (Bei Lisch S. 186
Z. 5 v. u, ist gelopen st. gelogen und S. 187, Z. 19 slachtinge statt fluchting
zu lesen, laut dem Original.)
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— 169 —
und ist in dieser Form, wegen vermeinter Wichtigkeit, von
Ungnad veröffentlicht*).
Zeitgenosse und als Lübecker Syndikus theilweise Augen-
zeuge und mitthätig an den Ereignissen der Domfehde war der ^,
berühmte Dr. Albertus Krantz. Da dieser als früherer
Rostocker Professor auch lokalkundig war, so ist seine Erzählung
in der Wandalia immerhin als Quelle ersten Ranges anzusehen,
wenn auch nicht Alles bei näherer Prüfung sich als stichhaltig
ergiebt. Des weiteren ist seinetwegen auf die Untersuchung
Dr. Langes =) zu verweisen.
Eine kurze chronikalische Notiz über den Tod des
ersten Dompropstes Johannes Rode von i486— 1487,
lateinisch, hat Lisch aus einem Copialbuche der Universität
Rostock von 153 1 abdrucken lassen 3); eine ähnliche Notiz aus
der Greifswalder Univ.-Bibl. brachte Pyl und danach Lisch ^).
Es gab eine verschollene kleine lateinische Reim-j
c hr o ni küber die Domfehde mit dem Anfange »Ördior I
acta ducum«, vermutlich von Dr. Heinrich Boger s); sie ist in
metrischer niederdeutscher Uebersetzungmit 2 andern
hinten in der Prachthandschrift des Ernst v. Kirchberg im Grossh*
Geh. Haus- und Staatsarchiv zu Schwerin enthalten. Lisch
nannte sie wiederholt Marschalckische kleine Chroniken, obwohl
Marschalcus Thurius überhaupt kein Niederdeutsch kannte. Dr.
Ernst Sass hat von dieser Domfehden -Reimchronik eine gute Aus-
1) Ungnaden Amoen. S. 736 f. (Der Name heisst Ungnad; Ungnaden
ist der Dativ.) Im Ms. Meckl. O. 46 der Univ.-Bibl., früher in Beselin'scher
Hand, 1797 im Besitze v. G. G. Detharding, ist dieselbe Notiz der Geschichte
Johann Hubers einverleibt, doch hat Ungnad nicht aus dieser Handschr.
drucken lassen.
2) S. oben S. 63 — 100, besonders S. 64 — 81. Von früheren vgl. man
über ihn Krabbe, U niv. Rostock, und Bertheau in der Allg. Deutschen Biogr.
i7i S. 43 f.; jetzt auch Ludw. Daae, Nogle Bemaerkninger om Historie-
skriveren Alb. Kranz. (Histor. Tidsskrift R. II, B. V, Heft 2, S. 187«".
3) Jahrb. 8, S. 197. Kleine Brömse'sche Notizen das, S. 195 f.
4) Th. Pyl in 38. und 39. Jahresber. der Rügensch.-pomm. Abt. d.
Gesch. f. Pomm. Gesch. S. 30. Lisch, Jahrb. 43, S. 187, 188.
5) Krause, Dr. theol. Heinrich Boger etc. in Meckl. Jahrbb. 47, S. Iii ff.
Er würde das Gedicht dann nach dem Drucke seines «Etherologium«, etwa
1506, verfasst haben. S. das. S. 126. Ein kurzes latein. Gedicht auf
Thomas Rode's Tod steht im Etherolog. fol. 154b.
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gäbe veranstaltet'); dass der Schreiber nicht, wie früher ange-
nommen, Nicolaus Baumann gewesen sei, hat er dabei erwiesen ;
ich habe den Tilemann Heverling für den wahrscheinlichen Be-
arbeiter gehalten*).
Der wegen der Verbrennung des Peter Dene nach Rostock
reichende Sternberger Judenmord gehört dennoch eigentlich nicht
hierher, weshalb ich dessen Litteratur hier übergehe 3).
Die nächsten 60 Jahre bieten eine traurige Oede Aus der
Zeit der Reformation der Stadt und der Betheiligung an der
Grafenfehde, welche anderswo so vielfach zu chronistischen Auf-
zeichungen mannigfachster Art den Anlass boten, besitzt Rostock
gar nichts. Die specielle Geschichte unserer hiesigen Reformation
ruht daher noch voll im Dunkel der Tradition und ist von einer
Mythenwolke umlagert, welche nicht einmal gestattet einen
Originalbrief Luthers im Ratsarchive, mit Sicherheit zu deuten,
und aus welcher ganz vor Kurzem sogar zum ersten Male der
Name des zuerst hier evangelisch Predigenden, Sylvester Tegt-
meier, in Riga auftauchte*). Auch den vorreformatorischen^
hussitisch gefärbten M. Nicolaus Rutze hat Dr. Hofmeister erst
jetzt von dem geglaubten Datum 15 16 in das letzte Viertel des
i) Dr. E. Sassj die Reimchronik über die Rostocker Domhändel. Meckl.
Jahrbb. 45, S. 33—52 und S. 314.
a) Mekl. Jahrb. 47, S. 126 und 133 f.
3) Weil von Lisch a. a. O. nicht angegeben, folge hier aus dem Bouch-
boltzs'chen Ms. fol. 28b die Notiz: Anno 149 1 wordt de walfard thom
Sternbarg ym Meckeleborch ersten angevangen, welker thon hilligen blöde
ward genomet. Dar ock vele Volkes uth vernen landen henlep. Fol. 37 b folgt
dann eine Notiz über das 1383 aufgenommene heilige Blut »to der Wylsnak«»
»Ego non credo, yk loves gar woU, fügt der Schreiber spottend zu, und ferner
»dar den lestlyk de pawest, de hillige vader, grot, grodt, groden afflat hedde
tho geven, de wyle ydt grot gelt brocht yn der prester handt«.
4) H. J. Böthführ, Einige Bemerkungen zu Sylvester Tegtmeiers Tage-
buch in Mitt. a. d. livländischen Geschichte 13 (Riga i88i), S. 61—84,
Vergl. Hist. Jahresber. 1881, III., S. 50 und 60. Fr. Bienemann, Sylv.
Tegetmeiers Tagebuch. Sitzungsb. d. Ges. für Gesch. u. Altert, der Ost-
seeprovinzen Russlands. 1876, S. 20. Böthführ das. 1877, S. 159 ff. und
1882, S. 38. »Noch etwas über die Familie Tegetmeiers«, s. Böthführ Vortrag
vom 12. Jan. 1883 (erst als Scpar.-Abdr.). Nur Gryse (s. u.) nennt M, Syl-
vester N. um 1523 zu St. Jacobi und Ungnad einen Sylvester, aber als 1531
erwählt. Böthführ, Mitt. a. d. livl. Gesch. XIII, 4, S. 479—483,
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— 171 —
15- Jahrhunderts zu bringen vermocht und ihm den richtigen
Namen, statt des bisher umgelaufenen M. Nicolaus Rus, wieder-
gegeben *). Die im voll laudatorischen Stile am Ende des Jahr-
hunderts von dem trefflichen und gelehrten Nicolaus Gryse ver-
fasste Geschichte Joachim Slüters, des Rostocker Refor-
mators *), bedarf einer gründlichen kritischen Revision. Dr. Johannes
Oldendorp, hiesiger Syndicus und eigentlicher Durchsetzer der
Reformations-Einführung, hatte anderes zu thun als chronistische
Aufzeichnungen zu machen^). Der 1546 hier seine hanseatische
Laufbahn beginnende Adam Thraciger*), eigentlich Dratzieher,
dachte an Rostocker Geschichte nicht. So vergessen und ver-
schollen waren schon um 1590 diese Jahre, dass Peter Linde-
berg, doch sicherlich ein sehr gelehrtes Haus für jene Zeiten^
die ganze Reineke-Vos-Frage durch den von ihm zum Verfasser,
nebenbei auch' zum Professor gemachten Nicolaus Baumann
auf den Kopf stellen konnte, was Georg Rollenhagen dann ver-
breitete ; — ein Spuk, der sich bis auf Lisch in der deutschen
Litteraturgeschichte erhielt, ja noch nicht ausgestorben ist.
Fast proteusartig folgt dann für die Jahre 1555 — 1573, öfter
fortgesetzt auch bis 1583, 1589 u. s. w., ein Chroniken Gewirre,
eine Masse leicht veränderter, viel verbreiteter, fast sämmtlich
x) C. M. Wiechmann, Mecklenburgs altniedersächs. Litt., Bd. 3 von
Dr. Ad. Hofmeister, S. 183—187, wo die älteren Quellen. Des Nie. Rutze (Rus)
>dat Bokeken van deme R6pe« hat Dr. K. Nergen herausgeg. im Rost. Gymn.-
Progr. 1886 (Nr. 594).
2) Historia Van der Lere, Levende und D8de, M. Joachimi Slüters
des ersten Evangelischen Predigers tho Rostock etc. Dorch Nicolaum Grysen
etc. Rostock, Steffen Müllmann, 1593, 4. Die Notiz des Titels, welche eine
kirchliche Chronik bis 1593 erwarten lassen sollte, führt irre; es ist nichts
chronikalisch Brauchbares da. Vgl. Wiechmann, M^ckl. ahniedersächs.Xitt. 2,
S. 124 ff.
3) Ueber ihn s. G. Waitz, Lübeck unter Jürgen Wullenwever (an vielen
Stellen). R. Stintzing, Gesch. d. deutschen Rechtswissenschaft. Abt. i. Die
gegen Waitz* Auffassung mehr panegyrische Lebensbeschr. steht S. 310 — 338.
Vcrgl. noch Wiechmann a. a. O. i, S. 126, 128. 161. 1523— 1524 war
Oldendorp in Greifswald. S. Kosegarten, Gesch. der Univ. Greifswald ad. a»
4) Er schrieb bekanntlich später eine Chronik Hamburgs, die Lappen -
berg herausgab.
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— 172 —
überaus fehlerhafter Abschriften und Uebersetzungen von Dar-
stellungen, die alle mehr oder weniger auf einen Kern zurück-
zuführen scheinen, ohne dass dieser doch sich hinlänglich klar
erkennen Hesse, obwohl eine Anzahl derselben sogar Verfasser-
Namen trägt. Es ist die Zeit wilder Unruhen in der Bürger-
schaft wegen der fürstlichen Forderung der Zahlung von 80,000 fl.
als Schuldenabtrags-Quote für Kriegskosten von der Grafenfehde
her; wegen des Strebens nach Herrschaft der Gemeine (6oer)
gegen den Rat; wegen der unbotmässigen Herrschlust der
lutherischen Geistlichkeit, des erbärmlichen Haders in der Uni-
versität zwischen rätlichen und herzoglichen Professoren bis 1563.
Und hinter dem allen steht der Versuch eines jeden der unter
sich hadernden Herzöge, Johann Albrecht und Ulrich, durch
Benutzung der Stadtparteien die Stadt selbst sich zu unterwerfen.
Eine unglaubliche Kurzsichtigkeit und Kleinlichkeit, ein völliges
Loslösen von aller nur irgend grösseren Politik, auffällig bei der
sonst allbekannten »Practicirlichkeit« Johann Albrechts, eine Eigen-
sucht sonder Gleichen, zu der sich sogar ein vornehmes Hoch-
staplertum') gesellt, finden wir fast ausnahmslos bei allen
Mithandelnden, auf allen Seiten; ebenso bei den Chronisten: es
lag im Zuge der Zeit. In Bezug auf ihre Kirchen (die Superin-
tendenten-Ernennung) und auf die Universität, namentlich die
Zahlungen an dieselbe, wurde die Stadt völlig vergewaltigt«).
Der Rat gab nach, weil er irrig glaubte, sich dadurch der
Sechziger erwehren, zu können. Aus demselben Grunde Hess er
den Herzog Johann Albrecht in die Stadt, dem wider dessen
eigentlichen Willen alsbald Herzog Ulrich folgte, in dessen Hand
die Marionetten Drähte zur Leitung der Sechziger ruhten. Der
kurze Traum des Triumphes beim Rate, den die Kirchhoffs
lenkten, schlug arg in den Ruin beider Parteien um. Die
völlige Wehrlosmachung der Stadt, die Erbauung einer Zwing-
1) Der »Eques auratus« Friedrich von Spedt vor allen Dingen.
a) O. Krabbe (»Gesch. der Univ. Rostock« und >pavid Ch ytraeus g^
sieht vom geistlichen und Universitätssiandpunkte di^ Sache natürlich anders
an. Was der fromme, hochgestellte Pommer v. Wedel »Der Pfaffen Heucheln
und Schmeichelei« nannte (S. Hans. Gesch. -Bl. 1884, S. 50.), ziert er mit der
Gloriole.
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— 173 -
bürg ') und nach jahrelangen Wirren die Herstellung eines Schaukel-
systems in der Stadtverwaltung, welches diese den Fürsten gegen-
über widerstandsunfähig machte, war das Ende vom Liede^).
Die Stadt erkannte diese Handhabe nicht einmal und freute sich des
wiedergewonnenen Friedens. Einen sicheren, aber hinterhaltigen
Willen in Bezug auf Rostock scheint nur Ulrich gehabt zu haben.
Zu dem Chroniken-Materiale dieser Zeit gehört für die
Rostocker Verhältnisse auch des David Chytraeus Saxonia,
insofern dessen Nachrichten ebenfalls nicht aus jenem Wirrsal
als original ausgeschieden werden können ; dass ich aber auf sie,
als ein weitergreifendes und bekanntes Quellenwerk, hier nicht
weiter eingehe, wird der Rechtfertigung nicht bedürfen 3). Da-
gegen hebt sich des späteren Superintendenten Lucas Bac-
meister*) lateinisch geschriebene »Historia ecclesiae
Rostochiensis seu narratio de initio et progressu Luthera-
nis mi in urbe Rostoch, die bis zum Universitätsausgleich (der
»Formula Concordiae«) und zur ersten Wahl eines Rectors aus
den fürstlichen Professoren, am 7. Juni 1563, reicht, scharf aus
der Menge ab 5). Seine Nachrichten von der Reformation, die
er nicht erlebte, sind freilich unbedeutend und bis auf einige
i) Dazu wurde das nach L. Bacmeisters Beschreibung schöne Johannis-
kloster an der Steinstrasse z. T. niedergerissen.
2) Meine Darstellung weicht damit freilich weitab von dem Urteile Schirr-
macher's (»Johann Albrecht I. Herzog von Mecklenburg«); ich stütze mein
Urteil aber unmittelbar auf die von ihm selber reichlichst gelieferten That-
sachen und auf die ganz andere Auffassung, welche sich z. B. bei Lucas
Bacmeister nach der Einnahme der Stadt und deren gewaltthätiger Behand-
lung ausspricht.
3) Schirrmacher a. a. O. S. 507 nennt des Chytraeus Bericht »eine sehr
parteiische Darstellung der rostocker Sachec, was doch bedenklich. In Einzel-
heiten ist aber Chytraeus ebenso wenig ängstlich, wie Krantz es war. Vergl.
L. Daae a. a. O. S. 259 f.
4) Vgl. Allg. Deutsche Biogr. i, S. 758. Die Lebensbeschr. (von
Fromm) giebt nur die äusserlichsten Daten.
5) V. Westphalen, Mon. ined. i, S. 1553—1563- Fromm citiert den
Titel irrig. Die bei v. Westphalen 3, S. 781 ff. abgedruckte Ausarbeitung
der »Antiquitates Rostochienses« hat der Grosssohn des Lucas, Sebastian Bac-
meister, besorgt, ein Sohn des jüngeren Lucas, der 1638 als Superintendent
in Güstrow starb. Zu des Sebastian Ms. hat dann noch dessen Sohn
Johannes (der Tübinger Prof. der Medizin) Verbesserungen gefiigt. S. v. West-
phalen 3, S. 140.
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— 174 —
Namensangaben unbrauchbar; aber er war seit 1561 in Rostock,
welches er schon früher kannte, und nahm seit 1562 einen be-
stimmenden Anteil an den Vorgängen und Verhandlungen.
1563 hat er diese »Chronikc abgeschlossen'). Als aber am
14. Oktober 1565 die ersten Warnungen vor dem Anzüge des
Herzogs Johann Albrecht in die Stadt kamen, begann Bacmeister
sich ein lateinisches Tagebuch über die nun beginnenden Wirren
zu machen, welches er bis 1570 fortsetzte, dann 1573 beim Be-
ginn der neuen Berennung Rostocks wieder von Neuem begann.
Schon diese Unterbrechungen beweisen, dass er des Zusammen-
hanges der Dinge sich nicht klar war. Er gab seinem Tage-
buche den Titel: Historica narratio eorum, quae in
obsidione Urbis Rostochiensis et Principe Johanne
Alberto in eam intromisso acciderunt, per D. Lucam
Backmeister»), und Historia obsessae urbis per equites
i) Wie mangelhaft unser Quellenmaterial über die Geschichte dieser
Zeiten trotz der grossen Anstrengungen Schirrmachers a. a. O. noch heute ist,
beweist ein mir als Chronikbruchstück in die Hand gefallenes »Diarium
Rostoch. ao. 1559 (Rost. Rathsarchiv mit Rothstift, als Nr. 3064 bezeichnet),
welches aber ein Manualbruchstück von unbekannten Hansischen Verhand-
lungen mit den Fürsten in Rostocker Sachen ist. Für den heutigen Zweck
genügt die Angabe der vorkommenden Namen: Lübeck, Wismar, Dr. Tussen-
radt (Synd. von Lüneburg), Dr. Jenschow, Bürgermeister Goldenisse, Her
l^awel Wübbeking, »Kerkhoff«, Simon Leopold (vorgeblich wismarscher Ab-
gesandter). Die Handlung betrifft »Moltaccise« ; Doberanschen Hof; städt.
Jurisdiction ; Zahlungsfähigkeit ; die Befugnis von Rostock uud Wismar,
Steuern aufzulegen; die Gefangenhaltung von Parkow und Clawes Grote.
Auch die Zahlung von 400 Pfund flemisch durch einen Lud ecke Wal.
hoff kommt vor. Auf eine freie Seite hat sich mit einer Federübung
Johannes Steinkamp I^ubecensis eingeschrieben, der in Rostock als Secretarius
vorkommt. Vgl. Schirrmacher a. a. O. S. 433, unten. Dieselbe Unkunde
erhellt für uns aus den von Dr. F. Crull in Meckl. Jahrbb. 44, S. 43, ange-
gebenen fremden Gesandten in Rostock im Jahr 1564, von denen
Schirrmacher a, a. O. S. 485 nur 2 kaiserliche (von den anwesenden 4)
nennt; unter den dänischen steht bei Crull (wie in Lindeberg, Chron. Rost.
S. 124 f.) der bremische Domdechant Dr. Joachim Hincke, den Schirrmacher
S. 538 »Hüeke« nennt. Vgl. AUg. D. Biogr. 13, S. 490 v. Hyncke.
Uebrigens war die Gesandtschaft, welche die Chronisten der Rostocker Un-
ruhen wegen hier gegenwärtig sein lassen, thatsächlich wegen des dänisch-
schwedischen Krieges erschienen oder geblieben.
2) So steht in der Rathsabschrift »ex autographo«, obwohl er selbst
sich nachweislich nur Bacmeister schrieb.
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— 175 -
certis in locis qui commeatuni in urbem devehi
prohibuerunt omnesquevias ad urbem obsederant.
Diesen Chroniken ist es eigen ergangen. 1742 waren sie in
einer Abschrift') in den Händen der Herausgeber des »Etwas«;
der so emsig spürende Heinrich Nettelbladt hat sie bis 1745
nicht zu sehen bekommen, sondern giebt den Titel nur nach
dem »Etwas«. Schirrmacher») hat sie vergeblich gesucht.
Aber Nettelbladt hatte sie 1760, genau im heutigen Zustande 3)
und H. R. Schröter*) besass 1826 beide vollständig in Abschrift
»ex Cod. mspto. chartaceo autographo«, und im Rostocker
Rathsarchiv hat sich von der Chronik von 1565 — 70 eine
solche Abschrift »ex avtographo« für die Zeit vom 14. Oktober
1565 bis zum 28. Mai 1566 (Nr. 114)^) die Chronik von 1573
aber vollständig ebenfalls in Abschrift (Nr. 116) erhalten. Das
Wiederfinden auch des Restes der ersteren wäre sehr erwünscht.
Diese Bacmeister' sehen Chroniken, welche übrigens Chytraeus
sicher kannte und auch benutzt zu haben scheint, stimmen viel-
fach mit dem übrigen Material; doch hat der Verfasser dieses
sicherlich nicht gebraucht; wie weit andere ihn, ist noch nicht
festzustellen gewesen. Auch Bacmeister sieht immer nur das
Nächste; aus den zahlreichen Referaten über seine Predigten in
der Zeit der Not lernen wir den Gang der Gedanken in der
Stadt von weniger bekannter Seite. Wir müssen anerkennen,
dass er sich von der Kanzel auch über die Fürsten und nachher
x) »Etwas« 1742 S. 289 f., von Nettelbladt citirt als Collect, rer. lit.
Rost. an. 1742. Dass der Herausg. nur eine Abschrift hatte, ergiebt sich daraus,
dass er (wie Nettelbladt und Schirrmacher) statt der Worte des Titels »in
eam intromisso« (bei Schröter und im Rathsarchiv): »praesente« setzte.
2) Succincta notitia script. S. 106. Ueber ihn s. Allg. Deutsche Biogr.
23, S. 466. — Schirrmacher a. a. O. i, S. 418 Anm.
3) Verzeichn. allerhand etc. z. Gesch. u. Verfassung der Stadt Rostock
gehöriger Schriften etc. S. 6. Er giebt den Inhalt als vom 14. Okt. 1565
bis 1566 und die Historia obsessae urbis. Er besass also die im Rathsarchiv
vorhandenen Exemplare.
4) Beitr. z. Meckl. Gesch.-K. a. a. O. S. VIII..
5) Schön geschrieben und gut erhalten. Die Chronik war äusserst um-
fangreich; der erhaltene Teil umfasst 8 Lagen zu 4 Bogen und noch
2 Bogen, es sind 132 beschriebene Folioseiten. Nettelbladt a. a. O. S. 6 nennt
noch eine geschriebene »Nachricht von der Belagerung der Stadt Rostock 1566c.
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— 176 —
gegen deren Räte') freier Sprache bediente. Dass er genau
Bescheid wissen musste, ist an sich klar, nahm er doch wieder-
holt an den Verhandlungen teil; er giebt aber auch genau an,
wenn er Erkundigungen eingezogen hat oder nur durch Gerede
etwas weiss. So meldet er auch die Erhaltung des von Johann
Albrecht eingezogenen Bürgerbrief-Originales *) richtig, was ausser
ihm aus dem ganzen Chroniken- Wust nur eine kurze, auch sonst
sich von jenem abhebende chronikalische Notiz über das Ein-
reiten des Herzogs von 1565 im Grossh. Archiv zu Schwerin
thut. Diese giebt sich selbst als eine Abschrift aus dem Archive
Revier. Minist, zu Rostock an und kennzeichnet einen der
städtischen Verhältnisse Unkundigen als Verfasser oder Ab-
schreiber. Denn sie nennt die ^Sostige« stets »Bostige«, hält
dieses auch für ein von Johann Albrecht gebrauchtes Schimpf-
wort und verwendet sogar den Singular »ein Bostich«. AuffölHg
ist, dass trotz der Anführung mehrerer Todesfälle Bacmeister der
sonst so oft betonten Pest kaum Erwähnung thut. Sie soll ja
t) Unter den Räten Herzog Ulrichs hat 'Bacmeiser wiederholt einen
Joachim Holste. Schirrmacher nennt ihn ständig, übereinstimmend mit Lisch,
Jahrb. (vergl. Reg.) Joachim Krause, Er scheint demnach in den Urk.
schon verhochdeutscht zu sein, denn sicher ist er ein v. Kruse, deren Stamm
mit denen der Holste, v. Holstein, derselbe war. S. Lisch a. a. O. 29,
S. 263—73.
2) Das Original dieses »Bürgerbriefes«, merkwürdigerweise hochdeutsch,
hat Schirrmacher a. a. O. 2, S. 229 — 34 abdrucken lassen. Dieser ist aber nicht
der alte Bürgerbrief de anno 1428 S. Petri, der ganz anderen Inhalt hat.
Er steht im Ms. der Rost. Univ.-Bibl. K. 1. 159. Varia Rostochiensia (Nr. 35)
und ist natürlich plattdeutsch. Er sei wieder versiegelt 1489 die St. Petri
den Sechzigern und 1535 Mittwoch nach Invoc. den Vierundsechzigern. Junk-
her und die anderen Sechziger hätten die Versiegelung abermals vergeblich
1563 und 1565 vom Rate verlangt und deshalb »Hans Blabhart, der Bürger-
schaft zu Rostock Anwaldthaber« (Johann Blaffert nämlich) zum Kaiser ge-
sandt. Diesen Bürgerbrief habe Johann Albrecht 1565 der Bürgerschaft ge-
nommen und verbrannt. Derselbe steht auch im Ms. Meckl. O. 46 (Nr, 3),
auch O. 60 hinter der Uebersetzung des Lindeberg; abgedruckt bei v. West-
phalen Mon. ined, 4, S. 1044 — 1052 und bei D. Franck 7, S. 234 ff.
Nettelbladt, Verzeichn. allerhand etc. zur Gesch. und Verfassung der Stadt
Rostock gehöriger Schriften etc. S. 6, nennt eine handschriftl. »brevis narratio
historica Tumultuum seditiosorumque motuum occasione litterarum tribunitium (1)
sie dictarum »Bürger-Briefe« praecipue an. 1563 actorum, welche ich nicht
kenne.
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— 177 —
freilich wesentlich schon im Juni gewütet, aber doch bis zum
Spätherbst angedauert und nach Chytraeus über 9000, nach
Gryse und Lindeberg 8000 Menschen weggerafft haben*).
Von 1566 hat sich aus dem bürgerlichen Streite, der sich
bei den kleinen Leuten schliesslich auf den Widerstand gegen
die Accise und die Forderung des 100. Pfennigs, also einer
directen, procentualen Vermögenssteuer gegenüber der vom Rath
begünstigten indirekten Abgabe, längst zugespitzt hatte, ein den
glühenden Hass gegen die Patrizierfarailie Kerkhoff athmendes
Spottgedicht erhalten'*). Femer ist, um in der Buntheit der
Chroniken eine sichere Führung zu behalten, von grosser Wich-
tigkeit ein altes, auch zuweilen als Chronik angesprochenes
chronologisches Repertorium der Rathspro tokolle
von 1558 — 1599, das sich in die Universitäts-Bibliothek (Ms.
Meckl. O. 76 Fol.) verlaufen hat und nach und nach in den
Neuen Wöchentl. Rostock'schen Nachrichten Jahrg. 1838 — 1840
bis zum Jahre 1588 incl. von Karsten zum Abdruck gebracht wurde.
Von den Chroniken dieser Zeit muss eine wohl dem Prof.
und fürstlichen Rat BartholomaeusCling^) zugeschrieben
werden ; sie ist verschollen. Ungnad hat sie, oder eine daraus
abgeleitete, im vorigen Jahrh. noch gehabt; sie ging nach seiner
Angabe (Amoen. S. 1045) von 1555 bis 1589^). Ungnad
i) S. Schirrmacher a. a. O. i, S. 498. DerRector Dr. med. Nennius starb
am 3. Apr. 1566, offenbar nach Bacmeister's Bericht nicht an der Pest. In
den beiden Semestern 1565 wurden 78 und 26 Studenten immatrikuliert, 1566 :
42 und 102, trotz Pest und Unruhe. Michael Boldewan, des Bürgermeisters
Sohn und Haupträdelsführer gegen den Rath, starb an der Pest. Ist es der
M. Boldewan, den Stintzing a. a. O. S. 336 Oldendorps »Schüler M. von
Boldewan, Sohn des Bürgermeisters von Rostock« aennt? Dessen Loci juris
communes hatte Oldendorp 154S in Marburg herausgegeben.
*) Von mir herausgegeben Jahrb. d. V. f. Niederd. Sprachforsch. 1875.
S. 57 — 65. Schirrmacher a. a. O. S. 495 legt die Heu-Wegfuhrung irrig
nach Warnemünde , sie gehört nach Kassebohm, das in der Hand der Kirch-
hoff' s war. Die betr. Stelle gehört noch heute zur Kassebohmer Weide. —
Die älteste Rostocker Verordnung wegen des hundertsten Pfennigs (niederd.)
von 1563 ist abgedruckt bei Wiechmann a. a. O. 2, S. 52 ff.
3) S. AUg. d. Biogr. 4, S. 332.
4) Schirrmacher a. a. O. S. 418 sagt irreführend: »Wettkens Gesch.
der Stadt Rostock, und zwar die von Ungnaden nach dem Ms. des Dr. Bar-
thol. Cling 1754 herausgegebene». Cling f 5. Dec. 1610; Wetlken f 1716.
Hansische Geschichtsblätter. XIV. 12
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- 178 —
bemerkt, dass dieses alte Cling'sche Manuscript mit der Wettken-
schen Geschichte von Rostock (s. u.) für diese Jahre überein-
stimmend sei, und giebt in den Anmerkungen an, wo der Autor
sich selbst nenne oder in der ersten Person rede. Dieser wäre
danach eine Quelle ersten Ranges. Da die angeblich aus sehr
altem Ms. stammende Sprache aber die hochdeutsche des 17.
oder 18. Jahrhunderts ist, da femer dieser Teil der Wettken-
schen Chronik, der doch mit der Cling'schen stimmen soll, also
daraus abgeschrieben wäre, wieder mit der des Thomas Linde-
mann und des Joh. Huber, welche alle hochdeutsch sind, ja mit
der plattdeutschen (Bouchholtz' sehen) Übereinkommen, so muss
das Ms. Ungnad's entweder schon überarbeitet gewesen sein, mit
Beibehalt des »Ich«, und dann wären alle anderen hochdeutschen
Chroniken aus ihm geflossen : oder aber auch Cling hat eine
■ der landläufigen Chroniken jener Jahre benutzt gehabt, um mit
Eintragung seines Anteils an den Ereignissen sie für sich aus-
zuarbeiten. Fast scheint das letztere der Fall. Cling war frei-
lich seit 1554 als Student in Rostock. Ein Räthsel bleibt aber
immer der Zusammenhang mit der plattdeutschen Chronik; und
<ier darin erwähnte Hochzeitstag des Autors (11. Sept. 1559)
kann nicht der Clings sein, wie Lisch anzudeuten scheint^);
denn dieser Koblenzer war sicher des Niedersächsischen nicht
mächtig.
Von nun an folgen die Chroniken, welche zunächst alles
ältere vorhandene oder bekannte Material sammelten, als
»Rostocker Chronik« bezeichneten und dann fortführten. Da-
hin gehört zunächst »Thomae Lindeman's Chronicon
Rostochiense oder Beschreibung der Begebenheiten zu Rostock
von 13 IG bis 1573«'). Die Chronik geht aber bis zum 30. Dec,
') Jahrb. 8, S. 188.
») Mss. Mekl. A. 44, Handschr. des i8. Jahrh. Fol. Nr. 4 des Sammel-
bandes der Univ. Bibl. — Thomas Lindemann der Aeltere, studierte noch 1580
in Rostock, f als Rector der Universität am 14. Mai 1632. S. Allg. deutsche
Biographie 18, S. 679 f. Westphalen3, S. 1380 ff. giebt das Geburtsjahr wechselnd
als 1575 und 1570 an, die zum Schlüsse genannte Lebenszeit, d. h. bei Er-
nennung zum Prof. (1605), ergiebt aber 1570. — Einen Bericht über die
erste Wahl der 100 Männer enthalten: Ms. Kl. 159 (varia Rostochiens. Nr. 6),
Ms. Mekl. O. 46, S. 305, und einen wahrscheinlich gleichen erwähnt v,
Westph. 3, S. 141.
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— 179 —
1583. Diese hochdeutsche Chronik,- die nur in Abschrift des
18. Jahrhunderts vorhanden ist, bringt nun A. i) eine Ueber-
setzung der alten Chronik von 13 10 — 14, dann 2) der chroni-
calischen Auszüge, 3) der Domfehde, 4) auch hochdeutsch, und
gewiss nicht Original: die Data von 1556 — 30 Dec. 1583. Fast
genau entsprechend bis hierher (nur um einen Absatz: 31. Dec.
vermehrt) und genau so abschliessend ist die als » Huber' sehe«
überlieferte Chronik (s. u.), die hier gleich verglichen werde. Beide
sind unfraglich aus einer Quelle abgeschrieben, beide strotzen
von fast unmöglichen Verdrehungen, Verwechselungen, namentlich
auch Namensänderungen abenteuerlichster Art. Beide haben die
obengenannte Kritik der Domfehde-Chronik von 1543 aus der
plattdeutschen Chronik so, als stamme sie von dem Verwandten
ihres Verfassers'), beide die Worte des Schiffers Albrecht Eick-
holt von 1565 über Fürstenbriefe und die Antwort des Dr. Simon
Pauli 2) aus der plattdeutschen Chronik, dazu beide vor dem
4. Dec. 1583 wieder Worte über Fürstenglauben: »Der Teufel
hat seinen Ahitophel und Issabel alle Wege mit bei Hoffe«.
Darauf folgt aber als neuer Zusatz nur bei Lindemann : B. i) »Ver-
trag zwischen Hertzog Johann Albrecht und der Stadt Rostock«,
d. h. die Versicherung des Herzogs vom 27. Oktober 1565 zu
Pölchow^); 2) eine chronistische, abweichende, an Lucas Bac-
meister zuweilen erinnernde, aber nicht mit ihm übereinstimmende,
hochdeutsche, in der Abschrift arg verderbte Darstellung vom
28. Okt. 1565 bis Mich. 1566 (Reichstag zu Speier), eine Notiz
von 1572, dann 1573 vom Januar bis i. September. Diese nicht
unwichtige Darstellung ist die einzige chronikalische'*), welche den-
1) Aus dem kritisierenden alten »Vedder« des Plattdeutschen macht die
Lindemann' sehe wie die Huber* sehe Chronik »von meinem alten Vater, da-
mahls 70 Jahr alt«.
a) Schirrmacher a. a. O. i, S. 520» DassEickholt ein Schiffer war, erhellt
aus Bacmeister, der ihn aber an dieser Stelle ebenso wenig nennt, wie seine
oder Pauli's Worte. Lindemann B. führt die Namen der 3 Universitäts-Unter-
händler (Schirrmacher S. 516) richtig an und lässt diese drei die »gemeine
Bürgerschaft bereden«, »es würde der Hertzog wie ein Vater zu ihnen in die
Stadt kommen«.
3) Schirrmacher hat das Schriftstück nicht abgedruckt, sondfern auf
D. Franck HI, S. 145 (d. h. Buch X, S. 145) verwiesen.
♦) Schirrmacher i, S. 550 Anm. 2.
12*
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— i8o —
Ritter Spedt als »Friedrich Spiesen« erwähnt und 'den Namen
des am lo. December 1565 begnadigten Schneidergesellen als
»Peter Tup« ') enthält.
Der genannten Verwandtschaft oder Gleichheit wegen muss
hier sofort die vielabgeschriebene Chronik des johann Hu ber^
auch Hüber genannt, erwähnt werden. Sie ist durchaus gar
nichts anderes, als was so eben unter »Lindemann A. i — 4«
beschrieben wurde. Wahrscheinlich hat Huber überhaupt nichts
weiter gethan, als diese Chronik mit »den beiden Erb vertragen«^
d. h. den Verträgen von 1573 und 1583, abzuschreiben und
seinen Namen i6i6 oder 1617 eben nur als Abschreiber
daraufzusetzen, während man darin später den Verfasser suchte.
Der Titel lautet: 1 Rostocker Geschichte von Anno 13 10 biss
nun her. Darinnen die Rostocker Fehde von Anfang biss zum
Ende beneben beiden Erb- Verträgen gäntzlich beschrieben von
Johann Hubern, Schul-Schreibem =*) hieselbsten Anno i6i6«3).
i) Schirrmacher i, S. 544 nennt ihn nach dem Verhörsprotokoll »Tuchse« ;
Cling (Ungn. a. a. 0. S. 1077 Anm.) Peter Tutze. — Die Erwähnung des
Mannes bei Lindemann scheint zu beweisen, dass dieser eine plattdeutsche
Quelle hatte; denn »Schneider« scheint aus »Schroter« verändert zu sein.
*) Ueber die Persönlichkeit ist nichts bekannt. Unter dem Personal
der «Grossen Stadtschule« bei Bachmann, Rost. Gymn. Progr. 18^5, erscheint
er nicht. Dagegen enthält Ms. Meckl. O. 68 den Zusatz »Verfasser war
Schreibmeister der Grossen Stadtschule zu Rostock«.
3) Exemplare: Univ. Bibl. Ms. Meckl. O. 46. (Nr. 93 des Sammelbandes,
S. 1047 ff.), O. 64, O. 65, O. 66, O. 67, O. 68 bis 1661 ; ferner im Besitz
der Familie Beselin (Sammdb. 18. Jahrh. Mecklenburgica Rostochiensia
Manuscr. 4., 122 1 beschriebene Seiten, i Menge leerer Blätter, dann Register ;
darin Nr. 91, S. 489 ff. ; ein ähnliches im Rathsarchiv (Schluss von 1583 fehlt) ;
mehrere Exempl. scheinen in Schwerin zu sein, Lisch Jahrb. 8, 185 Anm.
4. In der Landesbibl. zu Rostock; M, 221 (verkürzt, ohne Namen); M.
264 (Nr. 39) daselbst »Johann Albertus etc.« ist eine unbedeutende Notiz von
1/2 Seite V. J, 1565/66. Gedruckt mit allen Fehlem: Ungnaden Amoenit S.
715 — 50.795 — 818, Dasselbe ist auch > Chronica der Stadt Rostock und deren
Urspr. und Erbauung ad 11 60 etc.«, Rathsarchiv (Nr. 56) in 4, und Abschrift
davon in Folio. Sie geht bis 1584, setzt dann 1620 mit Notizen ein, bringt
ausführlich und genau den Tod Hatzfeldt's und läuft bis 1661. Dieses Exempl.
nennt Nettelbl. Succ. not. S. 105. — Auszüge aus dieser Chronik machte
Hermann Wedige (== Wettke; geb. zu Hamburg, in den Rat gekoren
1649, t II. Aug. 1666. Sein Sammelband, der wie es scheint auch Scharf-
fenberg'sche Hausbuchnotizen aus dem 17. Jahrh. enthält, kam in Erbschaft
an Johann Georg Wettke und ist jetzt in der Grossherz. Reg. Bibl. zu
Schwerin. Ich verdanke diese Kunde der Güte des Hrn. Archivar Dr. Sass.
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— i8i —
Das »biss zum Ende« bedeutet in den älteren Formen der Hand-
schrift: bis 1583, gerade wie bei Lindemann A. und Ms. O. 46.
Das »Biss nun her« hat aber dann veranlasst, die Chronik
weiterzuführen, namentlich Accisestreitigkeiten, Abgaben-Zank,
dann die Ermordung des Wallenstein sehen Obersten v. Hatzfeldt
kürzer oder ausführlicher hinzuzusetzen. So kenne ich deren 2,
die bis 1661 fortgesetzt sind.
Diese unter dem Namen Joh. Huber laufenden Stücke sind
dann in 2 schon auf gelehrte Geschichtschreibung Anspruch er-
hebende Werke übergegangen oder darin benutzt: des Joh.
Friedr. Chemnitz (f 1686)') grosses »Chronicon«, das
sich im Grossherzogl. Archiv befindet, und aus dem der
wirkl. G. R. Johann Christian Beselin (f 1705)») die
Rostochiensien wieder auszog und verarbeitete 3) , und Johann
Georg Wettkens Geschichte der Stadt Rostock*). In
») S. Allg. D. Biogr. 4, S. 116. Abschriften des Chron. in der
Rostocker Univ.-Bibl.
a) S. Allg. D. Biogr. 2, S. 298. Art. »Bekelin« am Schlüsse. Es ist
^abei zu bemerken, dass nach Auffindung eines Bekelin' sehen Wappens durch
Dr. CruU- Wismar die Bekelin nicht zur Familie der Beselin (Barzelin),
sondern der Bagel (Baggel) gesören werden.
3) Gedruckt in: Joh. Meno Pötker, Neue Samml. etc. Meckl. Urk. I
(Dantzig. 1744 in 4.), S. i flf. und Ungnad. Amoen. S. i — 5; 75 — 100; 155
bis 185; 235—291; 315—366. Sie gehen bis 1631. Nettelbladt a. a. O.
zitiert diese Auszüge als »Annales Rostoch.«. Augenscheinlich eine ähnliche
Arbeit ist das von Beselin neben Lindeberg wiederholt citierte Chron. Rost.,
ohne Frage dasselbe, welches Westph. 3, S. 141 anführt als Anonymi bist,
-civit. Rostoch. tribus partibus absoluta, und Nettelbladt, Verzeichniss etc. S. 4,
■danach als Gesch. der St Rostock in dreien Teilen. Er selbst sah das
Opus nicht. Bei der Unsicherheit des Ausdrucks bei Westph. ist möglicher
Weise der Sebast. Bacmeister zu verstehen; sonst ist es die von demselben
a. a. O. als ihm unbekannt genannte Arbeit des Bürgermeisters Christoph
Redeker. Dieser, gebürtig aus Osnabrück, wurde zu Rat gewählt und sofort
zum Bürgermeister 1693, f 15. Jan. 1704. Gleichzeitig war in Rostock Dr.
Heinrich Rudolf Redeker als fürstl. Prof. jur.
4) Ein handschr. Exemplar, anscheinend das Original, befindet sich
im Beselin'schen Besitz (in 4., auf weissem Schild die Ziffer 124; eingeklebter
(Auctions-)Zettel mit Nr. 3562. Gedruckt; Ungn. Amoen. S. 955 — 1002;
1035— 1082; 1115 — 1162 (bis 1586); 1195 — 1242; 1275 — 1299 bis zum grossen
Brande von 1277; S. 1300 — 1330 Anhänge. Ein Theil der Anmerkungen
ist von Ungnad. Danach erschien »Die Geschichte Rostocks« auch als
Separat- Abdruck in 4. 1754. — Johann Georg Wettken, auch We'^' ""
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l82 —
letztere sind die wüstesten Huber'schen Missverständnisse mit
aufgenommen ')•
Die wichtigste und rätselhafteste Chronik dieser Gruppe ist
diejenige, welche Lisch als Bouchholtz'sche Handschrift
bezeichnet, beschrieben und, wie schon nachgewiesen, irrig für
das Original der Cling'schen Tagebücher gehalten hat. Lisch
hat das in plattdeutscher Sprache gehaltene Manuscript, zweifel-
los ein Original, in den Jahrb. 8, S. i86 — 189 richtig beschrieben-
Wahrscheinlich ist das Stück 13 10 — 13 14 (1329) vom abge-
rissen; auf die »Annalistischen Notizen« folgt die 1583 »mit Hast«
in der oben charakterisierten Weise abgeschriebene und durch
die originale Kritik von 1543 vermehrte Geschichte der Dom-
fehde (s. o.); dann die Notiz über das H. Blut von Stemberg
(s. o.); Bl. 29 — 36 sind leer geblieben; Bl. 37b steht die Notiz,
von 1383 (s. o.) über Wilsnack; dann folgen, etwas anders als
Lisch angiebt, Blatt 38 — 48a mit einzelnen, bald früher, bald
später — aber nie gleichzeitig — eingetragenen Chronikalien"),.
Wedke, "Wettig, Wettge, Wittke, Wetcke geschrieben, stammte nach Ms^
Meckl. O. 46 aus Hamburg, wenn das nicht eine Verwechselung mit seinem
älteren, dort geborenen Vorfahren Hermann W. (s. oben) ist. Er wurde zu
Rat gekoren 1703, f 1716. Seine Collectanea nennt schon Nettelbladt,
Succincta not. S. 106.
1) Die tollste Verdrehung ist wohl ad a. 13 14, wo aus den Worten
>mit stüringe«, = mit Lärm, gemacht ist »ihren Capitain Sürling«, Ungn-
S. 976.
*) Lisch hat Bl. 38a a. a, O. 8, S, 192 — 195, aber nicht in der rich-
tigen Blattfolge, abgedruckt. Die Folge ist so: Bl. 38a: 1529 (Belagerung,
von Wien), Bl, 38b: 1536 (Wiedertäufer-Hinrichtung in Münster). Bl, 39a:
1529 (englischer Schweiss und Belagerung von Wien); 1535 (Einnahme von.
Münster. Uebergabe Kopenhagens durch Herzog Albrecht); 1537 (Chri-
stians III. Krönung in Dänemark. »Und den 20. December wordt gebaren
Johan der ytzige Koninck yn Sweden«. Also nicht vor' 1568 geschrieben I);.
1543 (Abbrennen des Petriturmes durch den Blitz); 1546 (Luthers Tod);
1549 (grosse Pestilenz); 1550 (Belagerung von Braunschweig und Magde-
burg); Bl. 39b: 1551 (Sturm); 1552 (Herzog Heinrich von Meckelnburg f,
Frankfurt belagert ; Herzog Georg erschossen ; Sturm ; Austreibung der Mönche
aus Marienee und Doberan ; 1559 (Abbruch von Marienee). Bl. 40a: 1555
(Heirat Herzog Johann Albrechts); 1558 (Karl V. f). 45b: 1559 (Lic, jur,.
Grypeswoldt erschossen). 46a: 1556 (mit Randbemerkung 1554. Forderung
der Schuldentilgung seitens der Herzoge. Mit Zusatz 1561 : Bürgermeister
Briimmer f). 46b: 1559 (Gotthart Ketteier Coadjutor in Livland. Seine
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- i83 -
in keiner Weise »als wenn diese Nachrichten später aus der Er-
innerung oder bei einem unstäten Leben niedergeschrieben
wären«, sondern einfach als annectierte Lesefrüchte, mit solcher
Papierverschwendung, dass die Absicht erhellt, Raum zum
späteren Nachtragen zu behalten, was einzeln auch geschehen
ist. Wichtig ist die Notiz: »1546 starff Martinus Lutter in godt.
de tydinge brachten de prior und schafFer von Marien -E ersten
in Rostock yn mynes veddern Huss« ; dann 1569: »In dissem
yar quam yck tho wanen den XI. September«, d. h., nach
Rostocker Ausdruck, verheiratete ich mich. — Erst von Blatt
48a an folgen chronologisch richtig die Aufzeichnungen; die
kleinliche Heugeschichte des Spottliedes scheint den Anstoss
zu regelmässigeren Aufzeichnungen von 1563 an gegeben zu
haben, d. h. nicht gleichzeitig, sondern, wie aus manchen ein-
gesprengten Ausdrücken sich ergiebt, nachträglich '). Bl. 48b ist
nämlich eine Bemerkung über den „muskowitischen" Krieg, wie
schon Wiechmann bemerkte, fast wörtlich aus Russow's in Rostock
1578 erschienener »Chronica der Provintz LyfFlandt« (91b ff.)')
entnommen, also frühestens 1578 eingetragen. Ebenso kann
fol. 48b die Nachricht über Herzog Christophs Befreiung aus
der polnischen Gefangenschaft nicht vor 1569 geschrieben sein.
Fol. 6sa ist eine Todesnotiz von 1585 zugefügt. Eine zusammen-
hängende nachträgliche Abfassung bekundet auch die Erschei-
Hochzeit am 11. Sept. Christian II (sie; statt III) f am i. Jan. Unter-
werfung der Dithmarschen). 47a : schwedisch-dänischer Krieg, Der angezogene
Absagebrief ist nicht abgeschrieben. 1560 (Wilhelm Fürstenberg auf Vellin-
von den Russen gefangen. Gustav von Schweden f , Philipp von Pommern f ,
Philipp Melanchthon f). 47b: 1561 (Gotthardt Ketteier Herzog. Pastor
Andreas Martini f); 1562 Qohann von Finlandt heiratet Katerina von
Polen). 48a: 1560 (Berathung über Zahlung der 80,000 fl., loostr Pfennig.
Die Heuwiese! Ein Bürger erhängt).
x) Das bestätigt auch das Papier, wefches im ganzen Buche (auch im
Anhängsel mit der Kritik zur Domfehde) dasselbe ist. Nur i Bogen (Fol.
38 — 41), der ausser den Lagen einzeln, aber gleich beim ersten Binden, ein-
gebunden ist, trägt ein anderes Wasserzeichen: ein verschlungenes gekröntes
UE. Herzog Ulrich verheiratete sich mit Elisabeth am i. Febr. 1556, sie
starb 1586.
2) Wiechmann, Mecklenburgs altnieders. Lit. 2. S. 86 — 88. Die
Chronik druckte Augustin Ferber.
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— i84 —
nung, dass fol. 68b beim Jahre 1570 deutlich auf fol. 48b zu-
rück- und auf fol. 69a im Voraus hingewiesen wird. Dieser
ganze Teil der Chronik, der mit der Wahl der 100 Männer
1583 auf fol. 84b abschliesst, macht den unabweislichen Ein-
druck, als sei 1583 zunächst der ältere Teil bis zum Schluss
der Domfehde abgeschrieben, dann erst nachträglich alles Andere,
allerdings nicht später als 1585, teils stossweise und einzeln,
teils schon nach vorhandenen chronikalischen Vorlagen, auch
nach Büchern aufgezeichnet. So ist eine Menge fremdes Material
neben kleinlichst Lokalem mit aufgenommen; jedenfalls ist von
Letzterem Alles bis 1573 nicht original abgefasst. Der Verfasser
dieses Teils der Chronik war nicht im Rate, nicht unter den
Sechzigern, auch kein Professor, Geistlicher oder nur Gelehrter,
er gehört nicht zu den Grossen der Stadt; aber er scheint mit
einigen in Verwandtschaft zu stehen, und zwar Häusern, die
den Volksstrebungen nicht abgewandt waren. Er ist ursprüng-
lich den Sechzigern geneigt gewesen, hat sich von ihnen in
ihrer Gewaltherrschaft abgekehrt; beiden Fürsten steht er miss-
trauisch gegenüber, am meisten Herzog Ulrich. Er ist kirchlich
gesinnt, aber kein Nachtreter der Pastoren. 1543 war er schon
in Rostock; sein alter der Gemeinde nahestehender Vetter stand
in Beziehung zum Prior der Karthause zu Marienehe, Marquard
Behr^). Die erste Kunde von Luthers Tode brachte dieser dort-
hin. Das lässt den Vetter anscheinend als den Bürgermeister
Berendt Krohn erscheinen, dessen Tod auch später auffallend
hervorgehoben wird. Ist es nicht dieser, so gehört er zu dem
ihm verwandten Hause der Luscow oder Lüschow. Der letzte
Krohn, Jochim, und ein Luscow waren unter den ersten Sechzigern.
1559 hatte der Schreiber sich verheiratet; er hat den Rats-
und Universitäts-Buchdrucker Lucius gekannt, dessen Abzug nach
Helmstädt er meldet ; er hat gute Freunde unter den Buchführern,
erhält allerlei Nachrichten aus fernem Auslande, welche viel-
i) -j- 1553 um Michaelis. Ueber ihn und seine Rostocker Freundschaft
s. Lisch, Jahrb.27, S. I — 84, namentlich S. 34. Eine Masse der Krohn'-,
Luscow-' und Cling' sehen Personalien verwahrt die Univ.-Bibl. unter dem
Namen der Agneta Krohn, geb. Smedes.
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- i85 -
leicht fiir die Zeitungen des Chyträus*) kamen, er copiert aus
der livländischeu Chronik des Russow. So muss man ihn nach
seinem ganzen Wesen für einen des Latein mächtigen, den ge-
lehrten Kreisen recht nahestehenden Geschäftsmann halten : Buch
-drucker, Buchhändler oder Buchbinder, dem jene Sachen neu
und nur hastig zu Gesicht kamen.
Mit 1583 auf Bl. 84b hört diese Aufzeichnung auf. Es ent-
spricht gewissermassen dem Charakter des Buches, dass nach-
Leerbleiben von Bl. 85 und 86a eine neue Lesefrucht, eine geogr.
Uebersicht von Holstein, auf 86b und 87a eingeschrieben ist,
•dann von 87b bis 103 alles wieder frei bleibt, 104a aber »A.
1584« (weiter nichts) eingeschrieben wurde, als solle nun wieder
angefangen werden, nachzutragen. 104b steht dann:
»Anno 1603, 14. Martii starb der Hochloblich vnnser
^ediger Landesfurst Hertzoch Ulerich zu Güstrow, wurdt den
14. Aprilis begraben, den Gott eine fröhliche Auferstehung ver-
leihe«.
Dieses scheint schon die folgende Hand eingetragen zu haben,
die aber voll erst Bl. 105a mit dem 14. September 1602 einsetzt
und chronikalische, meist aber personelle Nachrichten bis 30. Okt
1607 einschreibt. 1603 ist der Tod Ulrichs in- der Reihe wieder-
holt; von da an ist gleichzeitig geschrieben. Dieser neue hoch-
deutsch schreibende Besitzer nennt den Buchführer Jochim Sege-
badt: »mein lieber gefatter unndt gutter freund«, den Stadt-
physicus Dr. med. Henricus Warenius^): »mein sehr gutter
freundt und • föderer« ; Bildschnitzer Michel Meyer: »mein lieber
Schwager«; Heinrich Syryx: »meiner frauen Styffvatter, ein Buch-
binder«. Diese alle starben 1604 an der Pest. 1605 starb »der
x) S. darüber Rieh. Hausmann, Stud. zur Gesch. d. Königs Stephan
von Polen. Dorpat. Laakmann 102 S. in 8. 1880. Vergl. Hist. Jahres-
berichte 4, III, S. 61. Ein Hauptzusender war der bis 1579 in Rostock
studirende spätere Prediger in Kowno, Paul Oderborn. — Der Drucker
Augustin Ferber wurde vom Rate am 24. December 1575 gefänglich ein-
gezogen »weil er ein Lied vom Könige in Polen unter der Stadt Colberg
Namen gedruckt«. N. Wöchentl, Rostock'sche Nachr. u. Anz. 1839, S. 39.
a) Als Stadtphysicus und Dr. med. bisher unbekannt; fehlt bei Blanck,
Meckl. Aerzte; als Prof. der Math, und Inspektor der Burse zum Adler bei
Krey, Andenken VIII, S. 10.
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— t86 —
Ehrveste unndt hochgelahrte Dr. Bartoldus Kichler mein gefather«^
Es ist also dieselbe Art der Bekanntschaft wie beim erstea
Schreiber. Der zweite aber fährt nach einigen leeren Seiten
Bl. HO fort:
»Anno 1613 den 18. Juny ist mir mein gekaufft Hauss
oder Buden in der Rostocker Heide*) in das Stadtbuch ge-
schrieben worden«.
Verfasser baut dort die Bude neu und hat von iioa bis
114a genau die Kosten dieses Baues gebucht. Von 115 — ii7l>
folgen anscheinend von derselben Hand wieder Nachrichten von
1628 — 1631: Die Ueberrumpelung durch Wallenstain 1628, der
Rückzug des kaiserlichen Obersten v. Hatzfeldt aus Pommern
vor Gustav Adolf nach Rostock 1630, die Ermordung des
Obersten 1631 durch den Lic. jur. Varmeyer und die folgenden
Schrecken. Die Anmassungen der Soldaten führen den gequälten
Bürger zu dem herzlichen Wunsche: »Gott vergelde ihnen wider^
wie sie es verdienen, mit einer vollen gerutelten aufFgeheuften
Mass. Amen« .
Dieser Chronist hat sich durch die Angabe seines Haus-
kaufes glücklich nachweissen lassen. Herr Senator Brummer
hatte die Güte das Stadtbuch daraufhin nachzusehen, wo sich
ergab :
»Neustädter Hausbuch. Den 18. Juny 16 13. Bartholomeus
Kohne hatt seine Bude in der Rostocker Heide, zwischen seiner
orttbude und den Dobberanschen Hoff belegen, Michael Schei-
teren! vor acht hundert Mk. sundisch vorkaufft. Er hat ihme
dieselbe überlassen, abgetretten und erb und eigenthümblich zu-
schreiben lassen. Gelobet warschafft und sol sein und bleiben
zu Bürgerrechte«. (Die Bude war dem Kohne zugeschrieben am
13. Sept. 161 1 und ist weiter aufgelassen 17. Oct. 1657.)
Wir haben diesen Teil der Chronik also als Scheiterer' sehen
zu benennen. Michael Scheiterer war nach Dr. A. Hof-
meister's Bericht über die Verschleuderung alter Papiere, Perga-
^) Rostocker Strasse, Verlängerung der Garbräterstr. nach der jetzigen
Blücherstr., also alter Zugang zum Fraterkloster und später zum Bauhof, jetzt
zum Gymn. und Gerichtshause vom Neuen Markte her. Name vielleicht von
einem alten Wirtshause.
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- i87 -
mente und Bücherbeschläge Buchbinder'). M. Paulus Petrejus,
1592 Diaconus und 1609 Archidiaconus an der Marienkirche,
auch a. o. Professor der Theologie, der von 1597 — 1605 die
Marienbibliothek verwaltete, verkaufte nach einander Pergamente
in Massen zuerst an den Buchbinder Christian Kohl, dann an
dessen Witwe, dann an Michel Scheiterer. Wäre anzunehmen,
dass der Handel in einem Geschäfte blieb, so wäre Christian
Kohl der Verfasser der Chronik bis 1583. Sein Geschäft müsste
die Witwe behalten, diese dann den Buchbinder Syryx wieder
geheiratet haben. Scheiterer hätte dann Kohl's Tochter, des
Syryx Stieftochter, gefreit. Beweisen lässt sich das zunächst
nicht weiter; die Zeiten aber stimmen.
Eine hochdeutsche Bearbeitung dieser ganzen (Kohl-
Scheiterer' sehen Chronik Hess Prof. Victor Aim^ Huber 1835 ab-
drucken ") ; eine ähnliche ist nach Lisch in Schwerin. Ein »Tage-
buch über Rostocker Ereignisse von 1600 — 1625«, abgedruckt
18413), ist das Scheiterer'sche Tagebuch von 1600 — 1607, mit
einer notdürftigen Fortsetzung bis 1625. Einen Auszug
druckte Raabe, Mecklenburg II (1845), S. 175 — 205.
Es bleibt noch übrig, das früher weit über seinen Wert ge-
priesene, auch jetzt noch über Gebühr geschätzte Werk des
Petrus Lindeberg kurz zu besprechen. Es ist unter dem
Titel »Petri Lindebergi P. L. Civis Rostochiensis Chronicon
Rostochiense Posthumum Quinqe libris absolutum«, nach des
Verfassers Tode, am 16. Juli 1596, von M. Nicolaus Petraeus
noch 1596 in recht lüderlichem Druck herausgegeben^). Linde-
Petzholdt's Neuer Anz. f. Bibl. und Biblioth. 1879, S. 278—281.
a) In: Meckl. Blätter, I (einziger B.), Parchim. 1834. Nr. 18, S. 265 ff.
V. A. Huber meint, schon Wettken habe diese Chronik benutzt; wohl irrig.
3) N. Wöch. Rostock' sehe Nachrichten u. Anzeigen. 1841. Nr. 66 ff.
4) Rostochii Imprim. typis Stephani Myliandri (MüUmann). in 4. 174
S., angehängt Exsequiae Petri Lindebergi etc. 16 unpaginierte Seiten. Vergl.
Nettelbladt a. a. O. S. 107. Gewissermaassen ein Abfall beim Verfassen ist
die 1594 in Rostock erschienene, dann in Georg Braunius, Civitates orbis
terrarum (V, n. 47) aufgenommene : Petri Lindenbergii Topographica Rostochii
etc. descriptio. Fol. mit dem bekannten grossen Kupferstich. S. Nettelbl. a.
a. O. und Etwas 1737 S. 22. Peträus war später Superintendent in Ratze-
burg.
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— i88 —
bergs Biographie habe ich in der AUg. Deutschen Biographie')
hinlänglich besprochen, wo auch seine litterarischen Arbeiten an-
gegeben sind. Als Freund oder Hofgelehrter des »prorex Cim-
briae«, Heinrich Rantzau, hatte er Ruf erlangt; er schrieb voll-
ständig in dem uns widerlichen lobrednerischen Geschmacke der
Zeit; so konnte es nicht ausbleiben, dass die erste gedruckte
Chronik Rostocks von einem so gefeierten Manne den grössten
Ruf erlangte. Sie wurde deshalb alsbald auch übersetzt und in
dieser hochdeutschen Form mannigfach abgeschrieben"). Von
Rostocker Geschichte handelt eigentlich nur Buch 2, Kap. VI — IX,
(XII— XIV über die Vitalienbrüder), XV— XVI; Buch 3, Kap.
I— XIII; XV und XVII (Nicol. Rus); Buch 4, Kap. I (Refor-
mation) 3) bis zum Schlüsse, der mit 1584 gemacht ist. Das
12. Kapitel redet von der Pest des »französischen Seh weisses«
oder »spanischen Pips« 1576, der dann bis 1580 alle Länder
durchzogen habe. Lindeberg giebt seine Diagnose (S. 135):
»catarrho praecipiti in pectus dilabente, cum febricula conjuncto« ;
nach der altbekannten Geflügelkrankheit des »Pips« wäre an
eine Diphtherie zu denken. In Rostock seien daran ca. 100
Personen gestorben.' Das 5. Buch berichtet »de hodiemo urbis
statu, ejusque praecipuis partibus« und enthält nur einzelne
wenige brauchbare Notizen.
Da wir uns hier nur mit der Rostocker Geschichte beschäf-
tigen, so kommt es uns auch nur auf Lindebergs Quellen für
diese an; Tetzner hat den gesammten Text, wenn auch nicht
auf alle, doch die meisten fleissig untersucht. Seine Resultate
können wir fast sämmtlich anerkennen. Wesentlich ist Linde-
berg ein Abschreiber, einzeln ein üebersetzer gewesen, der mosaik-
i) AUg. D. Biogr. 18, S. 672 f. Vergl. noch Melchior Adam, Vit. Philol.
ed. 3 p. 194. Die Biographie Robert Tetzner s in »Peter Lindeberg und seine
Rostocker Chronik« ist dagegen mit grosser Vorsicht zu gebrauchen; macht
er doch sogar den lutherischen Superintendenten Draconites von 1557 zum
Führer der Katholiken in Rostock und ist seltsam gering orientiert (S. 22;
über die Topographica descriptio. S. Hist. Jahresber. 1878 S. 488.
2) Auf der Univ. Bibl. sind 3 solche Exemplare, 2 in Fol. Ms. Meckl. O
58 und O. 59; I in 4. O. 60. Landesbibl. in Rostock: M. 221 B. 18. Jahrb.
3) Wie er die Einführung der Reformation in Lübeck, Hamburg, Stral-
sund, Wismar und Lüneburg behandelt, vergl. Lindeberg S. 113, Rand-
bemerkung.
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— i89 —
artig zusammenzustellen verstand. Wenn seine Chronik verloren
ginge, so hätte die Geschichte Rostocks nichts verloren. Vor
allem hat er Krantz, dann David Chytraeus, Trazigers Hamb.
Chronik, das Chron. Slav. parr. Susel. und den Nicolaus Gryse aus-
geschrieben, auch den Hermannus Bonnus und 3 laudatorische
Reden des Nathan Chytraeus, des Lucas Bacmeister und des
altern Jo. Posselius') benutzt. Einzeln nennt er Handschriften
als Quellen. Es geschieht für die Zeit von 1310— 1314 und
1323; augenscheinlich ist es die von Schröter herausgegebene
Chronik in irgend einer Form*). In Buch II Kap. 15 (S. 70)
citiert er einen Liber manuscriptus H. R. (d. h. Hinrici Rungii)
gelegentlich des Verbrennens einer frommen Frau als Ketzerin
1404, welcher unbekannt ist. Dagegen ist der Codex manuscr.
zum Jahre 1430 (S. 82) wieder deutlich der schlecht ausgenutzte
s. g. 2. Teil der Rostocker Chronik, d. h. die Annalistischen
Notizen. Für Rostocks traurige Vorkommnisse aus der Pest
von 1463 wird S. 86 auf einen »magnae dignationis viri codex
manuscriptus« verwiesen, wohl unfraglich den des Hinricus Runge
und eben dasselbe Manuscript wird es sein, welches (S. 88 f.)
die Geschichte mit den fürstlichen Vögten Thun, Frese und
Oldeschwager 1483 enthalten hatte. Dagegen ist für die Dom-
fehde (S. 95 ff.) augenscheinlich wieder die Rostocker Chronik
benutzt 3). Die Geschichte von Nicolaus Rus (Buch III,
Kap. 17) hat Lindeberg aber direct aus Flacius Illyricus (viel-
leicht unter Beihalt des Gryse) entnommen. Nur die Geschichte
des busspiedigenden Studenten von 1516 geht wieder auf ein
nicht bekanntes Manuscript zurück. Auch die Wirren von 1564
(w^o Lindeberg 2 Jahre alt war) und der folgenden Jahre sind in
keiner Weise Original ; er behandelt sie höchst obenhin, indem er
erklärt (S. 128), des Chyträus (seiner Hauptquelle) und anderer
Fleiss habe ihm alles vorweggenommen. Er kannte also. die
Aufzeichnungen, gewiss auch Bacmeisters; aber er hat sie etwas
i) Nathan Chytraeus, Oratio panegyrica ad principes Megapol. Rostock
1574. Jac. Lucius. — Luc. Bacmeister, Orat. funebr. in D. Simon Pauli,
Rost. 1591. — Jo. Posselius, Oratio de inclyta urbe Rostochio. Wittenb. Laur.
Schuenck. 1560 in 4.
3) Tetzner a. a. O. S. 48 f.
3) Tetzner a. a. O. S. 58 f.
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— 190 —
nach der Partei seines Geschlechtes, der kirchhoffischen'), gefärbt.
Ausserdem benutzte er die Universitätsmatrikel und einige auch
sonst bekannte Urkunden. So scheint allerdings das Runge'sche
Manuscript verloren zu sein; aber alle daraus geflossenen Nach-
richten sind auch andersher bekannt. Was Lindeberg selbst
zuthat, ist entweder völlig gleichgültig, wie der Haus-Sreit am
Markte 1560 (S. 123), oder vöUig verkehrt, wie seine Nachricht
von Nicolaus Baumann").' Den Denkstein auf Thomas Rhode nennt
er ; die Inschrift vom Bilde des Seesieges auf dem Eise vor Stock-
holm, schon zu seiner Zeit fast erloschen und jetzt längst ent-
fernt, das einzige Interessante, was er hätte aufbewahren können,
hat er nicht abgeschrieben, »weil sie deutsch war« 1
Noch unbedeutender als dieses »Chronicon Rostochiense«
ist natürlich der daraus 1677 gemachte deutsche Auszug
des Notars Heino Meyer junior 3), der dem Titel nach etwas
vermehrt ist, in der That aber nur einige Anmerkungen und
auf 2^/2 Seiten 4 Notizen von 1623, 1625, 1620 und 1621 zu-
setzt, als wären die Wallensteiner nie in Rostock gewesen I
Eine Fortsetzung erfuhr die deutsche Uebersetzung Linde-
bergs durch Matthias Hans von Behr^).
Das noch von Nettelbladt, Succ. not 106, als zweifelhaft an-
geführte Chronicon Rostochiense Friderici Lindenbrogii, das i6n
zu Lübeck erschienen sein sollte, hat schon v. Westphalen 3,
S. 141 als auf einem Versehen Theodor Krause's beruhend nach-
x) Daher hat er auch die Eigennamen der Hauptbetheiligten in den
Bürgerkriegen nur mit den Anfangsbuchstaben angedeutet: H. R. = Hein-
rich Runge, Joannes R. = Hans Runge, Bernhardus W. = Wartberg, B. K.
= Bartold Kirchhoff, A. H. ^ Arnold Hasselbach. — Der Inhaber des
Manuscriptes, Heinrich Runge, ein Gönner des Lindeberg, war 1580 zu Rate
gekoren, f 1599.
a) S. Wiechmann-Hofmeister a. a. O. 3, S. 193.
3) Aus Petri Lindenbergii Rostocker Chroniken Kurtzer etc. Ausszug.
etc. so auff eigne Kosten zum Druck befodert hat H. M. J. Rostock. Jacob
Riechel. 1677. 112 S. und 2 Bl. Register, in kl. 8. Tetzner a. a. O. S. 28.
4) Nettelbladt Succ. not. S. 106. Das Original des M. H. (Matthias
Hans) V. Behr ist auf der Landesbibl. M. 213; die Forts, betrifft wesentlich
nur d. J. 1715 — 1718. Daselbst: M. 212 M, J. Qohann) v. Behr etc. Abschr.
bis 171 5.
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— IQI —
gewiesen, von dem die Herausgeber der »Bibl. Mecklenb.« den
Irrthum übernommen hätten^).
In späteren Zeiten sind in Rostock manche personelle Auf-
zeichnungen gemacht, namentlich über Rats- und Prediger-
Wahlen. Von Wichtigkeit für die Specialgeschichte sind mir drei
bekannt geworden:
Des Rathsherm Matthias Priestaffs Tagebuch von
1667 — 1691, anscheinend im Original verloren; den Auszug*)
hat Herr Archivar Dr. Koppmann im Ratsarchiv wieder auf-
gefunden.
Ein Tagebuch von 173 i — i 771^), im Ratsarchiv, als
dessen Verfasser Herr Archivar Dr. Koppmann aus den heü.
Geist-Rechnungen von 1 7 16 — 47 den Johann jakob Westphal
ermittelt hat.
Diarium Rostochiense historicum, von 1743 bis
24. Mai 1773 (4to), im Rathsarchiv. Der Verfasser wurde 1752
Secretär der Kaufmanns-Compagnie und nennt den Gastgeber in
der »Hamburger Herberge« in der Steinstrasse, Hans Christoph
Schwabe, seinen Schwager. Sein eigner Name ist bisher nicht
bekannt. Dieses wichtige Tagebuch enthält die Leiden Rostocks
im siebenjährigen Kriege sorglich aufgezeichnet.
Den Abschluss immer noch wiederkehrender Irrungen
zwischen Stadt und Regierung, zugleich noch die Grundlage der
heutigen so mannigfach veränderten Verhältnisse, bildet der Landes-
x) Tetzner a. a. O. S. 24. kannte Westphalens Angabe nicht. Nettelbl.
Verzeichniss allerhand etc. zur Gesch. und Verfass. Rostocks gehöriger Schriften
etc. hat daher den Lindenbrog schon ausgelassen. Theodor Krause aus
Schweidnitz, stud. 1710 in Wittenberg, 1732 Advoc. zu Schweidnitz, ver-
fasste biographische Werke. Vergl. Rotermund, Forts, von Jöcher, B. 3.
*) Abgedruckt in Neuen Rostock' sehen Nachrichten u. Anzeigen 1840.
Matthias Priestaff aus Ribnitz war in den Rat gekoren 1674; schon vor 1667
machte er Notizen in seinem Hausbuch; f 4. Aug. 1691. S. Nettelbl. Ver-
zeichniss etc. S. 5.
3) Todesfälle; Wahlen; Königsschuss etc.; Kälte, Sturm, auch einzelne
historische Notizen, in 4; 1733 kaufte der Verfasser sich ein Haus für
1525 Thlr.
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— 192 —
grundgesetzliche Erb vergleich (LGGEV) von 1755 ^^^ ^^^
Rostocker Erbvertrag vom 13. März 1788*).
i) Wegen Ausfalles der Worte: »von 1755 und dem Rostocker Erb-
vertrag« in der Revision in Hans. Gesch. Bl. 1884, S. 49 Anm. i am Ende^
hier richtig gestellt — Zu der provincia stagnalis und der Bezeichnung stagnum
(Blato, Balaton) für die Ostsee das. S. 42 Anm. 8 sei als Beleg noch der
Name »civitates stagnales« für die »Wendischen Städte« hinzugefügt: Chron»
Slav. ed. Laspeyres, S. 168, 169, und aus dem städtischen Archiv zu Reval
bei Dr. Theod. Schiemann, Hist. Darstellungen etc. S. 246: »jus nautarum
per civitates stagnales, confirmatum Lübeck 1482 (22. Apr.)«.
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VI.
KLEINERE MITTHEILÜNGEN.
Hansische Geschichtsblätter. XIV.
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I.
ZWEI BEITRÄGE ZUR LÜBSCHEN HISTORIOGRAPHIE
VON
PAUL HASSE.
I. Detmar.
Detmar, der Franciskanerlesemeister zu Lübeck und, wie man
allgemein annimmt, Chronist des dortigen Rathes, nennt sich bekannt-
lich in seiner Chronik nicht und ist nur aus Excerpten Lübscher
Testamente, die uns v. Melle in seiner 1707 veröffentlichten
Nolitia majorum erhalten hat, bekannt (s. Koppniann in Chroniken
der deutschen Städte, Lübeck Bd. I, S. 191). Es wird daher
die Mittheilung einer un gedruckten Urkunde, in welcher Detmar
als einer der Aussteller genannt ist, willkommen sein. Ich
habe sie im Herbst 1885 in Oldenburg aus Leverkus' dem
Original entnommener Copie abgeschrieben. Zur Erläuterung ist
auf U. B. d. St. Lübeck 4, Nr. 239 zu verweisen. Der Minoriten-
gardian Johann von Werben findet sich ebendort Nr. 360, Ich
gebe den Text den Traditionen dieser Zeitschrift gemäss.
Der Minoritengardian Johann von Werbe, der Lese-
meister Detmar und der Convent der Minoriten zu Lübeck
überlassen dem Vicar an St. Petri daselbst, Gottschalk
Boistorp, eine Mark Rente in Klein-Parin aus den dem
Kloster aus dem Testament der Wittwe Witburg Rodewollers
zugefallenen Einkünften. — 1375 Mai 24.
Nos frater Johannes de Werbe gardianus, frater Ditmarus
pro tempore lector totusque conventus fratrum minorum in
Lubeke recognoscimus per presentes et prostestamur, nos dimisisse
13*
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— 196 —
ac presentibus dimittere unam marcam reddituum Lubicensium
denariorum domino Godescalco Boystorp perpetuo vicario in
ecclesia beatri Petri Lubicensis dyocesis in testamento Wilburgis
relicte Rodewollers datam et legatam in villa dicta Wendesche
Porin, sita in parrochia Rensewelde dicte diocesis, renunciantes
actionibus et monicionibus ex parte date pecunie quibuscumque.
In quorum omnium testimonium et certitudinem pleniorem presens
scriptum inde confectum sigilla nostra sunt appensa. Datum
anno domini M'CCCLXXV* in vigilia nativitatis Cristi.
Nach Leverkus : Am Original das fragmentarische Siegel des Gardians.
II. Codex Monacensis regius N. 22,105.
Auf die vorstehend bezeichnete Handschrift der königlichen
Hof- und Staatsbibliothek zu München ward ich aufmerksam
durch eine Notiz von Waitz im Neuen Archiv 9, S. 639, 640,
welcher, Holder-Eggers ebendort S. 391 ff. veröffentlichtes Ver-
zeichniss ergänzend, nachtrug: »Chronik der Kaiser und Päpste
bis 1473 geschrieben, mit Dänischen, Lübeckischen, Mecklen-
burgischen Nachrichten, beginnt mit Constantin, endigt — et
post palmas intravit Coloniam.« s. u.
Er führt dann als Probe einen Satz aus dem Jahre 1449
über den Tod Christofs von Dänemark und den Bischofs Wechsel
in Lübeck an.
Der Director der Bibliothek, Herr Dr. Laubmann, hatte auf
meine Anfrage die Freundlichkeit, mir sofort die Handschrift
zur längeren Benutzung auf der Kieler Universitätsbibliothek zu
übersenden.
Die Handschrift gehört zu den aus dem Kloster Wessobrun
stammenden; die Chronik umfasst fol. 80a— 248a; sie ist 1475 ge-
schrieben,, wie sich aus der Eintragung fol. 247a zu Kaiser
Friedrich III. ergiebt:
Et imperat adhuc, nam hoc anno scilicet 1475 ^st annus
imperii eius 35. turba cinctus muUa existens contra Karolum
ducem Burgundie coram Renensi urbe Nussia 10. die Julii hoc
est 7. fratrum. Gracia dei fretus diu vivat quia dominus paci.
ficus et quietus et paciencie singularis diligens clerum ber\e
directum ac plantaciones ac surculorum inserciones arboruni.
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— 197 —
Hie statim semota neutralitate qua Germanica nacio gaudebat
ac sua ordinacione duce Sabaudie qui pro papa Feiice 5, se
gerebat resignante concilium quoque Basiliense dissolvente ecclesiam
ad integram unionem reduxit vt infra dicetur. Iste duxit in
iixorem filiam regis Portugalie Leonoram nomine.
Das Resultat meiner Untersuchung über jene nordischen
Nachrichten aber war freilich ein gradezu negatives, da sie sich
sämmtlich als aus dem Lübecker Druck vom Jahre 1473, ^^^
Rudimentum Novitiorum, herrührend erwiesen. Dass aber dies
seine Nachrichten aus dem sogenannten chronicon Sclavicum
parrochi Suselensis entlehnt hat, ist bekannt, und ich habe selbst
schon im Jahre 1877 in der Zeitschrift für Schleswig-Holstein-
Lauenburgische Geschichte Bd. 7, S. 41 darauf hinweisen können.
Mir ist der Lübecker Druck vom Jahre 1473 augenblicklich nicht
zur Hand — ein Exemplar befindet sich auf der Lübecker Stadt-
bibliothek — ; doch genügen zur Feststellung der Textverhältnisse
die Auszüge, welche v. Seelen in den Selecta Litteraria Ed.
altera. 1726, S. 574—584 gegeben hat. Ich führe aus der Hand-
schrift zu diesem Zwecke drei Stellen an und setze aus den
Selecta litteraria die Seitenzahl der Parallelstelle bei ; ich habe sie
ausgewählt aus dem Gesichtspunkt, dass zugleich auch die Ab-
hängigkeit des Rudimentum Novitiorum vom Chronikon Sclavicum
ersichtlich werde.
Fol. 224b; V. Seelen S. 575.
Lübeck construitur primo.
Temporibus Heinrici teste Helmoldo paganus Crito edificavit
Lubec circa Swartow, nee erat ecclesia aut sacerdos in tota Sclayia
per annos 84. nisi in Lubec, eo quod cesar Heinricus ibi sepius
moraretur. Iste Crito crudeliter occidit dominos terre Wagirorum
id est Odenburgensium ') absque quodam Heinrico filio Gode-
scalci qui fugit ad Daciam, et decursu temporum reversus potenter
ter percussit Oldenburg et omnem terram maritimam Sclavorum.
») Lies : Oldenburgensium.
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— 198 —
Fol. 227a; V. Seelen S. 577.
Item hoc anno*) Aldenburgensis episcopatus leroldo 12.
episcopo Aldenburgensi procurante per Henricum Leonem ducem
Saxonie transfertiir in Lubecke civitatem novam, quam a comite
Adolpho de Schowenburgh et Nordalbingorum nuper sibi donatam
occupavit. Ex historia Sclavorum 170*). Sedem episcopalem
Aldenburgensem magnus Otto imperator primus instituit et
primum episcopum posuit ibi Marconem. Ibidem ca. 12. Est
autem Aldenborg ea que Sclavia lingua starigard hoc est antiqua
civitas dicitur sita in terra Wagirorum in occiduis partibus Baltici
maris et est terminus Sclavie habens viros fortissimos omnium
bellorum motus recipere valentes de quibus superius dictum est 3).
Fol. 228a; V. Seelen S. 578.
Item hoc anno*) vel ut aliis placet Friderici 27, qui est
annus domini 11 78 ecclesia Lubicensis maior fundatur. Retro-
spicias ad annum 3 huius eiusdem Friderici, quia Sclavica cronica
cum ceteris discordat.
Die von Waitz ausgehobene Stelle findet sich im Rudimentum
Nov. V. Seelen S. 584.
Der Schluss der Chronik lautet vollständig:
Fol. 248a.
Anno Friderici 34. qui est domini 1473 venit ipse Treverina
cum filio suo Maximiliano et per Karolum Burgundum honorifice
tractatur, sed vulgata relacione non respondebant ultima primis.
Proximo anno die Veneris Panthaleonis obsedit idem Karolus
Nussiam ac oppugnavit cum ingenti iactura suorum, quod bene
novit cometa satis singularis, qui anno i. Sixti 4. in Januario et
Februario apparuit, cui validissima manu occurrit Fredericus
feria 2 post palmas intrans Coloniam.
Hie est decursus ab Adam usque ad hunc annum.
1) V. Seelen in Klammern dahinter (Friderici I. tercio). In der Hand-
schrift ist die Notiz vorher eingeleitet: Tercio anno Friderici.
•2) V. Seelen: c. LXX.
3) de quibus — est fehlt im Rud. Nov.
4) R. N. fügt ein: XXVIII. In der Handschrift für eine andere
Notiz vorweggenommen.
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IL
Auszüge
aus zwei Geschäftsbriefen Jürgen Wullenwevers.
VON
WILHELM BREHMER.
In seinem Buche : Lübeck unter Jürgen WuUenwever und die
europäische Politik hat Waitz hervorgehoben, dass er über die
früheren Lebensverhältnisse Wullenwever's nur wenige beglaubigte
Angaben zu ermitteln vermocht habe (i, S. 75 — 76, 286—87).
Für eine Aufhellung derselben sind zwei Geschäftsbriefe, die
WuUenwever 1518 von Hamburg aus an einen gewissen Herbert
Steinkamp ^) gerichtet hat und die auf Antrag des Empfangers
im Jahre 1526 nach ihrem wesentlichen Inhalt in das Lübeckische
Niederstadtbuch eingetragen sind, nicht ohne Werth. Aus ihnen
ergiebt sich nämlich, dass Jürgen WuUenwever anfanglich von
Hamburg aus seine Geschäfte betrieben hat, dass er also in seiner
Jugend dort ansässig gewesen ist. Auch wird durch sie die
Nachricht, er sei wegen Schulden angegangen, bestätigt; denn,
wenn er die in den Briefen erwähnten Verbindlichkeiten erfiiUt
hätte, so würde keine Veranlassung vorhanden gewesen sein,
noch nach Ablauf von 8 Jahren eine auf sie bezügliche Ein-
tragung in das Stadtbuch vorzunehmen. Dass sich im Stadt-
buch, in dessen Niederschriften zu jener Zeit jede Person, die
das Bürgerrecht besass, auch als Bürger bezeichnet ward, bei dem
Namen Jürgen WuUenwever eine solche Angabe nicht findet, ent-
i) Herbert Steinkamp stand auch mit dem Bruder Jürgens, Joachim
WuUenwever, in Geschäftsverbindung; s. die Hamburgische Stadtbuchschrift
von 1527 März 27 in Zeitschr. f. hamb. Gesch. 3, S. 115, wo er als Schiffs-
partner desselben genannt wird.
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200
spricht der schon von Waitz ermittelten Thatsache, dass er das
Lübeckische Bürgerrecht erst nach seiner Wahl zum Vierund-
sechziger erlangte (WuUenwever i, S. 287). Die Eintragung in
das Niederstadtbuch hat folgenden Wortlaut:
Jürgen WuUenwever, vor dem erbam Rade tho Lübeck per-
sonlich erschinen, hefFt in eyner thosprake, so Herbert Steinkamp
als cleger jegen one vortstellede, bekandt und thogestan, dath
he die thwe breve, daruth desulve Herbert etlike clausulen, wo
de ock hyrna geschreven, lesen leth, mith syner eigen handt
geschreven hadde. De erste ludede alzo:
Ersame leve Herbert, gude frundt. Ick weth nicht tho
schryven, dan gy alle sundt weren unnd wolforen, wer my lefF.
Vorder foge ick jw tho weten, dadt idt flas hyr noch nicht ge-
kamen is, dath wyll uns gen fordel syn. Ick hadde idt vor-
frachtet up HoUandt, idt vath 2 fl. i orth. Gedatert in Ham-
borch, des sondages vor Dionysii anno 18.
De ander clausule umbtrent dem middel des breves ludde
alzo:
Dan eth schall so lange nicht werden, so unse afscheidt tho
Luneborch ock unse begynsell. Solde ick allet gudt van my
don, wes darvon queme, unnd scholde dar hirup vorleggen fracht
unnd ungelt, unnde gundt int landt demgeliken, unnd hebben
ihoie unnd arbeit darto : könne gy wene krigen, dem dat belevet,
dat moye gy don. Ick sehe dar ock gehn grot vordell uth to
recken. Ock hebbe ick woU wath tho donde, all kumerde ick
my hyr nicht mede. Isset, dath et jw so nicht ansteit, so unser
bescheit is, szo byn ick dar woU in thofreden, unnd levere jw
al dath geldt, dat vant holdt gekamen is; unnd geveth my vor
myn eventur und moie, wath up redenn steit, und körten min
ungelt, wes ick darup vorlecht hebbe. Szo möge gy dath holt,
flas unnd dath unverkofFt is ock vorschryven unnd latent vor-
koppen, so dur gy kundt. Könne gy er tho gelde dar kamen
unnd ock unbehalt blyven, dath jw beide vor is, so blyve ick
ock unbedacht. Gedatert in Hamborch des mandages vor sunte
Simon und Jude anno 18.
Und syndt desse twe clausulen up ansokendt Herbert Stein-
kamps in dith boek van dem erbaren Rade tho schryvende
bevalen sabbato 3 Novembris (1526).
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l
p
IIL
ROSTOCKER HISTORISCHES LIED
VOM JAHRE 1549.
MITGETEILT
VON
K. E. H. KRAUSE.
Grodt wunder dede yck schouwen
In kordt vorgangen jaren
Myth morden und myth rouen
In Meckelenborch wol vorfarcn
Durch Vullert eine myth namen.
Eyn eddelman wolde he ssyn').
I De dath wass vorborgen,
Wath will me vele ssorgen,
Godt deme Heren ssyth geclageth.
Up einen Frigdach ydt gesschach,
De van Rostogck Allen uth;
Van Jamer me vele sagen mach,
Dat ydt schach sach Godt vor gudt.
Se haiden sse by den Helssen,
Van den Dorpen mosten sse heruth.
Na der Stadt mosten sse spasseren
Und alsso tho votc gan leren;
Alle quadt sick vormerth«).
St^
x) Am Rande steht durchstrichen : hetenn.
f\#' a) Alles Böse vermehrt sich.
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— 202 —
De Adel sick ssines geslechtess —
Wath wil me dar van sagen —
Dcyth beromen sick velc dess geprechtess:
Der fyende hedde he vele geslagen
De undat darmyth i) vortusssena),
Den unschuldigen laten undergan.
So moth me de schalckheit up mutzen
Dar up sse ssyck alsso trotzen,
Noch yssset nycht wol gedan.
De Adel deyt ssyck beclagen
Auer de van Rostog groth,
Dar to fromet und magen3)
Und ys doch ein grother spoth,
Godt helft gebaden holden recht,
Me lesse de sschryfft all doer:
Den Rycken nycht tho sporen.
Und den Armen nycht vorlaten,
Und holden 4) den myddelwech.
Eyn Bur und ein Eddelman
Sin beide van gade gesschapen ;
Ock ein Ider doch marckenn kan,
Godt wil sse beyde erholdenn laten
Dorch Heren und Fürsten en gegeuen,
Tho holden sse In gudeme leuende.
Darup Heren und Fürsten tho gedenken
Und nemande wes tho sschenckende,
Dede quadt hebben gedan.
Eyn sprickwordt men deyth" brücken,
Und yss yn der warde sso :
»De ssinen Vader wil nycht roeken 5)
Dar kumpt de bodel tho».
x) Im Ms. corr. aus darmede.
9) Vertuschen.
3) Das a undeutlich. — Freunde (?) und Verwandte (thun Einsprache).
4) Ms.: holde.
5) Achten, sich kümmern um; ruken, roken mit Gen. und Acc. s.
Mnd. Wb. 3, S. 501, Es ist der Stamm, aus dem das Wort »geruhen«
entstanden, und der vermuthlich auch heute noch in der Redensart lebt : »da
ruk an«, obwohl dieses landläufig als »anriechen« übersetzt wird.
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— 203 —
So yss ydt hir gegangen,
Dar lath syck ein yder nych na vorlangen
Unnd holde rechte mathe.
Dar tho ein reync strate,
So blyflft ein Ider unuorwoerden i).
Aus dem Orig. im Rostocker Ratsarchiv, Handschr. auf Papier, halber
Bogen fol. ohne Wasserzeichen; Schrift gleichzeitig; letzere hat 8 Formen
für D, Die Orthographie ist beibehalten, da th eine dem d ähnliche Aus-
sprache anzudeuten scheint ; auch dlf, ck, ss (= fz) und u=v sind geblieben,
da u augenscheinlich noch dem englischen w gleich gesprochen wurde; nur
nn ist in n verwandelt. Aber auch dabei scheinen die Assonanzen levende,
sschenkende anzudeuten, dass das nn in der Endung en des Infin. diese
klingend sprechen lassen wollte.
Das Lied betrifft die Gefangennahme und Hinrichtung des
Vollrat (VuUert) von der Luhe auf Thelckow bei Tessin 1549
durch die Stadt Rostock.
Diese von den Rostocker Chroniken nicht erwähnte Sache ist
am bekanntesten geworden durch die etwas dunkele Stelle in
den »Beselinischen Auszügen aus dem Chemnitzischen grossen
Chronico Mecklenburgico von der Stadt Rostock« in Ungnaden
Amoenit. S. 289:
»A. C. 1549, am Freytag nach Judica (April 12), seynd
Otto und VoUrath von der Luhe zu Telckow, Jasper von Bülow
zu Siemen und Churd von Uxel, den von Rüelfeind. und deren
Diener im Dorff Roggenthien, den Hertzogen zu Mecklenburg
zuständig, von den Rostockem (welchen sie beschuldigt, als
wenn sie in der Ribbenitzer Heide einen Angriff gethan und
geraubet haben solten,) überfallen, mehrentheils gefangen ge-
nommen und nach Rostock in die Frohnerey geführet«.
Ferner: — ^ haben sie doch — VoUrath von der Luhe durch
den Hencker martern lassen, und ungeachtet aller Appellation, in
Beyseyn obgedachter Fürsü. Gesandten am Freytage nach
Pfingsten (Juni 14), mit z\yeen seiner Dienern, mit dem Schwerdt
gerichtet worden, Otto von der Luhe aber und Jasper von Bülow
seynd folgends nach geleisteter Urpfede wieder losgelassen
worden«. Der Geh. Rath Beselin citierte dazu noch Latomus,
Lib. 3, und Acta inter Mecklenb. und Rostock. Ganz ebenso
steht es bei Franck, 9, S. 244. Augenscheinlich haben beide
i) Ms. unuorwerden ; aber zwischen w und e ist durch Uebcrschreiben
eines o und Darunterstellen eines Winkels ein o zwischen geschoben.
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— 204 —
mit »den Rüelfeind« nichts anzufangen gewusst; ebenso hat
V. Lützow 3, S. 26 wohl den »Kurd von Uexelc, lässt aber
den ^Rüelfeind« aus, und ganz dasselbe thut Boll i, S. 337 f.
Eine neuere Rostocker Novelle hat aus dem Uxel sogar einen
Urel auf einer Urelburg bei Kessin gemacht. Westphalen, der
des Latomus Genealochronicon Megapol. abdruckte, lässt die
Stelle (4, S. 172) lauten:
»Kurt Upel der von Revelfeindc ;
die beiden mit hingerichteten reisigen Knechte heissen bei ihm
Martin Bartscherer und Hans Dannenberg. Die Handschrift des
Latomus auf der Univ.-Bibl. (Ms. Meckl. B. 124) hat aber das
Richtige ;
»Kordt Uxel, der von Revel feind«,
wodurch denn der livländische Ritter und Abenteurer Konrad
Ixküll oder Üxküll sofort klar aus dem Dunkel hervortritt.
Durch die Ribnitzer Heide, deren Weg- Sicherheit Rostock
schützen wollte, führte die Landstrasse zwischen Rostock und
Stralsund, welche bei Damgarten über die Recknitz setzt '). Die
V. d. Luhe waren im mecklenburgischen Recknitz-Gebiete bis
Sülze hinauf ein gewaltiges, zeitweise als Pfandinhaber der
dortigen fürstlichen Güter fast unabhängiges Geschlecht, dessen
Herkunft zweifellos auf den unteren Lauf der Luhe im Alten
Lande an der Elbe hinweist.
Wie Kurd Üxküll Rostock in die Hände gerieth, ist aus
Johannes Lossius, Drei Bilder aus dem livländischen Adelsleben
des 16. Jahrh., Heft l, zu entnehmen. Sein Geschlecht war über-
aus begütert in den Stiftern Dorpat und Oesel-Kurland ; ein be-
deutender Teil der Wieck (des festländischen Oesel-Stiftes) ge-
hörte seinem Vater, dem wilden Hauptführer der Empörer gegen
Bischof Reinhold (von Buxhövden), Otto Üxküll auf Schloss
Fickel (t 1545). Der Rath von Reval hatte 1535 den mäch-
tigen Schlossherrn auf Riesenberg, Johann Üxküll, wegen Mordes
und Geleitbruches hinrichten lassen, und Konrad Üxküll, einer
von Otto's 7 Söhnen, übernahm eigenmächtig die Rache für
seinen Vetter gegen die Stadt. 1537 durch die »Landesmächte«
j) Einen Raubüberfall durch adlige Schnapphähne 1542 in derselben
Heide s. in Bartholomaei Sastrowen Herkommen etc. herausg. v. Mohnike,
S. 195 ff.
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205 —
bewältigt, ist er dann flüchtig hinausgegangen und »in der
Lübischen Güter gerückt« (S. 27), hat aber die Fehde gegen
Reval wüthend fortgesetzt. Es kann nur Piraterie gewesen sein.
1547 mahnt König Gustav Wasa die Revaler, sie möchten sich
vergleichen, obwohl die Erben des Hingerichteten sich schon
1543 mit jenen versöhnt hatten. 1549 ist Kurd auf die Ribnitzer
Heide wegelagernd gegen die Hansen geritten; da erkundeten
ihn die Rostocker sammt seinen mecklenburgischen Genossen
auf dem fürstlichen Hofe Roggenthin, dicht vor der Stadt,
schickten am 12. April früh morgens ihre reitenden Diener aus
und Hessen die ganze Gesellschaft einbringen.
Alsbald sandte Reval seinen Secretarius, Lorenz Smyd, nach
Rostock, der in der Hoffnung reiste, den gefürchteten Kurd
schon hingerichtet zu finden; die Stadt hatte aber an der Ent-
hauptung Vollrat' s von der Luhe, offenbar des Raubzugführers,
genug; sie erklärte Üxküll habe bisher nur gedroht, nicht aus-
geführt; sie wollte also für die früheren Mord- und Gewalt-
thaten gegen Reval kein Erkenntnis fällen. Die Hinrichtung
Lühe's hatte schon so viel Aufsehen und Aerger bereitet, dass
deshalb »eine statdiche Legation der Lübecker, Hamburger, Lüne-
burger mit dem Lübischen Syndicus an der Spitze bei Römisch
kais. Maj. weile«. Es gehe den Rostockem wie den Revalern,
schreibt der Sekretär: »lange Weken, körte Sonnabente und
weren wol mit einer Blasen vul Arweten de Tid vorferet ge-
worden« ; was Lossius, statt an das Schrecken mit einer Kinder-
Rassel zu denken, komisch übersetzt: »Und wären wohl mit
einem Körbchen voll Erbsen damals zu kirren gewesen«. Rostock
hielt die Friedebrecher indessen gefangen ; endlich aber sind selbst
die Revaler auf viele Fürsprachen für die Entlassung gegen Ur-
fehde, in welcher sich auch 4 — 6 weitere Glieder der Üxküll Reval
gegenüber verpflichteten, eingetreten. Der Vermittler war, fast
auffälliger Weise, ein Spross der Rostocker Bürgermeisterfamilie
Krohn, Hinrich, vermuthlich ein Bruder des alten Bürgermeisters
Bernhard Krohn ; unter seinen Auftraggebern erscheinen 2 Adlige
von Holle, wohl sicher aus der Hildesheimischen Landsknecht-
führer-Familie, und 2 Brüder v. Münchhausen, deren einer,
Christoffer, der bekannte Bruder des Bischofs Johann Münch-
hausen V. Oesel und Kurland zu sein scheint, der sein Bisthum
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— 2o6
dem Könige von Dänemark verkaufte. Dieser Zweig der Familie
hielt sich nachher im Bisthum Verden auf. Am 2. Juni 155 1
sandte der Rath von Reval den Vergleich mit den Üxküll an
Rostock; darauf erst wurden die Gefangenen gegen die Urfehde
entlassen. Lossius citirt 2 Urkunden aus Copien im Archiv zu
Fickel, vom 23. Apr. 1550 und 2. Juni 1551, deren Originale
dem Rostocker Ratsarchive angehören. Es besitzt das letztere
ein beträchtliches Acten- Convolut in der Lühe-ÜxküU' sehen Sache,
darin die Urgicht Vollrats v. d. Luhe und die Urfehden Otto's
v. d. Luhe und Konrad' s Üxküll, deren Kenntniss ich der Güte
des Herrn Stadtarchivars Dr. Koppmann verdanke, deren weiterer
Auszug hier aber zu weit führen dürfte.
Nur Konrads Ausgang sei nach Lossius noch kurz erwähnt :
1554 finden wir ihn in Praktiken mit »Fritzberg« und Johann Lip-
hardt, welche Lossius nicht weiter kennt; ersterer ist aber der
bekannte Söldner-Oberst Christoph von Wrisberg, der wiederholt
im Dienste Karls V. stand, und dessen Leben ein anderer
Lossius beschrieb ; er diente auch dem Erzbischof Christoph von
Bremen, dann Johann Albrecht von Mecklenburg^). 1556 soll
er mit 600 Pferden in Holstein eingefallen sein und Alles in
Schrecken gesetzt haben, bis er (nach Christiani) vor Christian III.
wieder in Lübisches Gebiet gewichen sei. Dort abgekauft, sei
er nach Holland gegangen, um Kriegsdienste zu nehmen (wohl
in den Werbungen Hilmers von Münchhausen für Philipp IL).
Nach Andern ging er nach Frankreich. Unfraglich hängt dann
der Holsteiner Zug mit dem dänischen Vorgehen in Oesel zu-
sammen; 1559 und 1560 ist er wieder in Holstein, und im
letzteren Jahre giebt König Friedrich IL den Auftrag*) sich des
*) lieber die Lossius wenig bekannten Söldnerobristen vergl, meine
Nachweise über Hilmer v. Münchhausen: Allg. D. Biogr. 23, S. 5 f.; über
Georg (Jörgen) v. Holle: Allg. D. Biogr. 12, S. 755 if. «Johann Liphart«,
deren angeblichen Genossen, finde ich nicht in ihrer Umgebung. Sollte es
eine Verwechslung Michael Brückners und das Brüderpaar Johann und Liborius
(v, Münchhausen, Vettern Hilmers) gemeint sein ? Beide sind Söldner-
führer.
2) Die Beauftragten waren Niclas Platen und Andres von der Mühlen;
letzterer wohl ein Sohn oder Verwandter des in der Grafenfehde bei
Christian IH. so oft genannten Bernhard von Mile (Milen, Mele, Melen). S.
G. "Waitz, Lübeck unter Jürgen WuUenwever. In der bremischen Familie
V. Plate kommt der Name Nicolaus nicht vor.
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207 —
Konrad Üxküll lebendig oder todt zu bemächtigen, Lossius nennt
das »Meuchelmörder werben«. Hier liegt der Grund klar vor:
es sind seine Umtriebe mit dem berüchtigten Abenteurer Friedrich
von Spedt, Livland durch Eroberung an Frankreich zu bringen *).
1565 wurde er zu Segeberg durch die Beauftragten des dänischen
Königs erschossen.
i) S. W. MoUerup in den Sitzungsber. der Ges. für Gesch. und
Altert, der Ostseeprovinzen Russlands a. d.J. 1877 S. 4ff. und W, MoUerup,
Conrad von Üxktills und Friedrich von Spedt's Plan einer Eroberung Liv-
lands durch Frankreich, in Beitr. aus dem Bereiche der Gesch. Liv-, Esl-
und Kurlands 12, S. 477 ff.
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NACHRICHTEN
VOM
HANSISCHEN GESCHICHTSVEREIN.
FÜNFZEHNTES STÜCK.
Versammlung zu Rostock 1885 ^^^ 26- und 27
i
Hansische Geschichtsblätter. XIV. 14
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VIERZEHNTER JAHRESBERICHT.
ERSTATTET
VOM VORSTANDE.
In einer sehr erfreulichen Weise hat sich während des ver-
flossenen Jahres die Zahl derjenigen, welche unserem Verein als
Mitglieder angehören, vermehrt. Demselben sind nämlich bei-
getreten der königlich preussische Gesandte in Rom, Exe. von
Schlözer, Professor Dr. Roediger, Dr. A. Naude und Dr. L. von
Heinemann in Berlin, Amtsrichter Dr. Duncker in Bern-
burg, Kaufmann C. Merkel, Schulvorsteher D. Müller und
Buchhändler C. E. Müller in Bremen, Dr. C. Lindt in Darm-
stadt, Th. Boyes in Dresden, Bürgermeister Voss in Fried-
land in Mecklenburg, Bürgermeister von Garssen, Amtsgerichts-
rath Buchholz, Ad. Schumacher, Amtsrichter Leonhardt und
Rechtsanwalt Dr. Rudolph in Goslar, die Professoren Wagen-
mann, Cohn, Vollmöller, Schröder und Wilmanns in Göttingen,
Senator Versmann und C. W. Richers in Hamburg, Professor
A. L. Ewald in Halle, Banquier Arthur vom Rath in Köln,
Arzt Dr. Wichmann, Oberlehrer Mollwo und Oberlehrer Dr. E.
Schmidt in Lübeck, Professor Paasche in Marburg, Director
Strackerjan in Oldenburg, Pastor Klüsener in W a d d e n z bei
Oldenburg, Kaufmann Rieh. Mayer in Reval, Oberlehrer
C. Girgensohn in Riga, Bürgermeister Burchard und Bürger-
meister Dr. Giese, Senator Dr. Becker, Consul A. Clement, Kauf-
mann F. Bomemann, Director B. Reuter, die Gymnasiallehrer
Dr. Wiegandt, Dr. Dopp und Stichert, Kaufmann Alb. Lüders,
Kaufmann Herrn. Gh. Koch, Consul A. Crotogino jun., Com-
merzienrath W. Scheel, Commerzienrath A. F. Mann, Major a. D.
14*
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— IV —
G. W. V. Klein^ Landeseinnehmer Peitzner, die Amtsrichter
Piper, Bunsen und Grosse, Dr. Grossschopff, Dr. Hofmeister,
Dr. B. Loewenstein, Dr. K. Lorenz, Rechtsanwalt Triebsees,
Kaufmann J. Susemihl, Kaufmann £. Caspar und Amtgerichts-
Actuar Becker in Rostock, Rector Bachmann in War in in
Mecklenburg und Kreishauptmann Thon in Völtingerode bei
Vienenburg.
Durch den Tod sind aus unserem Kreise geschieden der
Reichstagsabgeordnete Fr. Kapp, der zu den fleissigsten Be-
suchern unserer Jahresversammlungen gehörte, sowie Kaufmann
Quentell in Bremen, Rechtsanwalt Dr. Lindt in Darmstadt und
Commerzienrath Wendelstatt in Köln. Da vierzehn Personen
ihren Austritt angezeigt haben^ so zählt unser Verein zur Zeit
532 Mitglieder. Von den Vereinen hat der Kaufmännische
Verein Union zu Bremen seine uns bisher gewährte Unter-
stützung zurückgezogen.
Ausser einem Hefte der Hansischen Geschichtsblätter ist im
vorigen Jahre keine grössere Publication unseres Vereins er-
schienen. Es ist jedoch das Manuscript für die letzte Abtheilung
des dritten Bandes des Hansischen Urkundenbuches von Herrn
Stadtarchivar Dr. Höhlbaum soweit gefördert worden, dass der
Abschluss unmittelbar bevorsteht Der Herausgeber bezeichnet
die eingetretene Verzögerung als einen Gewinn für die hansische
Forschung, da es ihm hierdurch ermöglicht wurde, den Be-
ziehungen, die in den Urkunden dargelegt werden, bis zu ihrem
Ursprünge nachzugehen und so im Schlusstheil des von ihm
bearbeiteten Bandes eine bedeutungsvolle Epoche der Handels-
und Rechtsgeschichte der Hansa zum ersten Mal in ihrer inneren
Entwickelung zn veranschaulichen.
Herr Dr. Hagedorn, dem die Fortsetzung des Urkunden-
buches übertragen ist, hat im Frühling vorigen Jahres die Archive
von Lüneburg, Hildesheim, Braunschweig, Goslar, Helmstedt,
Magdeburg und Hannover durchforscht. Hieran schloss sich im
Herbste eine zweimonatliche Reise zur Ausbeutung der Archive
Hollands und Belgiens. Ueber die Ergebnisse dieser Reisen
werden die Spezialberichte, die im nächsten Hefte der Geschichts-
blätter zur Veröffentlichung gelangen, nähere Mittheilungen
bringen. Herr Dr. Hagedom hält die Archivreisen vorläufig für
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— V —
abgeschlossen und ist jetzt mit der Bearbeitung des gesammelten
Materials beschäftigt.
Für die von ihm übernommene Herausgabe der Hanse-
Tecesse Abtheilung 2 hat Herr Professor von der Ropp im
letzten Sommer während eines mehrwöchentlichen Aufenthaltes
in Lübeck die Arbeiten im dortigen Archive zum Abschlüsse
gebracht. Eine Wismarsche Recesshandschrift und eine grössere
Anzahl Danziger Archivalien konnten von ihm an seinem
Wohnorte einer Bearbeitung unterzogen werden. Zu durchforschen
sind nur noch einige Acten, die bei der Neuordnung des Kölner
Archives aufgefunden sind. Da ihm deren Zusendung für die
nächste Zeit in Aussicht gestellt ist, so hofft er mit dem Drucke
des fünften Bandes im Laufe des neuen Vereinsjahres beginnen
zu können.
Herr Professor Dr. Schäfer, der während einer längeren
Zeit durch ein jetzt glücklich gehobenes Unwohlsein an der Fort-
führung seiner Arbeiten für die Hanserecesse Abtheilung 3 ge-
hindert war, wird dieselben demnächst wieder aufnehmen, so
dass voraussichtlich noch zu Ende dieses Jahres der dritte Band
dem Druck übergeben werden kann. Auch die von ihm über-
nommene Herausgabe des Buches vom Vogt zu Schonen, von
dessen Text bereits fünf Bogen gedruckt sind, glaubt er bis zu
jener Zeit fertigstellen zu können.
Als in der Mitte des vorigen Jahres eine grosse Zahl unserer
Mitglieder auf einer gemeinsam unternommenen Fahrt Emden,
Amsterdam und die Hauptstädte Belgiens besuchte, haben die-
selben bei den Magistraten und den Bewohnern überall die freund-
lichste Aufnahme gefunden. Wiederholt ist hierbei unseres Vereins
in der anerkennendsten Weise gedacht und seinen Bestrebungen
die kräftigste Unterstützung in Aussicht gestellt worden, wie
denn schon jetzt von der Stadt Brügge sehr werthvoUe, auf ihre
ältere Geschichte bezügliche Publicationen uns zum Geschenk
gemacht sind.
Von Mitgliedern unseres Vorstandes sind dem Verein für
Mecklenburgische Geschichte und Alterthumskunde und dem
historischen Verein für Niedersachsen zu ihren vor kurzem ge-
feierten fünfzigjährigen Jubiläen die Glückwünsche des hansischen
Vereins persönlich übermittelt worden ; der Stadt Braunsberg, die
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— VI —
eine Zeit lang dem Hansebunde angehörte, wurden zu ihrem im
vorigen Herbst gefeierten sechshundertjährigen Gründungsfest
unsere Grüsse schriftlich tibersandt.
Die Rechnung ist von den Herren Senator Culemann in
Hannover und J. D. Hinsch in Hamburg einer Durchsicht unter-
zogen und richtig befunden worden.
Auf ergangene Anfrage haben die Verlagshandlung Duncker
& Humblot in Leipzig, bei welcher die Recesse erschienen sind^
und die Buchhandlung des Waisenhauses in Halle, welche den
Verlag des Urkundenbuches und der Geschiphtsquellen über-
nommen hat, sich, wie schon früher, bereit erklärt, diese urkund-
lichen Publicationen an Mitglieder des Vereins duJch Vermittlung
des Vorstandes zu ermässigtem Preise abzugeben. Darauf bezüg-
liche Wünsche werden unter der Adresse des kasseführenden
Vorstandsmitgliedes Prof. HofFmann in Lübeck erbeten.
An Schriften sind eingegangen:
a) von Städten, Akademien und historischen Vereinen :
Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins Bd. 6, Heft i — 4.
Baltische Monatsschrift, herausg. v. F. Bienemann, Bd. 31
Heft 7.
Mittheilungen des Vereins fiir Geschichte Berlins, 1884 Heft
7, 9, II. 1885 Heft I — 4.
Von demselben Verein Fortsetzung der Publicationen:
Berlinische Bauwerke, Berliner Denkmäler, Namhafte
Berliner.
Inventaire des archives de la ville de Bruges, par Gilliodts
van Severen. 9 Bde., 1871 — 85.
Inscriptions fun^raires et monumentales de la Flandre occiden-
tale, 4 Bde. 1865. 66,
Revue pittoresque des monuments qui ddcoraient la ville de
Bruges, par Gaillard, 1850.
Mittheilungen des Vereins für Chemnitzer Geschichte, Heft 2.
LTrkundenbuch des Bisthums Culm, bearbeitet von C. P. Woelky,
Heft I u. 2.
Kämmereirechnungen der Stadt Deventer, Bd. II Heft 3. 1884,
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— VII —
Bericht der Centralcommission für Landeskunde von Deutsch.
land 1884.
Jahresbericht der litterarischen Gesellschaft zu Fell in 1883. 84.
Von der Akademie zu Krakau: Starodawne Bd. 7, Abth. 3,
Rhenus, herausgegeben vom Lahnsteiner Alterthumsverein.
Jahrg. 1884.
Archiv des Vereins für Geschichte des Herzogthums Lauen -
bürg, N. F., Heft i, 1884.
Geschichtsblätter für Magdeburg, Bd. 19 Heft 2^4, Bd. 20
Heft I.
Zeitschrift des Historischen Vereins für Marienwerder, Heft
9 — 12.
Märkische Forschungen, Bd. 18.
Anzeiger des germanischen Nationalmuseums zu Nürnberg,
N. F., Heft I.
Mittheilungen des Vereins für Geschichte Nürnbergs, Heft
4 u. 5, Jahresberichte 1881 — 83.
Geschichtsquellen der Stadt Rostock, Heft i. Joh. Tölners
Handlungsbuch, herausgegeben von K. Koppmann.
Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte, N. F.,
Bd. 4, Heft I u. 2.
Zeitschrift des Westpreussischen Geschichtsvereins, Heft
12 u. 13.
Zeitschrift für Geschichte und Alterthumskunde Westfalens,
Bd. 42.
Vierteljahrshefte für Würtem bergische Landesgeschichte,
Jahrgang 1884.
b) von den Verfassern:
1j. V. Borch, das höchste Wergeid im Frankenreiche; Inns-
bruck 1884.
V. Bülow, Klosterordnung von Rhün^ Stettin 1885.
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— VIII —
KASSEN-ABSCHLÜSS
am 14. MAI 1885.
EINNAHME.
Vermögensbestand Ji 18,684. 60
Zinsen - 751. 55
Beitrag S. M. des Kaisers - 100. —
Beiträge der Städte - 6,971. 34
Beiträge von Vereinen - 417. —
Beiträge von Mitgliedern - 4,918. 90
Geschenke - 102. —
^^ 31,945. 39
AUSGABE.
Urkundenbuch :
Honorar ^^ 1,725. — ^
Reisekosten .... - 1,548. 35 -
-^ 3>273- 35
Recesse Abth. II:
Reisekosten . . . . Ji 411. 20 /i^
Urkundenabschriften - 123. — -
534. 20
Recesse Abth. III:
Honorar - 1,350. —
Geschichtsblätter :
Honorar jHs 425. — ^
Ankauf von Exemplaren - 1,316. — -
1,741. —
Reisekosten für Vorstandsmitglieder .... - 502. 70
Ver^^altungskosten (incl. Honorar des Vereins-
secretärs) - 1,036. 34
Saldo - 23,507. 80
^ 3i>945' 39
Pierer'sche Hof buchdruckerei. Stephan Geibel & Co. in Altenburg.
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Sechzehnter Jahresbericht
des
Hansischen Geschichtsvereins,
erstattet vom Vorstande
in der
siebzehnten Vereinsversammlung
zu
Stettin
am 31. Mai 1887.
im verflossenen Jahre haben die wissenschaftlichen Bestre-
bungen des Hansischen Geschichtsvereins dadurch eine für
ihn hoch erfreuliche und ehrende Anerkennung gefunden,
dass die Verwaltung der Wedekindschen Preisstiftung für
deutsche Geschichte in Göttingen ihm aus den Ueberschuss-
geldern der letzten Verwaltungsperiode von neuem die Summe
von t.^ 3000 zur Förderung seiner Arbeiten überwiesen hat.
Diese reiche Gabe verpflichtet uns nicht nur zu dem innigsten
Danke, der alsbald seitens des Vorstandes ausgesprochen ist,
sondern sie muss uns auch in dem Bestreben ermuntern, das
hohe Ziel, das wir uns gesteckt haben, unverrückt im Auge
zu behalten.
Seit unserer letzten Zusammenkunft ist eine grosse Zahl
von Mitgliedern durch den Tod aus unserer Mitte geschieden.
In Stralsund verstarb Oberbürgermeister Dr. Francke, der
an der Gründung des Vereins einen hervorragenden Antheil
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2
genommen, mehrere Jahre hindurch als VorstandsmitgHed seine
weitere Ausbildung und Entwickelung auf das eifrigste ge-
fördert und bis zuletzt ihm ein lebhaftes Interesse gewidmet
hat. In Hannover verloren wir in Senator Culemann den
verständnissvollen Freund aller auf Erforschung des Mittel-
alters gerichteten historischen und künstlerischen Bestrebungen,
sowie den langbewährten Revisor unserer Jahresrechnungen.
Mit dem uns nahe verbundenen Verein für Mecklenburgi-
sche Geschichte trauern wir über das Hinscheiden des Archiv-
raths Dr. Wigger in Schwerin, da das von ihm heraus-
gegebene Mecklenburgische Urkundenbuch auch der hansischen
Geschichtsforschung reiche Belehrung gewährt hat. Ausser
jenen Männern raubte uns der Tod in Hamburg den Gym-
nasialdirector Dr. Genthe, Bürgermeister Dr. Kirchenpauer,
G. Th. Siemssen und Dr. W. Hübbe, in Bremen Chr. Waetjen,
Redakteur Mohr, Syndikus Dr. Knoop, in Braunschweig Hof-
buchhändler Wagner, in Hannover Landdrost a. D. Braun
und Kommissär Damcke, in Frankfurt am Main Justizrath
Euler, in Hildesheim Oberbürgermeister Boysen, in Köln
Justizrath Compes und in Rostock Amtsrichter Grosse. Als
neue Mitglieder sind dem Vereine beigetreten in Blankenburg
Gymnasiallehrer Dr. Steinhoff, in Dorpat cand. hist. Hasse-
blatt, in Hamburg Gymnasiallehrer Dr. J. H. Hansen, in Kiel
Kapitän zur See Dittmer, in Köln Dr. E. von der Nahmer,
in Lübeck Ingenieur August Brehmer, in Reval Bürgermeister
V. Gloy, Baron Wrangeil, die Oberlehrer Dr. Kirchhofer und
Schneering, Dr. J. Fick, Obersekretär W. Gebauer, Kaufmann
M. Schmidt, Alex. Meyer, Redakteur Mickwitz, in Ribnitz
Rentier Dolberg, in Rostock Gymnasiallehrer Dr. R. Lange,
in Stralsund Rathsherr Gronow, in Tokio Prof. Dr. Busse.
Da einundzwanzig Personen ihren Austritt angezeigt haben,
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— '3 —
so zählt unser Verein zur Zeit 483 Mitglieder, also neunzehn
weniger als im Vorjahre.
An Stelle des verstorbenen Oberbürgermeisters Dr. Becker
ward der Stadtarchivar Prof. Dr. Höhlbaum in Köln zum
Vorstandsmitgliede erwählt.
Von den literarischen Arbeiten, deren Veröffentlichung
unser Verein übernommen hat, ist im vorigen Jahre ausser
einem Hefte der hansischen Geschichtsblätter, Jahrgang 1885,
die zweite Abtheilung vom dritten Bande des Hansischen
Urkundenbuches erschienen und hierdurch von seinem Her-
ausgeber Prof. Dr. Höhlbaum jenes Werk bis zum Jahre 1360
zum Abschluss gebracht. Damit ist eine der bei der Grün-
dung des Vereins von Geh. Rath Prof. Waitz angeregten
Aufgaben in allseitig befriedigendster Weise zu Ende ge-
führt. Für die ihm übertragene Fortführung des Urkunden-
buches hat Senatssekretär Dr. Hagedorn in Lübeck die Ar-
beiten in den Archiven bis zum Jahre 14CX) vollständig und
bis zum Jahre 1430 zum grösseren Theile abgeschlossen. Die
Bearbeitung des gesammelten Materials hat er mit Rücksicht
auf die Pflichten, die ihm sein neues Amt auferlegte, im ver-
flossenen Jahre nur wenig zu fördern vermocht. Da der immer
mehr wachsende Umfang des Stoffes ein langsames Fort-
schreiten der Veröffentlichung bedingt, so dürfte es sich aus
wissenschaftlichen wie aus praktischen Gründen empfehlen,
den Zeitraum, den die zweite Abtheilung des Werkes um-
fassen soll, nicht allzuweit zu erstrecken. Es wird daher in
Erwägung zu ziehen sein, ob es bei der Grösse des Arbeits-
gebietes nicht räthlich ist, für die Bearbeitung der Urkunden
des fünfzehnten Jahrhunderts einen neuen Mitarbeiter zu ge-
winnen. Da die finanziellen Verhältnisse unseres Vereins die
Möglichkeit hierfür gewähren, so ist der Vorstand jener Frage
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bereits näher getreten und wird eine Entscheidung binnen
kurzem erfolgen.
Dem Urkundenbuche ist ein vom Oberlehrer Dr. Feit in
Lübeck ausgearbeitetes, sich auf alle drei Bände erstreckendes
Glossar beigefügt. Von demselben ist auf Wunsch des Vereins
für niederdeutsche Sprachforschung durch die Verlagsbuch-
handlung (Buchhandlung des Waisenhauses in Halle) ein
Sonderdruck veranstaltet worden, der von den Vereinsmit-
gliedern zum Preise von jfC 2^10 erworben werden kann.
Die mit der Herausgabe der Hanserecesse betrauten
Professoren Dr. von der Ropp und Dr. Schäfer sind im ver-
flossenen Jahre durch anderweitige Geschäfte verhindert worden,
die Vorarbeiten fiir eine fernere Publication zum Abschluss
zu bringen, sie haben aber beide die Aussicht eröffnet, dass
noch in diesem Jahre mit der Drucklegung eines weiteren
Bandes begonnen werden könne.
Vom Verein war im Beginne des vorigen Jahres
Dr. L. Riess nach England gesandt, um in den dortigen
Archiven nach Aktenstücken zu forschen, die für die ältere
Geschichte der Hansa von Bedeutung sind. Von ihm ist das
gesammte dort aufgefundene urkundliche Material bis zum
Jahre 1400 abgeschrieben, dasjenige aber, welches sich auf
die Jahre 1401 bis 1430 bezieht, soweit es nicht zur Ergän-
zung der Hanserecesse dient, mit genauer Angabe des Fund-
ortes verzeichnet worden. Nachdem er jene Arbeit im De-
cember 1886 vollendet und die von ihm erzielte Ausbeute
dem Vorstande übergeben hatte, hat er eine Professur an der
Universität von Tokio angenommen. Bei der weiten Ent-
fernung dieses Ortes wird die Bearbeitung des gesammelten
Materials einem anderen Gelehrten übertragen werden müssen
und sind dieserhalb bereits seitens des Vorstandes Verhand-
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— 5 —
lyngen eingeleitet worden. Ein von Dr. Riess erstatteter
Reisebericht wird in dem nächsten Hefte der Geschichtsblätter
veröffentlicht werden.
Von den hansischen Geschichtsquellen sind zwei weitere
Bände im Druck soweit gefördert, dass sie voraussichtlich
noch im Sommer dieses Jahres erscheinen werden. Der eine
derselben enthält das von Prof. Dr. Schäfer bearbeitete Buch
des Vogtes zu Schonen, in dem anderen veröff^^ntlicht Prof.
Dr. Stieda in Rostock Zoll-Quittungen und Zoll-Register des
14. Jahrhunderts.
Da nur in wenigen deutschen Bibliotheken die in
England erschienenen Urkundenpublikationen vorhanden
sind, so ward die Anwesenheit des Dr. L. Riess in England
dazu benutzt, um diejenigen jener Werke, die für die hansische
Geschichte von Bedeutung sind, in London zu erwerben und
sie der in Lübeck aufbewahrten Bibliothek des Vereins ein-
zuverleiben. Ausserdem sind mehrere Bücher angeschafft,
deren Benutzung von den Mitarbeitern gewünscht wurde.
Die Rechnung ist von den Herren H, Behrens in Lübeck
und Dr. Matsen in Hamburg einer Durchsicht unterzogen und
richtig befunden worden.
An die Mitglieder des Vereins ergeht von dem kasse-
fiihrenden Vorsteher Prof. Dr. Hoffmann in Lübeck das Er-
suchen, ihm ihre Beiträge, soweit dieselben nicht zu bestimmter
2^it durch ein am Orte wohnendes Mitglied einkassirt werden,
alsbald nach Empfang der Geschichtsblätter einzusenden.
Angekauft sind folgende Werke:
Catalogue of the manuscripts in the Cottonian library,
deposited in the British Museum. London 1809.
Catalogue of the Harleians manuscripts in the British
Museum. 4 vols. London 1808 — 12,
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— 6 —
Catalogue of the Landsdowne manuscripts in the British
Museum. London 1819.
CoUection of tracts relative to the Law of England from
manuscripts now first edited by Hargrave. Vol. i.
Dublin 1787.
Foedera, conventiones, literae et cujuscunque generis acta
publica inter reges Angliae et alios imperatores, reges,
pontifices, principes etc. ab anno 11 01 ad nostra usque
tempora. Accurante Thoma Rymer. Tom. i — 20.
Londini 1704—35.
Catalogue, chronological of the Materials, transcribed for the
new edition of the Foedera. Vol. i — 2. Appendix A — D.
London.
Hctll, a history of the custom-revenue in England. Vol. i — 2.
London 1885.
Hardy, descriptive catalogue of the Materials relating to the
history of Great Britain and Ireland to the end of the
reign of Henry VII. Vol. I. London 1862.
Howel, Londinopolis, an historical discourse or perlustration
of the City of London. London 1657.
Index to the record called the Originalia and memoranda on
the Lord TreasurersRemembrancer'sSideoftheExchequer.
London 1793.
Ancient laws and institutes of England from the 7. to the
10. Century, and the ancient latin version of the Anglo-
Saxon Laws. London 1840.
De legibus antiquis über. Cronica Majorum et Vicecomitum
Londoniarum. Curante Stapelton. Londoniis 1846.
Letters, royals and historicals, during the reign of Henry IV.,
edited by Hingeston. Vol. i. London 1860.
Digiti
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— 7 —
Madox, history and antiquities of the Exchequer of the
Kings of England from the Norman conquest to the
end of the reign of Edward II. Ed. 2. VoL i — 2.
London 1769.
Monumenta juridica; the Black book of the Admirality, with
an appendix, edited by Twiss. 3 Vols. London 1871.
Munimenta Gildhallae Londoniensis. Liber albus, über custu-
marum et liber Hörn; edited by Riley. Vol.,. i — 3.
London 1859 — 62.
Report, 47. annual, of the Deputy Keeper of the public records.
London 1886.
Rolls of parliament. Index, comprising the petitrons, pleas.
and proceedings of Parliament from ann. 6 Edw. I., to
ann. 19 Henr. VII. 1278 — 1303, prepared and edited by
Upham. London 1832.
^ Rotuli Parliamentorum et petitiones et placita in Parliamento.
6 voll. London s. 1. e. a.
Syllabus of the documents, relating to England and other
kingdoms, contained in the coUection known as Rymers
Foedera. Vol. 1-3. London ^869 — 85.
Bourquelot, etudes sur les foires de Champagne, sur la
nature, l'^tendue et les regles du commerce, qui s'y
faisait aux 12., 13. et 14. siMes. 2 vols. Paris 1865.
Heyd, histoire du commerce du Levant au moyen-age.
Edition frangaise, publice par Raynaud. 2 vols. Leipzig
1885—86.
Schrader, linguistisch-historische Forschungen zur Handels-
geschichte und Warenkunde. Bd. i. Jena 1886.
Es sind ferner eingegangen:
a) von Städten und historischen Vereinen :
Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins Bd. 8.
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"^
— 8 —
Mittheilungen des Vereins für Geschichte Berlins 1886 u. 87.
Mittheilungen des Vereins für Geschichte Berlins, Hefl 23:
Creusing's märkische Fürstenchronik, herausgegeben von
F. Holtze.
Mittheilungen des Vereins für Chemnitzer Geschichte,
Heft 5.
Urkundenbuch des Bisthums Culm, bearbeitet von C. P.
Woelky, Heft 3 u. 4.
Von der Akademie zu Krakau:
Scriptores rerum Polonicarum. Bd. 9 u. 10.
Starodawne. Bd. 8, Abth. 2.
Jahresbericht, 7 — 9., des Museumsvereins zu Lüneburg 1884
bis 86.
Geschichtsblätter für Magdeburg, Bd. 21, 2—4. 22, i.
Register zu Bd. i — 20.
Regesta Magdeburgica, herausg. von Mülverstedt, Bd. 3. ,
Zeitschrift des historischen Vereins für Marienwerder,
Heft 16 — 20.
Märkische Forschungen, Bd. 19.
Anzeiger des Germanischen Museums zu Nürnberg, Bd. L,
Heft I u. 2.
Mittheilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum zu
Nürnberg, Bd. I, Heft i u. 2.
Mittheilungen des Vereins für Geschichte Nürnbergs, Heft 6,
Jahresberichte 1884 u. 85.
Von der Gesellschaft für Pom m ersehe Geschichte und Alter-
thumskunde:
O. Blümcke, Stettin's hansische Stellung und Herings-
handel in Schonen.
Schleswig-Holstein-Lauenburgische Regesten und Ur-
kunden, herausg. von P. Hasse. Bd. i u. 2.
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— 9 —
Archiv des Geschichtsvereins zu Stade, H^ft ii.
Zeitschrift für Geschichte u. Alterthumskunde Westfalens,
Bd. 44.
b) von den Verfassern:
Bienemann, die Statthalterschaftszeit in Liv- und Estland.
1783 — 96; Leipzig 1886.
J. Jaeger, Duderstadt gegen Ende des Mittelalters, Hildesr
heim 1886.
MeinarduS) Urkundenbuch der Stadt und des Stifts Hameln,
Hannover 1887.
Pyl, Geschichte der. Greif3walder Kirchen und Klöster, 3 Bde.
Greifswald 1885—87.
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— 10 —
Zassen-Alsschluss
am 21. Mai 1887.
Einnahme.
Vermögensbestand JÄ 28439. 75 ^
Zinsen - 943. 49 »
Beitrag S. M. des Kaisers » ICX). — --
Beiträge deutscher Städte » 6211. — «
Beiträge ausserdeutscher Städte .... -- 616. 61 -
Beiträge von Vereinen -- 312. — »
Beiträge von Mitgliedern -- 3409. 12 *
Geschenk der Wedekind-Stiftung .... - 3 000. — «
*>^ 43031. 97 -1}
Ausgabe.
Urkundenbuch (Honorar u. Druckkosten) . ..^ 3 840. 20 ^
Recesse (Reisen u. Urkundenabschriften) . » 452. 58 *
Geschichtsquellen (Druckkosten) .... -- 582. 95 *
Geschichtsblätter (Honorar u. Ankauf von
Exemplaren) -- i 635. 48 »
Forschungsreise nach England . . . . -- 3012. 37»
Ankauf von Büchern ....... -- 680. 3 1 =
Reisekosten für Vorstandsmitglieder . . » 647. — »
Verwaltungskosten (incl. Honorar des Ver-
einssekretärs) ' 932, 23 =
Saldo s 31248. 85 »
M 43031. 97 ^
->^^^-<^
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In Wilh. "Werther's Verlag in Rostock erschien:
Geschichte der Stadt Rostock
von
Karl Koppmann,
Stadtarchivar.
I. Von der Gründung der Stadt bis zum Tode Joachim
Slüters (1532).
lo Bogen. Preis 2 Mark.
Im Verlage der Hahn'schen Buchhandlung in Hannover
ist erschienen:
Quellen und Darstellungen
zur
Geschichte Niedersachsens.
Herausgegeben vom
Historischen Verein für Niedersachsen.
Zweiter Band. Enthaltend: Urkundenbuch des Stiftes
und der Stadt Hameln bis zum Jahre 1407. Mit einer
geschichtlichen Einleitung von Otto Meinardus, Mit zwei
photolithograph. Tafeln. Lexikon-Octav. 16 M.
Verlag von Duncker & Humblot in Leipzig.
Briefe von und an Hegel.
Herausgegeben von
Karl HegeL
Mit einem Porträt und Facsimile Hegels.
Zwei Bände, gr. 8. 1887. Preis 16 M.
Deutsche Rechtsgeschichte.
Von
Heinrieh Brunner.
Erster Band. 1887. Preis 9 M. 60 Pf.
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Verlag von Duncker & Humblot in Leipzig.
HANSERECESSE.
Erste Abtheilung, auf Veranlassung Seiner Majestät des Königs von Bayern
herausgegeben durch die Historische Commission bei der Königl. Akademie
der Wissenschaften. I. bis V. Band. A. u. d. T.: Die Recesse und
andere Akten der Hansetage von 1256 — 1430. Bearbeitet von Karl
Kopp mann. I. bis V. Band. 80 M.
I. hoch 4°. 1870. (XXXIX, 559 S.) 12 M.
II. hoch 4°. 1872. (XV, 518 S.) 12 M.
III. hoch 4^ 1875. (XV, 564 S.) 16 M.
IV. hoch 4°. 1877. (XXVir, 646 S.) 20 M.
V. hoch 4°. 1880. (IX, '619 S.) 20 M.
Zvs/^eite Abtheilung, herausgegeben vom Verein für Hansische Geschichte.
I. bis IV. Band. A. u. d. T. : Hanserecesse von 1431 bis 1476. Be-
arbeitet von Goswin Frhr. von der Ropp. I. bis IV. Band. 78 M.
I. (1431—36). hoch 4°. 1876. (XXIV, 595 S.) 18 M.
II. (i437_43). hoch 4°. 1878. (XII, 622 S.) 20 M.
III. (1443—51). hoch 4°. 1881. (XH, 608 S.) 20 M.
IV. (1451—60). hoch 4°. 1883. (XI, 576 S.) 20 M.
Dritte Abtheilung, herausgegeben vom Verein für Hansische Geschichte.
A. u. d. T. : Hanserecesse von 1477 bis 1530. Bearbeitet von Dietrich
Schäfer. I. und IL Band. 42 M.
I. (1477— 1484). hoch 4°. 1881. (XV, 598 S.) 20 M.
II. (1485— 1491). hoch 4°. 1883. (XVI, 687 S.) 22 M.
III. Erscheint im April 1888.
Abhandlungen aus der neueren Gesehichte.
Von
Max Duncker*
1887. Preis 8 M.
Inhalt: Vorwort von H. v. Treitschke. — I. Feudalität und Aristokratie. — IL Die
Bildung der Coalition des Jahres lysö gegen Preussen. — III. Preussen und England
im siebenjährigen Kriege. — IV. Die Landung in England. — V. Die Denkwürdig-
keiten des Staatskanzlers Fürsten von Hardenberg. — VI. Graf Haugwitz und Frei-
herr von Hardenberg. — VII. Friedrich Wilhelm III. im Jahre 1809. — VIII. Karl
Mathy. — IX. Fürst Karl Anton von Hohenzollern. — X. J. G. Droysen.
Abhandlungen
aus der griechischen Geschichte.
Von
Max Duncker.
Mit einem Vorwort von Professor Dr. A. Kirchhoff in Berlin.
1887. Mit I Karte. Preis 4 M.
Inhalt: Die Hufen der Spartiaten. — Strategie und Taktik des Miltiades. — Der angeb-
liche Verrath des Themistokles. — Der Prozess des Pausanias. — Ueber den soge-
nannten Kimonischen Frieden. — • Das angebliche Gesetz des Perikles. — Des Perikles
Fahrt in den Pontus.
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HANSISCHE
GESCHICHTSBLÄTTER.
HERAUSGEGEBEN
VOM
VEREIN FÜR HANSISCHE GESCHICHTE.
BAND V.
LEIPZIG,
VERLAG VON DUNCKER & HUMBLOT.
1888.
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INHALT.
Seite
I. Das häusliche Leben in Lübeck zu Ende des fünfzehnten Jahr-
hunderts. Vortrag, gehalten in der Versammlung des Vereins für
Hansische Geschichte zu Rostock von Senator Dr. W. Brehmer in
Lübeck 3
II. Die Hanse und die deutschen Stände vornehmlich im fünfzehnten
Jahrhundert. Vortrag, gehalten in der Versammlung des Hansischen
Geschichtsvereins zu Stettin von Professor G. Frhr. von der Roj^p
in Giessen 33
III. Die bremischen Bürgermeister Heinrich und Johann Zobel. Vor-
trag, gehalten in der Versammlung des Hansischen Geschichtsvereins
zu Quedlinburg 1886. Von Archivar Dr. W. v. Bippen in Bremen 51
IV. Die Rostocker metallenen NormalschefFel und das Eichverfahren des
Mittelalters. Von Gymnasialdirector Dr. K. E. H. Krause in Rostock 79
V. Hansische Vereinbarungen über städtisches Gewerbe im 14. und 15.
Jahrhundert. Von Professor W. Stieda in Rostock 10 1
VI. Kleinere Miltheilungen.
I. Stagnum, das baltische Meer. Von Gymnasialdirector
Dr. K. E. H. Krause 159
II. Zur Eroberung Gotlands durch den deutschen Orden. Mit-
getheilt von Geh. Archivrath Dr. H. Grotefend in Schwerin . 161
III. Die Wehrkraft der Rostockischen Aemter. Von Stadtarchivar
Dr. K. Koppmann in Rostock 164
IV, Eine hansische Seeversicherung aus dem Jahre 1531. Mit-
getheilt von Dr. A. Hofmeister in Rostock 169
Recensionen.
C. Sattler, Handelsrechnungen des Deutschen Ordens. Leipzig 1887.
Von Professor W. Stieda 181
Karl Bücher, Die Bevölkerung von Frankfurt a. M. im 14. und 15.
Jahrhundert, i. Band. Tübingen 1886. — J. Jastrow, Die
Volkszahl deutscher Städte zu Ende des Mittelalters und zu Be-
ginn der Neuzeit. Berlin 1886. Von Professor W. Stieda . . 185
Nachrichten vom Hansischen Geschichtsverein. 16. Stück.
I. Fünfzehnter Jahresbericht, erstattet vom Vorstande .... III
II. Mitglieder-Verzeichniss 1887 . X
III. Bericht über meine englische Reise (1886 Febr. 14— Nov. 28).
Von Professor Dr. L. Riess in Tokio XX
Inhaltsverzeichniss. Von Dr. W. v. Bippen XXVI
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_k.
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I.
DAS HÄÜSUCHE LEBEN IN LÜBECK
ZU ENDE DES FÜNFZEHNTEN JAHRHUNDERTS,
VORTRAG,
GEHALTEN IN DER VERSAMMLUNG DES VEREINS FÜR HAN-
SISCHE GESCHICHTE ZU ROSTOCK,
VON
WILHELM BREHMER.
Hansische Geschichtsblätter. XV.
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i
In dem Vortrage, für den ich mir Ihre geneigte Aufmerk-
samkeit erbitte, will ich versuchen Ihnen ein Bild von dem
häuslichen Leben zu entwerfen, wie solches in meiner Vater-
stadt Lübeck vor 400 Jahren gestaltet war. Hierbei darf ich
auf Ihre Nachsicht rechnen, da Sie wissen werden, dass die alten
Chronisten wohl von Kriegen und Staatsumwälzungen, von
Siegen und Niederlagen, von wunderbaren Himmelserscheinungen
und verderbenbringenden Krankheiten ausführlich berichten, dass
sie aber, nicht gedenkend der Wissbegier späterer Zeiten, das
Herkömmliche und Alltägliche zu beschreiben nur selten Ver-
anlassung nahmen und dass auch die Geschichtsforscher erst vor
kurzem angefangen haben dem Kulturleben der Völker ihre
Aufmerksamkeit zuzuwenden. Wollen wir daher die Kulturver-
hältnisse einer früheren Zeit erkunden, so sind wir auf gelegent-
liche Aeusserungen und sehr zerstreut in Urkunden oder Testa-
menten sich findende Angaben sowie auf einzelne Verordnungen
des Rathes hingewiesen.
Vor 400 Jahren hatte Lübeck den Höhepunkt seiner Macht
und seines Ansehens noch nicht erlangt; doch stand die Stadt
damals in hoher Blüthe. Die Beziehungen zu den Beherrschern
der nordischen Länder waren die allerfreundschaftlichsten. Nicht
durch Waffengewalt, sondern durch klug geleitete Verhandlungen
und durch stets bereitwillig gewährte Anleihen bemühte sich der
an der Spitze des Rathes stehende Bürgermeister Heinrich Castorp
die alten Handelsprivilegien zu sichern; war doch, wie uns die
Chronisten rühmend verkünden, sein Wahrspruch: es sei leicht,
die Kriegsfahne zu entfalten, schwer aber, sie wieder zu schliessen.
Sicher und ungefährdet konnten die reich beladenen Schiffe die
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— 4 —
Meere des Ostens und Westens befahren, da die Vitalienbrüder,
welche sie viele Jahre hindurch plündernd und raubend durch-
zogen hatten, endlich bezwungen und die Engländer, weniger
allerdings durch die Macht Lübeck's als durch die Anstrengungen
der preussischen Städte, nach vierjährigem Kriege zu einem
günstigen Frieden genöthigt waren. Gebrochen waren vor
kurzem in Lauenburg und Mecklenburg die Burgen, von denen
ein beutegieriger Adel die friedlichen Waarenzüge stetig mit
Ueberfall bedroht hatte. Es erfreute sich daher damals in
unseren Gegenden der Handel des für seine Entwickelung unent-
behrlichen Friedens. Seinen Mittelpunkt bildete Lübeck. Hier
war der vornehmlichste Markt für das reiche Pelzwerk des Nor-
dens, für Holz, Pech und Theer, die in den dortigen Urwäldern
gewonnen wurden, für das Kupfer der durch Lübeckische Kapi-
talisten betriebenen schwedischen Bergwerke, für die Heringe,
die an Schwedens Küsten gefangen und auf den hansischen
Fitten eingesalzen wurden, für das Getreide, das auf den frucht-
baren Fluren Preussens geemtet, und für den Bernstein, der an
seinen Küsten gegraben ward. Auf Lübeckischen Schiffen ward
ein grosser Theil dieser Waaren den westlichen Ländern, Flan-
dern und England, Frankreich, Spanien und Portugal, zugeführt
und die von dort bezogenen Gegenstände, namentlich das Bay-
rische Salz und die werthvoUen in Flandern hergestellten Tuche
und Kunstgegenstände, vereint mit dem in Lüneburg und Oldesloe
bereiteten feinen Tafelsalz und den Gewürzen Indiens, die über
Venedig, Nürnberg und Augsburg auf dem Landwege herbei-
geschafft wurden, wiederum nach dem Norden vertrieben. In
Lübeck war auch der Wechselplatz, durch den alle Geldgeschäfte
der Ostseeländer geregelt wurden und durch den der Papst die
reichen ihm aus dem Norden zufliessenden Abgaben einzog.
Hiernach sollte man erwarten, dass damals die Zahl der Be-
wohner eine sehr erhebliche gewesen sei und dass dieselben oder
doch mindestens einige von ihnen über grosse Vermögen ver-
fügt haben. Wenn wir den Chroniken Glauben schenken könnten,
wäre solches auch der Fall gewesen; denn sie verkünden uns,
dass in den Ringmauern der Stadt mehr als 80,000, im Jahre
1580 sogar 200,000 Personen sesshaft gewesen sind; auch rühmen
sie oftmals den grossen Reichthum der Bürger. Beides ist aber
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— 5 —
ein Irrthum. Durch einen glücklichen Zufall habe ich eine Auf-
rechnung der Personen gefunden, welche im Jahre 1476 Schoss
zahlten, und hierdurch die Ueberzeugung gewonnen, dass die
Bevölkerung damals die Zahl von 30,000 kaum erreicht, jeden-
falls aber nicht um ein erhebliches überschritten hat. lieber die
Vermögensverhältnisse gewähren die zahlreich uns erhaltenen
Testamente einen Aufschluss. Sie zeigen, dass alle Kreise der
Bevölkerung, namentlich auch die Handwerker, sich eines grossen
Wohlstandes erfreuten, dass aber in einzelnen Händen keine sehr
erheblichen Vermögen aufgehäuft waren ; denn die reichsten Leute,
deren Zahl überdies eine sehr beschränkte war, besassen höchstens
zehn- bis zwölftausend Mark, die nicht nach dem Geldwerth,
sondern nach dem Kaufwerth einer Summe von dreimalhundert
bis dreimalhundert und sechzigtausend Mark jetzigen Geldes ent-
sprechen dürften.
Nicht Kriegslärm und bürgerlicher Zwist, sondern eine
glückliche, friedliche Zeit bildet also den Hintergrund meiner
Schiiderungen.
Für dieselben bitte ich Sie, mir auf einen Gang in die
Stadt zu folgen. Derselbe war dazumal mit weit grösseren
Beschwerden verknüpft, als zur Jetztzeit. Die Strassen waren
allerdings bereits seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts mit
Pflaster versehen; dieses aber befand sich zumeist in der
allerschlechtesten Beschaffenheit, da seine Unterhaltung nicht der
Stadt, sondern den einzelnen Hauseigenthümem oblag und diese
sich ihrer Verpflichtung möglichst lange zu entziehen bemüht
waren. Für eine regelmässige Reinigung war nur vor dem
Rathhause und auf den öffentlichen Plätzen durch vom Rathe
angestellte Strassenfeger Fürsorge getroffen; in den übrigen
Stadttheilen überliess man es meist den starken Regengüssen,
für deren Abfluss an beiden Seiten der Strassen und in deren
Mitte offene Rinnen eingewölbt ' waren , den Schmutz fort-
zuführen. Bei einem Unwetter die Strassen zu durchwandern,
war Niemandem anzurathen, da alles von den Dächern auf-
gefangene Wasser durch weit vorspringende Wasserspeier mit
grosser Gewalt bis mitten auf die Fahrbahn geschleudert wurde.
Diese aber war allein als Weg zu benutzen; denn den Raum
zwischen den Häusern und den seitlichen Rinnsteinen betrachtete
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— 6 —
jeder Hausbesitzer als sem unbeschränktes Eigenthum. Auf ihm
hatte er seit dem 14. Jahrhundert auch in den engsten Strassen
an beiden Seiten der Hausthür feste Bänke, die sogenannten
Beischläge, errichtet, um an warmen Sommertagen oft unter dem
Schutz einer grossen Linde dem Strassenverkehr zuzuschauen,
die Spiele der Kinder zu überwachen oder über die Strasse hin
mit den Nachbarn freundschaftliche Unterhaltung zu pflegen.
Von hier aus machte er die zum Hause gehörigen Keller zu-
gänglich; auch sorgte er, wenn dieselben als Wohnungen ver-
miethet werden sollten, durch einen kleinen Vorbau fUr einen
gesicherten Eingang. Hier lagerte der Kaufmann gegen Witterung
nicht zu schützende Waaren, der Böttcher legte auf ihm die
Bänder um die von ihm gefertigten Tonnen, der Kupferschmied
hämmerte an seinen Pfannen, der Schmied beschlug in kleinen
isolirt stehenden Häuschen, den sogenannten Nothställen, ihm
vorgeführte störrige Pferde, und auch mancher andere Hand-
werker rückte seinen Werktisch in's Freie. Es war also für
reichliche Augenweide gesorgt. Doch durfte der Wanderer nicht
ungetheilt diesem Strassenleben seine Aufmerksamkeit zuwenden ;
denn ihn bedrohten Gefahren mancherlei Art. Die Zahl der
Wagen, die ihm begegnete, war allerdings nur eine geringe ; denn
sie wurden, da die Reisen zu Pferde unternommen und in der
Stadt auch von den vornehmsten Personen alle Gänge zu Fusse
gemacht wurden, nur zur Fortschaffung von Waaren benutzt;
sie näherten sich ihm aber fast lautlos, indem der das Pflaster
bedeckende Schmutz das Geräusch der Räder dämpfte. Oft
wurden auch die engsten Strassen zur Lagerung von Waaren und
Baumaterialien sowie zur Aufstellung von Karren und Geräth-
schaften verwandt, denen man behutsam ausweichen musste;
nicht selten versperrte den Weg ein mit einem hölzernen Ge-
länder umgebener Grundbrunnen oder Sood, aus dem das
Wasser, wie es scheint, nicht durch eine Pumpe, sondern wie
noch jetzt auf dem Lande durch einen grossen, weit vorspringen-
den Hebebaum gewonnen ward. In seiner Nähe war Behutsam-
keit vornehmlich geboten ; denn das unnütz vergossene Wasser
riss dort stetig grosse Lücken in das Pflaster, fiir deren Be-
seitigung erst dann gesorgt ward, wenn der Sood selbst ge-
fährdet schien. Einen unaufmerksamen Wanderer konnte auch
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leicht der Unfall treffen, dass ein von einem muthwilligen Buben
aufgescheuchtes Huhn ihm entgegenflog, oder dass ein Schwein
ihm zwischen die Beine lief und ihn unerwartet zu Fall
brachte. Veranlasst durch die vielen Festtage der katholischen
Kirche hielt nämlich fast jeder Bürger eine grosse Zahl von
Federvieh, das für seine Nahrung meistens auf den Strassen-
kehricht angewiesen war. Die Aufzucht von Schweinen ward,
mit alleiniger Ausnahme der Wohlthätigkeitsanstalten , die diese
Vergünstigung bis in die neueste Zeit genossen, erst im Jahre
1583 den Lübecker Bürgern untersagt; sie frei auf der Strasse
umherlaufen zu lassen, war allerdings schon im 15. Jahrhundert
nicht erlaubt; doch scheinen sich die Eigner hierum wenig ge-
kümmert zu haben, zumal der Rath den Mönchen des Antonius-
Stifts in Tempzin bei Wismar gestattet hatte, alljährlich 20 Schweine,
die sogenannten Tönniesschweine, in den Strassen der Stadt auf
die Weide zu schicken und sie bei Tag und Nacht ohne Auf-
sicht dort umherlaufen zu lassen.
Da eine öffentliche Beleuchtung dazumal noch nicht bestand
(sie ist erst im Jahre 1732 eingeführt worden), so mehrten sich
alle diese Unannehmlichkeiten, sobald die Dunkelheit herein-
gebrochen war. Dann musste ein jeder, der die Strassen sicher
durchschreiten wollte, sich durch einen fackeltragenden Diener
geleiten lassen; aber trotzdem lief er, namentlich wenn ihn sein
Weg bei Schenken oder Badstuben vorbeiführte, oder wenn er
abgelegene Gassen zu durchschreiten hatte, oftmals Gefahr, von
rauflustigem Gesindel oder lockeren Frauen behelligt zu werden,
da die Nachtwache, an der sich die Bürger nach einer be-
stimmten, für jedes Kirchspiel gesondert geordneten Reihenfolge
zu betheiligen hatten, meistens dann, wenn sie Schutz gewähren
sollte, nicht zur Stelle war.
Die Häuser wurden nach ihrer Bauart bei der Zuschrift im
Stadtbuche schon seit der ältesten Zeit als Querhäuser und
Giebelhäuser unterschieden. Von diesen lagen die ersteren mit
ihrer Dachseite der Strasse zugewandt; sie bestanden zumeist
nur aus einem niedrigen Erdgeschoss, auf dem unmittelbar die
Dachbalken ruhten. Als Unterkunftsort von Handwerkern und
Arbeitern waren sie durch Querwände in kleine Wohnungen ab-
getheilt, deren jede nur Raum für eine Diele und eine an ihr
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belegene Kammer darbot. Die Giebelhäuser waren, wenn sie
noch dem 13. Jahrhundert angehörten, und deren war dazumal
noch eine grosse Zahl vorhanden, nach oben hin in der Rich-
tung des Daches abgeschrägt; die später erbauten zeigten fast
sämmtlich einen treppenförmig sich abstufenden Aufbau, den
sogenannten Treppengiebel. Doch waren einzelne Hauseigner,
wohl durch Zureden des mit Herstellung des südlichen Rathhaus-
anbaues, des Gebäudes der Kriegsstube, betrauten Baumeisters,
veranlasst worden, in gleicher Weise, wie es dort geschehen, ihr
Haus nach oben durch eine gerade, mit Thtlrmen und kreis-
runden Windöffnungen gezierte Mauer abzuschliessen. Auf allen
Giebeln und Thurmspitzen drehten sich Windfahnen, deren Her-
stellung die Kleinschmiede mit besonderer Kunstfertigkeit be-
trieben.
In eins dieser Häuser, das sich durch seine Breite und
Höhe vor den andern auszeichnet und hierdurch bekundet, dass
es von einem angesehenen Manne bewohnt wird, bitte ich Sie
mit mir einzutreten. Es macht schon von aussen einen sehr
freundlichen Eindruck, da an der Fagade Schichten von schwarz-
glasirten und rotlien Steinen regelmässig mit einander abwechseln.
An seinen beiden Seiten ist ein grosses ungetheiltes Fenster an-
gebracht, das fast bis zu den Bodenräumen reicht ; diese erhalten
durch schmale der Giebelwand eingefugte Fensteröffnungen das
nöthige Licht, sobald die für gewöhnlich geschlossen gehaltenen
hölzernen Luken geöffnet werden. Die weit vorspringenden Bei-
schläge sind von der Strasse durch hohe Steinpfeiler abgegrenzt;
auf ihnen ist nach oben das Wappen der Familie zierlich ein-
gemeisselt; nach unten sind mehrere eiserne Ringe eingefügt,
damit einkehrende Gäste und Handelsleute an ihnen ihre Pferde
befestigen können. Auf der Bank sitzt ein junger Geistlicher,
der zur Familie gehört, da er dem Hausherrn bei seiner"
Correspondenz und bei der Führung der Bücher hülfreiche Hand
leistet und da ihm die Erziehung der Söhne anvertraut ist ; denn
diese müssen, sie sind ja Patricierkinder, den öffentlichen latei-
nischen Schulen ferngehalten werden. Auf unser Ersuchen ge-
währt er nicht nur den Zugang zum Hause, sondern er erbietet
sich auch, als Führer zu dienen, da die Familie zur Zeit auf
einem benachbarten Gute weilt, wo der Ehemann, in Ausübung
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— 9 —
des ihm zustehenden Blutbannes , über einen des Mordes ange
klagten Heuerling zu Gericht sitzen, die Frau nach der Wirth-
schaft sehen will.
An der hohen und breiten, wie bei allen Giebelhäusern,
genau in der Mitte des Gebäudes belegenen Eingangsthür sind
die grossen eichenen Thürflügel, die in einer für den Muthwillen
der Jugend nicht zu erreichenden Höhe mit einem messingenen
Handgriff und einem aus einem grossen Ringe bestehenden
Klöpfel versehen sind, weit geöffnet. Wir haben also einen
freien Zutritt auf die mit Rundsteinen schlecht gepflasterte Diele.
Diese wird in ihrem vorderen, kleineren Theile durch an beiden
Seiten eingebaute Wohnstuben bis zu einem schmalen Zugangs-
wege eingeengt ; nach hinten verbreitert sie sich über den ganzen
Raum des Hauses. Ihr Licht empfängt sie durch grosse nach
dem Hofe führende Fenster. Da aber diese mit kleinen Butzen-
gläsem verglast sind, so herrscht auf ihr namentlich bei be-
wölktem Himmel auch zur Mittagszeit ein stetes Halbdunkel.
Unmittelbar neben der vorderen Stube liegt die nach allen Seiten
offene Küche. Auf dem grossen, aus Mauersteinen errichteten
Feuerherde hängt an einem zierlich gearbeiteten eisernen Haken,
der in dem weit sich öffnenden Schornstein angebracht ist, ein
grosser Kessel, in welchem die Biersuppe für das Vesperbrod
gekocht wird. An der anderen Seite sind eiserne Grapen, kleine
irdene, schön glasirte Töpfe und mehrere eiserne Bratspiesse
aufgestellt; von den letzteren haben einzelne eine solche Grösse,
dass sie einen Viertel - Ochsen zu tragen vermögen. Auf den
zahlreichen, an den Seitenwänden angebrachten Börtern ordnet
der Koch — denn einem solchen und nicht einer Köchin ist in
den Häusern der Reichen die Bereitung der Speisen anvertraut —
die soeben frisch gescheuerten kupfernen Pfannen, die messingenen
Kessel, sowie die zahlreichen zinnernen Schüsseln, Kannen und
Bierkrüge. Er benutzt hierbei eine einfache Thranlampe, d. h.
ein flaches, vorne spitz auslaufendes blechernes Gefäss, in welchem
ein in Thran getauchter Docht brennt. Aehnliche Lampen
hängen an verschiedenen Stellen oberhalb des Herdes; denn
die dünnen Talglichte, welche neben ihm eine alte Frau in einer
zinnernen Form giesst, sind nur für den Gebrauch der Herrschaft
bestimmt.
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An der gegenüberliegenden Seite ist die Diele mit einem
hölzernen Panelwerk bekleidet, in welchem mehrere in der seit-
lichen Brandmauer ausgestämmte Schränke angebracht sind. In
der nach dem Hofe belegenen Ecke führt eine schmale Wendel-
treppe zu den niedrigen Bodenräumen, die in mehreren Etagen
übereinander auf starken, nach unten nicht verkleideten eichenen
Balken ruhen. Durch Luken, die in ihrer Mitte angebracht
sind, können die Waaren von der Diele aus mittelst einer
Winde bis unter die Spitze des Daches gefördert werden. An
der entgegengesetzten Ecke der Diele gelangen wir auf einer
kleinen Treppe zu einer offenen hölzernen Gallerie, auf welcher,
sich anlehnend an die Seitenmauer, dunkle Schlafkammem für
das Gesinde und die Handlungsgehülfen angebracht sind. Die
Innenseite der Thüren und die Wände sind durch Heiligenbilder
verziert, die seit kurzem ein Lübeckischer Briefmaler in Holz-
schnitt herstellt. Nach vorne führt ein schmaler Gang zu einer
sehr niedrigen Stube, die ihr Licht von dem grossen strassen-
wärts belegenen Fenster erhält. Sie wird den aus der Feme
kommenden Gästen zum Aufenthalt angewiesen und dient, wenn
solche nicht vorhanden sind, unserem Geistlichen zur Ertheilung
seines Unterrichts. Hätte er uns solches nicht berichtet, so
würden wir es schon daraus entnommen haben, dass er, so-
bald er die Thürschwelle überschritt, gewohnheitsgemäss nach
einem an der Wand hängenden, hölzernen Pritschholz griff;
denn mehr als in der Jetztzeit galt damals der Grundsatz,
dass ohne häufige Schläge kein Knabe zu einem tüchtigen Manne
erzogen werden könne.
Zu einer ähnlichen, an der anderen Seite des Hauses nach
der Strasse zu belegenen Stube gelangen wir durch eine kleine
unmittelbar von der Diele zu ihr führende Treppe. Der grösste
Theil des inneren Raumes wird von einem eichenen Tische ein-
genommen ; er ruht auf schräg gestellten, kreuzweis über einander
gefügten, mächtigen Füssen und ist nahe an eine, fest an der
Wand angebrachte, nach unten mit Schränken versehene Bank
hinangerückt. Die auf ihm liegenden, in rothem oder grünem
Leder eingebundenen Bücher und die zahlreich umhergestreuten
Schriftstücke, sowie die hölzernen mit Wachs überzogenen Schreib-
tafeln verkünden, dass hier der Hausherr mit seinen Gehülfen
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sich der Arbeit unterzieht. Unmittelbar am Fenster ist ihm durch
ein aufgelegtes Kissen und durch ein an der Rückseite eingefügtes
Polster sein Platz bereitet. Ihm gegenüber steht an der anderen
Seite des Tisches eine mit Eisen beschlagene Kißte, die den
Namen Scliiffskiste führt; in ihr ruhen sicher und wohlverwahrt
die Pergamente und Verschreibungen, auf welche sich der Besitz
der Familie stützt.
Nachdem wir von hier wieder auf die Diele gelangt sind,
werden wir, da die Besichtigung der vorderen Zimmer bis zuletzt
verschoben werden soll, zu einem Besuche des Hofes und Gartens
eingeladen. Ein Flügelanbau war dazumal weder hier noch an
einem andern Hause der Stadt vorhanden. Seine Stelle nahmen
vielfach kleine Buden ein, die den Eltern des Hausbesitzers als
Altentheilswohnungen dienten oder an geringe Leute vermiethet
waren. Letztere hatten, da an der Seite des Hauses belegene
Gänge erst im folgenden Jahrhundert hergestellt wurden, einen
freien Verkehr durch das Vorderhaus. Von einem Patricierhause
hielt man aber die hieraus entstehenden Unannehmlichkeiten fem,
und so befinden sich in unmittelbarer Nähe der Hofthür Ställe
für Pferde, Kühe, Schweine und Federvieh. Im Gegensatz zu
dem Haupthause, das zufolge einer bereits 1276 nach dem
grossen Brande erlassenen Rathsordnung in allen seinen Um-
fassungsmauern massiv aufgeführt werden musste, sind sie zum
Theil aus Fachwerk mit Lehmzwischenwänden, zum Theil aus
Holz erbaut und mit Stroh gedeckt. Für einen genügenden Ab-
fluss der Flüssigkeiten ist nicht gesorgt, und doch liegt neben
denselben ein grosser aus Feldsteinen lose aufgesetzter Brunnen,
der wie bei allen in der Mitte der Stadt gelegenen Gebäuden
den Bewohnern dazumal den alleinigen Bezug des für ihre
Nahrung und ihren Wirthschaftsbetrieb nöthigen Wassers ermög-
lichte. An der anderen Ecke befindet sich das heimliche Ge-
mach, das mit einer tief in den Boden eingesenkten, aus-
gemauerten Grube in Verbindung steht. Diese ist ein alleiniges
Eigenthum des Hauses, während sie, wie uns berichtet wird, in
den meisten Stadtgegenden ein Zubehör mehrerer benachbarter
Gebäude bildet, deren Eigner auf gemeinsame Kosten für ihre
Unterhaltung und Reinigung zu sorgen haben. Letztere geschah
höchstens alle 20 bis 30 Jahre; sie nahm aber dann auch mehrere
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Nächte in Anspruch. Mit derselben hatte sich der Frohn zu
befassen, der die Arbeit durch seine Knechte und deren Frauen
ausführen liess ; dass auch die letzteren sich hieran zu betheiligen
hatten, darf nicht Wunder nehmen, da zu jener Zeit ein gut
Theil schwerer Arbeit, z. B. das Entladen der Flussschiffe und
der Transport der bei einem Bau verwandten Mauersteine, den
Frauen oblag. Für die Fortschaffung des Unraths bestand nur
eine Vorschrift, auf deren Befolgung strenge geachtet wurde;
bei nachdrücklicher Strafe war es verboten, einen mit Unrath
beladenen Wagen bei dem Wohnhause eines Rathsherm vorbei-
zuleiten.
Da ein& gelegentliche Bemerkung, es habe doch sein Be-
denken, Brunnen und Ställe in so nahe Verbindung mit einander
zu bringen, denn es sei zu befürchten, dass die pestartigen
Krankheiten, welche stets in kurzen Zwischenräumen ausbrächen
und alsdann einen grossen Theil der Bevölkerung hinrafften,
hierdurch wesentlich gefördert würden, in ihrer Bedeutung nicht
einmal verstanden wird, so verzichten wir, um möglichst schnell
den keineswegs lieblichen Düften zu entfliehen, auf eine Besich-
tigung des Gartens, in welchem sparsam Blumen, im Frühjahr
Primeln und weisse Lilien, im Sommer Nelken und Rosen im
Schatten hochgewachsener Obstbäume nur kümmerlich gedeihen,
und eilen in das Haus zurück.
Mit einem grossen schweren Schlüssel wird in der rechten
Vorderstube das an der Innenseite der Thür befindliche, in zier-
licher Schmiedearbeit hergestellte Kastenschloss geöffnet. Wir
betreten das Zimmer, in welchem sich das ganze häusliche Leben
der Familie abwickelt. Sein Fussboden ist nicht, wie in den
meisten anderen Häusern, aus Lehmschlag hergestellt, sondern
er besteht aus schön glasirten, mannigfach geformten Ziegel-
steinen, den aus Holland bezogenen Astraken. Auf denselbeii
sind, wie noch jetzt in Schweden, Binsen und grüne Blätter
ausgestreut. Die Wände sind fast bis zur Manneshöhe mit einem
einfach verzierten Panelwerk bedeckt; die oberhalb desselben
belegene Wand, welche früher alljährlich zu Pfingsten frisch
geweisst wurde, ist seit kurzem mit aus Flandern bezogenen
gepressten Ledertapeten bekleidet. Die Decke ist niedrig und
nur mit Kalk übersetzt. Das grosse Fenster, das durch hölzerne
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Pfosten dreigetheilt ist, besteht aus kleinen, in Blei gefassten
rautenförmigen Scheiben von grünlichem Schimmer; in jeder
Abtheilung hat der Hausherr das ihm und seiner Frau zuständige
Wappen aus farbigem Glase angebracht. Das Fenster reicht bis
nahe an den Erdboden hinab und lässt nach innen eine breite
Brüstung frei. Auf dieser liegt ein reich gesticktes Kissen, am
Tage der Lieblingssitz der Frau und ihrer Töchter, da sie von
hier aus sich an dem bunten Leben, das sich auf den Strassen
bewegt, ungestört erfreuen und für ihre *Flick- und Stopfarbeiten ge-
nügendes Licht gewinnen können. In der Nähe des Fensters steht
ein langer eichener Tisch, der an eine fest an der Wand ange-
brachte Bank hinangerückt ist. An seiner dem Fenster abge-
wandten Seite schauen wir einen massiven Lehnstuhl, dessen
Seiten- und Rückenlehne geradlinig verlaufen ; es ist der Sitz des
Hausherrn. Neben demselben stehen an der anderen Seite des
Tisches mehrere niedrige Höcker. Für die Bank und den Lehn-
stuhl sind reich gestickte Kissen vorhanden; die Höcker ent-
behren solcher, denn sie dienen bei den Mahlzeiten als Sitz für
das Gesinde und die Hausarmen, die an bestimmten Tagen
jeder Woche von den Reichen an ihren Tisch geladen werden.
Den Hauptschmuck des Zimmers bildet das Bett. Während es
von Handwerkern und geringen Leuten in einem dem Panelwerk
eingefügten, mit Thüren versehenen Schrank den Blicken ent-
zogen wird, baut es sich hier an der rückwärts gelegenen Wand
gar mächtig und prächtig auf. Die Bettstelle ist allerdings nur
einfach aus Holz zusammengefügt; aber hoch schwellen die
Kissen, und bedeckt sind sie von einer reich gewirkten aus
Flandern bezogenen Decke, die auf beiden Seiten bis an den
Fussboden hinabreicht. Daneben ist an der Wand ein kleines
Bord angebracht, auf dem eine auf Pergament geschriebene platt-
deutsche Uebersetzung der Evangelien, mit Miniaturen geschmückte
Gebetbücher und einige der seit kurzem in Lübeck gedruckten
Erbauungsbücher aufgestellt sind. Seine Wärme erhält das Zimmer
während der Winterzeit durch einen grossen, nur von aussen
heizbaren Ofen, der aus grünglasirten , topfförmig vertieften
Kacheln besteht. Er ist erst vor kurzem errichtet und der be-
sondere Stolz des Hausherrn, und doch soll er sich noch gerne
der Zeiten erinnern, als er und seine Famihe sich des Abends
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an einem offenen, mit Kohlen geheizten Kamin versammelten,
ihre entblössten Füsse am Feuer wärmten und sich freuten, wie
viel besser sie es doch hätten, als die vielen, die sich zur Er-
wärmung ihrer Räume mit einer Pfanne begnügen müssen, in
der glühende Holzkohlen aufgehäuft sind. Einrichtungen, die
damals und noch viele Jahre später in den Räumen des Raths-
kellers, auf der Rathhausdiele , auf der noch jetzt die grosse
kupferne Pfanne liegt, und wohl auch im Rathssaale bestanden,
denn letzterer erhielt erst im Jahre 1572 einen Ofen, was, wie
der Chronist Rehbein berichtet, bis dahin unmöglich schien.
Der an der anderen Seite der Diele belegenen Stube sieht
man es sofort an, dass sie nicht in täglichem Gebrauch steht;
es ist die sogenannte beste oder Staatsstube, die nur bei beson-
deren Veranlassungen erschlossen wird. Ihre Einrichtung ist die
nämliche, wie in der soeben beschriebenen; nur ist das Getäfel,
welches die Wände bekleidet, reicher geschnitzt und mit einer
grossen Zahl von Verschlagen versehen. Die Ledertapete, auf
welcher zwei von einem Lübecker Maler gefertigte Heiligenbilder
hängen, ist auf das schönste mit Gold verziert. Von der weissen
Gypsdecke, an welcher goldig gemalte Sterne angebracht sind,
hängt ein künstlich gearbeiteter runder messingener Reifen herab,
an dessen Aussenrande mehrere Wachslichte befestigt sind. Das
von aussen eindringende Licht wird durch einen seidenen Fenster-
vorhang gedämpft. Auf der Platte des grossen Tisches ist in
eingelegter Arbeit eine Schlacht aus der jüdischen Geschichte
dargestellt. Das Bett ist so schmal, dass es nur einer Person
Raum gewährt ; nach oben wird es zum Theil von einem kleinen
Baldachin überragt, an dem weisse, mit bunten Farben bestickte
seidene Vorhänge angebracht sind. Auf ihm liegt ein reich ge-
wirkter flandrischer Teppich, welcher die mit breiten Spitzen und
mannigfachen Stickereien geschmückten und durch goldene Knöpfe
zusammengehaltenen seidenen Kissenbühren unbedeckt lässt. An
den Wänden stehen niedrige eichene Truhen, deren Vorderseiten
mit Holzschnittwerk versehen und deren Deckel nach oben mit
seidenen Kissen belegt sind, damit sie, wenn die Zahl der Be-
sucher eine grössere ist, als Sitzplätze benutzt werden können.
Eine nach der anderen werden sie uns von unserem freund-
lichen Führer erschlossen. Die erste birgt den Leinenschatz der
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Hausfrau. Er ist weit geringer, als wir erwarteten; denn für
jedes Bett ist an Laken und Bühren nur soviel vorhanden, dass
ein einmaliger Wechsel möglich ist. Unter der wenig zahlreichen
Leibwäsche fallen zwei seidene Hemden in die Augen, von denen
das eine zugleich mit einer Badekappe dem Manne am Hoch-
zeitsmorgen von seiner Braut geschenkt ist, das andere von der
Frau getragen wird, wenn sie Wochenbettsbesuche annimmt.
Ihren höchsten Stolz bildet ein grosses aus Linnen hergestelltes
Tischtuch, über welches eine kleinere, mit mannigfachen Figuren
geschmückte, gleichfalls aus Leinen gefertigte Decke ausgebreitet
wird. Noch reicher gestickt ist ein Tuch, mit welchem der zur
Aufnahme des Silbergeräths bestimmte Credenztisch bedeckt wird.
Servietten sind nicht vorhanden ; auch fehlt es an geringwerthigem
Tischzeug, da solches für den täglichen Gebrauch keine Ver-
wendung findet. In einer Ecke liegt zusammengerollt eine aus
mehreren weichen Kalbfellen zusammengefügte Decke, die der
Hausherr, wenn er auf Reisen geht, mit sich nimmt, um auf ihr
in den mit Stroh gefüllten Gastbetten zu ruhen und sich gegen
unangenehme nächtliche Angriffe zu sichern.
Während wir mit der Besichtigung beschäftigt, sind die
in einer anderen Truhe bewahrten Kleidungsstücke der Frau
in der Stube ausgelegt. An erster Stelle sehen wir ein weiss-
seidenes, an dem weit ausgeschnittenem Brustlatz und an
den Aermeln reich mit Perlen verziertes Untergewand, das mehr
als IOC Mark oder nach jetzigem Kaufwerth fast 3000 Mark
gekostet hat. Als Ueberwurf dient bei festlichen Gelegenheiten
eins von den drei daneben ausgebreiteten Kleidern. Sie sind
aus schwerem, festem flandrischen Tuch gefertigt und nach oben
sowie an den offenen Aermeln mit goldenen Zierrathen benäht,
weshalb sie mit dem Namen »besmidete Röcke« bezeichnet
werden. Ihre Taille wird dicht unter der Brust durch einen
reich vergoldeten silbernen Gürtel zusammengefasst *, der Rock
fällt in steifen Falten abwärts ; nach vorne ist er sehr kurz, damit
das mit einer breiten Borde versehene Untergewand und die
spitz auslaufenden Schuhe zu Gesicht kommen, nach hinten
endet er in eine lange Schleppe. Von ihnen ist das eine
scharlachroth, das andere grün und das dritte weiss. Während
die beiden ersteren nebst dem Untergewand noch der Aussteuer
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angehören, ist das dritte der Frau vom Gatten geschenkt, als
bei dem Feste, öjsls im Jahre 1478 der Rath dem in Lübeck
zum Besuch verweilenden Herzoge Albrecht von Sachsen auf
dem Rathhause gab, die Frauen der Patricier und der Mitglieder
der Kaufleutecompagnie an einem Tage in rothen, am andern
in weissen Kleidern erscheinen sollten. Weit einfacher ist ein
scharlachrothes, am Sonntag beim Besuch der Messe und ein
blaues, an Werktagen im Hause getragenes Kleid; doch sind
auch diese aus flandrischem Tuch gefertigt. Von den Mänteln,
die den Namen Hoiken führen, ist der vornehmste mit Hermelin,
der nächstbeste mit weissen Fuchsfellen gefüttert ; für einen jeden
ist ein mit Perlen gestickter Kragen vorhanden. Vier andere,
daneben liegende Mäntel sind gleichfalls sämmtlich mit Pelzwerk
versehen, doch ist dieses von geringerem Werthe; auf zweien
sind goldene Zierrathe festgenäht, die beiden anderen bestehen
aus Tuch, das aus Arras in Flandern bezogen ist. Als Kopf-
putz dienen zuckerhutartige, aus Draht oder Pappe hergestellte
hohe Aufsätze, die mit feinem Tuche bekleidet und reich mit
Perlen und Goldschmuck verziert sind; von ihrer Spitze fallt
ein Schleier bis weit über den Rücken hinab.
Da der Werth dieser Garderobe sich nach unserem Gelde
auf mehr als 12,000 Mark beläuft, so ist es für den Hausherrn
erfreulich, dass die Mode nicht einem steten Wechsel unter-
worfen ist; denn die Kleider, welche die Braut bei Abschluss
der Ehe ihrem Manne zubringt, reichen meistens, bis der Tod
sie abruft.
Nur der Kopfputz unterliegt steten Veränderungen, und
hieraus entsteht bei den grossen Kosten, die seine Anschaffung
erfordert, mancherlei Grund zu Streit und Zwist zwischen den
sonst friedlich mit einander lebenden Ehegatten.
In der Truhe, welche für die Kleider des Mannes bestimmt
ist, liegen enganschliessende Beinkleider, sich dem Körper an-
schmiegende Unterröcke, weite bis fast an das Knie reichende
Oberröcke und mit verschiedenartigem Pelzwerk gefütterte Mäntel.
Um uns nicht zu ermüden, wird nur sein Festtagsanzug, den
er bereits bei seiner Hochzeit getragen hat, hervorgeholt. Der
untere Rock besteht aus grüner Seide, der obere aus dem feinsten
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scharlachrothen Tuch. Der letztere ist reich mit goldenen Zier-
rathen benäht; an den Aermeln und an der Brust sind in ihm
mehrere Schlitze angebracht, durch welche das seidene Hemd
und das Untergewand hervorsehen; an den Oberarmen und auf
den Schultern sind im Unterfutter starke Wattirungen angebracht,
so dass es aussieht, als wenn der Kopf sich zwischen zwei
Höckern erhebt. Hierzu trägt er aus dem feinsten Leder ge-
fertigte Schnabelschuhe' und einen runden schwarzen Hut, um
den ein breites weissseidenes Band, die Sendelbinde, geschlungen
ist, das nach vorne in einer Schleife bis auf die Brust hinabfallt.
Dass auch die Kleidung des Mannes einen sehr hohen
Werth besitzt, entnehmen wir daraus, dass nach dem uns er-
statteten Bericht ein gewöhnlicher Bürger für die Anschaffung
seines Sonntagsrockes 500 bis 600 Mark unseres jetzigen Geldes
verausgabt, und dass ein solcher gar häufig selbst an fern ge-
legene Klöster letztwillig vermacht wird.
Von dem Kinderzeug, das eine andere Truhe birgt, soll nur
das rothsammtene Taufkleid, ein altes Erbstück der Familie,
Beachtung verdienen; wir wenden uns daher sofort zu einer Be-
sichtigung des Silberschatzes, der mehr als 100 löthige Mark wiegt
und nach jetzigem Gelde einen Werth von fast 20,000 Mark
besitzt. Es erschliessen sich uns die in der Wand befindlichen
Schränke, und verwunderten Blickes schauen wir auf die Fülle
des schön gearbeiteten, zum grösseren Theil aus Flandern be-
zogenen Geschirrs. Grosse Pokale, die mit dem Wappen des
Hausherrn verziert sind, silberne Weinkannen, auf deren einer
das Bild des Ritters St. Georg steht, schön geschnitzte Kokus-
nüsse auf silbervergoldeten Füssen, flache Schalen, aus denen
süsser Wein getrunken wird, Konfektteller mit Schaufeln und
Forken, Becher in grösster Zahl und von der mannigfaltigsten
Gestalt, unter ihnen ein Dutzend, die in sich immer verjüngender
Gestalt einer in den andern geschachtelt sind, silberne Füsse
mit darauf geschrobenen Crystallgläsern, eine Wasserkanne nebst
einer in ihrer Mitte mit dem Antlitz Christi verzierten grossen
Schale, in welcher den Gästen, wenn sie sich zu Tische setzen
und wenn sie sich von demselben erheben, Wasser zur Reinigung
ihrer Hände verabreicht wird, Salzfässer, reich vergoldete Ess-
löffel mit gewundenen Stielen für Festtage und ein Dutzend
Hansische Geschichtsblätter. XV. 2
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einfachgestalteter für den täglichen Gebrauch und noch vielerlei
anderes Geräth. Dies alles im Einzelnen zu betrachten, mangelt
leider die Zeit; denn inzwischen ist ein mit Silber beschlagener,
mit Elfenbeinschnitzereien verzierter Kasten geöffnet, in welchem
der Goldschmuck des Hausherrn und seiner Frau aufbewahrt
wird. An erster Stelle erblicken wir eine schwere goldene Kette
mit einem grossen Kreuze, die, schon seit vielen Generalionen
stets von dem Vater auf den ältesten Sohn vererbt, von dem
Hausherrn als sein grösster Schatz betrachtet und nur bei den
feierlichsten Gelegenheiten getragen wird. Der werth vollste
Schmuckgegenstand der Frau ist die goldene Broche im jetzigen
Werthe von 2000 Mark, die sie als Handtruwe oder Gelöbniss
an ihrem Hochzeitstage von ihrem Manne geschenkt erhalten
hat. Neben ihr liegen ein mit Löwenköpfen verzierter Gürtel der
Frau und ein Gürtel des Mannes, an dem, befestigt durch eine
silberne Kette, ein Messer hängt, dessen Scheide mit eingelegter
Arbeit reich verziert ist. In einem anderen ]?ache schauen wir eine
schwere Korallen-Halsschnur, verschiedene Rosenkränze, deren
werthvollster aus grossen durchsichtigen Bernsteinperlen gebildet und
mit einem daran hängenden goldenen Agnus Dei, Lamm Gottes,
verziert ist, viele in durchbrochener Arbeit hergestellte Spangen,
das schwere goldene Petschaft des Mannes, mannigfach geformte
Knöpfe, durch welche die Kleider beider Eheleute vorne zu-
sammengehalten werden, und zahlreiche mit Diamanten, Saphiren,
Rubinen, Türkisen und grossen Perlen geschmückte Fingerringe.
Unter den letzteren sind zwei von besonderem Interesse; der
eine von ihnen enthält ein Stück von dem fabelhaften Einhorn,
der andere einen Blutstein, der jeden Bluterguss sofort stillen soll.
Nachdem sodann noch den Waffen des Hausherrn, dem
Brustharnisch, den Beinschienen, dem Helm und dem grossen
Schwerte, alles Erbstücke seiner Vorfahren, und der mit Elfen-
bein ausgelegten, reich geschnitzten Armbrust, mit der er alle
Frühjahr im Kreise der Patricier vor dem Burgthor nach dem
Papageienvogel zu schiessen pflegt, ein flüchtiger Blick zu-
geworfen ist, ergeht die Aufforderung, vor dem Fortgange sich
von den Anstrengungen, die eine stundenlange Besichtigung ver-
anlasst hat, durch einen kühlen Trunk Hamburger Bieres zu
stärken.
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Während der Besichtigung der Vorzimmer ist die Diele in
ihrem hinteren Theile mit Stroh belegt; ein grosser Tisch ist
aufgeschlagen, an den rohe hölzerne Bänke ohne Rückenlehnen
hinangerückt sind. Da es bereits dunkelt, ist von der Decke
ein grosser tonnenbandartiger Reifen herabgelassen und mit
brennenden Talglichtern besetzt. Zinnerne Krüge aufzusetzen
und sie mit Bier zu füllen, das aus dem benachbarten Ham-
burger Bierkeller herbeigeholt ward, ist die alte Frau beschäftigt,
der wir schon früher am Küchenheerd begegneten. Da unser
Führer, um alles wieder in Ordnung zu bringen, uns noch nicht
gefolgt ist, so lassen wir uns mit ihr in eine Unterhaltung ein
und erfahren, sie sei die Amme der Hausfrau und mit ihr in
das Haus gekommen : jetzt sei sie alt und kümmerlich und, da
sie nicht Neigung habe, wie andere bejahrte Dienstboten, in ein
Beginenhaus einzutreten und dort frommen, geistlichen Uebungen
obzuliegen, so habe ihr der Herr versprochen, sie in einen unter
seinem Patronat stehenden Armengang aufzunehmen ; alsdann sei
sie nur verpflichtet, abwechselnd mit den anderen Frauen unent-
geltlich in Krankheitsfällen oder bei Wochenbetten der Familie
und ihrer sämmtlichen Angehörigen die Pflichten einer Wartefrau
zu erfüllen. An sie richten wir eine Frage, die uns schon früher
auf der Zunge gelegen, die wir uns aber gescheut hatten dem
jungen Geisüichen vorzutragen : was es für eine Bewandtniss
habe mit dem schmalen Bett in der Staatsstube und der grossen
Bettstatt, die im Wohngemach aufgeschlagen sei, und wo sich die
Schlafstuben der Kinder befänden. Von ihr erfahren wir nun,
dass das erstere nur benutzt wird, wenn sich die Familie um
einen Sprössling vermehrt. Zwanzig Frauen aus der Verwandt-
schaft und Bekanntschaft, aber keine grössere Zahl, so will es
der Rath^ dürfen sich dann hier versammeln; eine jede von
ihnen hat später der mit einem weissseidenen Hemde im Pracht-
bette ruhenden Wöchnerin ihren Besuch abzustatten; aber nur
ihrer zwölf dürfen das Kind, wenn es zur Taufe in die Kirche
getragen wird , dahin begleiten ; auch dürfen sich nur diese der
Frau anschliessen , wenn sie ihren ersten Kirchgang hält. Bei
jeder solchen Gelegenheit werden sie mit Speise und Trank,
namentlich aber mit vom Apotheker gefertigten Confituren und
mit süsser Mandelmilch festlich bewirthet. Erst wenn das Kind
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das fünfte Lebensjahr vollendet, haben die Pathen ihm ihre
Geschenke auszuhändigen. Das grosse Bett in der Wohnstube
ist die Schlafstelle der ganzen Familie; in seiner Mitte ruht das
Ehepaar, an der Seite der Frau ihre Töchter, neben dem Manne
seine Söhne. Sie sind lediglich mit einer Nachtmütze bekleidet,
damit sie sich den Kopf, den sie während des ganzen Tages
fortdauernd mit einem Hute oder einer Mütze bedeckt halten,
während der Nacht nicht erkälten. Dass die Frau zu den vor-
nehmsten Bräuten der Stadt gehört habe, könnten wir daraus
ersehen, dass die mit Federn ausgestopften Kissen vjz Schiff-
pfund, d. h. 450 Pfund, wögen : denn der Rath gestatte in seiner
Weisheit ein solches Gewicht nur den Reichsten-, die weniger
Bemittelten müssten sich mit 300 Pfund, die Aermeren mit 150
Pfund Federn begnügen.
Während dessen war auch der Geistliche erschienen und
hatte am oberen Ende der Tafel seinen Platz eingenommen.
Zahlreich und mannigfach waren die Fragen, die ihm von allen
Seiten vorgelegt wurden und, da er sich auf das bereitwilligste
ihrer Beantwortung unterzog, so gewannen wir binnen kurzem
ein anschauliches Bild von dem häuslichen Leben der da-
maligen Zeit.
Im Sommer zwischen 5 und 6 Uhr, im Winter eine Stunde
später, erhebt sich die Familie aus den Federn. Nachdem sie
in der zunächst belegenen Kirche an der Frühmesse theil-
genommen, wird die Morgensuppe verzehrt; dann geht es an
die Arbeit. Wäre der Hausherr ein Mitglied des Rathes, so
müsste er an zwei Tagen der Woche im Sommer vor 7, im
Winter vor 8 Uhr in die Chorräume der Marienkirche eilen, um
sich von dort unter dem Vortritt der Bürgermeister in feierlichem
Zuge bei Glockengeläute in den Rathssaal zu begeben; die
Nachmittagssitzungen des Rathes beginnen um 2 Uhr. Da er
döiiioelben nicht angehört, so kann er sich ungestört seinen
Berufsgeschäften widmen. Zwischen 11 und 12 Uhr erwartet
ihn die Frau zum Mittagessen; dann beginnt die Arbeit von
Neuem, bis zwischen 4 und 5 Uhr das Vesperbrod verzehrt
wird. Nach demselben begiebt er sich an schönen Sommer-
abenden mit seiner ganzen Familie hinaus auf den Garten , den
er vor den Thoren der Stadt besitzt, um die wenigen Blumen,
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die ihn zieren, mit eigener Hand zu pflegen, das Gemüse und
die Früchte der Obstbäume zu ernten und sich zu erlustigen
an den ausgelassenen Spielen der Jugend, die ganz dieselben
sind, wie in der Gegenwart. Die Nacht kann er dort nicht
zubringen ; denn es ist nur ein hölzerner Schuppen, der sogenannte
Bergfriede, vorhanden, der die Geräthschaften birgt und höchstens
bei Regenwetter einen Unterschlupf gewährt. Zur Winterzeit ver-
weilt er am Abend im Versammlungssaal der Compagnie, der
er angehört, oder, wenn er ein Handwerker ist, im Zunfthause;
bisweilen wird auch dem Rathskeller oder dem Hamburger Bier-
keller ein Besuch abgestattet. Ist die Frau noch jung und heb-
reizend, oder stellen sich bei ihm bereits die Gebrechen des
Alters ein, dann verbringt er auch den Abend im eigenen Hause,
lässt sich einen Krug Bier oder ein Stübchen Wein holen, denn
der eigne Keller enthält hiervon keine Vorräthe, und, indem
Mann und Frau wechselweise demselben zusprechen, unterhalten
sie sich von den Freuden und Leiden des Tages oder vertreiben
sich die Zeit mit einem Brettspiel oder sie holen von Nürnberg
bezogene schöngemalte Kartenblätter hervor. Mindestens einmal
in der Woche wird ein Dampfbad genommen. Die reichen
Leute besitzen die hierzu erforderlichen Einrichtungen zumeist
im eigenen Hause; die übrigen suchen mit ihren Frauen eine
öffentliche Badestube auf, um, nur mit einem Badeschurz be-
kleidet, ohne Trennung der Stände und der Geschlechter sich
im gemeinsamen Bade vom Schmutz des Alltagslebens zu reinigen
und sich nachher im Wartezimmer durch einen Schluck kühlen
Bieres zu erfrischen. Nur bei festlichen Gelegenheiten endigt
das Tagewerk später als um 9 Uhr.
Was hast Du gegessen, was hast Du getrunken? Diese
Fragen, die wir jetzt noch so oft hören und so vielfach beant-
worten müssen, haben für die damalige Zeit eine viel grössere
Bedeutung; denn auf gutes Essen und Trinken wird ein beson-
derer Werth gelegt. Kaffee, Thee und Chocolade, die noch
unbekannt sind, werden ersetzt durch eine Milch- oder Biersuppe,
in welcher Hafer-, Gersten- oder Hirsegrütze verkocht ist. Brod
giebt es dreierlei Art : das jetzt noch gebräuchliche Schwarzbrod,
sodann Schönrocken, ein unserm Landbrod ähnliches, aus einem
Gemisch von Roggen und Weizen bestehendes Gebäck, und
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endlich Weissbrod, das in zweierlei Gestalt als Semmeln oder als '
Dreitimpen hergestellt wird. Letztere haben eine keilförmige
Gestalt und sind an ihren drei Ecken mit einem grossen Knust
versehen ; bis in die Mitte dieses Jahrhunderts hatten die Bäcker
sie als Meisterstück anzufertigen; da aber keiner als Gesell
solches gelernt hatte, so musste stetig der einzige hierin geübte
Meister gegen hohes Entgeld mit seiner Kunst aushelfen. Zu
Fastnacht werden heisse Wecken, an den hohen Festtagen mit
Kümmel und Anis bestreute mondförmige Brode gebacken. Bei
den Hauptmahlzeiten, die noch nicht durch eine Suppe ein-
geleitet werden, spielen sehr stark gewürzte Fleischspeisen die
Hauptrolle ; von den ärmeren Leuten wird auch das Ziegenfleisch
nicht verschmäht. Am Martinstage darf auf keinem Tische die
sogenannte Martinsgans fehlen. Während der Fasten und an
jedem Freitag erscheinen auf dem Tische ausser den frischen
Fischen, welche die benachbarten Gewässer liefern und von
denen Lachse damals noch in grosser Zahl an dem der Stadt
gehörigen, bei der Lachswehr belegenen Wehre gefangen wurden,
gesalzene Dorsche und Heringe, geräucherte Stockfische, Butte,
Hechte und Brachsen, sowie gedörrte Flossfedern des an den
dänischen Küsten gefangenen Heilbutts. Besonders beliebt ist der
in der Elbe vorkommende Stör, den der Hamburger Rath bis
zum Anfang des Jahrhunderts alljährlich dem Lübecker Rath
geschenkt hatte und den letzterer, damit seine Mitglieder jener
Delikatesse nicht gänzlich entbehren sollten, später für Rechnung
der Stadt von dort bezieht und unter sich vertheilt. Zur Fasten-
zeit erhält die Hausfrau die erwünschte Gelegenheit, ihre Kunst
in der Bereitung mannigfaltiger Eier- und Mehlspeisen zu be-
weisen. Als Gemüse, das nur in beschränktem Maasse als Zu-
kost benutzt wird, sind Erbsen, Rüben, Petersilienwurzeln und
vor allem Kohl sehr beliebt; Spargel, Spinat, Sauerampfer und
Kartoffeln sind noch unbekannte Genüsse. Im Sommer und
Herbst darf frisches Obst, namentlich auch Weintrauben, die mit
besonderer Vorliebe gezogen werden, auf der Tafel nicht fehlen.
Rosinen und Mandeln werden nur an Sonntagen und bei fest-
lichen Gelegenheiten verabreicht. Käse bildet die gewöhnliche
Zukost zum Vesperbrod. Die Speisen, welche in einer grossen
zinnernen Schüssel aufgetragen werden, sind, wenn ein Koch
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dem Hausstande angehört, bereits vorher von diesem zerlegt;
anderenfalls zertheilt sie der Hausherr mit dem Messer, das er
stetig an seiner Seite trägt. Ihm liegt auch, wie noch jetzt in
England, die Verpflichtung ob, sie unter die Tischgenossen zu
vertheiien, die ihm zu diesem Behufe ihre kleinen hölzernen
Essschalen darreichen. Wie im gewöhnlichen Leben, so auch
bei den festlichen Gelagen, bei denen nach einer noch in späterer
Zeit beobachteten Sitte die Männer an der einen, die Frauen
ihnen gegenüber an der anderen Seite des Tisches ihren Platz
angewiesen erhalten, müssen sich stets zwei Personen mit einer
Schüssel begnügen, aus der sie, da Gabeln noch nicht gebräuch-
lich sind, die Speisen mit einem Löffel, zumeist aber mit ihren
Fingern dem Munde zuführen. Muss das Fleisch vorher noch
weiter zerkleinert werden, so bedient man sich hierzu eines mit
einem schön geschnitzten Holz- oder HomgriflF versehenen Messers,
deren mehrere zerstreut auf der Tafel umherliegen.
Ein täglicher Einkauf der zum Lebensunterhalt erforderlichen
Gegenstände ist nicht üblich ; dieselben werden vielmehr nament-
lich im Beginn des Winters in grösseren Mengen angeschafft.
Die Gelegenheit hierzu bieten die grossen Viehmärkte, welche
allwöchentlich vor dem Rathhause abgehalten werden. Die er-
standenen Thiere werden von hierzu eigens angestellten Schläch-
tern im Hause des Käufers geschlachtet und, wenn es gelungen
ist, ein durch seine Grösse ausgezeichnetes Stück zu erlangen,
am Tage mit Blumen, am Abend mit Lichtem geschmückt in
der geöffneten Hausthür zur öffentlichen Schau ausgestellt. Wie
gross die Vorräthe sind, die in einem einzelnen Hausstand auf-
gehäuft werden, erfahren wir daraus, dass der Lübeckische
Rathssecretär , bei dem unser Geistlicher als Schreibknecht in
der Lehre gewesen, alljährlich einzunehmen pflegt: drei grosse
Ochsen, sechs gute Schweine, ein grosses Speckschwein, fünf
Seiten Speck, zehn Hammel, eine Tonne Heringe, eine Tonne
gesalzenen Dorsch, hundert Stockfische, fünf Schock in Pfeffer
und Essig gelegte Neunaugen, sowie geräucherte Lachse und
sonstige Fische mancherlei Art.
Unter den Getränken nimmt die erste Stelle das Bier ein,
das, da Branntwein nur in den Apotheken als Arznei verab-
reicht wird, in unglaublichen Mengen vertilgt wird und zwar
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gleichmässig von den Männern wie von den Frauen. Das in
Lübeck gebraute Bier ist nur bei den unteren Klassen der Be-
völkerung beliebt; seinen grossen Ruf erlangte es erst im An-
fang des folgenden Jahrhunderts, als ein Kaufmann Israel, von
dem es später seinen Namen erhielt, die Hamburger Brauart ein-
führte und ein in der unteren Fischergrube wohnender Brauer
die Herstellung von Weissbier, nach ihm Vrillenbier benannt,
erfand. Die höheren Stände erlaben sich vornehmlich am Ham-
burger Bier; bei festlichen Gelegenheiten tritt an seine Stelle
Braunschweiger Mumme oder Eimbecker Bier, welches letztere
auch vom Rathe zu Geschenken an hier weilende Fürsten und
deren Gesandte benutzt wird. Während wir den französischen
Wein allen anderen vorziehen und glauben, dass er bei der Un-
gunst unserer Witterung der Gesundheit besonders zuträglich ist,
begünstigten unsere Vorfahren den Rhein- und Frankenwein. Je
älter er ist, desto höher wird er geschätzt; doch verschmähen
sie auch nicht den noch gährenden Most, von dem die zuerst
in Lübeck anlangende Fuhre alljährlich unter grossem Zulauf der
Bevölkerung mit Trommelschlag in den Rathskeller geleitet wird.
Um die Säure zu mildern, wird der Wein in den Apotheken
mannigfach mit Gewürzen versetzt; dort auch kauft man den
aus Honig bereiteten Meth.
Zu zeigen, was Küche und Keller zu leisten vermögen, dazu
bietet sich, da grössere Gesellschaften nicht üblich sind, vor-
nehmlich dann Gelegenheit, wenn eine Tochter des Hauses in
den Ehestand tritt. Bevor es soweit kommt, sind langdauemde,
mühsame Verhandlungen erforderlich. Sobald das in einem
Kloster erzogene Mädchen im 13. Jahrhundert das 13., im 15.
das 15. Lebensjahr vollendet hatte, galt sie als heirathsfähig.
Wenn nicht bereits in früheren Jahren getroffene Abmachungen
bestehen, so halten alsdann ihre Eltern Rundschau unter den
jungen Männern, die ihr im Vermögen gleichkommen. Ist ein
geeignet erscheinender Schwiegersohn ermittelt, so werden Be-
ziehungen zu seinen Eltern angeknüpft und mit ihnen gehandelt
und gefeilscht über die Summe, welche beide Theile ihren Kin-
dern mitgeben sollen. Männer, die ihr Vermögen nicht von den
Eltern ererbt, sondern durch eigenen Fleiss erworben haben,
können daher, wenn sie sich standesgemäss verheirathen wollen,
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— 25 —
erst im vorgerückten Lebensalter zur Ehe schreiten; ihr Augen-
merk werfen sie vornehmlich auf reiche Wittwen, mit deren Vor-
mündern die Verhandlungen geführt werden. Wenn das Ge-
schäft, denn ein solches im vollsten Sinne des Wortes war dazu-
mal die Eingehung einer Ehe, endlich zum Abschluss gebracht
ist, so findet die Verlobung statt, der gewöhnlich schon nach
einigen Wochen, nachdem zuvor die Verlobten eine öffentliche
Badestube besucht und dort gemeinsam ein Bad genommen
haben, die Hochzeit folgt. Die Festlichkeit, für deren Einrichtung
und Ordnung aus dem Kreise der nächsten Verwandten ein
Schafifer und eine Schafferin gewählt werden, beginnt bei den
Reichen am Vormittage, bei den Aermeren gegen Abend, wes-
halb sie als Tag- oder Abendhochzeit bezeichnet wird. Für
eine jede derselben hat ein hochweiser Rath in Bezug auf
die Zahl der einzuladenden Gäste, die Menge der zu verab-
reichenden Speisen und Getränke, die Zahl der anzustellenden
Musikanten und die zu beobachtenden Gebräuche ins einzelne
gehende Vorschriften erlassen; diese werden aber trotzdem, dass
der Spielgreve die Aufsicht zu führen und die Eltern der Braut-
leute und der junge Ehemann am Freitag nach der Hochzeit
vor Rathsherren eidlich zu versichern haben, dass ihnen nicht
zuwidergehandelt sei, nicht innegehalten, da jede Ueberschreitung
durch Geld gebüsst werden kann. Nachdem sich die Gäste,
von denen bei den Reichsten 80 geladen werden dürfen, von
Posaunenschall begrüsst, im Brauthause versammelt haben, ge-
leiten sie die Brautleute unter Vortritt der Rathsmusici, die auf
Kosten des Bräutigams neu bekleidet sind , in die Kirche. So-
bald die Trauung vollendet und der Zug in das Brauthaus
zurückgekehrt ist, setzt man sich an die auf der Diele aufge-
schlagenen Tafeln. Die Musikanten erhalten ihren Platz auf der
offenen Gallerie. Vier Gerichte, deren jedes aus einer grösseren
Zahl verschiedenartiger Speisen besteht, sowie 60 Pasteten werden
nach einander aufgetragen; dazu dürfen 2 Ohm Rheinwein, also
ungefähr 250 Flaschen verzapft werden; ausserdem wird Ham-
burger Bier — Übereibisches ist verboten — in unbeschränktem
Maasse getrunken. Nach Beendigung der Tafel geht der junge
Ehemann, gefolgt von einer grösseren Zahl seiner Genossen, von
Haus zu Haus bei seinen nächsten Verwandten umher, von denen
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— 26 —
er mit süssem Wein und Confitüren bewirthet wird. Endlich —
fragen Sie aber nicht in welchem Zustande — zu seiner jungen
Frau zurückgekehrt, wird er mit ihr unter Vortragung von vier
Fackeln in seine eigene Wohnung geleitet. Bevor er die Schwelle
des Hauses überschreitet, giebt ein loser Bube, trotzdem dass solches
bei einer Strafe von 3 Pfd. Silber untersagt ist, einem bis dahin
unter dem Mantel verborgenen schwarzen Hahn die Freiheit, der
dann hoch über den Köpfen der. jungen Eheleute als der erste
seinen Einzug in das Haus hält. Empfangen werden sie von
Schaflfer und Schaflferin und den nächsten Verwandten , die das
ganze Unterhaus durch Wachskerzen, deren jede 14 Pfund wiegen
darf, haben erleuchten lassen und die ihnen das Ehebett bereit
halten. Ebendieselben Personen stellen sich schon früh am
andern Morgen wiederum ein, um sich nach dem Wohlergehen
des Ehepaares zu erkundigen und gemeinsam mit ihm Morgen-
suppe und Mittagessen zu verzehren; Hochzeitsgeschenke zu be-
schauen und zu bewundern, ist keine Veranlassung; denn solche
zu verabreichen, ist nur erlaubt, wenn die Mitgift der Braut die
Summe von 1 00 Mark nicht überschreitet ; auch dürfen sie in einem
solchen Falle nur in Grapen und anderen Küchengeräthen bestehen.
Da die Mitgift der Braut so reichlich bemessen wird, dass
sie mit dem Empfang derselben vom Vermögen ihrer Eltern
gänzlich und für alle Zeiten abgefunden wird, so müssen die
letzteren, wenn ihnen eine grössere Zahl von Töchtern bescheert
ist, um nicht durch die ihnen gereichte Aussteuer selbst in Be-
drängniss zu gelangen, darauf Bedacht nehmen, einzelne von
ihnen in ein Kloster zu schicken; denn der Eintritt in dieses
kostet mit der Ausrüstung nur 300 Mark. Ihre Einkleidung
giebt gleichfalls zu einem festlichen Gelage die Veranlassung;
doch hat der Rath solches möglichst eingeschränkt und verboten,
dass das Geleit in das Kloster unter Vorantritt der Spielleute
geschehe.
Alle anderen Feste werden ausserhalb der Räume des eigenen
Hauses gefeiert.
Am I. Mai geht man hinaus in den Wald und holt von
dort Maienbüsche, mit denen die Kirchen, das Rathhaus und
die eigene Wohnung ausgeschmückt werden. Zur selben Zeit
schiessen die Vornehmen unter grossem Zulauf des Volkes nach
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dem Papageienvogel. Zu Mittsommer, also zu Johannis, ziehen
die Patricier mit ihren Frauen hoch zu Ross durch die Strassen
der Stadt, um auf der benachbarten Olavsburg die Freuden des
Lebens zu geniessen. Die Hauptfestzeit bilden die drei ersten
Tage der Fastenwoche. Dann füllen sich die Strassen mit Ver-
mummten, die allerlei Scherz und Kurzweil treiben. Junker und
Mitglieder der Kaufleutecompagnie durchfahren, begleitet von
einzelnen ihrer Frauen, auf burgartig aufgebauten Wagen die
Strassen der Stadt, um auf offener Gasse Schauspiele aufzuführen ;
in allen Compagnie- und Zunfthäusern wird, bis weit in die
Nacht hinein, gesungen, getanzt und vor allem wacker ge-
zecht, bis dann die stille Zeit allem Lärm und Unfug plötz-
lich ein Ende bereitet und einen Jeden dazu nöthigt, sich
seines Seelenheils zu erinnern. Der Gedanke an dieses lastet
überaus schwer auf den Gemüthern der Einzelnen; denn nach
der Lehre der katholischen Kirche haben sie zu befürchten, dass,
wenn der Tod sie ereilt, ihre Seele sich erst im Fegefeuer einer
Läuterung unterziehen muss. Die Schrecken desselben werden
von der Geistlichkeit bei jeder Gelegenheit auf das lebhafteste
ausgemalt, zugleich aber darauf hingewiesen, dass seine Zeitdauer
sich durch gute Werke, durch Seelenmessen und durch Gebete
dritter Personen erheblich abkürzen lasse. Deshalb ist ein Jeder,
dem seine Mittel es gestatten, schon bei seinen Lebzeiten stets
bereit, mit offener Hand Almosen zu vertheilen und zwar nicht
nur an solche Hausarme, die von ihm regelmässig Verpflegung
und Kleidung erhalten, sondern auch an alle diejenigen, die
bettelnd von Haus zu Haus ziehen (für sie hängt an einzelnen
Stellen hinter der Hausthür eine hölzerne Kanne, in der ihnen,
so oft sie es wünschen, vom Koche Lübeckisches Bier verab-
reicht wird), oder an diejenigen, die auf den Kirchhöfen und in
den Kirchen an festen, unveränderlich von ihnen eingenommenen
Plätzen um eine Gabe ansprechen. Am reichlichsten bedacht
werden die Aussätzigen, die in dem vor dem Thore belegenen
St. Jürgen - Hospital Aufnahme finden und die allen das Thor
passirenden eine Sammelbüchse entgegenstrecken, sowie die Nonnen,
die aus neun verschiedenen, zum Theil weit entlegenen Klöstern
alljährlich während der Fastenzeit nach Lübeck kommen und
auf den Kirchhöfen Geschenke für ihr Kloster einsammeln.
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- 28 —
Vor allem aber nimmt man darauf Bedacht, in den letzt-
willigen Verfügungen durch zahlreiche Vergabungen für das zu-
künftige Seelenheil Sorge zu tragen. Dass in ihnen mehr als ein
Dritttheil des Nachlasses zu milden Zwecken ausgesetzt wird, ist
keine seltene Erscheinung. Den Insassen der in einem weiten
Kreise die Stadt umgebenden Siechenhäuser und den Kranken,
die in dem noch als Krankenhaus benutzten Heiligen Geist-
hospital auf den Betten liegen , soll eine Gabe in die Hand ge-
drückt werden ; hunderte von Ellen des geringwerthigen Lübecker
oder Stendaler Tuchs sowie viele Dutzend Schuhe sind anzu-
kaufen, um Bedürftige mit ihnen zu bekleiden; in den öffent-
lichen Badstuben soll einer grossen Zahl von Armen ein freies
Bad, das sogenannte Seelbad, bereitet und nach Benutzung des-
selben Speise und Trank verabreicht werden. Stets aber wird
hieran die Bedingung geknüpft, dass die Bedachten für das
Seelenheil des Entschlafenen zu Gott beten sollen. Da Gebeten
an den heiligen Stätten von Jerusalem, an den Altären der Mär-
tyrer in, Rom und an Wallfahrtsorten, unter denen seit einigen
Jahren das heilige Blut zu Wilsnack im höchsten Ansehen steht,
eine besondere Kraft zugeschrieben wird, so wird fast regel-
mässig bestimmt, dass nach einem oder mehreren dieser Orte
ein Pilger ausgesandt werde ; oft auch sollen sich ihrer mehrere
gemeinsam auf die Reise machen; ja, Claus Vinkenfänger , der,
wie sein Name es schon andeutet, an der Spitze der reitenden
Diener steht, verlangt sogar, dass sich ihrer siebzig bei dem
vor dem Burgthor an der Roeckstrasse noch jetzt stehenden
Kreuze versammeln und von hieraus vereint nach Wilsnack
pilgern sollen. Da der ihnen gezahlte Lohn sehr reichlich be-
messen wird (für eine Fahrt nach Jerusalem erhalten sie loo
Dukaten, für eine Reise nach Rom 50 — 60 Mark) und da in
den meisten Städten durch gut eingerichtete Pilgerherbergen auf
das beste für sie gesorgt wird, so findet sich stets eine genügende
Zahl von Personen, die bereit sind, sich den Gefahren einer
solchen Wallfahrt zu unterziehen ; selbst dann ist kein Mangel an
ihnen vorhanden, wenn der Verstorbene in der Hoffnung, durch
Mühe und Pein, der sich dritte Personen unterziehen müssen,
für sich Gnade zu erlangen, begehrt hat, dass die Pilger »wullen
unde barfot«, also bekleidet nur mit einem wollenen Gewände und
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ohne alles Fusszeug, ihre Reise zurücklegen sollen, wie denn
auch stets unter einer grösseren Zahl sich Meldender die Wahl
getroffen werden kann, wenn Jemand wünscht, dass zum Besten
seiner Seele Arme auch ausserhalb der Fasten auf längere Zeit
sich des Genusses von Fleisch gänzlich enthalten.
Die reichlichsten Gaben werden aber der Kirche zugewandt,
damit ihr Gebäude erhalten und weiter ausgebaut, der Gottes-
dienst durch Errichtung neuer Altäre erweitert und in seiner
äusseren Erscheinung glänzender gestaltet, in täglichen Seelen-
messen, oft auf viele Jahre hinaus, für das Heil der Seele Gottes
Barmherzigkeit angerufen und vom Predigtstuhle das Gedächtniss
des Verstorbenen gefeiert werde. Vor allem aber soll, damit
die Seele, geleitet von Gebeten der Geistlichen, die Himmels-
pforte durchschreitet, unmittelbar nach dem Tode eine grössere
Zahl von Seelenmessen gelesen werden. Um hieran einen An-
theil zu erlangen, scheuen sich bedürftige Geistliche nicht, sobald
die Kunde von dem Tode einer angesehenen und reichen Per-
sönlichkeit zu ihnen gedrungen ist , im Sterbehause eine freund-
liche Berücksichtigung zu erbitten; sie drängen sich hier dann
mit den Armen, die aus der ganzen Stadt herbeiströmen, um
bei der Austheilung von Pfennigen, der sogenannten Stipa oder
Spende, ihre Hand auszustrecken.
Gebettet in einen einfachen hölzernen Sarg, der bei den
Reichen meist mit einem rothsammtenen Teppich bedeckt ist,
wird die Leiche des Verstorbenen von Mitgliedern seiner Zunft
oder Genossen der geistlichen Brüderschaft, der er angehört, oder
auch von jungen Geistlichen unter Glockengeläute aus dem
Sterbehause in die Kirche getragen und, nachdem die Einsegnung
erfolgt ist, in ihr oder auf dem Kirchhofe bestattet. Sobald die
Feierlichkeit beendet, eilen die Träger des Sarges in das Trauer-
haus zurück, um hier mit den nächsten Verwandten bei einem
fröhlichen Mahl des Entschlafenen zu gedenken.
Wohlleben, Pracht und Herrlichkeit bildeten also damals die
vornehmlichsten Zielpunkte aller irdischen Bestrebungen. Obwohl
sie, wenigstens bei den Reichen, in Hülle und Fülle vorhanden
waren, so fehlten ihnen doch, ausser gesunden und ausreichend
bemessenen Wohnräumen , die mancherlei Annehmlichkeiten,
welche jetzt selbst der Unbemittelte für nothwendige Bedürfnisse
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— so —
erachtet. Vor allem aber kann der äussere Glanz, mit dem
sich unsere Vorfahren umgaben, keinen Ersatz gewähren für den
Mangel an geistiger Bildung und an Liebe zur Kunst und Wissen-
schaft, die in so reichem Maasse unser gegenwärtiges Leben
verschönern.
Sie werden daher auch wohl zufrieden sein, dass ich Sie
nur durch ein Spiel der Phantasie in seit 400 Jahren ver-
schwundene Zeiten versetzt habe.
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II.
DIE HANSE UND DIE DEUTSCHEN
STÄNDE
VORNEHMLICH IM FÜNFZEHNTEN JAHRHUNDERT.
VORTRAG,
GEHALTEN IN DER VERSAMMLUNG DES HANSISCHEN
GESCHICHTSVEREINS ZU STETTIN
VON
G. FRHR- VON DER ROPP.
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Jede eingehendere Betrachtung der politischen Geschichte
der Hanse wird ihr Augenmerk in erster Linie auf die ausser-
deutschen Beziehungen des Bundes zu richten haben. Doch
wird sie zugleich nicht übersehen dürfen, dass die Hanse trotz
aller Zurückhaltung von dem deutschen Reichsleben in mannig-
facher Wechselwirkung mit demselben gestanden hat. In officielle
Beziehungen zum deutschen Reiche ist sie allerdings zu einer
Zeit eingetreten, da es für beide Theile zu spät war ; dafür haben
jedoch sowohl der Städtebund wie dessen einzelne Glieder einen
lebhaften und vollen Antheil an der Ausbildung und Entwicklung
der innerdeutschen ständischen Gegensätze genommen, durch
welche das Reichsleben seit dem dreizehnten Jahrhundert her so
wesentlich mitbestimmt worden ist. — Diesen Antheil und die
aus ihm sich ergebenden Wechselwirkungen in einem kurzen Um-
riss zu schildern, ist die Aufgabe der nachfolgenden Zeilen.
Der Niedergang der kaiserlichen und königlichen Gewalt
hat das deutsche Reich seiner vorherrschenden Stellung innerhalb
des abendländischen Staatensystems zu einer Zeit beraubt, da
eine Fülle neu aufkommender politischer Bildungen neben den
vorhandenen alten nach Luft, Licht und Raum strebte, um sich
bethätigen zu können.
Das territoriale Fürstenthum, zur Macht gelangt während
der Kämpfe zwischen Kaisern und Päpsten, streifte den alten
Amtscharakter ab und suchte die neue Landeshoheit auszuge-
stalten. Für den neuen ritterlichen Adel, diese gleichfalls in der
Zeit jener Kämpfe entstandene Mischung freier und unfreier Ele-
mente, kamen mit den Romfahrten und Kreuzzügen alle grösseren
Hansische Gcschichtsblättcr. XV. 3
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— 34 —
kriegerischen Unternehmungen in Wegfall, und wenn auch die
jungen deutschen Kolonien im Osten ihm ein neues Gebiet reicher
Thätigkeit eröffneten, der gesammte üeberschuss an kriegerischer
Kraft wurde dadurch keineswegs aufgezehrt. Ohne einen ein-
heitlichen Mittelpunkt, ohne Führung und ohne genügende Auf-
gaben, sah er sich von oben durch die vordringende Landes-
herrschaft, von unten durch das nicht minder um sich greifende
städtische Wesen in seiner Stellung, seinen Rechten und Ein-
künften bedroht.
Das deutsche Bürgerthum wiederum regte sich um so that-
kräftiger, je langsamer es sich bisher entwickelt hatte und je
weiter der Kreis seiner Interessen sich ausdehnte, sowohl durch
das Vordringen der deutschen Verkehrsgründungen gegen Osten,
als auch durch die Eröffnung neuer Handelswege in Nord
und Süd.
Diese verschiedenen neuen Bildungen des socialen Lebens
sonderten sich immer schärfer von einander, entbehrten aber ge-
meinsam des Triebes nach einer universellen politischen Stellung
und suchten, ebenso übereinstimmend, die Rücksicht auf ihre
partikularen Interessen der Gesammtheit aufzuzwingen.
Ihnen gegenüber hatte das Wahlkönigthum Rudolfs von
Habsburg und seiner Nachfolger einen schweren Stand. Die
alten Grundlagen der königlichen Machtstellung waren abhanden
gekommen, und Angesichts der veränderten Lebensbedingungen
der Nation mussten die einzelnen Herrscher völlig neue zu ge-
winnen suchen. Und auch dieses vereitelte der Wechsel der
Dynastien; die Erfolge des Einzelnen wurden nur für das be-
treffende Haus bedeutungsvoll, das Königthum blieb machtlos
und ausser Stande, einen Ausgleich der grossen ständischen Gegen-
sätze im Reiche herbeizuführen. In steigender Erbitterung traten
diese einander gegenüber^ und in ihren Kämpfen ging allenthalben
das Gefühl für die gemeinsamen nationalen Aufgaben zu Grunde.
Eine Erörterung der Ursachen dieser Erscheinung liegt
ausserhalb der Aufgabe dieses Vortrags. Hier gilt es nur fest-
zustellen, dass das deutsche Reich seit dem Ausgang des drei-
zehnten Jahrhunderts eine Fülle der verschiedenartigsten politischen
Bildungen umschloss und unter diesen die Ueberbleibsel der
früheren Zeiten sich zähe neben den neuen Schöpfungen be-
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~ 35 —
haupteten: der Gegensatz zwischen Kaiser und Papst, das geist-
iiche und weltliche Fürstenthum, die unzählbaren kleinen poli-
tischen Existenzen des Herren- und Ritterthums, der städtischen
und bäuerlichen Gemeinden.
Unter ihnen beanspruchen die städtischen Gemeinden vor-
zugsweise unsere Aufmerksamkeit. Den ersten nachhaltigeren
Aeusserungen ihres politischen Lebens begegnen wir um die
Mitte des 13. Jahrhunderts gleichzeitig im Norden und Süden,
und es ist durchaus kein Zufall, dass die Akten der Hanserecesse
fast genau mit dem Stiftungsjahr des grossen rheinischen Land-
friedensbundes einsetzen. Ebenso können wir gleich zu Beginn
eine Wechselwirkung wahrnehmen, insofern die umfassenden
Friedensbestrebungen der rheinischen Gemeinwesen ein Seiten-
stück in dem nicht minder umfassenden rostocker Landfrieden
von 1283 fanden. Nur offenbart sich an diesem Punkte sofort
auch der Unterschied, der zwischen den nord- und oberdeutschen
Städten hinsichtlich ihrer Stellung zum Reiche obwaltete. Zum
grossen Theile durch die geographische Lage bedingt, prägte er
sich im Laufe der Zeit immer schärfer aus. Die rheinischen
Städte traten für die Aufgaben der Reichsgewalt ein, nahmen
des Reiches Gut unter ihre Obhut und widmeten auch dem
Bauernstände ihre Fürsorge. Die mit alleiniger Ausnahme von
Lübeck landsässigen pommerschen und wendischen Theil-
nehmerinnen am rostocker Bunde erstrebten dagegen, wie der
merkwürdige Vertrag rückhaltslos bezeugt, eine nähere Verbindung
mit dem niederen Adel gegenüber dem Fürstenthum.
Einen dauernden Erfolg hatten die Städte indessen weder
im Norden noch am Rhein zu verzeichnen; dafür gab sich in
dem verschiedenen Ausgang der gleichartigen Bestrebungen eine
weitere innere Verschiedenheit der beiden Gruppen kund.
Die mittel- und süddeutschen Städte zogen sich nach dem
überraschend schnellen Zerfall ihres Landfriedensbundes wie ein-
geschüchtert und erschreckt von der gemeinsamen Betheiligung
an der Reichspolitik zurück, um in kleineren Kreisen mittelst
neuer Vereinigungen das ihnen näherliegende Ziel, die Sicherung
des heimischen Verkehrs, zu erstreben. Die norddeutschen da-
gegen schritten unter Lübecks zielbewusster Führung unmittelbar
nach errungener Deckung im Inlande zu festerer Ausgestaltung
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- 36 -
ihrer Stellung auf den ausserdeutschen Märkten der Ost- und
Nordsee. Und ihre energische Arbeit in Krieg und Frieden
wurde belohnt. Sie erreichten es, dass Lübeck noch vor Aus-
gang des 13. Jahrhunderts als die leitende Gemeinde aller an
dem nordischen Verkehr theilnehmenden deutschen Städte an-
erkannt wurde, die Verbindung dieser deutschen Städte im In-
lande die Vereinigungen der deutschen Kaufleute im Auslande
in sich aufnahm, kurz der hansische Städtebund sich bis zu der
Mitte des 14. Jahrhunderts hin ausbildete.
In demselben Zeitraum hatte das oberdeutsche Bürgerthun»
seine erste grosse innere Erschütterung zu überstehen und wurde
infolge derselben mit neuer politischer Leistungskraft erfüllt. Denn
wenn auch die Zunftbewegungen in ihrem letzten Resultat haupt-
sächlich eine Ausgleichung der Standesverhältnisse innerhalb der
Städte herbeigeführt haben, so bewirkte doch das Eindringen
der frischen zünftlerischen Elemente in die patricischen Räthe
einen bemerkenswerthen Umschwung.
Die neuen, minoritischen Einflüssen zugänglichen städtischen
Machthaber schlössen sich willig dem von Avignon gebannten
Kaiser Ludwig an und der Landfriedensbund, den das Haus
Witteisbach 1331 mit 22 schwäbischen Reichsstädten abschloss,
bezeichnet den Wiedereintritt der oberdeutschen Städte in die
politische Aktivität. Der Bund gestattete Herren und Rittern
den Beitritt, aber er versagte denselben das Stimmrecht auf den
Bundestagen zu Ulm; unverhohlen wurde der Gegensatz der
städtischen Interessen zum Fürsten- und Herrenthum betont»).
Diesem vom Königthum begünstigten Hervortreten entsprach
es, dass die Städte abermals wie im 13. Jahrhundert eine maass-
gebende Stellung in den Angelegenheiten des Reiches zu ge-
winnen trachteten. Doch hatte die Erhebung des päpstlichen
Gegenkönigs, Karls IV., in dieser Hinsicht für die Städte ganz
ähnliche Folgen wie seiner Zeit das Erscheinen König Richards
am Rheine ; nur bewirkte sie obendrein, dass der Zwiespalt der
i) Waz dienstleut in dise puntnuzze genomen wirt — daz die chainen
dar geben sulen, der an dem rat si bi herren und steten — und waer auch,
daz ain herre in diese puntnuzze chome, der sol auch chainen dir geben,
ez geschaehe denne mit gemninem rat herren und stet, die zu discr punt-
nuzze hörent. U. B. v. Augsburg I S. 281.
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— 37 —
Stände sich zum ersten Male in umfassenden Bünden und Gegen-
bünden ausprägte. Als der Städtetag von Speier 1346 kurzer
Hand erklärte, die Wahl des Böhmen nicht anzuerkennen, bildete
sich in unmittelbarer Folge ein schwäbischer Herrenbund zu
Gunsten des päpstlichen Prätendenten, uud wenn auch der uner-
wartete Hingang Ludwigs des Baiem den kriegerischen Zusammen-
stoss zwischen Adel und Städten vertagte, so wurde doch die
Erinnerung daran durch Karls Verhalten lebendig erhalten.
Dem diplomatischen Geschick dieses Königs gegenüber er-
wies sich der oberdeutsche Bund ebenso als wehrlos, wie drei
Menschenalter früher der rheinische dem von König Richard
Ohne auf Widerstand zu stossen, konnte Karl den Bund 1350
zwei Jahre nachdem er ihn anerkannt, durch einen einfachen
Befehl wieder auflösen. Die durch Kaiser Ludwig hervorgerufene
städtische Bewegung erlag gleich der von 1254 der Ueberlegenheit
der fürsthchen Politik, und der Erlass der goldenen Bulle mit
ihrem Verbot des Pfahlbürgerthums sowie aller Bünde, welche
nicht ausschliesslich den Landfrieden bezweckten, sollte einer
Wiederholung ähnlicher Vorgänge für alle Zeiten vorbeugen.
Dieses Obsiegen der fürstlichen Tendenzen im Süden wirkte
um so betäubender, als der Auflösung des süddeutschen Städte-
bundes die Niederlage der Hanse in dem ersten dänischen Kriege
gegen Waldemar auf dem Fusse folgte und Karl IV. unmittelbar
nach dem Frieden von Wordingborg an die Erwerbung der
Mark Brandenburg ging. Während König Waldemar den kaum
geschlossenen Frieden durch fortgesetzte Uebergriflfe in Frage
stellte, setzte sich dieselbe Gewalt, welche im Süden der städtischen
Bewegung Halt geboten, in dem Hinterlande der Hansestädte
fest und wies Lübeck an, die Reichssteuer nach wie vor dem
Dänen auszuzahlen!
Und wie das Königthum, so schickte sich auch die fürst-
liche Macht fast allenthalben dazu an, die Gunst der Lage aus-
zunutzen.
Allein gerade diese Niederlagen und ihre weitreichenden
Wirkungen weckten das Bewusstsein eines allgemeinen Zusammen-
hanges der städtischen Interessen zu neuem Leben und rissen
die Städte abermals aus ihrer Vereinzelung heraus. Die Gegen-
strömung begann im Norden, weil hier der städtische Nerv,
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- 3» -
der Handel, am unmittelbarsten getroflfen worden ; aber sie fluthete
alsbald auch nach dem Süden hinüber. Denn der siegreiche
Verlauf des zweiten dänischen Krieges und die glänzenden Er-
rungenschaften des stralsunder Friedens erwiesen sich für die
oberdeutschen Städte kaum minder bedeutsam wir für die han-
sischen. Nur wenige Monate nach dem Abschluss des Friedens
im Norden und sicherlich nicht ohne Kunde von den Erfolgen
der nordischen Genossinnen traten 30 oberdeutsche Städte zu
einem neuen sogenannten Landfrieden zusammen, dessen Wesen
am klarsten daraus erhellt, dass die Errichtung des S. Georgs-
bundes der schwäbischen Ritterschaft und der Ausbruch des
Kampfes zwischen beiden Gruppen sich unmittelbar anschlössen.
Der erste oflfene Kampf mit dem Herrenthum verlief jedoch
für die süddeutschen Städte ebenso unglücklich wie der erste
dänische Krieg für die norddeutschen, und es ist sehr bezeichnend,:
dass Kaiser Karl die Niederlage der süddeutschen zu derselben
Zeit umfassend auszubeuten bestrebt war, da er den Sieg der
norddeutschen scheinbar rückhaltslos anerkannte. Während er dem
Haupte der norddeutschen mit übertriebener Höflichkeit
schmeichelte, erpresste er von den gebeugten schwäbischen Ge-
meinden unerhörte Summen, um mit diesen städtischen Straf*
geldern Brandenburg sowie die Wahl seines Sohnes zum Nach-
folger zu erkaufen. Die Mittel der, wie er glaubte, gebrochenen
schwäbischen Gemeinden mussten ihm mit andern Worten dazu
dienen, die Vorbereitungen zur Beugung auch der norddeutschen
zu treffen.
Die Rücksichtslosigkeit seines Verfahrens erzeugte jedoch im
süddeutschen Bürgerlhum einen ganz ähnlichen Umschwung, wie
ein Jahrzehnt zuvor das Verhalten von Waldemar in dem Bereich
der hansischen Städte. Der Wahl von Wenzel und dem Besuch
von Karl in Lübeck, 1375, entsprach die Stiftung des schwä-
bischen Städtebundes (1376). Zum ersten Male verweigerte eine
städtische Confoederation einem einstimmig gewählten Könige die
Anerkennung, und der Sieg von Reutlingen erwarb dem Bunde
nicht nur die königliche Sanction, er vernichtete zugleich die
Resultate der ständischen Politik von Karl. Der Versuch, den
fürstlichen Gewalten im Reiche neue Festigkeit zu geben auf
Kosten der niederen Stände und das Bündnissrecht der letzteren
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— 39 —
zu beseitigen, war gescheitert. Die Einungsbewegung gewann
vielmehr nun erst recht an Umfang wie an Stärke. Die Erfolge
der schwäbisch-rheinischen Städtebünde riefen bald zahlreiche
Adelsvereinigungen im südlichen und mittleren Deutschland hervor,
und das Grundgesetz der Reichsverfassung, die Goldene Bulle,
war noch bei Lebzeiten des Urhebers und mit seiner Zustimmung
durchlöchert.
Als Karl IV. ins Grab stieg, hatten die deutschen Städte
den Höhepunkt ihrer Macht erreicht, und von da ab gelangen
auch die ständischen Gegensätze im Reich zu immer schärferer
Ausprägung. Die mannigfachen, wechselvollen Kämpfe der
nächsten Jahrzehnte, die zahlreichen Bünde der einzelnen stän-
dischen Gruppen, die vergeblichen Versuche der Königsgewalt,
sich der Leitung dieser politischen Bildungen zu bemächtigen,
sie zeitigen nur das Ergebniss, dass Fürsten, Herren, Städte und
die Reste freier Bauernschaften sich mit wachsender Erbitterung
begegneten und die Reichsgewalt ihnen gegenüber immer macht-
loser wurde.
An dieser Stelle offenbarte sich nicht minder und in ver-
hängnissvoller Weise, dass die innere Verschiedenheit der grossen
städtischen Gruppen im Norden und Süden ein politisches
Zusammenwirken beider unmöglich machte.
In den süddeutschen Gemeinwesen hatte sich unter dem
Einfluss der Kämpfe mit dem Herrenthum der Gegensatz der
Stände innerhalb der Städte selbst, so schroff er zu Anfang ge-
wesen, ausgeglichen oder gemildert; im Norden stiessen sie noch
hart aufeinander. Die aristokratischen Räthe der Hansestädte
widersetzten sich der auch nach Norden hin überschlagenden
Zunftbewegung mit grösserer Energie, als früher ihre Genossen
im Süden, und dank dem Rückhalte, den der hansische Bund
gewährte, waren sie im Stande, die Bewegung auf lange hin
sei es niederzuwerfen, sei es zu zügeln und einzudämmen.
Umgekehrt mangelte den süddeutschen Städten, nachdem sie
das Ziel errungen und ihre Selbständigkeit gerettet, der feste Kitt,
den die Hanse trotz der lockeren Bundesverfassung in dem
Schutze des auswärtigen Handels besass. Der grosse Städtebund
zerfiel, sobald die Gefahr abgewandt; ihm fehlte ein weiteres,
höheres Ziel. Denn die Fürsorge für das Reich als Ganxes lag
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den süddeutschen Gemeinwesen ebenso fern wie ihren Genossinnen
im Norden, und die Betheiligung an den Reichsangelegenheiten
erfolgte wesentlich nur unter dem financiellen Gesichtspunkt.
Die Reichstagsakten belehren uns mit jedem neuen Bande aufs
neue, dass es hauptsächlich die Städte gewesen sind, welche so-
wohl die unablässigen Bemühungen, Fürsten und Städte in Land-
friedenseinungen einander zu nähern, vereitelt, als auch die ebenso
häufig aufgenommenen Verhandlungen über einen engeren Zu-
sammenschluss der Städte zu keinem befriedigenden Ausgang
haben gelangen lassen. Selbst die Hussitennoth vermochte nicht
diesem genügsamen Verharren in kleinen Kreisen ein Ziel zu
setzen, und so oft auch der Plan eines umfassenden Städte-
bundes auftaucht, ebenso oft folgt dem kräftigen Anlauf ein kurz-
sichtiges Aufschieben.
Aehnlichen Erscheinungen begegnen wir gewiss auch bei
der Hanse; allein dank den ihr von aussen her unablässig er-
wachsenden neuen Aufgaben trägt ihre Gesammtpolitik bei weitem
nicht den kleinlichen Zug, der diejenige der oberdeutschen Städte
unliebsam kennzeichnet. Zugleich aber bewirkten eben diese
ausserdeutschen Interessen in Verbindung mit jener Fernhaltung
der zünftlerischen Elemente von den Räthen, dass hier der
Gegensatz zu Fürstenthum und Adel nicht zu der Schroffheit ge-
deihen konnte, wie im Süden.
An nachbarlichen Spähnen und Reibungen hat es auch im
Norden selbstverständlich nicht gefehlt; aber von jener leiden-
schaftlichen Erbitterung, von der uns die oberdeutschen Chroniken
Zeugniss ablegen, finden sich hier nur vereinzelte Spuren. Schon
das eigenthümliche nähere Verhältniss der Hanse zu dem deutschen
Ritterorden und noch mehr die wiederholt parallel laufenden In-
teressen norddeutscher Fürsten und Städte gegenüber den skandi-
navischen Mächten, sie Hessen die im Süden sich feindlich kreuzenden
Kräfte im Norden des öfteren zusammenwirken, Verbindungen
eingehen, gemeinsam Kriege führen, Frieden schliessen. Noch
im 15. Jahrhundert traten die Städte in wohlverstandenem
eigenstem Interesse zu Gunsten der Schauenburger in jenen Kampf
mit Dänemark ein, der den Bundesgenossen den Besitz von
Schleswig und der Hanse die Fortdauer ihrer Handelsherrschaft
im Norden sicherte.
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Erst nach dem Abschluss dieses Krieges, der zeitlich mit
der Beendigung der Hussitenkämpfe zusammenfiel, tritt der
Gegensatz der Stände unter dem Zusammenwirken vetschiedener
Umstände auch im Norden schärfer hervor. Theils mehren sich
nach unten hin die Zunftbewegungen in den Städten und führen
hier und da zu einer Umgestaltung der Verfassungen, theils giebt
sich von oben her unter dem Eindruck des schmählichen Aus-
gangs der Hussitenkämpfe eine steigende Abneigung gegen die
Selbstherrlichkeit der Städte kund. Allein bei aller äusserlichen
Uebereinstimmung des antistädtischen Charakters der neu aus-
brechenden Kämpfe macht sich doch im 15. Jahrhundert fast
noch mehr als im 14. ein weiterer, tiefgreifender Unterschied
zwischen der ober- und niederdeutschen Städtegruppe geltend.
Der Norden kannte keine Reichsritterschaft, welche sich im
Süden in dem Gedränge zwischen fürstlichem und städtischem
Wesen behauptete, und er ermangelte der Ueberzahl der Reichs-
städte. Die Beziehungen zum Reiche fielen demzufolge in den
nordischen Zwisten hinweg, und es handelte sich in ihnen fast
ausschliesslich und allein um das Verhältniss des Fürstenthums
zu den territorialen Ständen. Unter diesen kamen allerdings die
Städte mit ihren Geldmitteln hauptsächlich in Betracht; doch hatte
auch der landsässige Adel fast allenthalben seine Stellung gegen
die Angriffe der neuen juristischen Räthe seiner Fürsten zu ver-
theidigen. Dennoch stand er durchweg zum Fürsten, sobald es den
Städten galt, und innerhalb des hansischen Gebietes sind nur in
dem Ordensstaate an der Weichsel Adel und Städte eng verbündet
der Herrschaft entgegengetreten. Der preussische Bund gegen
Gewalt gewährte zugleich das einzig dastehende Beispiel, dass
ein ganzes Land seiner Herrschaft absagte, um sich eine andere
zu suchen.
Das berechtigte Aufsehen indessen, welches dieser Bund er-
regte, spornte das Fürstenthum zu um so energischerem Vor-
gehen an, während die Hanse als solche sich diesen territorialen
Verwicklungen gegenüber nach wie vor einer Zurückhaltung be-
fleissigte, welche mitunter geradezu den Eindruck der Aengstlich-
keit erweckt. Allein auch die geflissentlichste Zurückhaltung war
nicht im Stande, sie vor Angriffen zu bewahren. Wie ihre ein-
zelnen Glieder, so wurde auch die Gesammtheit bedroht, als das
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deutsche Fürstenthum sich mit der dänischen Macht in Ver-
bindung setzte und hierdurch die Lebensader des Bundes, die
Herrschaft zur See, in gleicher Weise gefährdet wurde, wie die
Selbständigkeit der einzelnen Angehörigen zu Lande. Angesichts
dieses aber unterlagen sowohl die äussere Politik des Bundes wie
sein inneres Wesen einigen Abwandlungen, welche ihn dazu be-
fähigten, sich in der Defensive mit demselben Erfolge zu be-
haupten wie gleichzeitig die oberdeutschen Genossinnen.
Wenn das Stiftungsjahr des preussischen Bundes, 1440, unge-
fähr den Zeitpunkt bezeichnet, in welchem der berührte Um-
schwung in Norddeutschland eintrat, so waren es andrerseits
zwei süddeutsche Fürsten, deren Auftreten im Norden das nord-
deutsche Fürstenthum hauptsächlich auf die neue Bahn gelenkt
hat. Der hohenzoller Markgraf Friedrich 11. von Brandenburg,
»mit dem eisernen Zahn« wie man ihn nannte, und der wittels-
bacher König Christoph von Dänemark, der unter hansischer
Mitwirkung das Erbe seines entthronten Oheims Erich antrat.
Friedrich, ein in allen politischen Fragen überzeugter Gesinnungs-
genosse seines bedeutenderen Bruders Albrecht Achill, unternahm
es, die in der neuerworbenen Mark unter den schwachen Händen
eines älteren Bruders verfallene landesherrliche ^acht wieder-
aufzurichten, während Christoph, jung in neue Verhältnisse ge-
stellt, sich von den Anschauungen eines kleinen nachgeborenen
süddeutschen Prinzen nicht zu befreien vermochte.
Dem Markgrafen gelang es, zunächst den bereits von seinem
Vater gedemüthigten Landesadel um sich zu schaaren und durch
die Stiftung des Schwanenordens nach burgundischem Muster
näher an sich zu ketten, und hierauf folgten rasch Maassregeln
gegen die Städte. Ein Zwist zwischen Rath und Gemeinde der
Doppelstadt Berlin-Köln bot ihm die willkommene Gelegenheit,
die Hauptstadt seines Landes zu bezwingen und ihrer Selbst-
herrlichkeit zu entkleiden (1442), während das Verbot aller
Bündnisse inner- und ausserhalb des Landes die übrigen mär-
kischen Gemeinwesen des Rückhalts an der Hanse berauben
sollte.
Die Unterwerfung von Berlin war ein vollkommener und zu-
gleich der erste Sieg des Fürstenthums über das Bürgerthum,
und er machte dementsprechend einen ausserordentlichen Eindruck
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weit über die Grenzen der Mark hinaus. Die märkischen Städte
wagten es fürs erste nicht, die hansischen Tagfahrten zu be-
senden ; sie waren, wie die von Berlin, nach der Anschauung des
lübischen Chronisten mun eigen geworden, da sie vorher frei
waren und wohl hätten frei bleiben können.«
In denselben Tagen schickte sich der neu gekrönte römische
König Friedrich dazu an, die habsburgische Herrschaft in den
schweizer Landen wiederherzustellen, sandten auf sein Betreiben
an die 200 süddeutsche Fürsten, Grafen und Herren den eid-
genössischen Städten und Bauern ihre Fehdebriefe, vereinbarte
Markgraf Albrecht zu Mergentheim mit Mainz und Würzburg die
Grundzüge eines umfassenden Fürsten- und Herrenbundes wider
die freien und Reichsstädte, welche »den Adel schwerlich be-
drängen und niederdrücken und auch dem Fürstenthum zur
Niederung und Verderblichkeit gereichen.«
"Wir werden hiemach schwerlich fehlgehen, wenn wir Mark-
graf Friedrich, der sich soeben in seinem Lande als der vor-
nehmste Vertreter dieser Fürstenpolitik im Norden erwiesen, auch
als den Urheber des Planes bezeichnen, im Norden einen ähn-
lichen Bund zu Stande zu bringen, wie ihn sein Bruder im Süden
vorbereitete '). — Bereits hatten sich unter dem frischen Eindruck
der märkischen Ereignisse wie auf ein gegebenes Zeichen hin
allerorten, in Pommern, in Meklenburg, in den sächsischen und
braunschweigischen Landen, Zwiste zwischen Herren und Städten
entsponnen, welche, soweit uns die Quellen ein Urtheil gestatten,
ausnahmslos durch die Herren heraufbeschworen waren. Die
einzelnen Hansestädte, selbst die ansehnlichsten unter ihnen,
sahen sich mehr oder minder schwer bedrängt ; jedoch bedrohlich
auch fiir die Gesammtheit wurden diese Einzelkämpfe erst in
dem Augenblicke, als der Dänenkönig Christoph, der eben einen
Aufstand der Bauern in Jütland wider den Adel blutig nieder-
geschlagen, dem norddeutschen Fürstenthum die Hand zum
Bunde reichte und damit die Stellung der Hanse als Handels-
macht gefährdete.
Ein zahlreich besuchter Fürstentag zu Wilsnack, dem Friedrich
x) Hiernach sind die Bemerkungen über K. Christoph in meinen H. R. 3
S. VI zurechtzustellen.
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und Christoph beiwohnten, berieth im Februar 1443 über die
Mittel und Wege, »wie sie demüthigen könnten die Städte, die
unter ihnen besessen waren.« Das Ausbleiben des Herzogs Adolf
von Schleswig - Holstein, dessen Mitwirkung man nicht entbehren
zu können meinte, Hess die Fürsten zu keinem endgültigen Be-
schluss gelangen; aber der Tag belehrte die Städte in eindring-
licher Weise über die ihnen allen drohende Gefahr. Bereits ini
Juni desselben Jahres einigten sich die wendischen und sächsischen
Gemeinwesen über die gemeinsame Abwehr etwaiger. Angriffe,
und zwei Monate später traten sowohl die pommerschen als auch
die märkischen Städte dem engeren Bunde bei.
Der Wortlaut des hierüber abgeschlossenen Vertrages war
dem der Tohopesate von 141 8 nachgebildet, während aber
damals unter dem frischen Eindruck der lübischen Zunftunruhen
die Bekämpfung der Erhebungen gegen die Räthe der wesent-
lichste Zweck der Vereinigung gewesen war, wurde diese jetzt
im Hinblick auf das Geschick von Berlin zwar auch in Aussicht
genommen, zugleich jedoch die Abwehr des An gnflfe der Fürsten
und Herren unverhohlen vorangestellt. Die Bewahrung der selb-
ständigen Stellung der Räthe nicht nur nach unten, sondern auch
nach oben hin bildete die Aufgabe des engeren Bundes.
Gleichzeitig schritten die Städte praktischer Weise an die
Hinwegräumung der bedrohlichsten Händel, ohne selbst recht er-
hebliche Opfer zu scheuen. Und die Art und Weise, wie das
geschah, ist recht charakteristisch sowohl für die betreffenden
Fürsten als auch für die Städte. Die Herren von Lüneburg und
Rostock z. B. Hessen sich erkaufen; Kolberg dagegen wurde mit
Mannschaften und Baarmitteln unterstützt, und erst nachdem es
den Angriff der Feinde erfolgreich zurückgewiesen, vermittelten
die Städte den Frieden.
Unter diesen Verhältnissen war selbst die nähere Familien-
verbindung zwischen Brandenburg und Dänemark, welche den
wilsnacker Bund bekräftigen sollte, nicht im Stande, einen allge-
meinen Angriff auf die Städte herbeizuführen, insbesondere weil
schliesslich auch die Räthe der drei nordischen Reiche den
Kampf scheuten und Christoph zwangen, die hansischen Privi-
legien wenn auch widerwillig zu bestätigen.
Die Gefahr war vertagt, aber keineswegs beseitigt. Vielmehr
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fanden die allgemeinen Rüstungen der süddeutschen Fürsten und
Herren wider die Städte und umgekehrt im Norden kaum minder
allseitige Nachahmung. So entsprach vor allem die Erneuerung
der Tohopesate von 1443 auf dem lübecker Hansetage von
1447 durchaus dem Bunde von 31 oberdeutschen Gemeinwesen
vom März 1446. Auch die westfälisch-süderseeischen Städte
traten jetzt der Tohopesate bei, aus ihrer Sicherheit aufgeschreckt
durch den Zug der böhmischen Soldtruppen des Erzbischofs von
Köln gegen Soest. Und die weit und breit laut gewordene Be-
fürchtung, dass diese böhmischen Trabanten und ihre fürstlichen
Führer, die ihren Weg mit gewaltigen Brandschatzungen der
Städte bezeichneten, nicht blos im kölnischen Interesse aufge-
brochen seien, lag um so näher, als in denselben Tagen, da der
Hansetag in Lübeck die Tohopesate erweiterte, die Städte in
Kopenhagen mit ihren Anliegen abgewiesen wurden. Mindestens
die wendischen Städte machten sich auf einen kriegerischen Zu-
sammenstoss mit Dänemark gefasst.
Die Niederlage der Böhmen vor Soest zerstreute wenige
Wochen später die dringendsten Besorgnisse von jener Seite her,
doch zogen die sächsischen Städte immerhin ein Heer zusammen ;
dafür schrieb aber Christoph unmittelbar darauf einen Fürstentag
nach Lübeck aus, ohne den Rath zuvor zu benachrichtigen oder
um Geleite nachzusuchen. Erst als verschiedene Fürsten, darunter
auch süddeutsche, mit zahlreichem Gefolge in Lübeck eingetroffen,
meldete er sich an, jedoch in einer Art und Weise, welche nach
den kopenhager Erlebnissen im Sommer gerechten Argwohn er-
zeugte. Der Rath ersuchte ihn , nur 4 — 500 Gewaffnete mitzu-
bringen, und als er sich nun nach Wismar wandte, erhielt er
ebenfalls einen abschlägigen Bescheid. Erzürnt verschmähte er
Rostock, welches sich zur Aufnahme bereit erklärte, erliess ein
Korn- und Viehausfuhrverbot nach den Städten und traf die
Vorbereitungen zum Angriff auf Lübeck, als ihn der Tod im
Januar 1448 ereilte. Auf dem Todtenlager soll er dem dänischen
Reichsrath seinen Schatz nachgewiesen und geäussert haben, er
hätte gehofft, ihn im Sommer vor Lübeck zu verzehren. Solches
berichtet der lübische Chronist, der hierauf fortfährt: sein Hin-
scheiden vereitelte »einen bösen Anschlag; denn er ud
meiniglich alle weltlichen Fürsten, mit Ausnahme des Her-
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. - 46 —
Schleswig-Holstein, hatten sich verbunden und wollten die Städte
demüthigen und vernichten. Dieses Vorhaben Hess sein Tod zu
nichte werden; denn er war das Haupt aller Herren in dieser
Bosheit.«
Seinem Hinscheiden ist in der That eine weiterreichende
Bedeutung beizumessen ; denn es verhütete nicht nur die Störung
des Friedens in Norddeutschland, sondern verzögerte auch den
Ausbruch des Kampfes im Süden. Bei aller Lückenhaftigkeit
der Ueberlieferung tritt hier der durch die zoUerischen Brüder
vermittelte Zusammenhang der nord- und süddeutschen Fürsten-
aristokratie deutlich zu Tage. Eine Fürstenversammlung in Ko-
burg, die gleichzeitig mit einem Städtetag in Ulm im Sommer
1448 stattfand, verschob den Ausbruch des Kampfes um ein
Jahr und gewährte damit dem Markgrafen Friedrich die Möglich-
keit, sowohl einen Aufstand von Berlin und Köln niederzuschlagen,
ohne dass die hansischen Genossinnen einzuschreiten gewagt
hätten, als auch den neuen Dänenkönig Christian, einen Neffen
des holsteiner Herzogs, für die Pläne seines Vorgängers zu ge-
winnen. Die Erhebung eines eigenen Königs, Karl Knutsson,
durch die Schweden und dessen Kampf mit Christian um Goth-
land und Norwegen boten dem Brandenburger die erwünschten
Handhaben, und sogar der holsteiner Herzog fand sich um
seines Neffen willen auf einem neuen Herrentage in Wilsnack
ein. Vierzehn norddeutsche Fürsten sandten nach einer schwe-
dischen Quelle von diesem Tage aus König Karl ihre Fehde-
briefe ein, und die rasch einander folgenden Verträge zwischen
Brandenburg und Pommern, Brandenburg und Meklenburg,
endlich der Bund zwischen Meklenburg und Pommern vom
24. August 1449 »zur Bezwingung des Ungehorsams ihrer eigenen
und aller mit denselben in Verbindung stehenden auswärtigen
Städte« '), sie offenbarten Zweck und Ziel der fürstlichen Ge-
nossen. Wechselheirathen zwischen Brandenburg und Dänemark,
Brandenburg und Pommern sollten abermals alte Misshelligkeiten
vergessen machen und den Bund fester kitten. Gleich dem Mark-
grafen Friedrich sandten im Herbste 1449 ^^^^ Herzöge von
Pommern, Herzog Heinrich von Stargard und drei Herzöge von
Vgl. H. R. 3, S. 440.
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Braunschweig-Lüneburg ihre Absagen an Nürnberg, und in ihnen
werden wir den Kern des norddeutschen Fürstenbundes zu er-
blicken haben.
Di^ Städte waren auch diesmal auf ihrer Hut. Fast gleich-
zeitig wandten sich die pommerschen, meklenburgischen und
sächsischen Städte mit der Aufforderung an Lübeck, dass es
«inen Hansetag einberufe behufs Berathung über den Anfall der
Herren und Fürsten auf die Städte, und auf einem lübecker Tage
wurden die Bande wiederum straffer angezogen. Namentlich
wurde die Tohopesate mit ihren Vorschriften über die gegen-
seitig zu leistende Kriegshülfe auf sechs Jahre erneuert. Auch
dieses Mal war das Glück den Städten hold. Der Abfall des
schwedischen Adels von König Karl Hess die Unterstützung der
deutschen Fürsten für Christian entbehrlich werden, während um-
gekehrt ein Kampf mit der Hanse den nach Danzig geflüchteten
Karl sofort nach Schweden zurückgeführt hätte. Dazu kam auch
•die Rücksicht auf die Nachfolge in Schleswig-Holstein für ihn in
Betracht. Dann aber wurde Markgraf Friedrich wider seinen
Willen in einen heftigen Kampf um die Lausitz mit Meissen ver-
wickelt, und bei dem gleichzeitig äusserlich erfolglosen Ringen
seines Bruders mit Nürnberg standen die ihrer Führer beraubten
Glieder des Fürstenbundes von dem gemeinsamen Angriffe ab.
Ja, zu nicht geringer Genugthuung der Städte geriethen gerade
die Herren von- Meklenburg und Pommern, deren Vertrag die
antistädtische Richtung am schärfsten zum Ausdruck gebracht
hatte, kaum ein Jahr später untereinander in Fehde.
Ein so umfassender Angriff auf die Städte, wie er im fünften
Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts im Süden erfolgt ist und im Norden
andauernd geplant wurde, ist nachher nicht wieder zu Stande
gekommen. Allerdings ist Markgraf Albrecht, der Nachfolger
seines Bruders Friedrich in der Mark, 1474 mit König Christian
noch einmal auf den Gedanken eines grossen Fürstenbundes
zurückgekommen, und beide haben unter anderem auch die Ver-
nichtung der Selbstherrlichkeit der Städte als erstrebenswerth
hingestellt. »Keine Stadt soll mehr beschliessen dürfen über
Zoll, Steuer und Recht; dem Fürsten soll es freistehen, jedes
Jahr einen neuen Rath zu setzen, wenn es ihn gut dünkt,« heisst
es in der Aufzeichnung. Allein über die Fixirung auf dem Papier
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ist dieser Plan nicht hinausgelangt ; auch hatte er in erster Linie
nicht sowohl die Bewältigung der Städte, als die theilweise
Sekularisirung des Kirchengutes zum Ziele. Dagegen gewann
das Streben der einzelnen Landesherren, ihre Macht auch über
die Städte auszudehnen, nach den Erfahrungen des fünften Jahr-
zehnts sowohl im Süden wie im Norden unfraglich an Kraft und
Nachhaltigkeit, und unter allen hansischen Städtegruppen war es
die sächsische, welche nächst der märkischen am schwersten be-
drängt wurde. Aber wie sich der Zusammenhang der Hanse
gegenüber dem Fürstenbunde im grossen und ganzen als unge-
lockert erwiesen hatte, so überstand sie auch die nächsten Jahr-
zehnte nicht nur im Wesentlichen ungefährdet, sondern unstreitig
trugen gerade diese binnendeutschen Verwicklungen vieles dazu
bei, das Gemeingefühl innerhalb des Bundes zu stärken. Im
Gegensatz zu den oberdeutschen Städten, welche, zufrieden in
dem Bewusstsein der Unantastbarkeit ihrer Reichsfreiheit, ihren
Bund unter kleinlichem Zwiste auflösten und sich von den grossen
Fragen des Reiches zurückzogen, hat die Hanse nicht nur jene
auf Abwehr der Fürsten und Niederhaltung der Gemeinden be-
rechneten Tohopesaten von Zeit zu Zeit je nach Bedürfniss er-
neuert, sie ist auch in der That den Bestimmungen derselben
wiederholt nachgekommen. Der anscheinend so lockere Bund,
dem man wohl vorgeworfen hat, dass lediglich der Zwang der
gemeinsamen Handelsinteressen ihn zusammengehalten habe, er
hat seine Aufgaben auch dem binnenländischen Herrenthum
gegenüber im grossen und ganzen zu erfüllen verstanden bis
zu der Zeit, da die religiöse Bewegung des 1 6. Jahrhunderts die
ständische Eifersucht zurückdrängte und in dem schmalkaldischen
Bunde süd- und norddeutsche Fürsten, Herren und Städte sich
in dem Wunsche gemeinsamen politischen Handelns begegneten.
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III.
DIE BREMISCHEN BÜRGERMEISTER
HEINRICH UND JOHANN ZOBEL.
VORTRAG,
GEHALTEN IN DER VERSAMMLUNG DES HANSISCHEN
GESCHICHTSVEREINS ZU QUEDLINBURG 1886.
VON
WILHELM VON BIPPEN.
Hansische Geschichtsblätter. XV.
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Die beiden Männer, deren Lebensgang hier geschildert
werden soll , haben , wenn sie auch nach einander die höchste
Ehrenwürde ihrer Heimath inrie hatten, in der Geschichte der-
selben nicht und noch weniger in der des zerfallenden Hanse-
bundes eine besonders hervorragende Rolle gespielt. Dennoch
haben sie beide, Vater und Sohn, in den Akten des Bremischen
Archivs reichere Spuren ihres Daseins zurückgelassen, als mancher
Mann, der einen viel durchgreifenderen Einfluss auf die öffent-
lichen Geschäfte der Stadt geübt hat. Von dem Vater ist uns
eine Selbstbiographie erhalten '), eine schmucklose Erzählung vor-
nehmlich seiner ereignissreichen Jugendjahre, für seine Kinder
niedergeschrieben; von dem Sohne besitzen wir nicht nur im
Bremischen, sondern auch in anderen Archiven zahlreiche Briefe,
die neben seinen persönlichen Schicksalen regelmässig auch die
Staatsbegebenheiten berühren. Aus diesem Material lernen wir
zwei Männer kennen, deren Lebensentwickelung ausser dem be-
söndern, wie ich glaube, auch ein gewisses allgemeines Interesse
in Anspruch nehmen darf.
Heinrich Zobel war ein homo novus in den Reihen der
bremischen Rathsherren, der Sohn eines fahrenden Krämers, der,
aus dem Städtchen Demmin in Pommern gebürtig, in jungen
Jahren sein Kramgut in Lübeck und Hamburg, in Dänemark
und Nürnberg herumgeführt hatte, bis ihn im Jahre 1533 die
Verwandtschaft der religiösen Stimmung und gleich darauf auch
das eheliche Band an die Weserstadt fesselten.
Der Sohn, der sein Berufsleben gleichfalls als Krämer begann.
«) Abgedruckt im Bremischen Jahrbuche Bd. 9. 1877.
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verstand es, sich zum Grosskaufmann emporzuschwingen und
durch Geschäftskenntniss, Credit und Vermögen hie und da auch
auf die politischen Verhältnisse Einfluss zu üben^ lange bevor er
zu amtlicher Theilnahme am öffentlichen Leben berufen war.
Der Enkel wurde von Jugend auf für das Staatsleben bestimmt
und zwar, dem weiten Gesichtsfelde entsprechend, das der Vater
beherrschte, nicht in dem schon allseitig beengten Kreise der
hansestädtischen Politik, sondern unter einem der hervorragendsten
evangelischen Reichsfürsten.
Schon Claus Zobel»), Heinrichs Vater, hatte es in Bremen
zu einigem Ansehen gebracht. Zehn Jahre nach seiner Ein-
wanderung erwarb er ein ansehnliches Haus, und als ihm hier
bald darauf seine Gattin entrissen wurde, heirathiete er in zweiter
Ehe die Tochter des Rathsherrn Albert Louw^. Er entschlug
sich dann mehr und mehr des Kramhandels und begab sich,
weil sein Haus dazu geeignet war, zur Herbergerschaft *). Noch
in vorgerücktem Alter wurde er zum Diakonen an der Martini-
kirche erwählt, ein Ehrenamt, das seit seiner Einrichtung durch
die Kirchenordnung von 1534 bis in die neueste Zeit herein
auch einen gewissen Einfluss im bürgerlichen Leben der Stadt
begründet hat.
Aber trotz der glücklichen Wendung seines Geschicks hat
Claus daraufgehalten, dass sein ältester, im Jahre 1539 geborener
Sohn Heinrich die gleiche strenge Schule durchmache, wie er
selbst einst. Kaum 13 Jahre alt, musste Heinrich 1552 das Eltern-
haus verlassen, um erst nach 25 Jahren zu dauerndem Aufent-
halte in die Heimath zurückzukehren. Er hatte seine Schul-
bildung auf der Lateinschule in Lübeck vollendet, dann dort
zwei bis drei Jahre bei einem Krämer gedient. Als er 17 Jahre
x) Dies ist die von Heinrich Zobel und dann von seinem Sohne und
von dem ganzen Geschlechte angenommene Schreibart des Namens. Der
Stammvater Claus nannte sich Zabel oder Säbel. In der letzteren Schreib-
weise steht sein Name im Bürgerbuche und auch auf seinem noch erhaltenen
Grabsteine in der Martinikirche. Auch Heinrich wird noch einigemal so
genannt. Als Wappenbild führte schon Heinrich und nach ihm sein Sohn
ein aus einem Walde hervortretendes Zobelthier.
a) Aus den Rhederreehnungsbüchern des Bremer Archivs ergibt sich,
dass häufig angesehene Freimde auf Kosten des Raths bei ihm einquartiert
wurden.
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alt war, holte ihn der Vater aus Lübeck ab und führte ihn auf
dem Rückwege nach Bremen bei Lüneburg auf einen »bogen
Berg«, wie der Vielgereiste, der oft die Alpen überschritten hatte,
in Erinnerung des kindlichen Eindrucks nach vielen Jahren den
Kalkberg bezeichnet ; dort sprach der Vater : » wan die berg noch
so hoch were, künde ick und mines geliken gluck un ungeluck
nicht aversehen, wat enen in der weit m siner jöcht wedervaren
mocht; ok wan ik dan lust hadd« de weit to besehen, wolde
he my anwisinge geven, ik scholde id im namen Gottes wagen
und dohn na als he vor gedahn hadde.«
In Bremen wurden nun allerlei Kramwaaren und Geräth-
schaft, wie sie Schneider, Schuhmacher, Pelzer, Perlsticker und
andere Handwerker brauchen, eingekauft in Summa für 12 Thaler.
Das war das ganze Geschäftscapital, mit welchem der Sohn in
die weite Welt geschickt wurde. So fuhr der Siebenzehnjährige
über Osnabrück durch Westfalen, nach Braunschweig, durch die
Mark nach Meissen und weiter nach Böhmen. Von da wandte
er sich auf Nürnberg und sodann nach Steier. Hier, wo die
Handwerksgeräthe am besten gemacht wurden, versah er sich,
da sein Kram ledig war, mit neuen Waaren, soviel er tragen
konnte ; denn die mühselige Reise ging meist zu Fuss. Nach
Abschluss des Einkaufs behielt er zwölf Goldgulden übrig, und
auch dieser Summe, seines Erstlingsgewinns, hat dör Mann, der
später mit Tausenden zu rechnen gewöhnt war, nfe vergessen:
»dat weren avergebleven broke und de segen des heren; dar-
dorch ward ik lustig tor arbeit und ton reisen.« Von Steier
ging es nach Salzburg und von hier, »dewil de winter herby
quam, dorch dat geberchte den sommer togemote, als die eber
deit (dem Sommer entgegen, wie der Storch thut), up Italien
went to Venedig. « Sechs bis sieben Monate nach dem Abschiede
von Bremen hatte er dies ferne Ziel erreicht. Er hatte die Ab-
sicht, in Venedig Stein- und Beinwaaren zu kaufen und mit
diesen die Wanderschaft fortzusetzen, als er durch Zufall in einem
dort etablirten Niederländer einen guten Herrn fand, in dessen
Diensten er vom Herbst 1556 bis zum Sommer 1560 blieb.
Cornelius Merman van Sprokhueck handelte mit Edelsteinen
und Kleinodien: mit dieser kostbareren Ladung durchzog
Zobel nun Italien bis nach Florenz und Rom; aber er ritt auch
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— 54 —
über die Alpen zurück auf den Augsbufger Reichstag von 1558
und lag längere Zeit in Nürnberg. Wie oft hat er inzwischen,
wie oft später noch Venedig besucht, wie oft die Alpen tiber-
schritten ! Aber mit keinem Worte erwähnt die hinterlassene Bio^
graphie. des Eindrucks , drä die Bergriesen auf sein Gemuth
machten; keine Silbe giebt «ine Andeutung, dass die glänzende
Kunstentfaltung der Lagunenstadt, in der eben Tizian, Tintoretto
und Paul Verönese ihre herrlichsten Werke schufen, seinen Geist
beschäftigt hätte. . .
Ein heftiges Fieber, Welches ihn im Sommer 1560 drei
Monate lang ans Krankenlager , in Mailand fesselte, weckte die
Sehnsucht in die Heimath. Nach der Genesung von seinem
Herrn in Venedig ehrlich abgefertigt, kehrte er im October nach
Bremen zurück, um bald darauf nach Lübeck und Flensburg
aufzubrechen;; denn Herr Cornelius hatte auch hier im hohen
Norden seine Geschäftsverbindungen und Zobel den Auftrag, für
ihn, wie auch für Seinen Vater, Schulden einzufordern.
Der Einundzwanzigjährige hatte seine Lehrzeit hinter sich;
seiii Sinn war auf selbständige Geschäftsführung gerichtet. Aber
auch jetzt erhielt er nicht voin Vater, der doch allem Anscheine
nach ein wohlbehaltener Mann war, das Geschäftscapital, sondern
durch dessen Vermittelung wurden von einem Hamburger Ge-
schäftsfreunde 200 Mark Lübisch zu dem massigen Zinsfusse von
fünf Brocent aufgenommen. Mit dieser Summe kehrte Zobel im
April nach Venedig zurück, und einen verhältnissmässig enormen
Gewinn hat. er, in freilich höchst angestrengter Thätigkeit, in
kurzer Frist mit ihr erzielt. Achtmal hat er in zehn Monaten
die Alpen überschritten, viermal nach Süden und viermal nach
Norden hin. Am 20. Mai 1561 legte er in Venedig die zwei-
hundert Mark zum ersten Male in Waaren an, die er dann meist
in Nürnberg mit einem Gewinn von hundert Thalem verkaufte.
Schon am 22. August kaufte er zum zweiten Male in Venedig
ein, am 19. December zum dritten Male und bereits am 27. Fe-
bruar des folgenden Jahres zum vierten Male, um jedesmal mit
seinem Edelgestein und anderen Waaren nach Nürnberg und
Augsburg zu ziehen. Beim vierten Einkauf konnte er schon ein
Capital von 1500 Thalern anlegen, und der Gesammtgewinn der
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vier Reisen bezifferte sich auf über achthundert Thaler nach
Abzug der angeliehenen zweihundert Mark.
Aber er war dieses Laufens und Handels, »weil man all sin
armot bi sich dragen mot,« satt und dachte auf einen beständigen
Handel. Er trat deshalb Ostern 1562 zu Linz in die Dienste
Hinrich Walters von Nüi:nberg, der eben im Begriffe stand, sein
Geschäft mit niederländischen Waaren nach Oesterreich auszu-
dehnen, und sich zu dem Ende gleich darauf mit Hinrich Pilgram
in Nürnberg und Gerd Koch in Antorf verband. Zobel wurde
nach Wien beordert, um in Oesterreich und Ungarn seiner Herren
Handlung einzurichten. Fünf Jahre hat er dort residirt und für
die Companie im Jahr für manche 40 000 Thaler an Kirsei und
anderen niederländischen Waaren verkauft. Er hat uns aus dieser
Zeit die Erinnerung an ein paar Reiterstückchen bewahrt, wie
sie auch unter den damaligen Geschäftsreisenden selten vor-
kommen mochten.
Einmal ritt er, um 2000 Thaler für die Companie zu retten,
von Wien bis Eperies und Kaschau tief in Oberungarn 65 grosse
ungarische Meilen in drei Tagen und Nächten ; ein anderes Mal
in dem gleichen Jahre legte er, um einen Wechsel über 15 000
Ducaten auf Antwerpen mit der Kaiserin abzuschliessen, den
28 Meilen weiten Weg von Linz nach Wien in sechszehn Stunden
zurück und traf nach einem Tage voll anstrengender Geschäfte
in Wien zweimal 24 Stunden, nachdem er es verlassen, in Linz
wieder ein. »Es verwunderten sich meine Herren und jeder-
männiglich des Reitens, will es andern, die ihrer Herren Sachen
gerne treulich befördern und woU dienen, befehlen«.
Im Jahre 1566, während des Feldzugs Maximilians gegen
Süliman, war Zobel etliche Male im Lager bei Presburg und
Raab. Er erlebte es, wie der Sultan das Haupt des tapfern
Grafen Zriny ins Lager des Kaisers sandte. Als gleich darauf
mit Solimans Tode der Friede eintrat, fand Zobel Gelegenheit,
dem Kaiser einen wichtigen Dienst zu erweisen. Es galt, ein
der Zahlungsrückstände wegen aufsässiges Regiment zu beruhigen.
Einige Wiener Kaufieute brachten die nöthige Summe, und zwar
drei Viertel in Waaren, ein Viertel in Geld, zusammen. Zobel
lieferte 24 000 Gulden in Waaren und Geld dazu und wurde dann
vom Reichspfennigmeister Daniel von Sebottendorf beauftragt, die
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Vertheilung der Waaren unter die zwölf Compagnien in Pres-
burg vorzunehmen. Er erledigte auch das Geschäft zur vollen
Zufriedenheit des Kaisers, wenn auch nicht der Kriegsleute,
»hetten lieber bar Gelt gehabt; aber hiemit war der Kaiser].
Majestät hoch gedienet, und die Kriegsleute bekamen gute Kleider,
da sie sonst das Gelt hetten versoffen«.
Gleich darauf sollten die politischen Verwickelungen am
entgegengesetzten Ende des Reichs dem Geschicke Zobels eine
ganz neue Wendung geben. Es begann der niederländische
Unabhängigkeitskrieg, und Gerhard Koch, einer der Deputirten
der Augsburgischen Confession in Antwerpen, Hess sich tiefer,
als für die Geschäfte der Companie wünschenswerth war, in die
politischen Händel, insbesondere in Beziehungen zu Wilhelm von
Oranien, ein. Darüber ging die Companie aus einander. Gerd
Koch schied aus ; aber er Hess den grössten Theil seines Capitals,
21 ooo Gulden, im Geschäfte und beförderte, dass Zobel, für
dessen Rechnung er insbesondere 8000 Gulden zu acht Procent
auf sechs Jahre festlegte, an seiner Stelle in die Companie auf-
genommen wurde; hatte er doch ein solches Vertrauen zu dem
jungen Manne gefasst, dass er ihm, falls er im Kriegswesen
sterben sollte, seine damals zwölfjährige Tochter- Ursula im
Testament vermachen und ihn zum Verwalter seiner Güter ein-
setzen wollte.
Zobel war zur Feststellung der neuen Contracte im Februar
1567 nach Antorf gereist, wohin gleichzeitig auch Walter aus
Nürnberg kam. Mit diesem allein schloss er zunächst die Com-
panie, um sich gleich darauf zu Orsoy im Clevischen mit Walters
Schwester Gertrud, Tochter des dortigen Rathsverwandten Johann
Walter, zu verloben. Er kehrte dann noch einmal nach Wien
zurück, um seine Sachen zu ordnen, seinen Bruder Johann in
seine Stelle zu setzen und sich mit seinen Freunden zu letzen.
Schon Ende Mai war er wieder in Antwerpen. Dorthin kehrte
um Mitte Juli auch Hinrich Walter in Begleitung Hinrich Pil-
grams zurück, und nun schlössen die drei Heinriche eine be-
ständige Companie und Verbündniss auf acht Jahre: Zobel sollte
Antorf, Pilgram Frankfurt und Nürnberg, Walter Oesterreich ver-
walten. Gerd Koch, der inzwischen vor dem herannahenden
Alba nach Köln geflüchtet war, verfertigte die Contracte.
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Dem Abschlüsse derselben folgte noch im Sommer 1567
Zobels Verheirathung mit Gertrud Walter, mit der er sechszehn
Jahre lang in kinderreicher Ehe gelebt hat. Er hielt seinen Ein-
zug mit der jungen Gattin in Antwerpen gerade zu der Zeit, als
Alba nach Brüssel kam. In dem Augenblicke, da Zobel als
selbständiger Chef in den Grosshandel eintrat, begann jene gräuel-
volle Periode der niederländischen Geschichte, der demnächst
auch die Blüthe Antwerpens zum Opfer fallen sollte. Schwere
Jahre hat Zobel in mehr als einer Beziehung in der Antwerpener
Zeit durchlebt. Wenn er trotzdem nach neun Jahren mit einem
allem Anschein nach sehr bedeutenden Vermögen die Nieder-
lande verlassen konnte, so beweist das den Fleiss und die Um-
sicht, in gewissem Sinne die Genialität, mit welcher er das weit-
verzweigte Geschäft leitete. Die Associds rühmten beide, das
Geschäft sei vordem zu Gerhard Koch's Zeiten niemals so
glänzend gegangen. Wenn Zobel im ersten Jahre Waaren für
mehr als 60 000 Thaler aus Antwerpen nur nach Oesterreich ver-
sandte, so erhellt, in welchem Umfange er den Credit, den sein
Haus und er persönlich besass, in Anspruch nehmen durfte.
Um so schwerer musste er es empfinden, als schon nach kurzer
Frist sein Schwager Hinrich Walter durch Leichtsinn und Con-
tractbruch den Credit des Geschäfts auf das schwerste gefährdete.
Zwischen Walter und Pilgram entspann sich 1568 bittere Feind-
schaft, und ersterer Hess sich, dem Handelscontract zuwider, in
einen Beihandel mit zwei jungen Leuten ein, »jungens,« wie Zobel
sagt, »die des handeis kein verstand, auch nich 100 daler capital
hatten. € Für diese übernahm er grosse Bürgschaften in Ant-
werpen und wies dann, um sich zu decken, in Linz, wo jene
beiden neben der Firma Walter, Pilgram und Zobel feilhielten,
die Kunden dieser an jene. Darüber blieben die Gläubiger
unserer Firma in Antwerpen unbefriedigt, und Zobel fürchtete
eine Katastrophe. Das Anerbieten seines Schwagers, sich mit
ihm, Hauxman und Füller, so hiessen die beiden »Jungens«, zu
verbinden, wies er auf das bestimmteste ab. »Dass ich mich
aus diesem wolangerichteten Haus geven und zu Hauxman in
sein baufellig Haus noch in ein Stuben krichen soll, das were
mir fast beschwerlich und frembt zu hören. Bat ihn, er solte
von seinem Vornehmen abstehen ; dan ich hette mich einmal zu
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ihm und Pilgram in Gesellschaft verschrieben und auf unser drei
Namen in Antorf ein gross. Gut eingekauft. Dabei weit ich
bleiben und aus unserm Contract nicht treten, wolte auch ihn
und Pilgram nicht verlassen, bis jederman zu Dank zahlt were.
Sie selten in dem so wol ihr eigen Ehr als die meine in Acht
haben; worden sie dem Handel nicht recht färstehen Und mich
ohne Gelt lassen, wurden sie mich von Haus und Hof treiben
und sie umb ihren Credit kommen«.
Die Ermahnungen fruchteten nicht. Zobd eilte daher im
September 1568 mit seiner Hausfrau nach Nürnberg, von da
allein nach Wien, wo schnell die rückständigen Waaren verkauft
wurden, um Geld auf Antorf zu remittiren. Vergeblich aber
waren seine Bemühungen, die feindlichen Gesellschafter auszu-
söhnen. Walter war von den beiden »losen Buben« nicht ab-
zubringen, die ihn doch bald ins Verderben rissen. Sie brachten
ihn nicht allein um sein ganzes Vermögen, sondern endlich, 1574,
auch noch ins Schuldgefängniss. Zobel sah sich auch um die
zweitausend Gulden Heirathsgut, die ihm Hinrich Walter zugesagt
hatte, betrogen und musste noch durch eine weitere Schuld
seines Schwagers einen Strich machen.
Pilgram und Zobel, die Walters Capital nicht entbehren
konnten, nahmen drei Brüder Schenken auf sechs Jahre ins Ge-
schäft auf und kehrten dann gemeinsam nach Antwerpen zurück,
um hier Rechnung und Credit wieder ins gleiche zu bringen.
Und schnell genug gewann Zobel den vollen Credit wieder.
Als im Februar 1569 Pfalzgraf Wolfgang von Zweibrücken
ein Heer zur Unterstützung der Hugenotten sammelte und für
eine bedeutende Summe Kriegsrüstung bei einer Handelsgesell-
schaft bestellte, zu der auch Gerd Koch gehörte, da verlangte
diese Gesellschaft Bürgschaft der Königin Elisabeth für die Zah-
lung und unterhandelte mit Zobel, dass er die Versicherung der
Königin zuwege bringe. Man kam endlich überein, dass der
Pfalzgraf einen von Condd ratihabirten Wechsel auf die Königin
ausstellte, und dass, falls die Königin denselben honorirte, Zobel
das Geld zum Besten seiner Companie empfangen sollte, um es
demnächst in contractlich festgestellten Terminen in Frankfurt
und Nürnberg an die Lieferanten der Rüstung auszuzahlen.
Zobel nähte den Wechsel in die Korksohlen seiner Stiefel und
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ritt so mit seinem Wändbereiter und seinem portugiesischen
Handlungsdiener Marcus Alvares nach Grevelingen, wo sie vom
Volk des Herzogs von Alba aufs genaueste .untersucht wurden;
»aber die wexelbriefe fanden sie nicht, wölte sonsten St. Veiten
gehabt haben«. So kamen sie glücklich von Calais über Dover
nacli London. Zobel verhandelte dort, vom Cardinal von
Chatillon eingeführt, persönlich mit der Königin, in italienischer
Sprache, wie er bemerkt, da sie kein deutsch verstand. Und in
der That empfing er einen von Sir Thomas Gresham ausgestellten
Wechsel über 52 ooo Gulden, zahlbar am 15. Mai in Hamburg.
*Mir geschah,« fügt Zobel hinzu, »in London grosse ehr in der
Königin hof und sonderlich unter den Engeischen Kaufleuten,
meine bekanten«. Zobel ritt dann eilends in acht Tagen von
London nach Frankfurt, wo er im März zur Fastenmesse efntraf,
um die Zahlungsversicherung zu überbringen.
Von da kehrte er nach Antorf zurück und war bereits am
I. Mai in Hamburg. Der Wechsel war auf Pitzard Klong, einen
der Merchant Adventurers, die eben damals sich in Hamburg
niedergelassen hatten , ausgestellt und wurde von diesem mit
8216 i^ flämisch oder 32864 Thalern. berichtigt. Zobel legte die
Summe meist in Kirsei und englischen. Laken an und machte
damit ein gutes Geschäft.
Es ist Zeit, hier ein Wort über Zobels Stellung zu der
Hanse zu sagen. Obwohl hansischer Abkunft stand er als Theil-
haber eines oberländischen Geschäfts in keiner Verbindung mit
dem hansischen Contor in Antwerpen, das eben zur Zeit seiner
dortigen Residenz vollendet wurde. Er gedenkt des Osterschen
Hauses nur einmal flüchtig, gelegentlich der furchtbaren Seefluth,
die am 2. November 1570 mit grossen Theilen Antwerpens auch
das neue Haus der Hanse bedrohte. Hier fand eben an jenem
Abend ein Gastmahl statt, an welchem Zobels Bruder und
Schwager, die zu seiniem Besuche in Antwerpen weilten, theil-
nahmen. Von einer Berührung Zobels mit Sudermann, der in
diesen Jahren so häufig sich in Antwerpen aufhielt, erfahren wir
nichts. Er stand in ausgeprägtem Gegensatze gegen den han-
sischen Syndikus, der inmitten einer äusserlich und innerlich er-
weiterten und erneuerten Welt das Geschäftsleben noch in den
gebundenen Bahnen der Privilegien und des Contorzwanges
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leiten zu können venneinte. Zobels Befreundüng mit englischen
Kaufleuten, seine Geschäftsbeziehungen zu den Merchant ad-
venturers bezeugen, dass er unbefangenen Blickes die internatio-
nale Concurrenz im Handel würdigte und in der persönlichen
Tüchtigkeit und Rechtschaffenheit und dem aus solchen £ig^-
schaften entspringenden Credit, nicht aber in monopolistischen
Privilegien, die Gewähr des Gehngens sah.
An üblen Erfahrungen freilich sollte es ihm bei der zu-
nehmenden Bedrängung der Niederlande auch fernerhin nicht
fehlen. Gerd Koch hatte sich so tief in die Sache des Prinzen
von Uranien verwickelt, dass er bereits 1569 sein ganzes Capital
aus dem Geschäfte gezogen hatte. Da ihm nun weitere Zahlungen
seitens der Firma verweigert wurden, forderte er im Sommer
1570' in Nürnberg von Pilgram Abrechnung. Dieser lehnte sie
aus dem formellen Grunde ab, weil der Contract in Antorf ge-
schlossen sei. Die Sache erwuchs an den Rath von Nürnberg,
der Pilgram schuldig erkannte, die Abrechnung zu geben. Pilgram
aber erwies sich so halsstarrig, dass ihn der Rath auf drei Monate
in seinen Gehorsam legen Hess. Die Folge davon war, dass die
Companie nun jeden einzelnen Posten der Rechnung mit verifi-
cirten und zu Recht beständigen Instrumenten belegen musste,
was an fünf Jahre Zeit und etliche tausend Gulden kostete. Das
Endresultat aber war, dass Geid Koch, nachdem er sein ganzes
Capital von 21 000 Gulden nebst 8 ^/o Zinsen empfangen hatte,
darüber hinaus der Companie mehr als 2000 Gulden schuldete.
Die Companie hat einen Strich durch dieses Debet machen
müssen; denn Gerd Koch, der gute Mann, ist, da die Procura-
toren und Doctoren das Ihre davon hatten, in Armuth gerathen
und von Nürnberg verlaufen, hat sich seltsamer Händel ange-
nommen in Dänemark und Schweden ; ihm ist ein Bein zerbrochen,
ein Aug ausgeschworen, endlich, als er mit etzlichen Mastbäumen
aus Schweden nach England wollen schiffen, an der Pestilenz im
Schiff gestorben und unter England am Strande begraben, 1574»
Seine älteste Tochter, die er einst Zobel angeboten hatte, hatte
er später an dessen Handelsdiener Salomon Minuit verheirathet,
der nun, durch Bürgschaftsübernahme in den Process seines
Schwiegervaters verwickelt, bankerott machen musste. Er ist bald
darauf bei der Einnahme Antwerpens auf der Scheidebrücke er-
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schössen. Bei Erzählung dieser Dinge fügt Zobel in seine Bio-
graphie die Worte ein : »dies setz ich meinen Kindern zum Ge-
dächtniss, damit sie fürsichtig handeln und sich für Ungerechtig-
keit warten und Gott vor Augen haben. Reich tumb ist ein zu-
fällig Ding; aber unrechtfertig Gut gedeiet nicht.« Er vergisst
nicht zu erwähnen y dass sein Mitverwandter Pilgram, als er
1 581 in Nürnberg starb, seinen Kindern 96 000 Gulden hinterliess.
Die furchtbare Katastrophe Antwerpens im November 1576
wurde für Zobel der Anlass zur Rückkehr in die lange gemiedene
Heimath. Von der Plünderung der Stadt hat er uns eine kurze
Schilderung hinterlassen, deren Mittheilung diesen Abschnitt seines
Lebens beschliessen mag: »Ao 1576, den 4. November, ward die
Stadt Antorf von den Spaniern überfallen und mit Gewalt einge-
nommen am Sontag zu Mittag und schrecklich tyrannischer Weise
von den Schelmen geplündert ; das beste Deel sambt dem Rathhaus
der Stadt abgebrant, die Borger jämmerlich vermordet, Weiber
und Jungfrauen geschändet, also dass 4000 auf den Gassen todt ge-
funden. Haben auch mich und mein Haus geplündert, zu dreimal
angefallen; aber Gott almächtig schicket mich flugs nachmittag
einen Italienischen Capitain, Don Antonio geheissen; der nahm
mein Haus ein mit drei Pferden und stellet mich, dieweil Kisten
und Kasten geplündert und ledig, auf eine Rantzion, das ich
ihm auch gutwillig, bezahlt; und dank Gott dem Almächtigen,
dass sonst niemand von den Meinigen an Leib und Ehr nichts
Arges widerfahren. Gott hat sich sonderlich meines Haus
vatterlich angenommen. Das Zeitliche und was sie mich abge-
nommen und abgedrungen, damit werden ihrer einestheils viel-
leicht am Galgen verdorren. Der liebe Gott wird mich und die
Meinigen in Ehren und zeitlich Herkommen erhalten. Gott lass
aber mich oder die Meinen solch ein schrecklich Spektakel und
Elend nicht mehr ansehen. Amen.«
Die Stadt war am 18. November kaum wieder eröffnet, als
er Frau und Kinder mit einem spanischen Pass nach Orsoy
schickte. Er selbst blieb bis zur Lösung seiner dortigen Ver-
pflichtungen in Antwerpen und eilte dann nach Köln und Nürn-
berg, um mit seinen Mitverwandten abzurechnen. Nach Ant-
werpen wollte er auf keinen Fall zurückkehren, und er hat es
nicht wieder betreten. »Dies war ein bös jähr vor viele gute
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leutey sed solatium est miseris habere socium in poenis,. und der
hette ich, Gott besseres, gnug.«
Im Sommer 1577 siedelte Zobel, damals 38 Jahre alt, nach
Bremen über und nahm seines Vaters alte Behausung in Besitz.
Hier wurde ihm 1578 als Ei^tling in Bremen sein Söhn Johann,
der spätere Bürgermeister, geboren. Ich kann mich über die
zweite Hälfte seines Lebens, die genau noch ^S Jahre betrug,
kurz fassen, wie er selbst es in seiner Biographie gethan hat.
Für sie liegen uns jedoch noch einige andere Documente vor,
die wichtigere Aufschlüsse geben. Am 11. Februar 1583 wurde
Zobel in den Rath gewählt, zu einer Zeit, da der bedeutendste
bremische Staatsmann des Jahrhunderts, Daniel von Büren der
jüngere, noch an der Spitze der Geschäfte stand. Mit Zobel
■gewann der Rath doch eine eigenthümliche Kraft, die nicht in
den herkömmlichen Bahnen aufgewachsen war und durch aus-
gebreitete Erfahrungen geeignet, der Handelspolitik der Vaterstadt
einige neue Impulse zu geben.
Dass sein Urtheil in Fragen des Handels im Rathe sich
rasch Geltung verschaffte, erhellt daraus, dass er zu dem Zweckci
dem bremischen Handel neue Wege zu eröffnen, bereits im
Sommer 1584 in Gemeinschaft mit dem Syndikus Schaflfenrath
zu einer Mission an den Erzbischof Heinrich, der zugleich Ad-
ministrator von Osnabrück und Paderborn war, bestimmt wurde.
Nach der uns erhaltenen Instruction'), die aller Wahrscheinlich-
keit nach unter Zobels Mitwirkung concipirt ist, handelte es sich
darum, die natürliche Verkehrsstrasse Bremens ins Oberland, die
Weser, mehr als bisher den Handelszwecken dienstbar za machen.
Der Krieg in den Niederlanden und die mit ihm zusammen-
hangenden Unruhen am Unterrhein gaben den Anlass dazu-
Zwei Handelsartikel fasste man dabei vorzugsweise ins Auge, den
Export des Rheinweins und den Import englischer Laken. Die
Verschiffung des Weins den Rhein hinab und seewärts weiter
bot zur Zeit nicht allein mannigfache Gefahren, sondern war
neuerdings durch bedeutende niederländische Auflagen sehr er-
schwert. Man sagte sich in Bremen, dass die Weine von Worms,
Oppenheim, Mainz und dem Rheingau — diese Bezugsquellen
i) Vom I. Juli 1584, Concept im Brem. Archiv.
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werden ausdrücklich genannt — viel billiger und sicherer auf
dem kurzen Landwege über Frankfurt nach Kassel und von da
die Fulda und Weser hinunter zu Schiffe nach Bremen verfrachtet
werden würden, um demnächst von hier den nordischen Consu-
menten diesseit und jenseit der See zugeführt zu werden. Dieser
Weg wurde schon jetzt hin und wieder benutzt. Aber nur unter
einer Bedingung konnte er zu einem dauernd concurrenzfähigen
oder dem älteren Wege überlegenen Verkehrsmittel werden, wenn
nämlich das Weserzoll wesen einer Revision unterworfen wurde.
Auf 22 bis 23 Meilen Weges befanden sich zwischen Münden
und Bremen nicht weniger als 22 Zollstätten. Man machte sich
freilich in Bremen keine chimärische Hoffnung, auch nur eine
dieser Zollstätten beseitigt zu sehen; wohl aber wollte man die
Abschaffung des argen Missbrauchs versuchen, den die Zöllner
mit Bezapfung des Weins trieben, wodurch in Summa der neunte
Theil jedes Oxhofts abgezapft und in gleichem Maasse der Wein
mit Wasser verfälscht wurde. Man wünschte dem Erzbischof,
der eine bremische und eine paderbornische Zollstatt hatte, klar
zu machen, dass er wie die übrigen zollberechtigten Fürsten und
Herren ein grosses Interesse an der Hebung des Waarenverkehrs
auf der Weser habe, dass dadurch nicht nur seine Zolleinkünfte
sich steigern , sondern auch seinen Unterthanen mannigfache
Einnahmequellen eröffnet und Weine und andere Waaren billiger
geliefert werden würden. Aber die Voraussetzung dafür sei,
dass durch einen Vertrag der sämmtlichen interessirten Herren
der Zoll überall auf eine leidliche und festnormirte Geldsumme
gesetzt werde.
Unter der gleichen Voraussetzung und aus ähnlichem Anlasse
hoffte man in Bremen aber auch — und hier war nun Zobel
persönlich betheiligt — die Weser für den Import englischer
Laken ausgiebiger als bisher benutzen zu können. Die Ver-
legung des Stapels von Antwerpen nach Middelburg und dann
nach Emden und die neuerdings zu Arnstadt in Thüringen auf-
gekommene Färberei mit Waid müsse die Weserstrasse nach-
drücklich empfehlen. Aber die Ungleichheit und Willkür in der
Zollbehandlung der Laken, die Zobel selbft bei einer Versendung
nach Nürnberg erfahren hatte, machten diesen Weg gegenwärtig
dem gemeinen Kaufmann unerträglich ; denn die Gesammtsumme
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der Zölle auf der kurzen Weserstrecke sei nicht viel geringer,
als vorhin fast aller Zoll zwischen Antwerpen und Venedig.
Wir wissen nicht, ob Erzbischof Heinrich, der schon ein
halbes Jahr später vom Tode ereilt wurde, Interesse an diesen
Fragen gewonnen hat ; sie sind aber, wie mir scheint, ein reden-
des Zeugniss für den praktischen, freien, in gewissem Maasse
modernen Zug in Zobels Wesen.
Nach seiner Erwählung zum Bürgermeister im Jahre 1597 —
er hatte bereits einige Jahre zuvor sein kaufmännisches Geschäft
aufgegeben — hat Zobel zweimal, im Sommer 1598 und im
Frühjahr 1600, neben Dr. Schaffenrath und einem jungem Raths-
herm Bremen auf den Hansetagen in Lübeck vertreten. Aus den
Akten erhellt nicht, dass der bremische Bürgermeister auch jetzt
den Standpunkt individueller Bewegungsfreiheit eingenommen
hätte, den er vor dreissig Jahren sich zu Nutze machte. Er
theilte vielmehr die illusorischen Hoffnungen, dass es unter
günstigen Umständen doch noch gelingen werde, die hansischen
Privilegien in Nowgorod und London zu neuem Ansehen zu
bringen; er hasste wie die anderen die eindringenden Engländer
und wiegte sich mit ihnen in der Täuschung, dass ein Verbot
der Wollausfuhr aus Deutschland zugleich die Lakenindustrie und
den Lakenhandel den Engländern verkürzen und den Hanse-
städten zuführen werde. Er hat aber auch die Absichten auf
ein engeres Bündnias einiger der alten Hansegenossen behufs
Abwehr der den städtischen Freiheiten immer gefahrlicher werden-
den fürstlichen Gewalt und insbesondere die Unterstützung
Braunschweigs in dem beginnenden Kampfe gegen seinen Landes-
herrn mitgefördert. Die Theilnahme an einer hansischen Dele-
gation nach Braunschweig am Ende des Jahres 1600 ist, soviel
wir sehen, die letzte Fahrt des vielgewanderten Mannes gewesen.
Während der letzten anderthalb Jahrzehnte seines Lebens
scheint er ruhig in Bremen den Pflichten seines Bürgermeister-
amtes gelebt zu haben. Der Versuchung, die mannigfachen
äusseren und inneren Waiidelungen der Vaterstadt, deren Zeuge
oder mitwirkender Theilnehmer er in dieser Zeit war, in den
Kreis der Betrachtung zu ziehen, muss ich widerstehen. Anstatt
seiner sah er in diesen Jahren seine vier Söhne die Welt durch-
schweifen, zum Theil auf den Wegen, die er selbst in jungen
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Jahren so oft betreten hatte: in den Niederlanden, in Nürnberg,
in. Venedig und anderen Theilen Italiens, aber auch weit über
diese Gebiete hinaus. Eine der letzten Eintragungen seiner
Autobiographie erwähnt, dass er seinem Sohne Dirich looo Gulden
nach Amsterdam schickte zu seiner Reise nach Constantinopel,
Am 9. Januar 161 5, da er wieder das Präsidium des Raths
hätte übernehmen sollen, trat er Alters halber in den Ruhestand,
um schon einige Tage darauf, 76 Jahre alt, einem Schlaganfall
zu erliegen.
In die durch Heinrich Zobels Resignation erledigte Rath-
raannsstelle wurde, noch während er lebte, sein Sohn Johann
wieder gewählt, ein Compliment nicht nur für den Vater, sondern
auch für die ausgezeichneten Qualitäten des Sohnes, den man
doch nur aus gelegentlicher Berührung kannte. Denn Johann
Zobel war Geheimer Rath in Diensten des Landgrafen Moritz
von Hessen und seit seiner frühen Jugend von Bremen entfernt
gewesen. Der Rath fühlte auch das Ungewöhnliche dieser Wahl,
wie die Entschuldigungen zeigen, die er an den Landgrafen mit
dem Ersuchen um Zobels Entlassung richtete. Aber der Land-
graf konnte sich nicht entschliessen, einen so qualificirten und
wohlafFectionirten Rath und Diener, den er etzliche Jahre hero
in vielen wichtigen und geheimbten Sachen vertraulich und nütz-
lich gebraucht, aus seinen Diensten zu lassen, und Zobel scheint
damals nicht sonderlich geneigt gewesen zu sein, seinen hessischen
Dienst mit dem der Vaterstadt zu vertauschen. Es half auch
nichts, dass der Rath replicando sich auf die städtischen Statuten
und die darauf gethane schweren Eide und Pflichten berief, die
den Wahlmännem vorschrieben, den Besten, den sie unter den
Btirgerssöhnen wüssten, zu wählen, und den Erwählten zur An-
nahme verpflichteten, dafern er nicht seine Unvermögenheit an
Leib und Gut nachweisen könne. Der Landgraf erwiderte, die
bremischen Statuten gingen ihn nichts an, umsoweniger als weder
der Rath noch Johann Zobel früher etwas von ihnen habe ver-
lauten lassen. Schwerlich würden noch bremische Bürgerkinder
in fürstliche Dienste genommen und darin befördert werden,
wenn der Rath sie nach seinem Gefallen daraus abrufen könne.
Uebrigens habe die Sache mit dem Rath Zobel diese Beschaffen-
heit, dass er nicht allein eine lange Zeit hero bei unsern Ge-
Hansische Geschichtsblätter. XV. 5
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heimbtnussen und vertrauten hochangelegenen Privatsachen her-
kommen, sondern auch dadurch der löblichen Union mit Pflicht
verwandt und in deren Sachen vielfältig gebraucht worden, also
dass wir, auch wenn wir schon wollten, ihn aus unsern Diensten
derselben Unions hohen Geheimbtnuss und Verpflichtung halber
nicht lassen können. Zobel selbst erläutert dies in einem langen
Entschuldigungsschreiben an den Rath dahin, dass er zu den-
jenigen auf die Union beeidigten Käthen gehöre, deren Catalogus
dem Directorio Unionis übersandt und die allein zur Behandlung
der Unionsgeschäfte befugt seien.
Wenn nun trotz dieses Fiascos Johann Zobel zehn Jahre
später nochmals und dieses Mal mit Erfolg in den Rath seiner
Vaterstadt berufen wurde, so reizt der seltsame Vorgang, der
eigenthümlichen Bedeutung des Mannes nachzuforschen. Es ist
freilich nicht möglich, seinen Antheil an den Staatsgeschäften
überall klar zu legen, weil er eine leitende Stellung doch niemals
eingenommen hat. Auch würde der Versuch an dieser Stelle
nicht berechtigt sein, da sich sein Lebensweg noch femer als
der des Vaters von den Pfaden der Hanse gehalten hat. Ich
muss mich darauf beschränken, seinen Lebenslauf in knappen
Zügen zu skizziren und nur seine Berührungspunkte mit der
Hanse etwas eingehender darzustellen.
Geboren im Jahre 1578, wurde Johann, erst zwölfjährig, mit
einem älteren Bruder nach I^angensalza geschickt, um dort privatim
unterrichtet zu werden. Mit 17 Jahren bezog er die Universität
Altorf, um Jura zu studiren, später Rostock, Franecker und
Marburg. Während er wahrscheinlich noch in Marburg weilte,
war im Jahre 1601 Landgraf Moritz einige Tage der Gast des
Bremer Raths, mit welchem eine dem orthodoxen Lutherthum
entgegengesetzte, bald völlig in den Calvinismus übergehende
religiöse Verwandtschaft den Landgrafen Zeit seines Lebens nahe
verband. Muthmaasslich ist damals durch Bürgermeister Heinrich
Zobel der Eintritt seines Sohnes in hessische Dienste vermittelt
worden.
Schon im Jahre 1602 begleitete Johann den Landgrafen
auf seiner dreimonatlichen Studien- und Vergnügungsreise durch
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die Schweiz und Sttdfrankreich an den Hof Heinrichs IV ^). Zwei
Jahre später finden wir ihn in einer Specialmission vor dem
Bremischen Rathe. Der Landgraf erkundigte sich durch ihn nach
den von Spanien angeblich eingeführten hohen Zöllen und wünschte,
»soweit es euch bei eweren Ansehestetten .verantwortlichen,«' zu
erfahren, ob nicht die ostseeländischen Kaufleute dieser hohen
Licenten und Imposten gefreiet seien«). Zobel ist dann aber
von seinem Herrn vorzugsweise für die französische Correspondenz
verwandt und so auf das genaueste mit den vorbereitenden
Schritten für die evangelische Union und mit den Beziehungen des
Landgrafen zu König Heinrich vertraut geworden.
Zu seiner weiteren diplomatischen Ausbildung, wie es scheint,
wurde er im December 1605 abermals nach Paris gesandt, wo
er noch im October 1606 verweilte 3). Zwei Jahre später zum
Mitgliede des geheimen Raths ernannt*), nahm er fortan selb-
ständigeren Antheil an den mannigfachen politischen Combina-
tionen seines Herrn. Der endliche Abschluss der Union und
die jülichsche Erbfolge beschäftigten ihn zunächst: der letzteren
Angelegenheit galt Zobels Mission nach Wesel und in den Haag
1 609 5), die ihm auch zu einem abermaligen Besuche seiner Vater-
stadt Anlass gab. Gleich nach Kaiser Rudolfs IL Tode wurde
er 161 2 zum ersten Male an den englischen Hof gesandt, um
sowohl wegen der Kaiserwahl als auch wegen einer Aussöhnung
zwischen Dänemark und Schweden und der Anbahnung eines
allgemeinen Verständnisses unter den evangelischen Mächten
mit dem Könige zu unterhandeln^).
^) Bei von Rommel, Gesch. von Hessen 7, S. 444, wird Zobel unter
den Begleitern des Fürsten nicht genannt. Dass er aber zu diesen gehörte,
erhellt aus des Vaters Heinrich Zobel Autobiographie ; Brem. Jahrb. 9, S, 103'
3) Creditif des Landgrafen für seinen Cammer-Diener Johann Zobel
vom 12. Juni 1604, im Brem. Archiv.
3) Brief des Bürgermeisters Zobel an Landgraf Moritz vom 9. October
1605, worin der Vater die Reisekosteti auf sich nimmt; Schreiben Zobels an
den Secret. Taurell in Kassel d. d. Paris 7./17. October 1606; beide im
Marburger Archiv.
4) Bestallungsbrief mit Reversal Zobels vom i. October 1608, daselbst.
5) Creditif Zobels an die Generalstaaten vom 2. Juli 1609, daselbst.
6) Entwurf zur Instruction, undalirt, daselbst.
5*
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— 68 —
Er hat den englischen und den französischen Hof zehn
Jahre später in Begleitung des jungen Landgrafen Philipp wieder
besucht, dazwischen manche andere Sendung ausgeführt, bald zu
evangelischen Unionstagen'), bald nach Bremen, um im Wett-
lauf mit König Christiart IV. und dem lüneburgischen Hause
den genannten jungen Landgrafen zum Coadjutor des Erzbischofs
und damit zugleich zu dessen Nachfolge zu empfehlen.
Zu Anfang Februar des Jahres 1613 finden wir Zobel in
Lübeck in Unterhandlung mit dem Bürgermeister Brokes *). Wenn
auch der ostensible Zweck dieser Reise eine Schuldforderung des
Landgrafen gegen Schweden betraf, deren Verschreibüngen in
Lübeck in Gewahrsam lagen, so waren doch andere wichtigere
Fragen mit ihr verknüpft: der Eintritt der Hansestädte in die
evangelische Union und die eben im Werke begriffene Con-
foederation der Hansestädte mit den Niederlanden. Sicherlich
hatte der Landgraf nicht zufällig zu der Sendung diesen Zeit-
punkt gewählt, wo eben ein Hansetag in den Mauern Lübecks
sich versammelt hatte, dessen wichtigster Berathungsgegenstand
das Bündniss mit den Generalstaaten war. Eben vorher war
zur Ueberraschung der Städte, des Landgrafen Bemühung ent-
sprechend, durch englische Vermittelung der Friede zwischen
Dänemark und Schweden geschlossen worden. Die freie Hand,
die Christian IV. dadurch erhielt, spornte Lübeck um so mehr
zum Abschlüsse mit den Niederlanden an. Aus Brokes' Auf-
zeichnungen über seine L^nteiredung mit Zobel geht nicht hervor,
dass dieser in der einen oder andern Richtung bestimmend auf
die Hansestädte einzuwirken versucht hätte: seine Aufgabe war
offenbar nur eine informatorische ; aber er musste aus des Bürger-
meisters Eröffnungen den Gegensatz erkennen zwischen der
idealistischen Politik seines Herrn, dessen in erster Linie stets
von dem grossen Gegensatze der evangelischen und der katho-
lischen Partei bedingte Anschauung beständig auf die Beseitigung
materieller Hindernisse für die Einigung der evangelischen Mächte
gerichtet war, und zwischen der principaliter von ihren materiellen
Interessen geleiteten Politik der Hansestädte, welche, »zu Er-
i) Rommel, a. a. O. 7, S, 349, 354.
») Zeitschr. f. Lübeck. Gesch. 2, S. 33.
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- 69 -
haltung der freien Commerzien laut ihrer theuer erlangten Privi-
legien«, zuerst ihre gegen Dänemark und seinen Sundzoll ge-
richtete Verbindung mit den Generalstaaten suchten und erst,
wenn dies Unionswerk geschlossen, gemeinsam mit den Nieder-
landen sich der andern Union der Kur- und Fürsten vertraut zu
machen gedachten.
Die hier gewonnenen Beziehungen hat Zobel fortan dauernd
unterhalten. Zetige dessen ist eine Anzahl von Briefen Zobels
an Brokes und an den Lübecker Rath. Persönlich sah er
Brokes bereits im nächsten Sommer wieder, als er auf einer
Reise an den Stockholmer Hof in Lübeck vorsprach und bei
dem Bürgermeister Erkundigungen über den Zustand in Schweden
einzog')« Er hatte den Auftrag, den König Gustav Adolf zur
Thronbesteigung zu beglückwünschen und auch ihn für ein
Zusammenstehen der evangelischen Mächte zu interessiren *).
Wie eng wir dann auch Zobel gerade in den nächsten
Jahren im Vertrauen seines Fürsten sehen, so ergriff ihn doch
schon kurze Zeit nach der Ablehnung der Wahl zum bremischen
Rathsherrn bisweilen Unmuth über das unruhige Leben am Hofe
des Landgrafen Moritz, der von rastlosem Eifer für seine hohen
Ziele getrieben in immer häufigeren Widerspruch zwischen Wollen
und Können gerieth. Es geschah gewiss nicht ohne Zobels
Kenntniss, dass man nach dem Tode des hansischen Syndicus
Domann 1619 in Bremen den Gedanken fasste, Zobel in seine
Stelle zu berufen 3). Zobel selbst hat diesen Plan mehrere Jahre
hindurch mehrfach wieder aufgenommen, auch nach Dr. Ryswicks
Tode im Jahre 1624 seine Verwendung als Agent der Hanse-
städte im Haag ins Auge gefasst. Er könne, schreibt er an
seinen vertrauten Freund Bürgermeister Havemann in Bremen*),
»anders nicht urteilen, den das ermelter Hansestäte grosser Nutzen
und Reputation, auch woU die Restaurirung ihres corporis darin
versire, wan sie qualificirte Gesambtdienere, so ihr Interesse und
Aufinehmen bey itzigen wunderbahren der Welt leufften zu wahren
i) Zeitschr. f. Lüb. Gesch. 2, S. 282.
a) Aufzeichnung über seine, in Narva 20. Juni 1614 abgelegte Werbung,
im Marburg. Archive.
3) Brem. Rathsprotok. vom 17. Juni 1619.
4) Schreiben vom 15. November 1624 im Brem. Archive.
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— 70 —
wissen^ erlangten;« und er glaubt, da er die beste Zeit seines
Lebens mit den publicis in- und ausserhalb Römischen Reichs
zugebracht, den Hansestädten nützliche Dienste leisten zu können.
Auch in hansischen Versammlungen ist nicht allein wieder-
holt von ihm gesprochen, sondern Zobelin der That auch von
mehreren Städten, insbesondere neben Bremen von Hamburg,
zum Syndicus empfohlen worden. Nachdem dies 1619 und 162 1
ohne Erfolg geblieben war, wurde den bremischen Abgeordneten
zum Hansetage von 1623, da es sich wieder um die Besetzung
des Syndicats handelte, abermals vorgeschrieben, Zobel zu diesem
ansehnlichen officio als einen getreuen Patrioten zu recomman-
diren, und solches aus diesen Ursachen: i) weil er bei den
Stätten geboren, erzogen und ihm derselben Status und Be-
schaffenheit genugsam bekannt, 2) weil er nit allein wol beredt,
sondern auch in legationibus sowol ausser als im ganzen Rö-
mischen Reich vielfaltig geübet und desselben Zustandes wol er-
fahren, auch mit Wissenschaft fremder Sprachen und politischer
Erfahrenheit vor andern begäbet were ; 3) weil er auch deswegen
schon vor diesem von vielen der erbaren Städte hierzu nominiret
und fast per majora eligiret worden, inmaassen denn auch zum
4. offenbar, dass bei diesem syndicatus officio nit so viel ad-
vocaturae scientia als politica prudentia erfordert werde*).
Die jetzte Bemerkung bezog sich auf den schon 1619 von
Lübeck gegen Zobel erhobenen Einwand, welches zugestand, dass
er zwar grosse Experientz in politicis besitze und bequem zu
Legationen sei; »aber in puncto juris wüsten sie nicht, ob er
also beschaffen, dass er pro syndico diene; zudem were stets
eine graduirte Person dazu gebraucht.« Bremen erwiderte freilich,
die Hansestädte führten gar keine Processe; aber Lübeck be-
harrte bei seinem Widerspruch, und Zobel wurde nicht gewählt.
Es muss dahingestellt bleiben, ob etwa die politisch - diploma-
tischen Neigungen Zobels, die sich, wenn auch unter mancherlei
Abweichungen im Einzelnen, im Grossen und Ganzen in den
Bahnen des Landgrafen bewegten, den Lübecker Rathsherren als
eine Gefahr für die Hansestädte erschienen, die unter den
1) Instruction im Brem. Archive.
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— 71 —
wachsenden Wirren des deutschen Krieges in der Neutralität den
besten Schutz ihres Handels und ihrer Freiheit sahen.
Inzwischen hatten diese Wirren Hessen in schwere Mit-
leidenschaft gezogen und nicht nur den Zwist zwischen dem
Landgrafen und seinen Ständen zu äusserster Schärfe entwickelt,
sondern auch Wilhelm, den Sohn und Nachfolger des Landgrafen,
mit seinem Vater entzweit. Es wurde von Tag zu Tage
schwieriger, mit Moritz zu verkeliren ; auch Zobel war mit seinem
Herrn zerfallen') und, wie er 1623 und 1624 wiederholt an
Havemanri meldete, fest entschlossen, den Dienst zu quittiren
und sich, falls ihm keine andere öffentliche Thätigkeit sich bot,
auf ein Landgut in der Nähe Bremens zurückzuziehen. Noch
einmal machte er zu Anfang 1625 auf Wunsch des Landgrafen
Wilhelm und seiner Mutter in Güstrow, wohin Moritz sich
schmollend zu seiner Tochter retirirt hatte, den Versuch einer
Reconciliation zwischen ihm und seiner Ritterschaft. Der Ge-
brauch dieses Ausdrucks schon wurde von Moritz höchlich ver-
übelt, und der Versuch scheiterte. Den erbetenen Abschied
konnte Zobel trotzdem vom Landgrafen nicht erlangen; »ich
werde aber gemüssigt werden, schrieb er an Havemänn, den-
selben selbst zu nehmen. c
Wenige Wochen später, im April 1625, wurde Zobel in
seiner Vaterstadt abermals zum Rathsherrn eswählt, und diesmal
zögerte er nicht, die Wahl ohne Befragung des Landgrafen anzu-
nehmen. Sein Abzug aus Hessen glich einer Desertion. Aber,
wie unwilhg auch Moritz anfänglich darüber war, so hat doch
sehr bald eine vollständige Aussöhnung zwischen ihm und seinem
langjährigen Rathe stattgefunden, dessen bedeutende Eigenschaften
dem gelehrten Fürsten auch fürderhin und insbesondere nach
seiner 1627 erfolgten Resignation einen vertraulichen brieflichen
Verkehr mit Zobel angenehm machten.
Gegen Ende Mai traf Zobel in Bremen ein ; schon im Juni er-
schien er neben dem Syndicus Preiswerck als Abgeordneter Bremens
auf dem Hansetage in Lübeck, im August auf dem Convente
i) Der Oberst Asmus von Baumbach urtheilte gleich nach des Land-
grafen Tode, er sei glücklicher in acquirendis quam conservandis amicitiis
gewesen. Rommel 6, S. 304 Note.
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— 72 —
der Städte in Bergedorf. Bereits im November wurde er zum
Bürgermeister erwählt.
Im April 1626 wurde Zobel wiederum mit Preis werck an
König Christian IV. nach Wolfenbüttel gesandt, um die Be-
schwerden Bremens über Sperrung der Weser durch dänische
OrlogschifFe und andere Belästigungen der Stadt vorzutragen.
Bei diesem Anlasse fand der König ein solches Gefallen an
Zobel, dass er ihm eine geheime Sendung an den König von
Böhmen im Haag und an den englischen und französischen Hof
antrug. Zobel fand es mit seinem Rathmannseide nicht unver-
einbar, den Auftrag anzunehmen. Er berief sich muthmaasslich
innerlich und demnächst auch schriftlich von dem formellen Stand-
punkte, der ihn an die speciellen Interessen Bremens und an die
Befehle des Raths band, auf den allgemeinen der politischen
Gesammtlage, die das Geschick Bremens trotz seiner Neutralität
mit dem der evangelischen Mächte und ihrer Verbündeten ver-
knüpfte. Er hatte in dem einen Jahre seiner Theihiahme an
den vaterstädtischen Geschäften, wie er bald in bitteren Klagen
gegen seinen Freund Havemann äusserte, nur zu deutlich erkannt,
wie wenige Männer unter seinen Rathscollegen sich durch einen
weiteren, von persönlichen Interessen unbeeinflussten Blick hervor-
thaten, wie wenigen das Geschick des Vaterlandes am Herzen
lag. Er mochte daher zweifebi, dass ihm der Urlaub, wenn er
vorher darum nachsuchte, werde gewährt werden; einer vollen-
deten Thatsache gegenüber konnte er bei der ausserordentlichen
Stellung, welche ihm sowohl die Art seiner Berufung in den
Rath, als sein Geist und seine Erfahrung einräumten, auf baldige
Beruhigung der Gemüther um so mehr hoffen, als er die Sendung
in längstens drei Monaten erledigen zu können meinte.
Aber er hatte sich in dieser Annahme doch getäuscht. Es
machte den Rath »sehr perplex«, als er am 18. Mai durch den
Präsidenten erfuhr, der Bürgermeister Zobel sei am 16. Abends
nach Bremen zurückgekehrt, habe ihm angezeigt, dass er im
Auftrage des Königs von Dänemark eine eilige Reise nach dem
Haag und weiter nach London und Paris machen müsse, und
sei gestern in der That abgereist. Man sandte dem Flüchtling
eilends zwei Herren des Rathes nach, denen es aber nicht ge-
lang, den Bürgermeister einzuholen. Die ihm dann nach Amsterdam
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— 73 —
nachgeschickte schriftliche Aufforderung zur Rückkehr beant-
wortete er nur mit dem Hinweis darauf, dass von seiner Sendung,
deren Inhalt er nicht bezeichnete, auch das Glück oder Unglück
Bremens dependire.
Ein Theil des Raths war wohl gleich der Ansicht, man
müsse den Deserteur seines Amtes entsetzen; aber die Rücksicht
auf den König überwog doch, bevor man einen so unglimpf-
lichen Schritt that Christian IV. sandte einen seiner Räthe, der
König von Böhmen vom Haag aus ein Schreiben an den Rath,
um Zobel zu entschuldigen. Dieser beeilte in der That seine
Reise, so viel immer möglich: am 28. Mai traf er im Haag ein,
hatte Audienzen beim Könige von Böhmen und bei den General-
staaten und war schon am i. Juni in London.
Hier war sein Auftrag vornehmlich auf die Zahlung von
Subsidien für die dänischen Kriegsvölker gerichtet'). Aber in
der argen Verwirrung der dortigen Zustände, von welchen er in
Berichten an den König") und in Briefen nach Bremens) dra-
stische Schilderungen entwirft, wurde er bis Mitte Juli aufgehalten,
um auch dann noch ohne Resolution über seinen Antrag die
Reise nach Frankreich fortzusetzen. Und hier gar war es ihm
unmöglich, schnell ans Ziel zu kommen, da eben der neue huge-
nottische Krieg und der Widerstreit mit England alles Interesse
verschlang.
Monat auf Monat ging dahin ; schon war ein Jahr seit seiner
Flucht von Bremen verflossen, und immer dringender und be-
rechtigter wurden die Klagen im Kreise des Raths über das selt-
same Benehmen des Bürgermeisters. Schon war man nahe daran,
ihn dennoch unfreiwillig zu entlassen, als er endlich durch Ver-
wandte und Freunde zu dem Entschlüsse bewogen wurde, seine
Entlassung zu erbitten, die ihm im Juni 1627 ehrenvoll gewährt
wurde.
Zobel ist dann noch mehrere Jahre, auch nach dem Lübecker
Frieden, im Auftrage Christians IV. in Frankreich geblieben und
hat dorthin auch von Gustav Adolf Aufträge empfangen. Zu-
x) Opel, der nieders.-dänische Krieg 2, S. $11 ff.
2) Das. S. 511 u. 514.
3) Bremisch. Archiv, Personalakte Zobels.
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— 74 —
gleich hat er für seinen alten Herrn, den Landgrafen Moritz,
sich vielfach um Wiederauszahlung der diesem einst von
Heinrich IV. gewährten, aber lange zurückgehaltenen Pension
bemüht. Seine Berichte aus dieser Zeit») enthalten interessante
Beobachtungen, zu denen ihm der Zustand Frankreichs und der
Hof Ludwigs Xni. und bei gelegentlicher Rückkehr nach Eng-
land derjenige Karls I. Anlass gaben. Es geht im Grossen und
Ganzen eine trübe Stimmung durch diese Berichte. Zobel sah
überall die Sache der evangelischen Freiheit, an der sein Herz
hing, in schwerster Bedrängniss, und in bitteren Worten ergeht
er sich gegen den Landgrafen über das Geschick, welches der
imglücklichen Hugenotten von La Rochelle warte, die unter den
Türken mehr Mitleid finden würden, als unter ihren Confessions-
verwandten. Doch konnte er von sich rühmen, dass er, wie
früher an der Vermittelung zwischen Schweden und Dänemark,
so jetzt mit gutem Erfolge am Ausgleiche zwischen Frankreich
und England mitgearbeitet habe.
Aber inmitten der grossen politischen Aktionen, deren theü-
nehmender Zuschauer er war, hat er niemals der Heimath ver-
gessen. Er wird nicht müde, Bremen insbesondere, aber auch
die Hansestädte insgemein zu ermahnen, sie möchten Partei
ergreifen, in seinem Sinne selbstverständlich die Partei der
Generalstaaten, Dänemarks, Schwedens. Durch ihre Unterhand-
lungen mit Tilly und den Kaiserlichen machen sie sich nur
suspekt, ohne doch sich zu sichern. »Wir müssen gedenken,
dass der Zweck unserer Feinde sei, mit Dämpfung unserer
Libertet sich nicht zu genügen, sondern die Egiptische Servitut,
aus welcher wir vor ungefehr hundert Jahren gerathen, uns
wiederumb über den Hals zu ziehen«. Aber er hegt die Sorge,
»es seien in Bremen Leute, welche vor pasport (d. h. für die
Erlaubniss der Güterausfuhr) die Freiheit verkauften, indem sie
Christo mit der Zungen, dem Mammon aber mit dem Herzen
dienen«.
Den Lübecker Rath, welchem er, wie gleichzeitig nach
«) Mir sind nur die an den Landgrafen im Marburger Archiv und an
seine Freunde in Bremen und Lübeck, originaliter oder abschriftlich im
Brem. Archive bekannt.
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— 7S —
Bremen, die bevorstehende Ankunft eines französischen Special-
gesandten, des Herrn de Chamassay, meldete, erinnerte er daran»),
dass »ihr (der Hansestädte) corpus durch der benachbarten und
verwanten Cronen Denemark, Schweden, Engelland, Frankreich
zu solchem robusto vigore gerathen. Da sie sich aber von soldier
gewohnlicher Nahrung solten ab imd ad nova nutrimenta be-
geben, mochten vielleicht solche symptomata dazu schlagen,
welche sich mit den vorigen humoren nicht vertragen und des,
ohnedas efFecti, corporis gäntzliche destruction mochten verur-
sachen«. »Mit was Eiffer und Ernst ich damals, als es Zeit war,
die Inachtnehmung dero sich hierunter bemühenden benachbarten
Potentaten undRecoUigierung des verfallenen Hänsebundes urgieret,
ist E. E. unentsunken«. »Ohne meine Erinnerung liegt am
Tage, ob ohne Denemark und Schweden, mit welchen sich nun-
mehr Frankreich und Engelland zu solchem Zwecke conjungieret,
Euer corpus subsistiren könne oder nicht, und habt Ihr reiflich
zu bedenken, was Euch nicht allein aus Quitierung solcher alten
bewehrten Freunde und Nachbarn, sondern auch aus CoUision
mit denjenigen, so sich mit ihnen umb euch ziehen werden, zu
erwarten«. »Ihr werdet weislich und wohl thun, eure Freiheit
durch diejenige Mittel zu erhalten, dardurch*s eure Vorfahren
acquirirt; im widrigen Fall wird euch das künftige Unglück
schwerer sein zu vermeiden, als gegenwertige Glück zu erhalten.«
Demselben Gedanken giebt er gleichzeitig nach Bremen hin Aus-
druck«): »Würd bei euch beruhen zu erwehlen, ob ihr zugleich
Frankreich, Engelland, Denemark, Schweden und die ordines
Belgii, in summa alle alte Freunde und Nachbarn, auf einmal
verkiesen und es mit newer Freundschaft, von deren Bestendig-
keit und Intention ihr die Prob auf euer Gefahr erst zu erfahren
habt und allem Ansehen nach sehr wenig versichert seid, wollet
wagen.«
Doch ich kann an dieser Stelle nicht weiter auf den reichen
Inhalt seiner Briefe eingehen, aus denen überall ein feingebildeter
Geist, eine feste evangelische Ueberzeugung und eine innige
Vaterlandsliebe sprechen.
i) Aus Paris II. Februar 1629, Copie im Brem. Archiv,
a) Schreiben an den Rath vom 9. Februar 1626.
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^ 76 -
Merkwürdig, wie der Verlauf von Zobels Leben, ist auch
noch sein Schluss gewesen. Denn als er im Januar 1631 von
seinem langen Aufenthalte in Paris zu König Christian zurück-
zukehren im Begriffe stand, ist er auf der Durchreise in Bremen —
erst 52 Jahre alt — gestorben und in heimischer Erde neben
dem Vater und Grossvater zur Ruhe bestattet worden.
Wenn wir mit einem Blicke das Leben der beiden Männer
übersehen, deren Geschicke ich nur flüchtig habe zeichnen können,
so stellt sich in Heinrich Zobel, trotz einzelnen modernen Zügen
seines Wesens, im Grossen und Ganzen das Bild eines hansischen
Geschäftsmannes der alten Zeit dar. Ganz anders bei dem Sohne.
Er hat den besten Inhalt seines Lebens in der Schule des Land-
grafen Moritz erhalten ; er lebt und webt in dem grossen religiös-
politischen Gegensatze, der seither die Geschicke Europas be-
stimmt hat. Unter allem Wechsel seiner äusseren Verhältnisse
hält er den einen Gedanken fest und ordnet ihm alle anderen
Rücksichten unter, die Erhaltung der schwer erkämpften evange-
lischen Freiheit. Indem wir ihn bemüht sehen, diesem Gedanken
auch die Kraft der Hansestädte dienstbar zu machen, tritt uns
der ungeheure Wandel lebhaft vor Augen, den das Jahrhundert,
welches von der Einwanderung Claus Zobels in Bremen bis zum
Tode seines Enkels verflossen war, auch über das Leben der
Hansestädte gebracht hatte.
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IV.
DIE ROSTOCKER METALLENEN
NORMALSCHEFFEL UND DAS EICHVERFAHREN
DES MITTELALTERS.
VON
K. E. H. KRAUSE.
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In Rostock haben sich im städtischen Besitze 4 SchefFel-
niaasse aus Glockenbronze (»Grapengode«) vom Jahre 1330
erhalten'), welche bis 2iur Einführung des Bundes-Maass- und
Eichwesens vom 17. August 1868 zum Eichen des »Rostocker
Scheffels« thatsächlich gedient haben und so auch das alte Eich-
verfahren bis in unsere Zeit hinübertrugen; ein Stück des 14. im
19. Jahrhundert. Allerdings hat nur der »Roggenscheffel« seine
Geltung behauptet, und so ist die Eichung nur von ihm be-
kannt.
Der eherne Roggenscheffel (i) hat oben einen
Durchmesser von 52 cm im Lichten, unten am Boden ebenso
von 48 cm, die Höhe des Hohlraums hart an der Metallwand
18,5 cm, in der Mitte ein klein wenig grösser; hier ist der Boden
durch ein Loch mit Schraubengewinde (Schraubenmatriz) von
3,5 cm Durchmesser durchbohrt. Im Boden scheint die Metall-
stärke vom Mantel zur durchbohrten Mitte hin etwas abzunehmen ;
der Hohlraum des ganzen Gemässes ist also mathematisch ein
abgestumpfter Kegel mit etwas gewölbter kleinerer Kreisfläche.
Die in die Matriz passende Schraube, welche 1835 noch vor-
handen war, aber 1842 als verloren angegeben wird, wurde von
aussen (unten) eingeschroben ; ward dann der Scheffel mit Korn
gefiillt und die Schraube vorsichtig wieder aufgedreht, so strömte
der Inhalt langsam und allmählich völlig nach unten aus. Die
(äussere) Metallhöhe des Scheffels ist 21 cm, der äussere Um-
fang 167 cm, die Dicke der Bronzewandung oben fast i cm.
«) Sie werden jetzt im Museum des Vereins für Rostocker Alterthümer
aufbewahrt.
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— 8o —
Der Scheffel ist wie auch die 3 folgenden ohne Handgriffe.
Rings um den oberen Rand ist bei allen 4 Scheffeln eine In-
schrift vertieft mit eingegossen in gothischen Minuskeln,
die gereimte oder doch anklingende Verszeilen ergiebt, aber nicht
so abgetheilt, sondern ununterbrochen fortlaufend gegossen ist.
Die Umschrift lautet*):
dessen . scepel . let . gheten . her . lodewich . cruse . unde .
her . cort . cropelin .
ere . zele . mote . salich . zin .
zowe . mit . eren . wil . olden .
de . scal . des . Stades . boc . holden .
zowec . liket . na . desser . rogghen mate .
de scal . deme . godes . huse . ver . penighe laten .
Darunter steht in einem Kreise ein gleicharmiges Kreuz;
zugleich für den Lesens Unkundigen das Zeichen des Roggen-
scheffels und das Besitzzeichen (Hausmarke) des Gotteshauses
zum H, Geist, noch heute — die Kreuzspitzen etwas über den
Kreis verlängert — die Acker- und Grenzmarke des gleich-
namigen » Hospitals « •
Der Haferscheffel (2), ebenfalls etwas konisch, hat
oben im Lichten fast 54 cm, unten 49 cm, im Schraubengewinde
3,5 cm Durchmesser. Die Höhe des Hohlraums ist 20,5 cm,
die Metallhöhe 21,5 cm, der äussere Umfang oben 175 cm, die
Dicke des Metalls oben i cm. Die Umschrift, wie beim Roggen-
scheffel, lautet:
dessen . scepel . let . gheten . her . lodewich . cruse . unde .
her . cort . cropelin .
ere . sele . mote . salich . sin .
zowe . mit . eren . wil. olden .
de . scal . des . Stades, boc . holden .
zowelc . liket . na . desser . haver . mate .
de . scal . deme . godes . huse . ver . pennighe . laten .
iohannes . apengheter . fecit .
') Ich liess sie 1883 in der Rostocker Zeitung Nr. 204, 3. Beil. vom
2. Sept. und Nr. 281 4. Beil. vom 2. Dec. abdrucken. Die Umschrift des
Roggenscheffels gab fast genau Prof. Schadelock 1791 in der fast verscholleneu
Zeitschr. von Josephi: Cxemeinntitz. Rostocksches Wochenbl. i. Jahrgang,
Digiti
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— 8i —
Dahinter steht ein kleiner Vierpass mit 4 Punkten in den
Ecken und einem in der Mitte, vielleicht das Giesserzeichen des
Johann ; darunter ziemlich gross der nicht gekrönte Stierkopf, das
alte Siegel der Bürgerschaft Rostocks, und die H. Geist-Kreuz-
marke, in welcher aber ein Vierpass, wie 4 Blätter, zwischen
die 4 gleichen den Kreis überragenden Kreuzarme eingeschoben
ist, so dass die Figur einem Sstrahligen Sterne, mehr noch einer
Sblättrigen Blume, ähnlich sieht.
Der Hopfenschef fei (3.) heisst in der (ganz wie in den
beiden vorgenannten) eingegossenen Inschrift einfach Scheffel;
aber noch aus den Inventarien der SchefFelwröge vom 12. Juli
1828 und 19. April 1842 ergiebt er sich zweifellos als »Hopfen-
scheffel« oder »Rüffling«, welch letzterer Name hier auch
noch aus alter Tradition bekannt ist'). Er ist weit und flach:
der Durchmesser oben im Lichten hält 57 cm, am Boden
56 cm, das Schraubenloch, welches er auch merkwürdiger Weise
liat, 3,5 cm. Die Höhe des Hohlraums beträgt nur 9,5 cm,
die Metallhöhe 10,5 cm, der obere Aussenumfang 188 cm, die
Metallstärke oben gleichfalls i cm. Die Umschrift lautet:
anno dm . m°. ccc°. XXX . i . festo . symonis . et Jude . apl'ou' .
dessen . scepel . leth . gheten . her . lodewich . cruse . unde .
her . cort. cropelin .
ere . sele . mote . zalich . sin .
Zowe . mit . eren . wil . olden .
de . scal . des . Stades . boc . holden .
sowelc . liket . desse . mate .
de . scal . deme . godes . huse . ver . penninghe . laten .
Darunter die Marke, wie beim Roggenscheffel.
2. B., Stück 3, und später Prof. H. Karsten: »Einige Worte über Maass
und Gewicht im Allgem. und die Meckl. Maasse ins Besondere. Rostock
im Dec. 1851«. Scparatabdr. aus Meckl.-Schwerin. 410 Kalender für 1852,
i) Darnach ist im Mittelndd. Wörterb. 3, S. 522 v. rufelinge bei
Wismarer Angaben von Hopfenmaassen das Fragezeichen zu streichen. S. 521
ist nach voc. Engelh. mensura confortata durch »gerufelt« wiedergegeben.
Das Wort gehört zum altklevischen rueven beim Teuthonista = himmelen,
wulucn, testudinare, arcuare, lacunare; also ein Maass zum Häufen (Wölben).
Campe , der die technischen ndd. Ausdrücke verzeichnet , hat das Wort
Rtifling nicht mehr.
Hansische Geschichtsblätter. XV. 6
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— 82 —
Der Salzscheffel (4.) hat oben im Lichten 52 cm, unten
ebenso 48,5 cm Durchmesssr; die Höhe des Hohlraums ist
21 Chi, des Scheflels selbst 22,5 cm, der äussere Umfang oben
165 cm, unten 159 cm, die Metallstärke oben etwas über i cm.
Dieser Scheffel ist nicht durchbohrt. Karsten a. a. O. giebt seinen
Inhalt als genau gleich dem Roggenscheffel an. Die Um-
schrift läuft in 2 vollen Zeilen um den Rand, und in einer
dritten stehen noch die letzten beiden Worte. Sie lautet:
ene . rede . ic . juv . segghe .
dessen . gantsen . zolt . scepel . scal . nument . men . de .
hilgheghest . hebben .
zowe . desses . scepels . wil . neten .
de . scal . dar . dre . penninghe . vore . sceten .
zouuellic . borgher . hir . zolt . met . in . der . stat.
deme . scal . dit . godes . hus . dun . ene . haluen . scepel .
unde . en . verdevat .
zowellic . borgher . zolt . aa . deme . markede . zeit . de . scal .
vor . desse . maten .
deme . godes . hus . in . enie . gewelken . verdendel . jares .
druttich . peiighe . laten .
zowe . dat . zeit . an . der . strate'.
de . scal . hir . to . der zulue , tith . vifteyn . penninghe . laten .
Darunter dasselbe Zeichen- wie bei Nr. i und 3 ; doch ist
der Kreis nur zu ^U geschlagen ; der obere vordere rechte Winkel
ist absichtlich nicht geschlossen').
Von den vier Gemässen nennt freilich nur eins den Giesser,
ein anderes das Gussdatum, 1330, den 28. October, und drei
x) Eherne Korn-Gemässe des 14. Jahrh. sind bekannt (nach gütigen
Mitth. des Herrn Dr. Theodor Hach) in "Würzburg (Hist. V. f. Unterfranken
und Aschaffenburg, Münch. Katal. 1876 Nr. 1678), nur 22 mm hoch; die
3 Lübecker Scheffel (Katal. des culturhist. Mus. Nr. 2038, 2039 und 2040),
welche Milde irrthümlich ins 15. Jahrh. setzen wollte. Aus dem 15. Jahrh.
giebt es mehrere; so ein Lübecker »hauerschepel« (das. Nr. 2041), ein Passauer
Gemäss von 1480 (Münchener cit. Katal. Nr. 1679) , .2 Lübecker von 1487
(Kat. München Nr. 1680 und 1681 irrig als Braunschweiger aufgeführt) und
noch I grosser Lübecker Korn- und i ebensolcher Haferscheffel mit »Ab-
flussklappec vom Ende des 15. Jahrh, Lübeck muss sein Gemäss mehr-
fach geändert haben.
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- 83 -
die Besteller- trotzdem zeigen die Art des Gusses, die Schrift
und die Sprache, dass alle 4 von demselben Meister, also Jo-
hannesApengheter'), gleichzeitig gegossen sind. Da dieser
Meister 27. Mai / 29. Juni 1339 vor dem Niedefstadtbuch in
Lübeck versprach, einen ihm zur Fertigstellung seiner »wichtigen
Arbeit« in Rostock vom Lübecker Rathe gemachten Vorschuss
aus der Bezahlung für die Rostocker Arbeit zurückzuerstatten«),
so könnte man annehmen, dass der SchefFelguss bis 1339 ge-
dauert habe. Es bleibt dann fraglich, weshalb der Lübecker
Rath diese Rostocker Arbeit für so »wichtig« gehalten habe, da
diese Scheffel kein allgemein hansisches Maass waren 3); denn
die Lübecker des 14, Jahrhunderts sind kleiner als die Rostocker.
Die Scheffel sind natürlich Eichmaasse, wie sie ja auch
neuerdings noch voh Metall hergestellt wurden : so z. B. der
Rostocker Scheffel, d. h. der Roggenscheffel, selbst noch 1835 auf
grossherzoglichen Befehl für Schwerin. Ueber die Anordnung
solcher Eichung durch die Stadt Rostock besitzen wir keinerlei
Nachricht ; die einzigen vorhandenen Urkunden darüber, die doch
Vieles im Dunkel lassen, sind die Umschriften der Scheffel selbst,
welche der Sorgsamkeit des Herausgebers vom' Meklenburgischen
Urkundenbuche entgangen sind und deshalb dort fehlen.
Die Inschriften nennen dreimal ein »Stades boc« ; es liegt
nahe, daran zu denken," dass in einem Stadtbuche, den Lübeckern
ähnlich, Bestimmungen gebucht sein müssten; wir kennen in
Rostock aber dergleichen nicht; im sog. »Rothen Buche« (dessen
ältere Eintragungen übrigens Abschriften sind) steht keine be-
i) Ueber diesen grossen Meister, der vielleicht schon 131 5 in Halber-
stadt, 1327 in Kolberg, 1330 in Rostock, 1332 — ^42 in Lübeck, 1340 auch
in Kiel, vermuthlich 1348 in Göttingen und 1350 — 51 in Hildesheim nach-
weisbar ist, vgl. Dr. Theod. Hach im Repert. f. Kunstwissensch. IV. (1881)
S. 177—182; Fr. Kugler in Bah. Stud. VIII, S. 174 (Kugler, Kl. Schriften i,
S. 784); H. Wiih. H. Mithoff, Mittelalter!. Künstler und Werkmeister.
3. Aufl. S. 18, 166, 173 und 175 unter Joh. de Gotinghe und Jan van
Halberstadt.
2) Milde und Deecke, Denkm. bildender Kunst zu Lübeck 4; danach
'Mithoff a. a. O. S. 18.
3) S. u. Anhang.
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zügliche Bestimmung. Dass das »Stades boc« hier das Stadt-
recht bedeuten solle, wie ich früher meinte, ist kaum anzu-
nehmen.
In welchem Amte die beiden Rathsherren die Scheffel giessen
Hessen, ist ebenfalls nicht auszumachen. Ludowicus Kruse
kommt vom ii. März 1323 bis 25. Januar als Rathsherr vor;
am 3. Mai 1336 ist er mit Gerlach Baumgarten Provisor des
H. Geist-Hospitales ; nachher wird er oft als Bürgermeister ge-
nannt '). KortKropelin kommt 1 3 28 als Richter vor, früher
schon als Hospitalprovisor; im September 1333 wird er unter
Bürgern mit aufgezählt. Er ist im Jahre des Scheffelgusses 1330
unfraglich Rathmann»). Gossen sie nun ^s Rathsherren oder
als Provisoren? Letztere hatten jedenfalls keine markfpolizei-
lichen Vorschriften zu erlassen, sondern dieses stand bis zum
6. October 1830 den Weddeherren, dem Gewett, zu. So werden
wir annehmen dürfen, dass Kruse und Kropelin 1330 Wedde-
herren waren. Vielleicht Hesse sich denken, dass sie gleichzeitig
auch H. Geist-Provisoren waren, und dass dieses Hospital die
Gusskosten getragen hatte, um nachher auch den Gebühren-
ertrag zu geniessen, der ursprünglich nicht unerheblich war.
Denn die oft genannten 4 §) entsprechen dem Silberwerthe nach
etwa 34 S) oder ^/s Reichsmark von heute, der damaHgen Kauf-
kraft nach aber ^U Scheffel Hafer oder auch 2 i6 besten Rind-
fleisches 3). Die 30 ^ von 1330 auf dem Salzscheffel entsprechen
dem damaligen Werthe von fast 2 Scheffeln Hafer oder von ^U
einer fetten Kuh.
x) Mekl. Urk.-B. Nr. 4423. 24. 4614. 15. 26. 4758. 4999. 5024. 74, n.
5243. Genannt wird er schon Nr. 4246, als provisor Nr. 5664; als
Bürgermeister: Nr. 5837. 41. 5971. 6103. 6605, 71 18. Nr. 7031 nennt ihn
als verstorben. Er besass Beselin (Nr. 4223) und den Zehnten in Sildemow
(Nr. 5113. 7326 n.), auch in der Rostocker Heide (7294). So hiessen
übrigens ausser dem grossen Walde an der See auch die Feldmarken von
Barnstorf, Damerow, Schwass etc.
a) Mekl. Urk.-B. Bd. V, S. XIX. Nr. 3965. 4903. — 3003. 5449.
Nr. 6044 nennt ihn als todt. Nach dem Reg. soll (irrig) bei Nr. 549Q sein
Siegel stehen.
3) 1338 kostet in Meklenburg i Scheffel Hafer 16 /ij= 1V3 /? Lübisch.
Mekl. Urk.-B. Nr. 8453. 56. 8509. v. Buchwald, Deutsches Gesellschafts-
leben etc. 2, S. 73. Nach der Taxe von 1747 erhielt das Hospital für das
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Jedenfalls sehen wir, dass nicht die Stadt selbst oder eine
ihrer Behörden das Eichen besorgte, sondern das Gotteshaus zum
H. Geiste, welches dieses im Mittelalter wahrscheinlich durch
einen der Brüder, seit der Reformation durch einen Prövener,
noch später durch einen angenommene» Bediensteten thun Hess,
der dem Hospital einen Eid zu leisten halte, und dem die Scheffel
zur Ausübung seines Geschäftes überliefert wurden. Eine In-
struction scheint nie ertheilt zu sein; auch im Eide steht nichts
dergleichen: die technische Behandlung wurde nur durch Tradi-
tion überliefert. Der eichende Prövener (Präbener, praebendarius)
hiess Wröger, Schepelwröger, Scheffel wröger, sein Amt die »Wröge«,
sein Haus auf dem Heil. Geisthofe heisst noch heute die Scheffel-
wröge^). Weder die anstellenden Hospitalvorsteher noch die
Wröger verstanden 1709 noch die Maasse mit Ausnahme des
Roggenscheffels und eines gegossenen »Spintes« und »halben
Spintes,« welche aus dem 17. Jahrhundert stammen, aus Kupfer
gegossen sind und sich ebenfalls im Rostocker Museum befinden.
Ein Inventar des 17. Jahrhunderts kennt den Salzscheffel nicht
mehr, sondern nennt ihn »ein gross Scheffel von Grapengode« ;
es hält dagegen den Hopfenscheffel für »ein Rüfflinck oder halff
Soltscheffelc. Man hat also nach diesem wider Recht das Salz
gemessen, vermuthlich danach auch die zum Verleihen oder Ver-
kauf bestimmten Salzmaasse, eisenbeschlagene Holzmaasse, welche
vorhanden waren, geeicht. Man hatte zum Eichen auch noch ein
eisenbeschlagenes Viert (}U Roggenscheffel, »Vat«) xmd ein altes
beschlagenes Salzviert (also ^k Rüfflinck). 1709 ist ebenso der
Rüfilinck als »eingegossen halber Scheffel oder Salzmaass« auf-
geführt. Im Inventar kommt neu ein eisenbeschlagenes Zwölftel
Wrögen neuer Scheffel und Spinte je 4 /? für i neuen Scheffel, Spint oder
Viert, für alte Maasse je 2 /?; der Wröger für jeden Scheffel und jedes
Spint 2 /?, für jedes Viert i /?.
i) S. Hospitalakten vom 4. Juli 1644, 6. Aug. 1709, 28. April 1730,
7. Sept. 1747, 3. Juli 1828 (durch die Güte des Herrn Senators Brummer).
Im Inventar von 1709 ist »halber Scheffel« für Haberscheffel« augenscheinlich
verschrieben. Das Abenteuerlichste ist, dass im Wröger-Eide 1709 und 1730
sogar das Wort »metallen« nicht verstanden ist, sondern »matanen« geschrie-
ben, gestabt und geschworen wurde. (Doch wohl : mattan = Metall, Mes-
sing. Mnd. Wb. 3, S. 46. K. K.)
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vom Scheffel vor, daneben eine Anzahl »Salzmaasse« mit je
einer »Krücke« dazu (Streicher?). Es ist darnach klar, dass
Hopfenmaasse schon im 17. Jahrhundert nicht mehr geeicht
wurden; wie das früher geschehen, ist auch nicht mehr zu er-
rathen. Ebenso erhellt, dass das alte Salzmaass schon im
17. Jahrhundert (wahrscheinlich schon im 16.) verschollen war^
und ein falsches sich eingebürgert hatte; das Vorhandensein
mehrfacher, auch alter, solcher Gemässe scheint aber darauf
hinzudeuten, dass nach der in der Umschrift des Soltscepels von
1330 enthaltenen Verordnung noch Gemässe ausgeliehen wurden*
Nach jener Vorschrift sollte ja der »Soltscepel« selbst nur zum
Nachmessen dienen (gegen 3 ^ Entgelt); dagegen sollten an
die Bürger zum Salzhandel geeichte Halbscheffel (wofür man
später den »Rüfling« hielt) und Viertel ausgeliehen ') werden, für
den, der verseilt an der Strasse, d. h. von den *Leden« (Aus-
schlagklappen) vor dem Hause oder an der Thür, für 15 /^,
für den Marktverkäufer (dessen Absatz man auf das Doppelte
schätzte) für 30 /^ vierteljährlich. Wie diese Preise sich später
stellten, ist nicht nachzuweisen. Die ganze Geschichte muss um
17 00 antiquirt sein; denn die Rathsverordnung vom 17. Februar
1727«) handelt nur noch »von der Maasse der Salztonnen«, und die
durchgreifende und für später grundlegende Rathsverordnung vom
23. November 1749 wegen der Rostocker Maasse und Gewichte
nennt »Salzm^asse« überhaupt nicht mehr. Es konnte von nun
an nur noch der s^Ugemeine, der Roggenscheflfel, der ja faktisch
auch im Inhalt dem alten Salzscheffel gleich war, dafür gebraucht
werden, was. dann in unserem Jahrhundert noch ausdrücklich
verordnet wurde, da 2 grosse Firmen sich Privat-Salzscheffel
ä 62 — 64 Pfund Inhalt hatten machen lassen, weil das Salz ein-
schwinde und sich verzehre 3).
') döen, don, heisst noch heute »leihen«.
a) Henrich Nettelbladt, Verzeichniss allerhand etc. zur Geschichte und
Verfassung der Stadt Rostock gehöriger Schriften etc. (1760) S. 84; die
Verordnung von 1 749 ist im Druck bekannt gemacht. 1 749, 410 . Vom
Maasse der Lüneburger Salztonne und SalzschefTel von 1349 vgl, Lüneb.
Urk.-B. I, Nr. 454, daraus Sudendorf 2, Nr. 328. — Hans. Urk.-B. 3, S. 74.
3) Der allerdings richtige »Schwund« sollte also in bekannter Verkehrt-
heit durch Verkleinerung des Verkehrsmaasses statt durch Preisaufschlag gut
gemacht werden. S. Polizeiakten über Maass und Gewicht. Die Aufsicht
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Eichung aller Marktgefässe scheint ursprünglich, wie im
Alterthum, nicht vorgeschrieben gewesen zu sein ; die Norraal-
maasse dienten wesentlich zur Feststellung in strittigen Fällen,
ähnlich wie es bei der Stadtwage und bei den Holzsetzern (be-
eidigten Holzrtiessern) üblich war. Man musste sich nur hüten,
mit unrichtigem Maasse der Marklpolizei zu verfallen. So scheint
es auch bei den Griechen und Römern gewesen und von diesen
weiter vererbt zu sein. Auch von ihnen kennen wir keine Eich-
befehle, sondern nur marktpolizeiliche Vorschriften. Die attischen
ayoQayofj.01 hatten das Recht und die Pflicht, gegen unrichtiges
Maass einzuschreiten, die Waare zu wracken, ja die Peitsche zu
gebrauchen*). Den römischen Aedilen der Provinzialstädte stand
ebenso die Gerichtsbarkeit über richtiges Gemäss und das Recht
zu, unrichtiges zu kassiren*). Dem entsprechen auch die ndd.
Ausdrücke liken und wrogen3); ersteres steht in den Scheffel-
Inschriften, es kommt dafür auch likenen vor. Die . richtigen
Gemässe standen zum Vergleichen bereit, wenn der Käufer
sich beeinträchtigt glaubte *) ; vermuthlich musste die Gebühr dann
der Verkäufer zahlen, wenn sein Gemäss zu klein war, der
Käufer, wenn er zu Unrecht die Richtigkeit bezweifelt hatte. Bei
den Holzsetzem bestand das in Rostock bis 1868. Unrichtig
über letztere war durch Rathsdecret vom 6. Oktober 1830 vom Gewett auf
das Polizeiamt übertragen.
1) K. Fr. Hermann, Griech. Privatalterth, § 59, 10 etc. Plaut. Rud.
II, 3, 43 : merces improbas jactare.
2) De mensura jus dicere . . . vasa minora frängere. luvenal. Sat. 10,
100 f. Pers. Sat. i, 30.
3) Mhd. und in nieder!. Urk. wird im MA ichen, iken gebraucht; aus
dem Mndd. kannten Schiller und Lübben nur ein Berliner Beispiel aus
Fidicin, Beitr. zur Gesch. Berlins. Mittelndd. Wörterb. 2, S. 350. Auch
ike f. als Eichinstrument (sonst als Spitze) ist nur rheinisch-niederl. A. a. O.
Die Herleitung ist zweifefhaft; mit Eiche (quercus) hat es nichts zu thun.
Kluge, Elym. Wörterb. (3. Aufl.) S. 61 f. leitet es von der german. Wurzel ik,
stechen, ab. Ueber Kempen = eichen s. Mittelndd. Wörterb. 2, S. 444.
Die dort cit. Stelle bei Sudendorf 2, Nr. 328 steht auch Urk.-B. der Stadt
Lüneburg i, Nr, 454. Nach Hans. Urk.-B. 3, S. 74 lautet sie aber nicht
«lik gekempet«, sondern »lik cempet«, das Feit im Gloss. nicht erklärt.
4) Dafür spricht, dass die Scheffel- Wröge bis zuletzt stets einen Scheffel
Roggen zum Nachmessen bereit halten musste.
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— 88 —
befundene Gemässe wurden natürlich ausgeschossen; daher der
Ausdruck wrogen (richten), welcher allmählich der übliche
wurde und später selbst in wraken (für Ausschuss erklären)
überging. So nennen Rathsdecrete vom 19. December 1864
und 6. Januar 1865 den SchefFelwröger geradezu »Scheflfel-
wrackerc. Erst allmählich kann es aufgekommen sein, dass
auch geeichte Scheffel abgegeben wurden, wie es ja für die Salz-
gemässe von Anfang an Vorschrift gewesen war, freilich auch
nur zur Leihe. Im 16. Jahrhundert riss dann eine derartige Un-
ordnung ein, dass der Rath am 15. März 1596 ein Mandat
gegen die ungleichen Scheffel erlassen musste, das er 1599 schon
zu erneuem nöthig hatte. Der fortdauernde Unfug, augenschein-
lich mit der wiederkehrenden Ausrede der Abnutzung, führte
dann zum Zwange des zu wiederholenden Eichens: ein Beeret
vom 19. September 16 13 gebot, dass alle Bürger und Ein-
wohner ihre Scheffel »jährlich gegen die beim Gotteshause
zum Heil. Geist befindliche Maasse sollen wroegen lassen« »).
Es musste nun fortan jeder Scheffel etc. die laufende Jahrzahl
eingebrannt erhalten. Seit 1705 finden wir nun Kornmesser
mit einer Amtsrolle. Die H. Geist -Akten bemerken: »Auf
Himmelfahrtsabend melden sich die Kommesser zum Wrögen
und geben nichts für das Wrögen, für das Einbrennen der
Jahreszahl aber für jeden Scheffel i ^ an des Scheffel wrögers
Frau«. Gut standen sich dabei die Einnahmen des H. Geistes
und des Wrögers ; auf die Dauer gebessert wurde der Zustand
nicht. Nach der Normal- Verordnung vom 23. November 1749
scheint es zunächst anders geworden zu sein; denn der Landes-
grundgesetzliche Erbvergleich von 1755') erhob den Rostocker
Roggenscheffel (mit Ausschluss des Haferscheffels, der nun anti-
quirte) zum Landesscheffels), während der H. Geist die einzige
') Nettelbladt a. a. O. S. 84. 88.
3) LGGEV. Man scheint ihn damals (nach der vermuthlich von Prof.
Karsten stammenden Tabelle im Meckl. -Schwerin. 410 Kalender für 1864,
Rostock, Adlers Erben, S. 32) ein klein wenig zu gross bestimmt zu haben,
was man bis 1835 hin übersah.
3) Trotzdem nennt der cit. Kalender für 1864 noch 6 in Mecklenburg-
Schwerin gängige andere Scheffel !
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Wröge im Lande behielt, also für das ganze Land eichte. Erst
durch Verordnung vom ii. August 1834 wurde eine Landes-
Eichung eingeführt, aber ganz wie die alte Rostocker: nicht
obligatorisch; die Münzofficianten zu Schwerin wurden auto-
risirt, auf Anrufen als öffentliche Eichungsbehörde eine Stempe-
lung »mit Autorität vorzunehmen« , und zu dem Zwecke der
Obermünzmeister Niebel beauftragt, eine genaue Messung des
Rostocker Roggenscheffels anzustellen. Der dafür eingeleiteten
Untersuchung von 1835 verdanken wir die Kunde des alten
Eichverfahrens. Nach dem gefundenen Präcisionsmaasse
wurden nun bei der Münze in Schwerin ein neuer (cylindrischer)
Scheffel, mit metallenem Streicher, hergestellt und durch Ver-
ordnung vom 8. Mai 1843 ^^^ Aemtern danach die Eichung
anbefohlen. Damit verlor der H. Geist das Haupteinkomraen
der Wröge. Nach Aufhebung der grossherzoglichen Münze
wurde dann am 13. September 1850 diese Eichung dem neuen
»Grossh. Aichungs- und Wardirungs- Amt« übertragen. Das
Gesetz des norddeutschen Bundes vom 17. August 1868 machte
dem allen ein Ende^). Dennoch wanderte der alte »Korn-
scheffel« noch einmal zur Nachprüfung*) nach Schwerin wegen
Feststellung der Umrechnung in die neuen Maasse, speciell für
die Lieferungen und Deputatzahlungen, für die er noch immer
normirt, wohl das einzige alte Hansische Wroge-Gefäss , dem
solch zähes Leben in der Praxis beschieden war. Jetzt ist er
>) Raabe, Gesetzsamml. III, 982. V, S. 66. V, S. 1054. Gesetzbl.
des norddeutsch. Bundes 1868.
2) Das Maass des Roggenscheffels war früher kaum je auf Präcisions-
maasse zurückgeführt. Als das Gewett am 14. Nov. 181 7 ein Gutachten
darüber abgab, benutzte es statt der Nachprüfung 15 private Rechenbücher
und Abhandlungen. Der LGGEV. hatte es angenommen zu 2832 Cub. Zoll
meckl. (d. h. nach dem Hamburger kleinen Werkfuss zu 127'" paris.); so
maass auch Schadelock und giebt es die Tabelle für die Vers, der deutschen
Land- und Forstwirthe inDoberan 1840; ebenso bestimmte ihn Niebel 1835,
und auf diesen Fuss wurde nach ihm die Erhebung des meckl. I^andzoUes
am 17. Febr. 1836 bestimmt. 1851 hatte Karsten (s. oben S. 80 Anm. i)
ihn nachgeprüft und fand ihn zu 1960,3 Pariser CubikzoU (den Früheren
entsprechend) oder 38,889 1. Auch die grossh. Verordnung vom 7. Februar
1863 (Meckl. -Schwerin. Reg.-Bl. 1863 Nr. 7) bestimmte ihn wieder zu 2832
meckl. CubikzoU, was der Karsten' sehen Liter- Angabe entspricht.
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— 90 —
selber freilich ein kostbares Alterthum geworden*); aber als feste
Rechnungsgrösse im mecklenburgischen Wirthschaftsleben bleibt
er auch ferner bestehen.
Für das alte traditionelle Eichverfahrenftir den Roggen-
scheffel, welches mir schon aus mündlichen Mittheilungen des
verstorbenen Professors Hermann Karsten *) bekannt war, ergiebt
das folgende Protokoll über ein Verhör des SchefFelwrögers vor
der Administration des H. Geist-Hospitals zur Instruction des
grossherzoglichen Obermünzmeisters Niebel vom 21. December
1835 ^^^ erwünschten Aufschluss; die darin fehlenden Bestim-
mungen über Aufstellung imd Schraubenhandtierung (für die man
nach dem Schraubenverlust um 1 840 einen hölzernen Pflock ein-
setzte) ergänze ich aus den Karstenschen Mittheilungen. Die
Hospitaladministration wusste augenscheinlich von der ganzen
Sache nichts.
Aus dem Originale bei den Polizeiakten über Maasse und
Gewichte) :
»Nachdem auf den Antrag des Herrn Obermünzmeisters
Nübel (!) am gestrigen Tage finitis sacris der auf der hiesigen
Scheffelwröge aufbewahrte metallene Normal-Rocken-Scheffel zur
Mestereis) gebracht worden, auch der jetzige Scheffelwröger
Kroger dabei zugleich gegenwärtig war, ergab es sich, dass der
erwähnte Scheffel, für sich allein bestehend, nicht
das Normal maass ausmache, nach welchem jetzt alle
x) Mit der Einfiihning der Eichung in Schwerin verfiel die des H. Geistes
in Rostock. Noch am 3. Juli 1828 konnte letzterer sich für Verleihung der
Wröge 150 ,^ N. */3 (ohne den Anlheil des Hospitalmesters) zahlen lassen,
d.h. 175 ^. Cour, oder 525 M. ; die Wrögegebtihr betrug nach Erhebungen
des Gewetts 1842 11 oder auch 12 /? ftlr den Scheffel. Das warf aber nun
so geringen Ertrag ab, dass bei Erledigung der Stelle das Hospital am
30. März 1842 den Rath um Abnahme des Rechtes und Uebemahme des
Eichens durch die Stadt bat. Der Rath tibertrug dieses am i. April sofort
dem Polizeiamte. Am 6. versuchten die Böttcher- Aeltesten das Officium für
ihr Amt zu gewinnen; aber am 21. April 1843 wurde es definitiv dem Po-
lizeiamte zur Ausübung durch einen Polizeidiener überwiesen. Die Einnahme
war auf höchstens 20 ^ N. »/j im Jahre gesunken. Die Einsicht in die Po-
lizeiakten danke ich Herrn Senator Dr. Becker.
a) Allg. D. Biogr. 15, S. 425 f.
3) Die Dienstwohnung des Hospital - Mesters oder Actuars der Ver-
altung.
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RockenschefFel gewröget werden. Es hatte nämlich der Scheffel-
wröger Kroger ausser dem eigentlichen metallenen Rockenscheffel
ein kleines Maass von gleichem Metalle, angeb-
lich ^/82 des Hauptscheffels haltend, und noch ein kleines
hölzernes Gemäss, welches ^/e des letzteren') ent-
halten soll, zur Mesterei gebracht, indem nach seiner Angabe
diese bemerkten 3 Maasse sämmtlich bei seinem Geschäfte des
Wrögens angewendet werden. Ueber die Art der Anwendung
dieser 3 Maasse gab Kroger folgende Auskunft:
Bey der Wröge eines jeden Scheffels wird von mir in
strenger und genauer Beibehaltung der lange vor meiner
Anstellung schon stattgefundenen Art und Weise so
verfahren, dass der neu zu wrögende Scheffel unter den grossen
metallenen Normalscheffel gestellt wird, dass sodann durch das
im Boden des letztern befindliche Loch der dazu fortwährend
aufbewahrte Rocken«) in den ersteren einfliesst, nachdem der
obere Scheffel vorher gestrichen worden. Dann wird zu
dieser Quantität Rocken in dem zu wrögenden Scheffel so viel
Rocken, als das kleinere Maass, das */82 Scheffel fasst, nachdem
auch dies vorher gestrichen, hinzugefügt. Hierauf wird der
Rocken-Inhalt des zu wrögenden Scheffels scharf gestrichen,
und muss sodann der von dem letzten Streichen entstehende
Abfall das kleine hölzerne Maass genau ausfüllen«.
Dies kann nun dahin ergänzt werden, dass an möglichst
wenig rüttelbarer Steiles) eine Art in der Mitte durchbrochener
Tisch für den Metallscheffel stand, in welchen letzteren von unten
die Schraube in die Matriz geschroben wurde, so dass der Scheffel-
boden glatt geschlossen war. Dann wurde der vorher nach der
I) Also Vi92 Scheffel.
a) Dazu wurde dem Wröger noch 1747 jährlich i Scheffel Roggen
geliefert, der später mit 24 /? (1 M 75 >ij) noch im vorigen Jahrhundert
abgelöst wurde; i ./^ 75 yi^ Reichsmünze war also der durchschnittliche
Roggenpreis.
3) Rütteln der Gemässe beim Einlaufenlassen von Korn, Salz» Sand
wird bekanntlich nie geduldet. Betrügerei beim Einkauf gab dem Scheffel
wohl einen etwas höheren Fuss in der Mitte, so dass er sich beim Messen
rührte.
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— 92 —
vorgeschriebenen Höhe und Weite*) und nach seinem festen,
nicht rüttelbaren Stande untersuchte neue Scheffel unter das Eich-
maass geschoben, so dass seine Mitte sich gerade unter der
Schraube befand, darauf der Metallscheffel mit Roggen voll ge-
füllt und mit dem »grossen Streichholz« der Inventarien ganz
glatt gestrichen. Dann musste von unten die Metallschraube
vorsichtig ausgedreht werden, so dass der Roggen in den unteren
Scheffel abströmte. Während dessen war das ^/b2 ebenfalls mit
Roggen gefüllt, mit dem »kleinen Streichholz« glatt gestrichen,
und sein Inhalt wurde durch das Schraubenloch des Metall-
scheffels nachgegossen. Darauf wurde das grössere Streichholz
auf die Mitte des zu wrögenden Gemässes eingesetzt und vor-
sichtig scharf nach rechts und links hin abgestrichen. Der Ab-
fall sollte dann ^/i92 Scheffel betragen. Augenscheinlich rechnete
man darauf, dass beim Aufschrauben sich etwas Korn verspillen
und dass durch den Fall von einem Scheffel in den andern sich
ein dichteres Lagern des Getreides bilden könne; denn die
Differenz zwischen dem ehernen und dem neuen Scheffel würde
sonst */i92 Scheffel betragen. Die Bezeichnung der geeichten
Gemässe als Landesgemässe (seit 1755) l^^nn hier weggelassen
werden. Der Roggenscheffel wurde aber immer noch mit dem
Kreuz (dem Zeichen des H. Geistes s. o.) und auf deni Rande
mit S (Scheffel, scepel) gebrannt. Was der »Kuhfuss zum Hafer-
scheffel,« der mitten unter den Brandeisen vorkommt, aber nicht
mehr vorhanden ist, bedeuten solle, ist nur zu errathen*).
1) Die Apfelhöker (Rolle von 1620 und 1635) und später, vom Ende
des vorigen Jahrhunderts an, die Grün-, namentlich KartofTelhändler , welche
dem Brauche nach gehäuftes Maass geben, versuchten wiederholt Gemässe
freilich richtigen Gehalts, aber grösserer Höhe und kleineren Durchmessers,
anzuwenden, um die Häufung zu verkleinem. Daher wiederholte Verbote
und Strafmandate.
a) Es liegen zwei Möglichkeiten der Deutung vor: entweder war der
»Kuhfuss« das stem- oder blumenförmige Abzeichen des Bronzemaasses ; etwa
wie »Drudenfuss« ? Einem Pentagramm ist es freilich ebensowenig ähnlich
wie einem Kuhfuss. — Oder es könnte ein Werkzeug zum Andrücken (con-
fortare) des sperrigen Getreides gewesen sein, wie ich aus mehreren Gegenden
(Hannovers, Pommerns) ein solches Andrücken mit der Hand oder einem
gereifelten Holze vor dem Streichen kenne. Das wäre also eine mensura
confortata, in den alten Zeiten noch nothwendiger, weil wesentlich, vielleicht
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— 93 —
Eine Beschreibung der nicht mehr vorhandenen Streichhölzer
ist nicht zu geben; eine alte Stader Nachricht«) nennt die dort
vorschriftmässigen Streichhölzer für Buttermaasse, also Schlicht-
hölzer, »senwolt,« d. h. länglich rund. Sie hatten also keine
scharfe Streichfläche und strichen mit der Mittellinie der Unter-
seite. Jedenfalls nimmt der metallene Streicher, den die gross-
herzogliche Regierung (s. o.) einführte, zumal da sie auch mit
Raps statt mit Roggen füllen Hess, schärfer ab, als bei der alten
Eichung des H. Geistes stattfand.
Anhang.
(S. o. S. 83 Anm. 3.)
Das metallene Rostoeker Heringsahm in Lübeck und die
Tonnen-Eichung.
Die wichtige Arbeit, zu deren Fertigstellung in Rostock der Lübecker
Rath den Johannes Apengheter 1339 unterstützte, habe ich (Rost. Zeit. 1883
Nr. 281, Beil. 4) auf die im Jahre 1337 eben vorhergehenden Verhandlungen
der wendischen Städte wegen der gefährlichen Ungleichheit der Herings-
tonnen im Scbonenschen Handel (de periculosa disparitate tunnarum, Lüb.
U.-B. 2, Nr. 647. Mekl. U.-B. 9, Nr. 5743. Hans. U.-B. i, S. 265; zurück-
führen zu sollen geglaubt. Im Heringshandel sollte der »RostockerBand«
bekanntlich als Norm gelten, der nicht nur die Art des Tonnen bin d en s ,
sondern namentlich auch die Tonnenform und Tonnengrösse bestimmte, dem
gegenüber aber der kleinere »Kolberger Band« mit andern pommerschen
Falschtonnen, auch den kleineren Stettiner Tonnen, sich immer behauptete.
Die bezüglichen Stellen aus den Hanserecessen hat D. Schäfer im »Buch
des Lübeckischen Vogts auf Schonen,« H. Gesch. Q. 4, S. LXI, Anm. 2,
ausschliesslich, der viel sperrigere Rauhhafer (avena strigosa Schreb.) ge-
baut wurde. Uebrigens sollte der Haferscheffel genau »/»Viert (also '/g)
mehr enthalten als der Roggenscheffel , und eine Polizeiregistratur vom
2. November 1867 gab dieses Maass noch als bekannt, ja als gebräuchlich
an. Das Polizeiamt versuchte sogar es für Steinkohlen (3 gehäufte Hafer-
scheffel ^ I »Tonne«) anzuwenden.
1) Krause, Archiv des V. für Gesch. etc. zu Stade i, S. 132.
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susammengestellt. Es lag also nahe , dass man in den wendischen Städten,
deren Böttcher die Tonnen nicht auf Schonen, sondern nur zu Hause machen
durften (H.-R. i, S. 64, Mekl. U.-B. 9, Nr. 6219 vom Jahre 1342), sich
Norma IgefKsse zu verschaffen suchte. Erhalten sind freilich solche aus dem
14. Jahrhundert nirgend ; dagegen ist eine neuere Rostocker Heringsahme
(ame, f.) von 1469 in Lübeck, jetzt im kunsthistorischen Museum, vorhanden.
Dass in Rostock selbst solche Gemässe sich nicht ebenso wie die Scheffel
erhielten, mochte daran liegen, dass sie nicht in der Aufbewahrung eines
Gotteshauses (Hospitals), sondern der Böttcher-Innung standen, deren Aelter-
männer mit dem Eichen betraut waren und kein Interesse daran haben konnten,
ein theures antiquirtes Maass aufzubewahren. Weshalb Lübeck sich 1469
ein neues Rostocker Tonnenmaass verschaffte, lag vielleicht in denselben Ver-
hältnissen, welche den Rath veranlassten, die von Schäfer a. a. O. S. 129
für den 19. August 1461 festgestellte »Verordnung Über die Sortierung und
Bezeichnung der Heringe« (das »Cirkeln« s. Lüb. U.-B. 4, S. 131) zu
erlassen.
Die Umschrift jenes Gemässes, die ich Herrn Dr. Theod. Hach in
Lübeck verdanke, ist in gothischen Minuskeln erhaben mit eingegossen und
läuft in 4 Zeilen um den oberen Rand* Den Beginn bezeichnet der Lü-
becker Doppeladler; der Rostocker rechtsschreitende Greif
unterbricht die erste Zeile im Worte »herenc (unten sind an Stelle der Wappen-
thierc zwei Kreise eingesetzt). Am Schlüsse steht ein einem unten gestrichenen
r einigermaassen ähnliches Giesser- oder Gussorts-Zeichen. S. Mitth. des V,
f. Ltib. Gesch. Heft 2, Nr. 11, S. 173. Ist es wirklich ein r, so war der
Gussort Rostock; denn alle seine Metallgiesser führten ein r als Marke. Die
Umschrift lautet: O na der bort unses hereOn ihesu christi M.CCCC.LXIX.
in sante iohannes baptisten auende f unde desser achte amen maket enen
rostker herink bant van den tunnen amen.
Das Eichen der Tonnen, d. h. das nasse Nachmessen, hiess amen, und
äme ist sowohl das Eichmass- wie überhaupt das übliche Tonnenmaass.
Schiller und Lübben haben im Mnd. WB. i, S. 74 daraus irrig 2 Wörter
gemacht. Die Inschrift besagt also, dass 8 solcher Eichgefasse eine richtige
Tonne Rostocker Bandes ausmachen, oder dass das Eichgefäss ^/g Rostocker
Heringstonne sei. Das stimmt auch zu den Dimensionen, die mir Herr
Heinr. Behrens in Lübeck gütig zukommen Hess. Die ganze Höhe misst
danach 0,369 m., aussen bis zum abgeschrägten Rande 0,345, bis zum An-
satz der inneren Zapfen, die eine Marke bezeichnen, 0,270, innen vom Mittel-
punkte des etwas flach vertieften Bodens 0,363. Der äussere Umfang oben,
wo der Rand ausschrägt, ist 0,943 m, über der Fussausschrägung 0,853.
Der Durchmesser beträgt am obersten Rande 0,330, am Rande der unteren
Bodenfläche 0,285. Die Metallstärke, 8 cm unter dem oberen Rande ge-
messen, ist 0,004; aber die Schriftbuchstaben treten fast 2 mm noch darüber
hervor. Das Gewicht des Gemässes beträgt 26 k° ; es hat 2 mit angegossene
Handgriffe.
Nach dieser »Ame« war eine ganze Tonne nur durch Auffüllen (nass
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mit Wasser), nicht etwa durch Ueberpacken von Heringen zu messen; wie
man auch, in Wismar und Rostock die Bier-, oder Weintonnen amte, in Wismar
nach »Stöveken« (== */3» Tonne. Burmeister Wism, Alt. S. 66) ^ in Rostock
nach » Kannen c (^jb^) und »Pott« (VnsV An beiden Orten waren kupferne
Normalmaasse zum Nachmessen vorhanden, in Wismar 141 1 auf dem »Ame-
huse,« wo jeder Böttcher vergleichen konnte. Das Rostocker Einheitsmaass,
ein kupferner »Pott«, war 1791 schon verschollen; ein privater zinnerner, der
statt dessen bei den Böttchern gebraucht wurde, war dem Lübecker Maass
gleich und wurde zu 455/g Pariser Cub. Zoll bestimmt; Karsten berechnete
45,625 Cub. Zoll Paris, oder 0,90503 1.
In der Normalverordnung vom 23, November 1749, 5, hatte der Ro-
stocker Rath freilich verordnet, »die kupferne Pottmaasse« solle stets auf
dem Rathhause beim Marktvoigt bereit stehen, ebenso danach geeichte Ge-
i^isse gekauft werden können, und »Zinngiesser, Herbergierer, Krüger und
Branntweinbrenner« sollen binnen vier Wochen ihre Gefasse danach »ein-
richten« lassen. Aber sonst sollten die Maassgeschirre, Kannen und Brenn-
eisen in verschlossener Lade beim wortführenden Böttcherältesten aufbewahrt
werden. Noch am 3. October 1841 wurde die alte Brennordnung wieder
eingeschärft: Alle Böttcher sollen ihre neuen und auch die reparirten Ge-
binde zunächst mit ihren eignen Stempeln brennen, dann die 4 Aeltesten
des Böttcheramtes messen (meist rojen, s. u.), darauf die dazu bestellten
2 deputati desselben Amtes die richtig befundenen Gemässe brennen. Bei
Bedenken gegen die Richtigkeit soll mit Wasser nachgemessen werden.
1844 wurde das dahin bestimmt, dass 2 der 4 Aeltesten den Eid der Brenner
leisten und die andern 2 messen sollen. Ohme und Anker (=s 191/2 Kanne)
wurden beim. Spunde mit dem Greif gebrannt, »Tonnengebinde« (also Bier-
fässer etc.) mit einem Greif und der Jahrzahl auf dem Boden; ausserdem
Sollte nach Gewettsdecret vom 31. März 1736 das Ohm mit 4 R, '/» *Ox-
hooft« mit 3 R, '/i Ohm mit 2 R, das Anker mit einem R gebrannt werden.
Dass das Maass aller Tonnen dem Lübecker Maasse gleich sein solle, ist
noch in den 40 er Jahren unseres Jahrhunderts wiederholt eingeschärft — aber,
wie die Akten ergeben, nicht gehalten. 1863 bei der Zollreform bestimmte
die Schweriner Regierung die Kanne zu 136, das »Pottmaass« zu 68 Cub.-
Zoll meckl. (Meckl. Schwer. Reg. Bl. 1863; Nr. 7).
Lübeck Hess bis zum norddeutschen Bundesgesetz vom 17. August
1868 ebenfalls durch die 4 Aeltesten der Böttcher messen und durch 8 Brenner
brennen, die jährlich aus den Amtsgenossen gewählt wurden. Sie brannten
mit dem Doppeladler Weingebinde (nach Auskunft der Wette in Lübeck
vom 30. April 1842), d. h. Ohm, */i Ohm, Anker, »/i Anker, 6- und
4-Kannenfasschen, am Spunde; Bier- und Essiggebinde am Boden. Für Bier
galt Fass, ^n '/♦ ^^^ h Fass; für Essig: Tonne, '/» und '/4 Tonne.
Meistentheils wurde aber nicht nass gemessen, sondern gerojet oder
geroit, d. h. trocken gemessen, »visirt«, wie zuweilen richtig übersetzt wird.
Im Mittelndd. Wörtb. fehlt das Wort, womit aber über sein Alter nicht
abgesprochen werden kann. Im HoU. ist rooj, früher rooy (Maass, Regel,
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Ziel), ein häufiges Wort mit zahlreichen Ableitungen ; roojen heisst abmessen,
zielen, visiren. S. Kramer und van Moerbeck Nieaw Woordenb» 3. Aufl.
1768. S. 401. Richey, Hamb. Wörterb. S. 215, erklärt rojen als »den
Gehalt eines Fasses aosmessen,« wozu die Weinkflper den »Roje- Stock«
benutzten. Er leitet das Wort richtig von rode, Rathe, Messstange ab.
Die älteste mir bekannte Angabe des Rojens findet sich in der oben
cit. Urkunde vom i. August 1349, worin dem Lauenburger Zöllner das Nach-
messen der Lüneburger Salztonnen vorgeschrieben wird; nur dass das Wort
nicht gebraucht ist. Er sollte dazu benutzen ein buchbant, sicher von
Feit im Gloss. S. 541 richtig für bükbant, Bauchband, erklärt, also ein be-
wegliches um den stärksten Theil der Tonne zu spannendes Maass, auf dem
die Länge des Lüneburger Bauchbandes bezeichnet war; femer ein hovet-
bant (Feit, S. 555), also ein Maass fiir das obere (und untere) Ende der
Tonne, und endlich einen »holten van der Steve lenghe, van tsere maket«.
In der That geben diese Werkzeuge ziemlich sicher die Grösse wieder, wenn
der »holte« stark genug ist, um nicht willkürlich gebogen werden zu können,
und so gebogen hergestellt, dass er genau der Krümmung des Stabes in der
Tonne entspricht, und wenn femer die richtige Lage der Kimmen auf ihm
bemerkt ist.
Dem entsprechend geschah die Lübecker Eichmessung a) durch das
Umlegen eines Reifes von Fischbein um die grösste Rundung. Auf dem
Fischbein war der Umfang der verschiedenen Gebinde angegeben; es war
also der bewegliche alte bücbant. Dazu kam b) das Messen der Länge der
Stäbe mit einem gekrümmten eisernen Stock (demalten holten, dem Roje-
stock) und endlich c) das Messen der Grösse des Bodens zwischen den
Kimmen. Das letztere ersetzte vollständig den alten hovetbant.
Ganz dasselbe Verfahren wie in Lübeck schrieb die Rostocker alte, 1 749,
1894 und 1841 als gültig anerkannte Böttcherordnung im § 4 vor. Auch
hier wird ein Reif von Fischbein (er war mit Silber beschlagen) um die
grösste Rundung des Gebindes gelegt; auf jenem ist der Umfang für die ver-
schiedenen Gebinde bemerkt; die Grösse der Böden zwischen den Kimmen
wird ebenfalls gemessen, dann ebenso die Länge der Stäbe »mit einem ge-
krümmten, die erforderlichen Bezeichnungen enthaltenen Raden« (beige-
schrieben »Rode«). Da erscheint also die alte Rode, Roje, noch selber im
terminus technicus. Das letzte »Reglement für die Böttcher vom 4. November
1842« hat dieselben Bestimmungen im § 4 wieder aufgenommen, nur den
»Raden (Rode)« durch den in der Lübecker Gewettsmittheilung (s. o.) ge-
nannten »eisernen Stock« ersetzt, der doch nur gleichbedeutend ist.
In Hamburg hat sich endlich aus dem Rojen ein handelsamtliches
Taxatorwesen zur Berechnung des Rauminhaltes gefüllter Gebinde ent-
wickelt, wozu angeblich »mathematische« Kenntnisse gehören sollten, obwohl
Reste von unter 532 Cub.-ZoU hamb. (i Hamb. Viertel) bei Gebinden über
25 Viertel gar nicht berechnet und ebenso ein Fehler (Marge) von 2 % dem
Rojer zu gute gehalten werden sollte. Gerojet sollte mit dem »Visirstabe«
werden ; auch das ist die »Rode«. Am 8. Juli 1858 wurde eine neue Ordnung
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für diese Rojer erlassen; hiernach wurde nun das festgestellte Ergebniss
»Rojec genannt; und eine ganze Reihe zusammengesetzter Ausdrücke ist
mit dem Worte gemacht. So wird eine »Vollrojec und eine »Kantroje«
tarifirt. Das Technische des Verfahrens, welches hier auch nicht in Frage
kommt, wird indessen in dieser Ordnung nicht angegeben. Historisch-sprach-
lich aber ist von Interesse die Vorschrift, dass bei der Thran-Roje der Inhalt
des Gebindes nach i> Stechkanne« und »Menge!« angegeben werden soll. Es
lebt also da noch das mlat. meng^inum, brabantisch-klevisch-hoUändische
»menghel«. Hoffm. v. Fallersl. Gloss. belg. (Hör. belg. VII) S. 70 nach
Kilian Dufflaeus. Das Mndd. Wb, 3. S. 68, hat das Wort v. mengelen,
ebenso Kramer- van Moerbeck S. 271. Richey kennt es nicht. Vergl. Heyne
in Grimm DW. VI, Sp. 2014. Die Hamburger »Stechkanne« sollte 1420 Cub.-
Zoll hamb. halten. Das Brem. WB. 3 S. 148 nennt Mengel den 16. Theil
einer Stechkanne; »steke(l)kanne€ finde ich in keinem niederd. Wörterbuch«
Hansische Geschichtsblätter. XV.
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V.
HANSISCHE VEREINBARUNGEN
ÜBER
STÄDTISCHES GEWERBE
IM 14. UND 15. JAHRHUNDERT.
VON
WILHELM STIEDA.
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7*
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D.
las Gewerbe befindet sich während des 14. Jahrhunderts
in den deutschen Städten in aufsteigender Entwickelung. Kaum
der Hörigkeit entronnen, beginnen die Handwerker bereits im
städtischen Leben eine Rolle zu spielen und erringt die freie
Arbeit eine ihrer Bedeutung angemessene Stellung. Man hat
diese Epoche als die Zeit der Zunftkämpfe charakterisirt 0* I^ie
Handwerker, durch die verhältnissmässig leicht erlangten Rechte
übermüthig, im Besitze der Freiheit ohne die Fähigkeit, einen
weisen Gebrauch von derselben zu machen, stellen als erstrebens-
werthes Ziel eine Betheiligung am Stadtregimente auf und suchen
mit Gewalt sich demselben zu nähern. Dies gilt nicht nur für
Süddeutschland, sondern auch für die norddeutschen Städte. In
Rostock spielt bereits am Ausgange des 13. Jahrhunderts ein
Zwist wegen des Eintritts von Handwerkern in den Rath. Leider
ist man über die Einzelheiten dieses Vorgangs wenig unterrichtet.
Es scheint, als ob einer der Rathsherren, durch das wilde Ge-
bahren der Zünftigen eingeschüchtert oder vielleicht selbst dema-
gogischer Gesinnung, einigen Aemtem versprochen hatte, dafür
Sorge tragen zu wollen, dass sie den Rath wählen könnten.
Wenigstens wird in den Jahren 1296 — 98 eine derartige Klage
von 6 Aemtem vor dem Rathe zur Verhandlung gebracht.
Ganz^ vorübergehend — im Jahre 1287 — scheint in der That
ein Handwerksmeister RathsmitgHed gewesen zu sein'). Nicht
minder regte es sich um diese Zeit — 1292 — in Braunschweig,
x) Schmoller, Strassburg zur Zeit der Zunftkämpfe S. 4.
a) Mekl. Urk.-B, 3 Nr. 2003 Anm. ; Nr. 2423; Koppmann, Gesch. d.
St. Rostock S. 19.
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102
WO die Gilden gleichfalls die Absicht zeigten^ den alten Rath zu
verdrängen, worüber wir leider ebensowenig unterrichtet sind').
Im 14. Jahrhundert mehren sich die Differenzen zwischen
Rath und den Gewerken. In Rostock bricht im Jahre 1313
eine neue Revolution aus. Die Handwerker verlangen zwar
noch nicht einen Sitz im Rathe; aber sie wollen, dass kein
Rathsherr gewählt werde, ohne dass ihre Aelterleute ihre Zu-
stimmung gegeben haben«). In Lübeck entstand im Jahre 1376,
gleich nach der Anwesenheit Karl's IV., eine Zwietracht mit
der Gemeinde, als der in Geldverlegenheit befindliche Rath einen
ungewöhnlich ' hohen Vorschoss und eine Erhöhung der Mühlen-
abgabe forderte. Neue Unruhen brachen im Jahre 1380 aus.
Die Aemter verlangten bestimmte Garantien für ihre Verfassung
und ihre Gerechtsame. Dann folgte der Aufruhr von 1384,
gewöhnlich der Knochenhauer-Aufruhr genannt, bei dem es auf
Umsturz der Verfassung abgesehen war 3). Fast gleichzeitig spielte
der Aufstand in Braunschweig (1374)*) und Hamburg (1375)'') —
kurz, es scheint kaum einem Zweifel unterzogen werden zu können,
dass die Handwerker in den norddeutschen, besonders in den
wendischen Städten ihre wirthschaftliche Machtstellung zu fühlen
begonnen hatten. Das gewerbliche Leben pulsirte kräftig. Die
ztinftlerische Organisation des Handwerks war eine allgemeine und
die Arbeitstheilung eine weit vorgeschrittene. Seltene Handwerke,
wie das der Beckenschläger, der Patemosterdreher , der Perga-
mentmacher, der Täschner, der Kistenmacher, sind im 14. Jahr-
hundert in Hamburg, Danzig und Lübeck schon in eigenen
Aemtern organisirt, und Beschäftigungen, die noch lange nachher
als eigentliche Hausarbeit erscheinen, wie Gärtnerei und Kerzen*
giesserei, haben eine handwerksmässige Gestaltung gewonnen.
Von 1370 stammt die Amtsrolle' der Lübecker Gärtner, von
1375 die der Hamburger Kerzengiesser. Vermuthlich war es in
den Seestädten der lebhafte Handel, der die Gewerbe begünstigte
«) Hänselmann in Städtechroniken. Bd. 6. S. XXVI.
a) Mekl. Urk.-B. 6 Nr. 3590; Koppmann a. a. O. S. 20.
3) Wehrmann in Hansische Geschichtsblätter, Jahrg. 1878, S. 105.
^) Hänselmann a. a. O. Bd. 6 S. 313 — 409, Bd. 16 S. 494—498.
5) Tratzigar's Chronica d. St. Hamburg, hrsg. v. Lappenberg, S. 94 — 100.
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— I03 —
und ihr Aufkommen unterstützte. Und nicht nur, dass derartige
Gewerbetreibende überhaupt vorhanden waren, dass viele unter
ihnen in so grosser Anzahl vertreten waren, um eine eigene
Corporation bilden zu können, man weiss auch, dass ihre Ge*
Schäfte gut gingen und ihr Verdienst in der Riegel ein befrie-
digender war. Es muss uns einen guten Begriff von <ier finan-
ziellen Leistungsfähigkeit der Aemter geben, wenn im Jahre 1376
in Lübeck der Rath ihnen einen Schoss im Betrage von 5 per
Mille, während 2 per Mille das Gewöhnliche war^, zumuthen
konnte. Allerdings war diese Steuer das Signal zu einem Auf-
ruhr, und wir erfahren aus der Eingabe der Handwerker, dass
die Zeiten schlecht, der Verdienst gering war — *de neringhe is
snode unde kranck unde de ammete werdet dar sere mede vor-
dervet«. Aber trotzdem brachten acht Aemter keine geringere
Summe als 485 Mark lüb. auf»).
Inwieweit das Gewerbe in dieser Epoche direct für die
Ausfuhr thätig war, lässt sich heute nicht bestimmen. Es ist
bekanntlich eine noch nicht gelöste Streitfrage, ob die Hanse
überhaupt Fabrikate der verbündeten Städte in grösserem Maass-
stabe ausführte oder nur Zwischenhandel trieb. Schanz ist der
letzteren Ansicht. Er meint, dass dem hansischen Handel die
industrielle Basis eines grossen Staates gefehlt habe und das
Emporkommen der Gewerbe dem Bunde gleichgültig gewesen
sei. Die Weiterentwickelung der gewerblichen Blüthe, wie sie
die norddeutschen Städte um die Mitte des 14. Jahrhunderts
aufwiesen, sei hinter den Fortschritten des Zwischenhandels im
15. und Anfang des 16. Jahrhunderts zurückgeblieben«). Schäfer
hat, ohne gegen den letzteren Theil dieser Behauptung entschie-
denen Einspruch zu erheben, doch darauf hingewiesen, dass die
Ausfuhr industrieller Artikel nicht ganz unbedeutend gewesen
ist 3). Auffällig bleibt es aber allerdings, dass unter den hansischen
Angaben über Schiffsladungen und in den Verzeichnissen der Kauf-
leute über erlittenen Schaden aus dem 14. und 15. Jahrhundert
Hinweise auf industrielle Gegenstände äusserst selten vorkommen.
x) Lübeck. Urk.-B. 4 Nr. 326 S. 357.
2) Englische Handelspolitik Bd. i S, 181.
3) Conrad's Jahrb. für Nationalökon. Bd. 7, S. 96; vgl. auch Kopp-
mann im Hist. Jahresbericht Bd. 4.
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— I04 —
und es muss in Erstaunen setzen, dass, wo wir aus der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunders von solchem Export häufiger hören,
gerade eine östlich gelegene Stadt es ist, welche solche Fabrikate
versendet.
Aus Danzig wurden zwischen 1474 und 1490 namentlich
Tischlerei-Erzeugnisse wie Schreibpulte, Laden, Kuntore, Spiel-
bretter, ferner Handschuhe, Beutel, Garn, Leinwand, Hausgeräth
Kleinodien, Bemsteinpatemoster , Reiferei - Producte (Kabelgam
basten lynen) einmal auch »4 gemalde preddigkstole« nach Eng-
land exportirt'). Ob die »Riemen«, die sehr oft von Preussen ver-
sandt werden, blos das zu ihrer Herstellung bestimmte Holz oder
das fertige Fabrikat sind, wäre noch zu untersuchen. Dass die
wendischen Städte Arbeiten ihrer Handwerker fortsenden, ündet
sich nicht oft erwähnt. Nur vereinzelt stösst die Nachricht auf,
dass Laken aus Lübeck, Rostock und Wismar in Livland Ein-
gang gefunden haben*).
Ist es gestattet, eine Vermuthung in dieser Hinsicht aus-
zusprechen, so möchte ich mich freilich dahin äussern, dass, ab-
gesehen vom Bier, die Ausfuhr von Gewerbsproducten einen
grossen Umfang nicht erreicht haben kann. Dies zwar aus dem
Grunde, weil England, Frankreich, Flandern und Holland in gewerb-
licher Beziehung den norddeutschen Städten überlegen waren. Bei
dem einzigen Gewerbszweig vielleicht, in dem sie zurückstanden,
der Bernsteindreherei, war es mehr der Stoff, den sie nicht so
bequem zur Hand hatten, als die geringere Fertigkeit, welches
eine Einfuhr von Fabrikaten wünschenswerth machte. Jene west-
lichen Länder also hatten keinen Bedarf an deutschen Fabrikaten.
Somit konnte der Absatz derselben nur nach Scandinavien, Liv-
land und Russland vor sich gehen. Aber die Bevölkerung der
beiden ersten Länder war dünn, die russische wohl zu roh, um eine
kaufkräftige Nachfrage zu bieten. Dazu kam , dass in Bergen
und Livland sich deutsche Handwerker niedergelassen hatten —
auf dem Hofe zu Nowgorod sollten sich freilich nach einem
Beschlüsse von 1434 keine Schneider (schrodere) mehr auf-
halten 3) — , welche für die Bedürfnisse sowohl der Eingewan-
i) Hanse-Recesse III, 2 Nr. 163. 509.
a) H. R. III, 2 Nr. 160 § 262.
3) H. R. II, I Nr. 226 § 22.
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— I05 —
derten als der Einheimischen zu sorgen bemüht gewesien sein
werden. Demnach wird vermuthlich die Ausfuhr sich in be-
scheidenem Umfange gehalten haben. Arbeiten der Gold-
schmiede, der Kannen- und Grapengiesser, der Weber, Drechsler,
Schneider mögen immerhin exportirt worden sein. Welche
Gegenstände neben diesen Erzeugnissen namentlich in Frage
gekommen sein mögen, entzieht sich unserer Beurtheilung. Aller-
dings kommen in den Schadensverzeichnissen »Tonnen mit Kleinig-
keiten« (pandelinge, prundelinge) vor; aber schon, dass man
nicht der Mühe werth hielt, den Inhalt im Einzelnen aufzugeben,
deutet auf seine Geringfügigkeit. So muss die Frage, welche
deutschen Producte vorzugsweise im Norden und Osten Beifall
fanden, so dass der gewinnbringende Absatz zur regelmässigen
Wiederholung der gelegentlich versuchten Ausfuhr anreizte", zu-
nächst unentschieden bleiben.
Nichtsdestoweniger war der Stand der Gewerbe in den Han-
delsstädten kein niedriger. Handel und Schifffahrt bedurften
der Tischlerei, der Böttcherei, der Reifschlägerei, der Weberei,
der Schmiede und Zimmerleute; Bäcker, Brauer und Fleischer
mussten für Verproviantirung der Schiffe sorgen. Der durch den
Handel sich mehrende Reichthum aber gewährte die Möglich-
keit zur Begründung einer behaglicheren Häuslichkeit. Die bunt-
farbigen flandrischen und englischen Tücher mussten für eine
Bevölkerung, die in harter Tagesarbeit ihre Kleidungsstücke
vielleicht ungewöhnlich schnell abnutzte, zurecht geschnitten und
genäht, die livländischen, russischen und ungarischen Pelzfelle zu
Pelzmänteln und Schauben verarbeitet, englisches Zinn zu
Flaschen, Schüsseln und Kannen, ungarisches Kupfer zu Grapen
und Kesseln, russisches Wachs zu Kerzen gegossen werden —
kurz, da gab es alle Hände voll zu thun, um die gewöhnlicheren
und feineren Bedürfnisse des Tagesbedarfs zu befriedigen. Dass
in dieser Richtung die Handwerker sich nichts zu Schulden
kommen liessen, sondern die Nachfrage reell bedienten, darauf
ist dann auch die Aufmerksamkeit der Hansestädte schon sehr früh
gerichtet. Uebertriebenen Lohnforderungen und ungenügenden
Leistungen wird auf den Versammlungen der Rathssendeboten
wiederholt entgegengetreten. Zwar nicht gerade mit grosser
Lebhaftigkeit, auch nicht mit entscheidendem Erfolge, aber
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immerhin in dem Bewusstsein, dass diese Unordnungen abzu-
stellen für das innere städtische Leben und den Aussenhandel
von Bedeutung ist, werden mehrere Jahrzehnte hindurch diese
Missstände auf den Tagfahrten erörtert und Versuche zu ihrer
Beseitigung gemacht. Namentlich die Böttcherei, die Grapen-
und Kannengiesserei und die Goldschmiederei sind es, deren zu
Unzufriedenheit Veranlassung bietende Zustände zurechtzu-
stellen man sich alle Mühe giebt. Weiter gehen darin die
preussischen Städte, die nach und nach so ziemlich alle Hand-
werke in den Bereich ihrer überwachenden Thätigkeit bringen»
1. Die Böttcherei.
Die erste Vereinbarung, welche die Seestädte über das Ge-
werbe treffen, bezieht sich auf die Böttcherei^). Von Lübeck
und Hamburg angeregt, schliessen die wendischen Städte Rostock,
Wismar, Stralsund und Greifs wald mit den genannten Städten
im Jahr 132 1 einen Vertrag über die gleichmässige Behandlung
der Böttchergesellen ab.
Die Böttcherei war ein hervorragendes Gewerbe, ein Hand-
werk, ohne welches der Handel gar nicht bestehen konnte.
Es war wahrscheinlich eines der am zahlreichsten besetzten. In
Hamburg gab es im Jahre 1376 104*) Böttcher, und im Jahre
1437 wurde die Zahl der Meister (sülvesheren) auf 200 an-
gesetzt 3). In Lüneburg zählte man im Jahre 1430, wie seit
einer Reihe von Jahren (also in vortyden), 80 Sülvesheren im
Böttcheramte*). Rechnet man auf jeden Meister nach altem
Herkommen 2 Gesellen und einen Lehrling, so könnte das Amt
in Hamburg zeitweilig 800, das in Lüneburg 320 Personen um-
fasst haben 5 selbst wenn man annimmt, dass verschiedene Meister
allein gearbeitet haben, so ergiebt sich immer eine erkleckliche
Zahl dieser Gewerbtreibenden. Weniger häufig scheint dieses
i) H. R. I, I Nr. 105— HO. Vgl. Koppmann, Rostocks Stellung in
der Hanse, in Mekl. Jahrb. f. Gesch. Bd. 52, S. 203.
9) Zeitschr. f. Hamburgische Geschichte i S. 147 ; Koppmann , Käm-
mereirechnungen d« St. Hamburg i, S. XXVIII.
3) Rüdiger, Hamburger Zunflrollen S. 33, Nr. 7c.
4) Bodemann« Lüneburger Zunfturkunden S. 36.
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Handwerk in Süddeutschland vertreten gewesen zu sein, wie
denn z. B. in Frankfurt a/M. im Jahre 1387 die Bender-Zunft
nur 6^ Mitglieder und das ganze Mittelalter hindurch nicht mehr
als 60 Meister aufwies*).
Das Erzeugniss der Böttcher, welches für den Kaufmann
am wichtigsten war, war die Tonne *), weil in ihr der Transport
fast aller Waaren vor sich zu gehen pflegte. Nicht nur, dass
man zur Aufbewahrung von Wein, Bier, Oel, Honig oder Butter
sich der Tonne bediente, man benutzte sie auch zur Aufhebung
und Versendung von Häringen, Salz, Asche u. s. w. und ver-
packte im Übrigen so ziemlich Alles gerne in Fässern oder
Tonnen 3). Selbst für Bücher war diese Beförderungsweise die
beliebteste*). Je nach der Verwendung, zu welcher sie aus-
ersehen waren, fertigte man die Tonnen verschieden an. In
Lübeck z. B. bestand der »Bierband« darin, dass die Tonnen
oben und unten mit Reifen belegt waren, die Mitte aber frei
blieb. Die Härings tonne dagegen wies an 4 Stellen je drei
Bänder oder Reife auf^). Ausserdem waren Dauerhaftigkeit und
Güte verschieden. Man unterschied »Schlosstonnen«, d. h. solche
Tonnen, an welchen ein Schloss angebracht war, Tonnen mit
doppeltem Boden (tunnen, de twe bodeme hebben) und »be-
revene vate«. Was unter diesen zu verstehen ist, bleibe dahin-
gestellt.. Ein Fass ohne Bänder oder Reife kann man sich
nicht vorstellen. Vielleicht war ein »berevenes vat« ein solches,
an welchem der grösseren Widerstandsfähigkeit wegen mehr Reife
als gewöhnlich aufgesetzt waren oder welches man äusserlich,
z. B. durch Bereiben mit Kreide, als besonders sorgfältiger Be-
handlung bedürftig, bezeichnen wollte. Allem Anschein nach
wurden »berevene vate« gerne bei der Versendung besonders
kostbarer Gegenstände, wie z. B. Pelzwerk und Gewürz, -benutzt.
Das Material, das der Böttcher zur Herstellung der Tonnen
i) Bücher, Die Bevölkerung von Frankfurt a. M. i, S. 97. 218.
a) Ueber ihre Arbeiten im Allgemeinen vgl. P. N. Sprengel's Künste
und Handwerke, herausg. von Hartwig. 1782. Bd. 2, S. 338 — 402, beson-
ders S. 365.
3) Süeda, Revaler Zollbücher S. CXXIII.
4) Hase, Die Koberger S. 361.
5) Wehrmann, Lübeckische Zunftrollen. 2. Ausg. S. 174 Anm.
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verarbeitete, war vermutlich ausnahmslos Eichenholz, das man
wählte nicht nur wegen seiner vorzüglichen Härte und Dauerbarkeit,
sondern auch weil es den Flüssigkeiten, die man aufbewah-
ren wollte, keinen Beigeschmack verlieh»). Je nachdem, ob es
zu den Böden oder zu den Seitenwänden diente, unterschied
man im Handel »bödemholt , litholtc und »stafholt« (Stabholz) ^).
Zu den Bändern, die heute vielfach aus Haselholz oder Weide
genommen werden^ brauchte man nach einer Danziger Willkür
des 15. Jahrhunderts Eschenholz 3). Böttcherholz im Allgemeinen
(bentholt, boedecholt, ligna doliatoria) war Gegenstand eines an-
sehnlichen Handels, der freilich nicht immer in weite Ferne sich
erstreckte, sondern in nächster Umgebung der Stadt betrieben
wurde, wie denn z. B. die Hamburger Böttcher ihren Rohstoff
aus Holstein und Ratzeburg bezogen^).
Tonne und Fass wichen räumlich von einander ab; doch
scheint das Raumverhältniss beider nicht überall das gleiche
gewesen zu sein. In Preussen rechnete man im 15. Jahrhundert
ein Bemsteinfass zu 3^/2 Tonnen s); aus Lübecker Accise- Rech-
nungen des 16. Jahrhunderts ergiebt sich dagegen, dass ein
Fass gleich 2 Tonnen angenommen wurde*); über den Raum-
inhalt der Tonne selbst schweigen fast alle Quellen. Oft genug
wird geklagt, dass die Tonne zu klein ausgefallen sei, aber nie
die vorschriftsmässige Grösse angegeben. Nur im Statut der
Riga sehen Böttcher heisst es, dass die Tonne 92 Stof — etwa
105 Liter? — halten müsse 7). Das war das Maass, welches
die alte culmische Tonne aufwies, für deren Verallgemeinerung
die preussischen Städte während des 14. Jahrhunderts wiederholt
eintraten 8). Für Weintonnen findet man verschiedene Grössen
angegeben. Die Danziger Weintonne hielt nach Hirsch 73V8Stof^);
x) Sprengel a. a. O. 2, S. 341.
2) Koppmann, Joh. Tolner's Ilandlungsbuch S. XXI.
3) Hirsch, Danziger Handelsgeschichte S. 305.
4) Rüdiger a. a. O. S. 32.
5) Sattler, Handelsrechnungen S. 272. 24.
6) Nach Notizen aus Brauerei- Acten im Lübecker Staatsarchiv.
7) Stieda a. a. O. S. CXXIII.
8) H. R. I, 5 Nr. 99 § 3.
9) a. a. O. S. 261.
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— 109 —
die in Preussen importirte Tonne brauchte aber nur 50 Stof zu
fassen (die logen, do man win in das land inne brenget)^).
Das Gewicht einer leeren Tonne schlechthin war seit alten
Zeiten auf 5 Liespfund angesetzt. An diesem Gewicht festzu-
halten wurde seitens der Uvländischen Städte auf der Tagfahrt
von Wolmar im Jahre 1458 ausdrücklich beschlossen*). Später
scheint die Tonne leichter angefertigt worden zu sein; denn in
einer Lüneburger XJrkunde aus der Mitte des 16. Jahrhunderts
wird erwähnt, dass in der Regel, wenigstens in Lübeck und
Hamburg, das Gewicht zu 3 Liespfunden angenommen wurde.
In fortschreitender Verschlechterung der Böttcherarbeit wurden
damals in Lüneburg die Tonnen so dünn gemacht, dass sie
noch nicht 2 Liespfund wogen, ein Uebelstand, welchem der
Rath entgegenzutreten sich bemühtes). Die Lüneburger Salztonne
wurde nach einer Notiz aus dem Jahre 1386 im Gewicht von 3 Lies-
pfunden angefertigt^). Es lässt sich annehmen, dass je nach dem
Zwecke, zu welchem die Tonne bestimmt war, sie bald leichter,
bald schwerer gemacht wurde. Möglicherweise beziehen sich
die obenerwähnten Gewichtsangaben nicht auf dieselbe Tonnen-
art, sondern fassen stets eine bestimmte ins Auge, was freilich
nicht angegeben ist.
Durch die grosse Nachfrage nach Böttcherei-Producten hatte
das Gewerbe einen eigenartigen Anstrich bekommen. Es be-
durfte vieler Hände, und zeitweilig scheint ein Mangel an Arbeits-
kräften sich gezeigt zu haben. Wenigstens lässt sich nur durch
diesen Umstand die bei den Böttchern eingerissene Gewohnheit
erklären, dass der Meister seinen Gesellen Vorschüsse gewährte.
Offenbar bewilligte er denselben diese nur, um sie an sein Ge-
schäft zu fesseln. Ehe die Vorschüsse durch den verdienten
Lohn getilgt waren, durfte kein Geselle den Wanderstab weiter-
setzen. Die Maassregel scheint nach einer Wismarschen Urkunde
schon aus dem 13. Jahrhundert zu stammen. Im Jahre 289
nämlich verpflichtet sich ein gewisser Godeke Winter, dem
I) H. R. I, 5 Nr. 543 § 3.
9) H. R. II, 4 Nr. 568 § 5.
3) Bodemann a. a. O. S. 44 § 19.
4) H. R. 1, 2 Nr. 313 § 3: und sla dry Lybeisch punt abe vor das
holte, was doch wohl als 3 Liespfund zu verstehen ist.
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JJO
Böttcher Martin in Wismar für eine Schuld von 3 Mark und
4 Schillingen so lange zu arbeiten, bis sie durch seinen Lohn
getilgt sei. Verlasse er seinen Platz früher, so solle er den An-
spruch auf Beschäftigung in allen Seestädten, wo lübisches Recht
gelte, verwirkt haben*)* Wie zweckmässig eine solche Anord-
nung sein mochte, um bei den zwei Knechten, die jedem Meister
in der Regel erlaubt waren «), nicht gelegentlich ohne Hülfskräfte
zu bleiben, so war um 132 1 mit ihr doch bereits Missbrauch
getrieben worden. Man hatte dem Gesellen »up to vorsieht
synes denstesc grosse Summen geliehen, die ihn wahrschein-
lich in seiner freiheitlichen Bewegung zu sehr beschränkten, und so
strebte die erwähnte Vereinbarung der wendischen Städte, möglicher-
weise unter dem Drucke des Wunsches der unentbehrlichen Ge-
sellen^ die Abstellung desselben an. Kein Meister (nemo dominus
in officio, sulveshere uth dem ammethe) sollte seinem Knechte
einen über 8 Schill, lüb. hinausgehenden Betrag vorstrecken.
Wer eine höhere Summe auf dem Kerbholze stehen hatte, dem
sollte nichts mehr geliehen und dafür Sorge getragen werden,
dass seine Schuldverbindlichkeit auf den erlaubten Höchstbetrag
zurückgeführt wurde.
Gleichzeitig lässt diese Vereinbarung erkennen, dass es an
Verdienst den Böttchern nicht gefehlt haben kann. Sie richtet
sich in ihren weiteren Bestimmungen gegen den Ueberrauth der
Gesellen. Das Umherschweifen des Knechts in der Nacht, die
Beschäftigung von »verlopenen« und heimlich entwichenen Ge-
sellen werden untersagt. Kein Meister soll endlich einem zu
miethenden Knechte das Zugeständniss machen, dass er ihn
für die Zeit des Häringsfanges an der Küste von Schonen seines
Vertrags entbinden wolle. Derartige Zustände, wie sie hier an-
gedeutet werden, hatten sich nur bei einem aufblühenden Ge-
werbe, in welchem die Gesellen, trotz begangener Unbotmässig-
keiten, leicht darauf rechnen durften, immer wieder Arbeit und
Unterkunft zu finden, einbürgern können. Geholfen haben alle
diese Verfügungen nichts. Noch nach 45 Jahren geben die Ge-
x) Meld. Urk.-B. 3 Nr. 1790.
a) So in Wismar 1346. Mekl. Urk.-B. 10, Nr. 6684; in Lüneburg
1430, Bodemann a. a. O. S. 34.
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— III —
seilen denselben Anlass zur Unzufriedenheit, und man musste
in Lübeck am 24. Juni 1366 beschliessen , die Reformbedürftig-
keit der Vereinbarung von 132 1 zu Hause in ernstliche Erwägung
zu ziehen, zunächst das alte Statut wieder zur Anwendung zu
bringen'). Von weiteren Maassregeln wird uns jedoch nichts
mehr gemeldet.
Im Zusammenhange hiermit steht es, wenn der den Ge-
sellen zu verabfolgende Lohn und der Preis, der für Tonnen
gefordert werden darf, festgesetzt werden. Die Gefahr lag eben
nahe, dass die Böttcher der starken Nachfrage entsprechend
ihre Tonnen sich theuer bezahlen Hessen und andererseits die
Gesellen von den grösseren Einnahmen der Meister Vortheil zu
ziehen versuchten, indem sie hohen Lohn verlangten. So wird
in Wismar im Jahre 1346 der Macherlohn für eine Tonne auf
2^/2 lüb. Pfennige bestimmt"). Derselbe Lohn ward im Jahre
141 5 in Hamburg vereinbart, wobei noch das Einsetzen des
Bodens besonders vergütet wurde (unde vor einen rump to
bodemende) 3). Der Preis einer Tonne wird von Rathswegen
in Wismar im Jahre 135 > auf 12 — 18 lübische Pfennige fixirt
(inter solidum et inter decem et octo denarios potest fieri
ascensus et descensus) *), und nach dem Rostocker Statut von 1436
können die Böttcher nicht mehr als 4 M. lüb., d. h. (bei
16 Tonnen auf i Last) 48 Pfenn. verlangen. Im Zeiträume eines
Jahrhunderts hätten die Preise hiernach beträchtlich angezogen,
sich beinahe verdreifacht. In Lüneburg, wo im Jahre 1479
einige Unruhen seitens der Böttcher verursacht wurden, rechnete
man i Fuder Tonnen zum Preise von 19 Schill, bis zu einem
Pfunde 5). Ob die meklenburgischen Preise wirklich beobachtet
wurden, ist eine andere Frage, Bei Gelegenheit der Einnahme
von Duzow im Jahre 1353 werden drei leere Tonnen zum
Werthe von 5 Schillingen bestimmt, d. h. jede Tonne zu 20 Pfen-
nigen^). In Rostock kostete 1352 nach Ausweis der Kämmerei-
i) H. R. I, 2 Nr. 376 § 19.
2) Mekl. Urk.-B. 10 Nr. 6684 § 4-
3) Rüdiger a. a. O. S. 33 § 2.
4) Mekl. Urk.-B. 13 Nr. 7492.
5) Bodemann a. a. O. Nr. 5 S. 38,
6) Mekl. Urk.-B. 13 Nr. 7821.
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112
Rechnungen») eine leere Weintonne 24 Pfennige. Hundert
Jahre später — 1456 — notiren die Rostocker Gerichtsherren
für eine Tonne, in der sich Grütze befand (die ihrerseits 4 Mark
12 Schillinge kostete), 5^/2 Schill, oder 66 Pfennige»). Dagegen
finden sich in der Rechnung der Rostocker Wetteherren über
eine Gesandtschaftsreise nach Dänemark vom Jahre 1445 in der
That für eine Last Tonnen 4 Mark angesetzt 3). Büliger war
die Böttcherarbeit in Preussen, wo zu Beginn des 15. Jahrhunderts
der Grossschäffer zu Königsberg für ein Bemsteinfass (3^/a Tonnen
gross) nur 3^/2 Scot preuss. oder 42 Pfenn. lüb. zu bezahlen
pflegte^). Sehr früh also schon scheint der Widerspruch zwischen
Theorie und Praxis sich gezeigt und das Taxwesen sich nicht
bewährt zu haben.
Eine fernere Eigenthümlichkeit dieses Handwerks war sein
hausindustrieller Charakter. Während für gewöhnlich der Hand-
werker Kundenarbeit d. h. auf Bestellung liefert, war in der
Böttcherei die Arbeit auf Vorrath und Verkauf an den Kauf-
mann üblich geworden. Der Kaufmann setzte sie dann an die-
jenigen Persönlichkeiten ab, die ihrer bedurften. Und nicht nur
der Kaufmann vermittelte diesen Handel, auch der wohlhabendere
Böttchermeister betrieb denselben und beschäftigte seine minder
gut situirten Mitmeister. In dem Wismarschen Böttcher -Statut
von 1346 ist man bemüht, diese Missbildung wieder gut zu
machen, indem man verfugt, dass kein Böttcher von einem
andern Böttcher Tonnen kaufen und kein Meister für seinen
Mitmeister Tonnen anfertigen solle (nuUus sulveshere debet ad
manus alterius sulvesheren secare vel tunnas parare)^). In der
5 Jahre später erlassenen Bürgersprache wird dann schlechtweg
jeder Einkauf von Tonnen behufs Wiederverkauf untersagt^).
Man sollte sich eben direct an die Böttcher wenden, wenn man
Tonnen brauchte. Von auswärts eingebrachte Tonnen durften
nicht anders verkauft werden als zu den Preisen, zu welchen
Mekl, Urk.-B. 13 Nr. 7581.
») H. R. II, 4 Nr. 436.
3) H. R. II, 3 S. 89.
^) Sattler a. a, O. S. 272. 94.
5) Mekl. Urk.-B. 10 Nr. 6684 § 2. 3.
6) Mekl. Urk.-B. 13 Nr. 7516.
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— 113 —
die Böttcher durch die Obrigkeit gezwungen wurden, ihre
Arbeit feilzubieten. In den Lübecker und Hamburger Rollen
ist von ähnlichen Zuständen nicht die Rede. In der Lüne-
burger Rolle vom Jahre 1430 abe^ ist vorgesehen, dass
Keiner Tonnen anfertigen lasse, der das Böttchergewerbe nicht
selbst auszuüben im Stande sei (dat hyr nement tunnen make
ofte tunnen maken late, he en könne sulves tunnen maken)»),
Offenbar wünschte man der drohenden Abhängigkeit vom Kauf-
mann vorzubeugen. Auf eine Organisation^ welche den gewöhn-
lichen Rahmen gleichfalls überschritten hat, deutet auch das
Statut der Rostocker Böttcher von 1436, wenn es in demselben
heisst, dass die Meister diejenigen Kunden nicht verschmähen
sollen, die Tonnen für sich hauen lassen wollen. Art. 2 schreibt
vor : » Vortmer schulden se den borgern bynnen unde buten rades
to erer behoff unde not tunnen schicken unde tunnen vorkopen
unde nicht vorsman de jene, de tovoren hebben tunnen ho wen
laten.« Ursprünglich mochte Mancher, der Tonnen nöthig hatte,
dieselben aus seinem eigenen Holze, das er dem Böttchermeister
brachte, haben anfertigen lassen. Daran anknüpfend hatte er
dann vielleicht die Tonnen, für die er keine Verwendung hatte,
verkauft und so einen Handel sich entwickeln lassen, ohne dass
er Mitglied des Böttcheramts geworden war. Es ist auch denk-
bar, dass zu hoch getriebene Forderungen der Böttcher die Kauf-
leute auf den Ausweg brachten, Böttcherholz einzukaufen und
für eigene Rechnung verarbeiten zu lassen. Seit nun die
Böttcher Tonnen vorräthig hielten und die Preise für eine Last
auf 4 Mark angesetzt waren»), schwand jeder Grund zu der-
artigem Vorgehen, und so wurde es in Rostock den Bürgern
überhaupt nicht mehr gestattet, Tonnen aus eigenem Holze an-
fertigen zn lassen. Bis Johannis — vom 21. April an, dem
Datum der Urkunde — sollten sie noch das Recht haben, ihren
Holzvorrath aufzubrauchen, den zu diesem Termin übrig ge-
bliebenen Rest aber an die Böttcher verkaufen.
i) Bodemann a. a. O. S. 34.
2) Siehe Art. 1. und den ganzen 2. Art. der Rolle im Anhang.
Hansische Geschichtsblätter. XV. 8
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— 114 —
Ganz deutlich ist endlich in der Danziger Stadt- Willkür den
Böttchern der Handel mit Tonnen untersagt. Es heisst in der-
selben : »die bötger, die tonnen machen, die sollen keyne tonnen
kouffen vordan zcu vorkaufFen').«
Wie es scheint, haben alle diese Bestimmungen nicht ver-
mocht, dem Uebel zu steuern. Fast dreihundert Jahre nach
jener Wismarer Verfugung, laut welcher kein Böttcher von einem
anderen Tonnen kaufen durfte, wurde das gleiche Vergehen in
Rostock gerügt. Am 6. November 1632 gab das Gewett in
Sachen der Aelterleute des Böttcheramtes als Kläger gegen
Jochim Meyer als Beklagten diesen Bescheid: »dass Beklagter
sich die Tonnen in Bezahlung von seinen Ambtbruedem anzu-
nehmen enthalten solle, und da er Holtz an dieselben verkaufFen
würde, sich die Bezahlung an Gelde thun lassen, wan er aber
solcher Zahlung halber sich zu beschweren hette, sol er solche
gebührlich bey den Wetteherren suchen, alssdann sol ihme die
hulffliche Handt darein gebotten werden«*). Der Fall, von dem
durch Zufall die Nachricht sich erhalten hat, mochte in jenen Tagen
nicht vereinzelt aufgetreten sein. Sonst hätte das Amt den Schul-
digen nicht vor dem Wettgerichte zur Verantwortung gezogen.
Nicht alle diese eben erwähnten Punkte bilden einen Gegen-
stand der Verhandlungen unter den Seestädten; daher kann es
fraglich sein, inwieweit die vorstehende Schilderung als für alle
Städte zutreflfend angesehen werden kann. Im allgemeinen wird
es wohl gestattet sein, aus den Bestimmungen, welche die eine
Stadt zur Regelung der Verhältnisse zu erlassen für gut befindet,
auf Gleichheit" oder Aehnlichkeit der Zustände in der andern zu
schhessen. Die Punkte, welche auf den Versammlungen zur
Sprache kamien, betrafen ausser dem Gesellenwesen das An-
fertigen von Tonnen in Skanör, die richtige Grösse der Tonnen
und ihre sorgfältige Herstellung. Es liegt auf der Hand , wie
wichtig es für den Kaufmann sein musste, namentlich nach den
beiden letzten Richtungen, sicher zu gehen. Die gute Ausfüh-
rung der Böttcherarbeit schützte ihn vor grösseren Verlusten
') Hirsch a. a. O. S. 305.
a) Nach einer Akte aus dem Archiv des Rostocker Böttcheramts im
Privatbesitz eines Rostocker Böttchermeisters.
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— 115 —
durch Bruch, Leckage u. s. w.; ein zuverlässig volles Maass
aber sicherte ihm den einmal gewonnenen Absatzkreis.
Die erste gemeinsame Maassregel beabsichtigte augenschein-
lich den Schutz des einheimischen Böttchergewerbes. Nach dem
Beschluss der Seestädte vom Jahre 1342 ^) sollten in Skanör
keine neuen Tonnen angefertigt und keine alten ausgebessert
werden. Demgemäss sollte von allem Böttcherholz nur der
Transport von Bändern, deren eines gelegentlich abspringen
mochte, und die doch zum Zusammenhalten der Tonne unent-
behrlich waren, dorthin gestattet sein. Vermuthlich war auf den
massenhaften Consum des Häringshandels an Tonnen die han-
sische Böttcherei eingerichtet. Man machte die Tonnen in den
Seestädten und brachte sie nach Schonen. Hätten dänische
Böttcher oder deutsche , die sich zeitweilig in Schonen nieder-
liessen , die Arbeit übernehmen dürfen , so wäre selbstver-
ständlich der Verdienst der Böttcher in den Bundesstädten be-
trächtlich geschmälert worden. Später scheint dieses Verbot da-
hin umgewandelt worden zu sein, dass nicht schlechthin die An-
fertigung von Tonnen untersagt wurde , sondern die Arbeit auf
die dazu Berechtigten beschränkt blieb. Wenigstens werden im
Jahre 1389 die Vögte von den wendischen Städten angewiesen,
nur denen die Böttcherei zu gestatten, welche sich als hanse-
städtische Bürger oder als Knechte hansestädtischer Meister aus-
weisen«). Und dementsprechend fiel auch der Beschluss der
preussischen Städte auf der Elbinger Versammlung vom Jahre
1390 aus, nachdem bekannt geworden war, dass auf der
preussischen Vitte auf Schonen halbe Tonnen angefertigt wur-
den. Man forderte den preussischen Vogt auf, darauf zu achten,
dass nur Bürger oder Einwohner einer Hansestadt zur Herstel-
lung der Tonnen zugelassen würden 3). Immer blieb also das
Interesse der einheimischen Böttcherei maassgebend.
Eine Klage über die Verschiedenheit der Tonnen finde ich
zuerst im Jahre 1337. Lübeck beschwert sich damals in
Wismar, Rostock, Stralsund und Greifswald darüber, dass die
i) H. R. I, I N. 113. Vgl. über die Böttcher auf Schonen Schäfer,
Das Buch des lübeckischen Vogts auf Schonen S. LX — LXI.
a) H. R. I, 3 Nr. 424 § 3.
3) H. R. I, 3 Nr. 490 § 7.
8*
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— ne-
in Schonen benutzten Häringstonnen verschiedener Grösse
seien, und verweist darauf, dass die Kaufleute, die viel
Schaden dadurch leiden, schon wiederholt Veranlassung ge-
nommen haben, Klage zu führen. Zur Berathschlagung über
die beste Art der Abstellung dieses üebelstandes entsandte
Lübeck an die genannten Städte zwei Böttchermeister*). In-
dess ist über das Ergebniss dieser Reise nichts bekannt ge-
worden, und es dauerte noch beinahe 40 Jahre, ehe auf einer
der Versammlungen der Seestädte die Frage aufs neue ange-
regt wurde. Im Jahre 1375 wurde in Lübeck der Vorschlag
laut, die Härings- und Biertonnen in allen Städten »een-
parich«, d. h. von gleicher Grösse, zu machen. Als das beste
Maass dafür verwies man auf den »Rostocker Band«. Sollte
das nicht allgemein durchführbar erscheinen, so möchte jede
Stadt wenigstens Sorge tragen, dass die von ihren Böttchern
angefertigten Tonnen eine Marke trügen»). Derartige Vor-
schläge waren leichter zu machen als in Wirklichkeit auszu-
führen. Mochte der Rostocker Band in der That der zweck-
massigste sein, so wollten doch die anderen Städte die bei ihnen
gebräuchliche Arbeitsweise nicht ohne weiteres aufgeben. Noch
im letzten Augenblick, als nach mehrfachen fruchtlosen Verhand-
lungen (in Wismar 13763), in Lübeck 13 81)*) die wendischen
Städte im Jahre 1383 in Lübeck im Begriffe standen, sich über
die Annahme des Rostocker Bandes zu einigen, erhob Stralsund
Widerspruch und erklärte, nicht mit genügender Vollmacht, dar-
ein zu willigen, ausgerüstet zu sein^).
Die Sache war nämlich die, dass in Vorpommern gleich-
falls eine schwunghafte Böttcherei betrieben wurde, welche sich
den »ColbergerBand« zum Muster ausersehen hatte. In Colberg,
Treptow, Köslin, Beigard, Stolp, Rügenwalde, Wollin und ande-
ren Städten (belegen in Pommeren siden), auch auf dem platten
Lande, in Höfen und Dörfern »und in denen steden by der
1) Mekl. Urk.-B. 4 Nr. 5743.
2) H. R. I, 2 Nr. 86 § 13.
3) H. R. I, 2 Nr. 113 § 3.
4) H. R. I, 2 Nr. 232 § 2.
5) H. R. I, 2 Nr. 263 § 6.
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— 117 —
heyde«, fertigte man unter der Leitung entlaufener Böttchergesellen
Tonnen an und scheint sich dabei sehr gut befunden zu haben.
Seitens der wendischen Städte bezeichnete man diese Arbeit
einfach als »falsch Tonnenwerk«'); aber sie fand, kleiner und
wahrscheinlich wohlfeiler als die nach Rostocker Band gemachten
Tonnen, überall Liebhaber, nicht zum wenigsten vielleicht unter
den Kaufleuten selbst. So mochte man denn das lohnende
Geschäft nicht aufgeben, ging trotz alles Einspruchs und aller
Verfolgungen mit niedersächsischer Zähigkeit nach wie vor dem-
selben nach, und es ist, wie es scheint, den Seestädten nicht
gelungen, die erwünschte Einheitlichkeit durchzusetzen. In den
preussischen Städten war man ganz geneigt, die Bestrebungen
der wendischen zu unterstützen, aber wohl nur insofern, als es
sich um die Häringstonnen handelte, die von Schonen aus ihre
Weltreise antraten. Ob Rostocker, ob Colberger Band, das war
ihnen im Grunde gleichgültig. Nur sollte man — dahin ging
die Auffassung auf der Marienburger Versammlung vom Jahre
1392 — immer denselben Band gebrauchen =). Man wollte an
Lübeck schreiben, und die von dorther ergehende Entschei-
dung wäre dann vermuthlich für die preussische Vitte maass-
gebend geworden. Demselben Grundsatz huldigten die preussi-
schen Städte unter sich gleichfalls. Sie beschlossen im Jahre
1402 , dass die Tonnen nach Culmischem Maasse gefertigt wür^
den, »alzo das eyne grosse sy der tunnen in dem lande« 3), und
erörterten im Jahre 1406 den Antrag Elbings, die zum Trans-
port von Asche bestimmten Fässer nach Thorner Muster arbeiten
zu lassen*).
Die Klagen über die Kleinheit der Häringstonnen, welche
den Seestädten vorgetragen wurden, rissen nicht ab. Im Jahre
1405 lagen den preussischen Städten auf ihrer Versammlung in
Marienburg solche aus Schlesien und Böhmen vor^). In Wismar
machten im Jahre 14 10 Flandern, England und Frankreich sie
i) H. R. I, 2 Nr. 266 § 5; 306 § 2; 320 § 5; 3, Nr. 424 § 3.
a) H. R. I, 4 Nr. 124 § 7.
3) H. R. I, 5 Nr. 99 § 3.
4) H. R. I, 5 Nr. 304 § 5.
5) H. R. I, 5 Nr. 221 § 7.
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— ii8 —
geltend*). Man sah es in jenen Gegenden als Betrug an,
wenn der Inhalt der Tonne nicht dem gewohnten Maasse ent-
sprach, welches das Rostocker war. Wohl kämpften die wen-
dischen Städte mit aller ihnen zu Gebote stehenden Macht da-
gegen an. Sie forderten ihre Einwohner auf, nur solche Tonnen
zu kaufen, »de de gud unde grote noch syn na deme Rozstker bände« ,
und wiederholten diese Mahnungen beständig; so in den Jahren
1434 und 1444 auf der Lübecker«), 1442 auf der Stralsunder 3)
Versammlung. Aber alles war vergebens. Zu der pommerschen
Concurrenz war seit 141 o eine dänische gekommen. In Malmö und
anderen Städten Dänemarks, wo ein Amt und Werkmeister nicht
zu sein pflegten, wurden ebenfalls Häringstonnen gehauen*;, und
auf diese Weise wurde es immer schwieriger, der um sich greifen-
den Ungenauigkeit , an welcher manche Kaufleute schliesslich
selbst ein Interesse hatten, zu steuern.
Noch im Jahre i486 wurde in Lübeck geklagt, dass die
Stettiner ihre Häringstonnen zu klein machten s), und ein Recess
von dem Jahre 1688, welchen die Böttcher von Lübeck, Ham-
burg, Rostock, Stralsund, Wismar, Greifswald und Lüneburg
schlössen , erwähnt eines solchen Unfugs , welchen . Bergedorfer
Böttcher sich mit den Thran tonnen zu Schulden kommen Hessen 0).
Merkwürdig ist es, dass bei diesen Bestrebungen, dem
Rostocker Bande allgemeine Anerkennung zu sichern, die Maasse
desselben nicht überall, wo man sie hätte kennen müssen , ge-
läufig waren. Im Jahre 1 480 erschienen zwei Hamburger Böttcher
in Rostock und baten um »den smalen tunnenbant«, dessen Ver-
hältnisse ihnen demnach unbekannt sein mussten. Lübeck suchte
damals die Mittheilung an Hamburg zu hintertreiben, indem es
Rostock darauf aufmerksam machte, dass man in der Umgebung
von Hamburg, in der Kremper Marsch, Weissbier in schmale
Tonnen nach Rostocker Band fülle und solches nach Island ver-
i) H. R. I, 5 Nr. 720 § 2.
2) H. R. II, I Nr. 321 § 36; 3 Nr. 94 § 12.
3) H. R. II, 2 Nr. 608 § 26.
4) H. R. I, 5 Nr. 720 § II.
5) H. R. III, 2 Nr. 26 § 57. 59.
^) Nach Akten aus dem Archiv des Rostocker Böttcheramts im Privat-
besitze.
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— 119 —
schiffe. Hamburg stellte das in Abrede, behauptete, das Maass
nur zu Häringstonnen benutzen zu wollen, und erhielt es auch
ausgeliefert^). Es fällt aus dieser Angelegenheit ein eigenthüm-
liches Licht auf die wendischen Städte, denen es vielleicht nicht
so sehr darum zu thun war, einheitliches Maass in den Härings-
tonnen zu fuhren, als vielmehr ein Monopol in der Anfertigung
derselben zu besitzen. Vielleicht liessen sie, um die Böttcherei
in Pommern unmöglich zu machen, die richtigen Maasse gar
nicht dorthin gelangen. Aber unbegreiflich bleibt es dabei, dass
die Hamburger Böttcher behufs Aneignung des Rostocker Bands
persönlich in Rostock erscheinen mussten. Sollten sie nicht in
der Lage gewesen sein, sich eine richtige Rostocker Tonne zu
verschaffen und diese nachzuahmen?
Was nun diesen vielbesprochenen Rostocker Häringsband
selbst anlangt, so hat sich unter den heutigen Mitgliedern des
Böttcheramtes jede Erinnerung an denselben verloren. Auch
die Durchsicht der kümmerlichen Reste des einst reichhaltigen
Archivs des Rostocker Böttcheramtes ergab keinen Anhalt. Wohl
aber hat sich im Lübecker Museum für Alterthümer ein Erz-
maass erhalten«), das nach seiner Inschrift als ein Rostocker
Maass von 1469 angesehen werden muss. Der Güte des
Herrn Dr. juris Th. Hach verdanke ich eine nähere Beschrei-
bung dieses seltenen Gefässes, auf dessen Existenz ich durch
eine Mittheilung von K. E. H. Krause in den Mittheilungen des
Vereins für Lübeckische Geschichte aufmerksam geworden bin 3).
Es handelt sich um ein cylinder ähnliches Erzmaass, das nach
oben zu sich verbreitert und mit zwei Henkeln versehen ist.
Etwas oberhalb der Henkel befinden sich im Innern des Ge-
fässes zwei vorstehende Zapfen. Der obere Durchmesser' ergiebt
eine Länge von 285 mm, der untere von 253 mm. Die Höhe
des Gefässes vom inneren Boden bis zu der den oberen Durch-
messer darstellenden Linie beträgt 363 mm. Der Flüssigkeits-
inhalt beläuft sich, bis zum oberen Durchmesser gerechnet, auf
20^/4 Liter, bis zur unteren Kante der im Inneren angebrachten
i) H. R. III, I Nr. 293. 294. 295. 298.
2) Katalog Nr. 2070.
3) Jahrgang 1886 Nr. 11 S. 175. (Vgl. jetzt oben S. 94—95. K. K.)
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— I20
Zapfen 14^/4 Liter. Aeusserlich weist das Gefäss oben ein
Schild mit dem Doppeladler, ein Schild mit dem Greif, sowie
in 4 um den ganzen Körper gehenden Zeilen nachstehende
Umschrift auf: Na der bort unses heren Jhesu Cristi 1469 in
sunte Johannes baptisten avende . unde desser achte amen maket
enen Rostker herinkbant van den tunnen . amen . Man hat sich
demnach den Rostocker Häringsband als eine Tonne von 166,
bezw. 118 Litern Rauminhalt vorzustellen.
Hand in Hand mit den Klagen über die Kleinheit gingen
die über ungenügende Güte, wie denn bis 1436 in Elbing dar-
über verhandelt werden muss, dass »zemliche tonnen zere wän
sin« *), und die niederländische Häringsordnung von 148 1 es für
nöthig hält, durch eine desfallsige Vorschrift sich zu schützen.
Keine in Holland eingebrachte Häringstonne sollte anders als
ivon heelen holte und alle spintholt affghevracht« sein»). Eine
andere Art von Betrug wird bei den Theertonnen vermerkt, die
im Jahre 1487 viel zu stark angefertigt wurden (syn in deme
boddemen unde Steven vele to dicke), so dass der Käufer am
Inhalt sich verkürzt sah 3). In dieser Beziehung enthalten die
ältesten Rollen in fast allen Städten schon Vorschriften, um die
Herstellung eines tadellosen Productes zu ermöglichen. In der
Lübecker von 1440 finden wir Bestimmungen über Anfertigung
des Kymwerkes (Böttcherarbeit, bei welcher die Dauben in den
Boden eingefügt werden), zu welchem nicht schräg gespaltene,
wurmstichige, »wynkeldetich edder dorwassene« Hölzer verwandt
werden sollten. Tonnen werk »dar spint utgheyt to den enden«
durfte niemand machen. In Rostock sollte kein Böttcher Tonnen
»von klovedenn holt, noch von wittenholt edder bundekenholt«
anfertigen*). Diese und ähnliche Verfügungen waren wohl mit
der Zeit nicht mehr so streng beobachtet, wenn obige Beschwer-
den so häufig waren, dass man sich veranlasst fühlte, sie auf
den Tagfahrten in Erwägung zu ziehen.
An die Stelle der Versuche der Städte, gewissen Uebelstän-
den im Handwerke entgegenzuarbeiten, treten später die Zu-
1) H. R. II, I Nr. 507 § 5.
a) H. R. III, I Nr. 335 § I.
3) H. R. III, 2 Nr. 160.
4) Anhang Nr. 4 § 2.
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sammenkünfte der Handwerker selbst, auf denen die dem Ge-
werbe nützlichen, gemeinsam zu erlassenden Verordnungen aus-
gearbeitet, sowie alle Verstösse gegen die Rollen und sonstige
Vorkommnisse im Handwerksleben besprochen wurden. Wann
diese Zusammenkünfte ihren Anfang genommen haben, scheint
sich zur Zeit nicht bestimmen zu lassen. In einem Lübecker
RathsprotokoU vom Jahre 1572 wird es als »hergebracht und
gebruklich« bezeichnet, »dat die groten Ampte uth dessen er-
baren Wendischen Stetten umme de soven Jahr allhier (Lübeck)
edder ock ehrer etliche in der Stadt Wismar pflegen thosamen
tho kamen« u. s. w. »). In der That sind uns bereits aus dem
Jahre 1494 Beschlüsse der Schmiede - Aemter der 6 wendischen
Städte erhalten*), die wohl auch auf einer Versammlung der
Aelterleute derselben gefasst wurden. Ob wir in dieser Urkunde
das Zeugniss für die erste derartige Zusammenkunft besitzen,
bleibt unentschieden. Auch Vereinbarungen anderer Aemter, die
gleichfalls auf vorhergegangene Versammlungen schliessen lassen,
haben sich erhalten; so die der Bäcker von 15073), der Kannen-
giesser von 1526, der Schmiede von 1527, der Kürschner von
1540, der Riemer und Schwertfeger von 1555, der Böttcher von
1569'*). Im Jahre 1572 wurde den Aemtem der wendischen
Städte das Recht, zu bestimmten Zeiten in Lübeck zuzusammen-
zukommen, durch Hansebeschluss ausdrücklich zugestanden. Nur
wurde ihnen untersagt, Beschlüsse zu fassen, welche ihren Rollen
widersprächen, und mussten ihre Vereinbarungen obrigkeitlich
genehmigt werden s). Das Letztere war schon bei den Be-
schlüssen der Schmiede- Aemter von 1494 der Fall gewesen.
Es ist über diese Zusammenkünfte Urkundliches bis jetzt wenig
bekannt geworden. Sie scheinen regelmässig alle 7 Jahre und
nur, wenn wenig Stoff zur Besprechung vorlag, in längeren
Zwischenräumen abgehalten worden zu sein. Die erste Vereini-
gung der Böttcher der wendischen Städte stammt aus dem Jahre
1) Burmeister, Beiträge zur Geschichte Europa' s aus den Archiven der
Hansestädte S. 147 Anm.
a) Wehrmann S. 446 — 447.
3) Burmeister a. a. O. S. 147. 152.
4) Rüdiger, GeseUendocumente passim.
5) Burmeister a. a. O. S. 148.
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— 122 —
1569 und betrifft Maassregeln gegen die Gesellen '). Ferner liegen
mir die Akten über Versammlungen in den Jahren 1634, 1651
und 1688 vor«), in denen der Recesse aus den Jahren 161 1,
1618 und 1643 Erwähnung geschieht. In dem Fragmente eines
Recesses (wie es scheint aus dem vorigen Jahrhundert), der von den
Aelterleuten der Böttcher-Aemter aus Lübeck, Hamburg, Rostock,
Wismar und Lüneburg unterzeichnet ist, und in welchem es sich
um die Periodicität der Versammlungen handelt, ist auch von
einer »alten Beliebung und Houbtbrief de anno 1579, welchen
die hochgeehrte Obrigkeit uns confirmirt und hochgünstiglich ge-
geben«, die Rede. Wie viele Versammlungen nun zwischen den
genannten Terminen hegen und von welchen Städten dieselben
beschickt wurden, kann zur Zeit nicht angegeben werden. Der
Böttcher-Recess von 1634 wurde von Lübeck, Hamburg, Rostock,
Wismar und Stralsund, der Recess von 165 1 von denselben
Städten mit Ausnahme von Stralsund, an dessen Stelle Greifswald
trat, der Recess von 1688 von den 5 letztgenannten sowie von
Stralsund und Lüneburg abgeschlossen. Inhaltlich bieten dieselben
nur die Beilegung von Klagen und Beschwerden, welche die
Aemter der verschiedenen Städte gegeneinander oder das einzelne
Amt über dieses oder jenes Mitglied erheben.
2. Die Grapen- und Kannengiesser.
Ein anderes Handwerk, welchem die wendischen und preussi-
schen Städte auf den Versammlungen ihrer Rathssendeboten
Aufmerksamkeit schenkten, war das der Grapen- und Kannen-
giesser. Hier war es nicht das für den Handel, beziehungsweise
den Export wichtige Gewerbe, welches man beaufsichtigen wollte,
sondern dasjenige, welches Gegenstände des täglichen Gebrauches
lieferte, die in Aller Hände waren. Da es sich um Gegenstände
von ziemlichem Werthe, auf längere Dauer berechnet, und
solche, bei denen der Käufer vorgenommene Fälschungen nicht
zu beurtheilen vermochte, handelte, so Hess sich die Obrigkeit
eine Ueberwachung der Production, um die Consumenten vor
Schaden zu bewahren, angelegen sein.
«) Rüdiger, Gesellendocumente S. 8 — 12.
2) Aus dem Archiv des Rostocker Böttcheramts, gegenwärtig in Privat-
besitz.
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123 —
Kannengiesser-Zünfte werden im 14. Jahrhundert mehrfach
erwähnt. Sie kommen in Nürnberg'), in Köln»), in Breslaus),
in Hamburg*), Wismar s) und Lübeck^) vor. In Frankfurt a. M.
werden Kannengiesser als Mitglieder der Schmiedezunft erwähnt ^).
In Rostock stammt ihre Rolle, ob die erste bleibt unbestimmt,
aus dem Jahre 1482, in Lüneburg von 1597^). Sie verarbeiteten
Zinn und stellten Schüsseln, Kannen, Standen (Gefösse, die oben
enger sind als unten), Salzfässer (zaltsere), Leuchter, Waschschalen
u. dgl. m. her. Der Verbrauch an diesen Geräthen mag kein
unbedeutender gewesen sein. Man mag es daraus entnehmen,
dass z. B. die Königsberger Grossschäfferei in den Etat für
den Bedarf des Grosskomthurs u. A. jedes zweite Jahr ein
volles SchifFpfund Zinn setzte^). Wohl half man sich damit,
dass man die verbogenen und abgenutzten Stücke in neue
Formen goss; aber die einheimische Production genügte nicht,
und man war sogar veranlasst, aus England »Zinnwerk« zu im-
portiren. Danzig wenigstens liess sich im Jahre 1422 solches
Fabrikat aus England kommen '°). Von dort her, aus der Graf-
schaft CornwaD, bezog man auch den Rohstoff, der als Handels-
artikel gelegentlich genannt wird. Jenes lehrreiche Verzeichniss
der Länder und deren Erzeugnisse aus dem letzten Drittel des
13. Jahrhunderts, welches Höhlbaum im dritten Bande seines
Urkundenbuches mittheilt "), führt England und Böhmen als Pro-
ductionsorte an. Auf England deutet es auch, wenn hansische
Kaufleute, denen im Jahre 1384 Zinn von den Flämingern ge-
raubt wird, den Werth desselben in englischen Schillingen an-
geben"). Inwieweit die Zinngruben des Fichtelgebirges, die
i) Baader, Polizeiordn. S. 160.
2) Ennen u. Eckertz, Quellen 2. Gesch d. Stadt Köln I, 386.
3) Korn, Cod. dipl. Sil. 7, S. 103.
4) Rüdiger a. a. O. S. 123.
5) Burmeister, Alterthümer des Wismarschen Staatsrechts.
6) Wehrmann a. a. O. S. 225.
7) Bücher, Die Bevölkerung von Frankfurt a. M. S. 142.
8) Bodemann a. a. O. S. 119.
9) Sattler, Handelsrechnungen S. 169, 12.
10) H. R. II, I Nr. 381 § 19.
") Nr. 624 Anm.
") H. R. I, 3 Nr. 336 § 14.
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— 124 —
böhmischen und sächsischen Zinnbergwerke*) den Rohstoflf für
die norddeutschen Städte lieferten, entzieht sich der Beurtheilung.
Prag scheint den wendischen Städten Zinn geschickt zu haben
(S. weiter unten S. 134). Der deutsche Orden, der sich, wie seine
kürzlich herausgegebenen Handelsrechnungen erweisen, mit dem
Vertriebe von Kupfer und Eisen, also mit Metallhandel, mehrfach
befasste, pflegte den Zinnhandel nicht.
Mit den Kannengiessern in einem Amte waren in den
wendischen Städten die Grapengiesser vereinigt. Wenigstens lässt
sich in keiner Stadt eine besondere RoUe für sie nachweisen.
Aus Süd- oder Ostdeutschland wird ihr Vorkommen überhaupt
nicht gemeldet. Grapen und Kessel, grosse und kleine, wie es
scheint stets auf Füssen, durften in keinem norddeutschen Haus-
halte fehlen. Man findet sie in den Küchen von Privatpersonen
und Klöstern»). Auch flache Tiegel oder Pfannen — die sog.
Schapen — gehörten da hinein. Das waren die Gegenstände,
welche die Grapengiesser aus einer Mischung von Kupfer und
Zinn herstellten ; Kupfer bildete den hauptsächlichsten Bestandtheil
und musste von weither bezogen werden. Im, 14. und 15. Jahr-
hundert waren es namentlich Polen und Ungarn, welche das-
selbe lieferten, und der deutsche Orden die Instanz, die den
Transport nach Deutschland und weiter nach Flandern gern
vermittelte. Man unterschied im Handel Gildenisser oder Göl-
nitzer, Stilbacher oder Sylbacher, Lebentzer und Schmolnitzer
Kupfer (nach den Gegenden benannt), rothes und hartes Kupfers).
Wie hoch der Marktpreis von Kupfer in den Hansestädten
sich stellte, ist leider nicht bekannt. In Preussen schwankte er
beständig. Der Grossschäffer von Königsberg notirt z. B. am
Anfang des 15. Jahrhunderts den Preis für einen Centner Kupfer
mit 3 Mk., 2^/2 Mk. und i Mk. 22 scot pr.**). Wie es scheint,
>) Beckmann , Beiträge zur Geschichte der Erfindungen Bd. 4 S. 374.
Albert Schmidt, Der alte Zinnbergbau im Fichtelgebirge, im Archiv für Ge-
schichte und Alterthumskunde von Oberfranken 15, Heft 3; 16, Heft 3.
a) 1284 in Rostock 2 ollae, die 3^/2 Schiffpfund wiegen; 1341 ebenda
oUae majores et minores; 131 2 im Doberaner Kloster: una magna oUa im
Werthe von 24 Mark. Mekl. Urk. -B. 9 Nr. 6148; 10 Nr. 7199 S. 491.
3) H. R. I, 4 Nr. 185 S. 156; Sattler a. a. O. passim; Hirsch
a. a. O. S. 258.
4) Sattler a. a. O. S. 206, 25; 162, 31; 258, 30; 202, 25.
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— 125 —
war das der Einkaufspreis; denn der Grossschäflfer vermerkt: »Der
czentener kost uns«. Dem gegenüber stehen die von dem preussi-
schen Lieger in Flandern am Ausgange des 14. Jahrhunderts in
Brügge erzielten Preise, die mit Auseinanderhaltung der Sorten
und Jahre folgende Bewegung erkennen lassen. Es kostete 100
Kopper (d. h. wohl i Centner)
im
Jahre
Kupfer ohne
nähere An-
gabe
Hardes coper
Kodes coper
Gildenisser
coper
Stilbacher
coper
1391
24 sol. vi.
—
24 sol. vi.
23 sol. vi.
—
1392
1394
1396
22 sol. „
18 sol. 3 gr.
16 sol.
12 sol vi.
12 sol. 6 gr.
12 sol. 6 gr.
19 sol. vi.
19 sol. 4 gr.
16 sol. vi.
—
17 sol. vi.
16 sol. 8 gr.
15 sol.
—
—
—
—
16 sol. 6 gr.
—
—
—
—
13 sol.
—
—
—
—
12 sol. 8 gr.
-—
—
—
—
12 sol. 5 gr.
—
—
—
—
17 sol.
—
—
—
—
15 sol. 10 gr.
"~~
—
—
—
Im Jahre 1387 galt ein Pfund vlämisch 3 Mark pr. '), im
Jahre 1392 2^/2 Mark pr.=), im Jahre 1398 3 Mark 14 sc. 3).
Demnach würden bei 3 Mark = i Pfund vi., 15 Schill, vi.
nur 2 Mark 6 Sc. pr. gewesen, also das Kupfer* in Flandern
billiger, als es im Einkauf in Preussen zu stehen kam, abgegeben
worden sein. Nun galt allerdings der Centner Kupfer nach Thomer
Gewicht iio Markpfund in Flandern*), und bei einem Preise von
3 Mark pr. pro Centner verdiente der Verkäufer 7^/5 scot. oder
2 Schill, vläm. allein durch die Differenz des Gewichts. Immerhin
erklärt dies noch nicht die niedrigen Preise der Jahre 1324 und 1326
in Flandern. In einem Danziger Schadensverzeichniss aus den
Jahren 1474 — 90 ist ein Centner Kupfer mit 5^/2 Mark pr. auf-
gezeichnet s) , und für das Jahr 1489 finde ich einen Preis von
i) Hirsch a. a. O. S. 243.
2) Sattler a. a. O. S. 329, 37.
3) Satüer S. XXXIX.
4) Sattler a. a. O. S. 172.
5) H. R. III, 2 Nr. 509 § 27.
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126
15 Schill, engl, pro Centner Kupfer in Preussen angegeben»),
d. h., da damals i Pfund engl, gleich 8 Mark pr. gerechnet
wurde, von 6 Mark pr. Hirsch notirt aus den Jahren 1447 — 51
Preise von 7 Mark 6 Sc. bis 8 Mark 6 Sc. pro Centner*).
Von den Grapengiessern getrennt erscheinen die Apengeter
oder, wie sie nachher genannt werden, die Rothgiesser. Sie ver-
arbeiteten nach Wehrmann's Mittheilung 3) rothes sprödes Metall
im Gegensatz zu den Gelbgiessem, die gelbes geschmeidiges Metall
benutzten. Sprengel, (Handwerke und Künste Berlin, 1770) findet
den Unterschied des Rothgiessers von den übrigen Messingarbeitem
darin, »dass er in Formen von Lehm giesset« , während der
Gelbgiesser »in Sand giesst und sich mit sehr grossen Stücken,
z. B. Glocken, nicht abgiebt« *). Aus den Darstellungen beider
Handwerke bei Sprengel ergiebt sich aber, dass das wesentlich Un-
terscheidende in deren Material liegt. Gelbgiesser verarbeiteten
Messing, die Rothgiesser Compositionen wie das Rothmetall
(Kupfer und Zink), den englischen Domback (Kupfer und Mes-
sing), das Prinzmetall, das sog. englische Metall (Messing und
Zink 5). Welche dieser Compositionen die Apengeter nun in
der von uns hier behandelten Periode verarbeiteten, bleibt dahin-
gestellt. Es scheint, dass die Gelbgiesser das ältere Handwerk
waren, von welchem sich in fortschreitender Arbeitstheilung die
Apengeter ablösten. Messingschläger lassen sich in Lübeck be-
reits im Jahre 1330 nachweisen und zwar in nicht geringer Zahl;
denn ihrer wären damals 14^). Ihre Rolle datirt von 1400^),
während die der Apengeter von 1432 datirt s). Wo aber Messing-
schläger existirten, wird es auch Gelbgiesser gegeben haben.
Die Bezeichnung Apengeter soll daher rühren, dass sie an
i) H. R. III, 2 Nr. 510 § 37.
a) a. a. O. S. 258.
3) a. a. O. S. 157.
4) Bd. 5 S. 3 : »Der Rothgiesser unterscheidet sich vorzüglich dadurch
von den übrigen Messingarbeitem, dass er in Formen von Lehm giesst, und
dass er die kleineren Theile einer Arbeit nur selten durch das Löthen , ge-
wöhnlich aber durch eine Schraube mit dem Ganzen verknüpft. S. 67.
5) S. 5 und 6.
6) Lüb. Urk.-B. 2 Nr. 522.
7) Wehrmann a. a. O. S. 330.
8) Wehrmann a. a. O. S. 157.
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127 —
ihren Arbeiten Figuren als Zierrath anbrachten ^). In der von uns
hier behandelten Periode fertigten sie kleinere Gegenstände an, so-
wohl in feinerer als gröberer Ausführung, wie Leuchter (hantluchter),
Weihrauchgefasse , Fingerhüte, Schalen u. dergl. mehr, übrigens
auch Waschgefasse (handvate). Dabei verschmähten sie nicht, abge-
brochene Füsse an Grapen oder Pfannen anzugiessen und Ringe (rin-
ghe edder bretzen), d. h. etwa die Handgriffe fiir dieselben, herzu-
stellen. Nach einer Erklärung des Stralsunder Rathes vom Jahre
1438 steht ihnen ausdrücklich das Recht zu, Grapen zu flicken und
Füsse und Griffe aufs neue anzugiessen, eine Arbeit, die ihnen
nicht zur Unehre gereichen soll (gröpene schüghen, brökene v6te,
6rde unde schörde olden grapen wedder angheten) *). Als selb-
ständiges Amt erscheinen die Apengeter in Lübeck wie erwähnt
im Jahre 1432, wo auch wegen der vielfachen Berührungen mit
den Grapengiessem eine Rathsverordnung im Jahre 1439 i^ii^n
die Arbeitsgrenzen genau vorzeichnete 3). In Hamburg werden
die Apengeter erst im Jahre 1577 von den Kannen- und Grapen-
giessem, die in einem Amte zusammenbleiben, getrennt*). In
Rostock datirt die uns aufbewahrte Rolle aus dem Jahre 1585.
Im 16. Jahrhundert war übrigens die Rothgiesserei ein allgemein
verbreitetes Gewerbe, wie man aus den Beschlüssen von 1573
der Rothgiesser von Lübeck, Hamburg, Braunschweig, Lüneburg,
Rostock, Stralsund, Wismar, Magdeburg, Bremen, Greifswald,
Hildesheim , Stade, Hannover, Göttingen und Flensburg wider
ihre Gesellen entnimmt s).
Auch diese Handwerke wiesen einen von der gewöhnlichen
Organisation abweichenden Charakter auf, sofern sie nicht durch-
aus direct für den Kunden arbeiteten, sondern mit Hülfe des
Kaufmanns ihre Waaren absetzten. Ob sie gerade in dessen
Auftrage thätig waren, lasse ich unentschieden. Ohne Zweifel
verkauften die Giesser ihre Arbeit an Markttagen oder von ihrer
Werkstätte auch unmittelbar an das Publikum; aber es gab da-
x) Wehnnann a. a. O. Glossar,
a) Lüb. Urk.-B. 7 Nr. 773.
3) Wehrmann a. a. O. S. 227.
4) Rüdiger a. a. O. S. i.
5) Rüdiger, Gesellendocumente S. 44; Schanz a. a. O. S. 273; Bode-
mann a. a. O. S. 186.
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— 128 —
neben gewerbspiässige Händler — coplude, de de grapen plegen
to vorkopende — . In Rostock stossen derartige Grapenhändler,
die regelmässigen Jahreszins an die Stadt entrichten müssen,
bereits um das Jahr 1325 auf»). Bei den Kannen- und Roth-
giessern könnte man sich dieses Verhältniss dadurch eitlären,
dass die Nürnberger ihnen empfindliche Concurrenz bereiteten.
In Nürnberg spielten die Kandlgiesser und Rothschmiede eine
grosse Rolle, und ihre Erzeugnisse werden es vorzugsweise ge-
wesen sein, welche man gern nach Nord- und Ostdeutschland
brachte. Schon 1401 waren die Kaufleute, die damit Handel
trieben, den Preussen so unbequem, dass man auf dem Tage
von Marienburg in Erwägung zu ziehen beschloss, »wy man dy
büssen dem lande beholden möge«); auch im Jahre 1448 be-
stimmte man, dass die Nürnberger sowie die anderen ausländi-
schen Krämer, welche mit »Venedischer Ware«, d. h. Gewürzen,
in Preussen auftraten, nur 2 Jahrmärkte »und sost keyne merkte
mehe« in jedem Jahre besuchen durften 3). Sie zeichneten sich
in Lübeck, wo ihnen ständiger Aufenthalt vergönnt war — die
Nürnberger Keller — , durch unreelle Concurrenz aus, so dass
der Rath sich im Jahre 147 1 genöthigt sah, den Apengetem
zuzugestehen, durch ihre Aelterleute das Treiben der Nürnberger
Händler überwachen zu lassen und insbesondere auf die Wandel-
barkeit der von ihnen verkauften Producte das Augenmerk zu
richten'^). Aehnlich ist möglicherweise auch bei den Erzeug-
nissen der Grapengiesser der Wettbewerb Fremder die Veranlas-
sung gewesen, dass sie auf zweckmässigere Einrichtung ihres
Absatzes Gewicht legten. Aus dem Süden werden allerdings
die schweren Kessel kaum nach Norden gelangt sein. Wohl
aber gab es eine Concurrenz der benachbarten Städte, wie denn
z. B. in der Hamburger Rolle von 1375 »vromede koplude« er-
wähnt werden, »die myt grapen to markede edder myt cannen
qwemen«^).
i) Mekl. Urk.-B. 7 Nr. 4608 S. 256.
H. R. I, 5 Nr. 31 § 4.
3) H. R. II, 3 Nr. 404.
4) Wehrmann a. a. O. S. 159.
5) Rüdiger a. a. O. S. 124 § 9.
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■ — 129 —
Ueberdies mochte für die Grapengiesser eine Ausfuhr ihrer
Artikel zur See nach Scandinavien und Livland nichts Ungewöhn-
liches sein , wenn auch Spuren derselben sich bis jetzt noch
nicht gezeigt haben. Auffallend bleibt es, dass z. B. in Riga
sich* während des 14. Jahrhunderts nur ein einziger Grapen-
giesser nachweisen lässt und von Kannengiessern gar nicht die
Rede ist'). Zum Theil konnten für die ersteren die Kupfer-
schmiede Ersatz bieten, die in Riga zum Schmiedeamte ge-
hörten*); aber es wird hierdurch nicht unwahrscheinlich, dass
diese Metallfabrikate von den wendischen Städten nach Riga,
beziehungsweise Livland, regelmässig geschickt wurden.
Mit den Grapengiessern befassen sich die Hansestädte zu-
erst im Jahre 1354, mit den Kannengiessern im Jahre 13613).
An der ersten Vereinbarung nehmen Hamburg, Lübeck, Rostock,
Stralsund, Wismar, Greifswald und Stettin Theil; an der über
die Kannengiesser betheiligen sich Lübeck, Wismar, Rostock,
Greifs wald und Stettin. Die letzteren zusammen mit Stralsund
sind es, die im Jahre 1376 über Kannen- und Grapengiesser zu-
gleich sich verständigen. Dagegen fehlt im Jahre 1444 bei einem
gleichen Vertrage Stettin und sind gelegentlich, wie im Jahre
1367, auch andere Städte (Kolberg, Kiel, Anclam) betheiligt.
Es kam bei diesen Vereinbarungen darauf an, die Mischung,
aus welcher die Gegenstände gegossen werden sollten, genau
zu bestimmen. Die Grapengiesser sollten weiches Kupfer (d. h.
wohl reines) verwenden und die Mischung in dem Verhältniss
vornehmen, dass auf ein Schiffpfund Kupfer entweder 4 Liespfund
Zinn ohne Bleizusatz oder 8 Liespfund Grapenspeise, worunter alte
zerbrochene Grapen verstanden zu sein scheinen*), kamen. Im
ersteren Falle würde das ein Verhältniss von i Pfund Zinn auf 4 Pfund
i) Mettig, Zur Geschichte der Rigaschen Gewerbe im 13. u. 14. Jahr-
hundert S. 31. 33.
2) Mettig a. a. O. S. 35.
3) H. R. I, I Nr. 188, 257.
4) Rüdiger a. a. O. S. 125. In der RoUe von 1375 lautet Artikel 16
wie folgt: »dat men de gropen ok wol gheten mach van gudeme, harden,
lodeghen coppere. Dar mach men to duen olde spise, alze half ene unde
half andere, alzo des olden alzo yele mach wesen alzo des nygen.«
Hansische Geschichtsblätter. XV. 9
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— I30 — •
Kupfer ergeben^). Mit dem 25. Juli 1354 sollte das neue Mischungs-
verhältniss überall zur Anwendung kommen. Ob das in der That
geschah, ist uns nicht überliefert. Bekannt ist nur, dass im Jahre
1367 die Grapengiesser eine Eingabe machten, nach der in Stral-
sund gebräuchlichen Methode, hartes Kupfer, dem eine Kleinig-
keit Blei beigefügt würde, zu verwenden «): weit davon entfernt
schädlich zu sein, erleichtere das Blei die Verarbeitung des
Kupfers. Das harte Kupfer, dessen hier Erwähnung geschieht,
stellt wohl schon eine Vermengung des Kupfers mit irgend
einem Metall, wie sie im Handel üblich war, dar. Die Städte
verhielten sich diesem Ansinnen gegenüber nicht ablehnend, be-
riethen es und gestatteten auf der nächsten Versammlung, am
29. Juli desselben Jahres, es mit dem neuen Modus zunächst ein
Jahr zu versuchen (bis Michaelis 1368)3). Ein nach Ablauf
dieses Termins gefasster Beschluss findet sich in den Hanserecessen
nicht. Wohl aber heisst es in der Rolle der Hamburger Grapen-
und Kannengiesser § 16, dass »in deme jare godes 1368« die-
selben Städte, welche den Beschluss von 1354 fassten, überein-
kamen, als beste Mischung hartes Kupfer und alte Grapen-
speise zu gleichen Theilen anzusehen. Wie es scheint, be-
währte sich auch dieses Verfahren nicht, und im Jahre 1376
wurde verfügt, dass die Grapenmischung aus zwei Theilen harten
und einem Theil weichen Kupfers bestehen sollte^). Hierbei
hat es dann lange Zeit sein Bewenden gehabt. Diese Norm war
die allgemein beobachtete, die auch von den preussischen Städten
im Jahre 14 10 angenommen wurde s), nachdem man dort 1391
und 1395 die Frage, »wy das beqwerae sy czu halden mit den
blye czuczuseczen«, reiflich erwogen und sich dahin entschlossen
hatte, von Lübeck eine Auskunft zu erbitten^). Vierundsechzig
') Das lübische Schiffpfund zerfiel in 16 Liespfund zu 14 Markpfund
(Sattler a. a. O. S. 172, 16), das livländische in 20 Liespfund zu 16 Mark-
pfund (Stieda a. a. O. S. CXXIV). Hier ist natürlich das lübische Schiff-
pfund gemeint.
a) H. R. I, I Nr. 402 § 17.
3) H. R. I, I Nr. 405 § 9.
4) H. R. I, 2 Nr. 115 § 2.
5) H. K. I, 5 Nr. 698 § 7.
6) Toppen, Akten der Ständetage Preussensl, Nr. 50 S. 82; Nr. 86 S. 125.
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— 131 —
Jahre später hatte sich die Angelegenheit anders gestaltet.
Grapen »von sodaner guder materien« wurden, wie die Lübecker
Rathssendeboten am 28. Januar 1444 der Versammlung in Lü-
beck mittheilten, nicht mehr gegossen , und so hatten Rath und
Handwerker in Lübeck eine neue Vereinbarung aufgesetzt, die
auch den Beifall der Versammelten fand. Nach dieser wurde
die Grapenmischung aus 3 Theilen Lebeter (d. h. weichen
Kupfers) und einem Theil harten Kupfers gebildet. War kein »Le-
beter« zur Hand, so durfte die Mischung aus zwei Theilen schwe-
dischen und einem Theil harten Kupfers bereitet werden »). Ham-
burg, Rostock, Stralsund, Wismar und Greifswald erklärten sich
bereit, diese Verfügung unter ihren Grapengiessem gleichfalls ein-
zubürgern, und die Rostocker Rolle von 1482 enthält im ersten
Paragraphen in der That den Hinweis darauf.
Nicht so einfach gestaltete sich die Rohstoff-Frage bei den
Kannengiessern. Gewisse Zusätze an Blei und Kupfer erhöhen
die Festigkeit und Härte des Zinns 2); ja die Handwerker selbst
behaupten sogar, dass sich ohne solchen Zusatz das Zinn nicht
gut verarbeiten lasse 3). Dazu kam die grössere Wohlfeilheit
desjenigen Stoffes, den man schon in der älteren Zeit gern zur
Mischung wählte, des Bleis, Ein Centner Blei kostete im Jahre
14 10 in Danzig 17^/2 Scot, ein Centner Zinn im Jahre 1408
4 Mark 2 Scot, d. h. das Fünffache. Im Laufe des 15. Jahr-
hunderts stiegen die Preise beider Metalle, und um das Jahr
1442 kostete ein Centner Blei 3 Mark pr., ein Centner Zinn
II Mark 18 Scot^). Immer war mithin der Preisunterschied beider
Metalle ganz erheblich. So blieb es bis in unsere Tage, und
Sprengel behauptete daher auch im vorigen Jahrhundert, dass
»ohnstreitig blos der wohlfeilere Preis die Vermischung mit Blei«
veranlasste. Wie dem nun sein mochte, das Mischungsverhält-
niss nicht der Willkür der Zinngiesser zu überlassen, empfahl
sich aus einem doppelten Grunde. Weniger der Umstand, dass
grössere Mengen Blei dem Zinn ein mattes, in das Graue über-
x) H. R. II, 3 Nr. 94 § 9; Rüdiger a. a. O. S. 126 Nr. 24a.
a) BoUey, Handbuch der chemischen Technologie Bd. 7: Gewinnung
der Metalle von Stölzel S. 817.
3) Sprengel a. a. O. Bd. 4 S. 73.
4) Hirsch a. a. O. S. 257. 259.
9*
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— 132 —
gehendes Ansehen gaben — denn das waren die Handwerker
selbst am besten in der Lage zu beurtheilen — , wird den
Wunsch einer Regelung nahe gelegt haben. Wohl aber könnte
in Frage gekommen sein, dass ein zu reichlich bemessener Blei-
zusatz der Gesundheit und dem Beutel lästig fallen konnte.
Als die wendischen Städte nun im Jahre 1361 dies Thema zu-
erst aufs Tapet brachten, glaubte man eine Beimengung von
5 Liespfund Blei auf ein Schiffpfund Zinn in der Hauptsache
zulassen zu können»), jedoch mit der Beschränkung, dass
Schüsseln, Flaschen und die für den Gottesdienst bestimmten
Kannen (Ampollen) , mit einem Worte die zur Aufnahme von
Nahrungs- und Genussmitteln bestimmten Gefässe, aus reinem
Zinn bestehen sollten. Bei dieser Auffassung blieb es im Allge-
meinen. Standen, Flaschen, Schüsseln und Salzfasser sollten
auch nach den Beschlüssen von 1376 aus reinem Zinn gegossen
werden, während für Kannen, sowie für Handgriffe und Wirbel
an den Gefassen ein Bleizusatz gestattet war, und zwar für die
ersteren in dem Verhältniss von i : 3 (i Theil Blei auf 3 Theile
Zinn), für die letzteren von halb und halb«). Hiernach scheint
nicht eigentlich der sanitäre, sondern mehr der ökonomische
Gesichtspunkt maassgebend gewesen zu sein. Die grösseren Ge-
fässe machte man unter Zuhülfenahme des billigen Bleis.
In den wendischen Städten war mit den namhaft gemachten
Beschlüssen das Interesse für unser Handwerk erschöpft. Die
Hanserecesse aus späterer Zeit erwähnen weitere Vereinbarungen
darüber nicht. Man scheint sich an die Vorschriften von
1376 gehalten zu haben. Die Rostocker Rolle von 1482
wünscht nur, dass überhaupt »gutes Zinn« verarbeitet werde,
und die Lübecker von 1508 lässt den Bleizusatz in dem obigen
Verhältniss (dat schal wesen de dre part klar thyn unde dat
veerde part blyg)3) nur bei Kannen und sogen. Mischarbeit
(mengedeme wercke) zu. Standen, Flaschen, Waschgefässe *),
1) H. R. I, I Nr. 257 § 4: to deme schippunde tenes vif Lifpunt
blyes. Unter » Lifpunt c ist doch wohl «Lispuntc zu verstehen. Es würde
sich dann um eine Mischung von 16 Liespfund Zinn und 5 Liespfund Blei
gehandelt haben, d. h. von i : 3,2 (i Theü Blei auf 3,2 Theile Zinn).
2) H. R. I, 2 Nr. 115 § I.
3) Wehrmann a. a. O. S. 247.
^) In der Rolle steht »vate». Man könnte auch an zinnerne Eimer denken.
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— 133 —
Schüsseln, Salzfässer, Ampollen und Lechelen (Becher?) waren
aus reinem Zinn anzufertigen. Anders in den preussischen
Städten. Hier konnte man sich über das richtige Maass der
Mischung nicht einigen. Im Jahre 141 o verlangte man die
Durchführung der Vorschriften, wie sie im Jahre 1376 seitens
der wendischen Städte beliebt worden waren ^), machte aber die
Erfahrung, dass die Kannengiesser sich ganz und gar nicht daran
kehrten. Vielmehr nahmen sie zu dem Rumpfe der Kannen
eine Mischung von 2^/2 Pfund Zinn und einem Pfund Blei, zu
den Henkeln und Griffen (to hengelen und handgriffen) sogar eine
von 2 Pfund Blei und einem Pfund Zinn, »dodurch der gemeyne
man wirt betrogene »). Das wollte man sich nicht bieten lassen
und verlangte auf der Elbinger Tagefahrt vom 30. April 1432 für
Kannen und Zubehör das alte Verhältniss von i Pfund Blei und
3 Pfund Zinn, machte aber unter dem Drucke des steigenden
Zinnpreises die Concession, dass Schüsseln, sowie Flaschen und
Standen Blei zugesetzt werden dürfe, bei ersteren auf 8 Pfund
Zinn, bei letzteren auf 10 Pfund Zinn i Pfund Blei 3). Die in
den nächsten Jahren, 1434 und 1435, über diesen Punkt wieder-
aufgenommenen Verhandlungen^) endigten endlich mit einer
Landesordnung vom 2. December 1435, ^^ch welcher Standen
und Flaschen aus klarem Zinn, Kannen aus einer Mischung von
2 Pfund Zinn und i Pfund Blei, Schüsseln und Teller aus einer
Mischung von 5 Pfund Zinn und i Pfund Blei hergestellt werden
sollten 5).
War auf diese Weise dem cohsumirenden Publikum einige
Gewähr dafür geboten, dass es reine unverfälschte Waare be-
kam, so handelte es sich auf der anderen Seite darum, die Ge-
werbtreibenden gegen eine Verschlechterung des von ihnen ge-
brauchten Rohstoffes zu schützen. In dieser Beziehung scheint
schon damals in den Gegenden, wo das Metall gewonnen oder
Handel mit ihm getrieben wurde, manche unerlaubte Manipu-
1) H. R. I, 5 Nr. 698 § 7.
a) H. R. II, I Nr. 93 § 3.
3) H. R. II, I Nr. 125 § 4.
4) H. R. II, I Nr. 241 § 8; Nr. 287 § 5 ; Nr. 380 § 8; Nr. 423 § 15 5
Nr. 496 ; 2 Nr. 498.
5) Toppen a. a. O. I Nr. 548 S. 706.
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— 134 —
lation vorgekommen zu sein. Daher sandten die wendischen
Städte im Jahre 1376 nach Breslau, Liegnitz, Prag und Krakau
Briefe mit der Bitte, ihnen Kupfer, Zinn und Blei in reinem
Zustande zu liefern'). Viel dürfte man indess damit nicht er-
reicht haben; denn seitens der preussischen Städte wird sowohl
im Jahre 1404 als auch noch 1439 darüber Klage geführt, dass
das Kupfer von Jahr zu Jahr mehr verfälscht werde*), ins-
besondere das aus Polen kommende Kupfer und Blei »falsch,
untüchtig und bözec war, so dass von Thorn aus deshalb nach
Krakau geschrieben werden musste.
Eine fernere Garantiemaassregel gegen etwaige UebergrifFe
der Handwerker war die Bestimmung, dass jeder Meister seine
Marke und das Zeichen der Stadt auf den von ihm verfertigten
Geräthen anbringen musste. Für die Grapengiesser wird es im
Jahre 1354 von den Städten beschlossen; für die Kannengiesser
ist uns die betreffende Nachricht aus einem Beschluss der
preussischen Städte von 1432 und aus der erwähnten preussischen
hochmeisterlichen Landesordnung von 1435 bekannt 3). Doch
dürfte es keinem Zweifel unterliegen, dass die Verfügung für
alle Kannengiesser in den wendischen Städten gleichfalls galt.
Die Hamburger Rolle von 1375 schreibt es im 14, Paragraphen*)
ausdrücklich vor. In Preussen scheint die Durchführung der
Verfügung auf Schwierigkeiten gestossen zu sein. Wenigstens
wird sieben Jahre nach Erlass der Landesordnung den Kannen-
giessem, die zerbrochene alte Gefässe zu eigenem Gebrauche
umgiessen, zugestanden, dass sie ihre Marke nicht auf die neuen
Erzeugnisse zu setzen nöthig haben, während alles »uff den
kouff« hergestellte Fabrikat gezeichnet sein musste 5).
Auf der anderen Seite nehmen die Städte die Interessen
der Grapengiesser insoweit wahr, als sie den Wunsch aussprechen,
dass die Kesselflicker (ketelbütere) nicht mit Grapen handeln
sollen. Seitens der Kaufleute sowohl als auch seitens der
«) H. R. I, 2 Nr. 115 § I.
2) H. R. I, 5 Nr. 200 § 17; II, 2 Nr. 308 § 4.
3) H. R. II, I Nr. 125 § 4; n, 2 Nr. 498.
4) Rüdiger a. a. O. S. 125.
5) H. R. II, 2 Nr. 562 § 25.
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— 135 —
Grapengiesser sollen denselben keine Grapen zum Wiederverkauf
überlassen werden»). Obwohl schon im Jahre 1354 beschlossen,
scheint die praktische Durchführung zu wünschen übrig gelassen
zu haben; denn zur Stralsunder Versammlung von 1367 hatten
die Grapengiesser das Gesuch eingereicht, den Kesselflickern
(renovatoribus caldariorum) den Verkauf neuer Grapen nicht zu
gestatten»). Demselben wurde 1376 ausdrücklich Raum ge-
geben 3). Der Kesselflicker sollte nur die zu eigenem Bedarfe
erforderlichen Grapen einkaufen dürfen. Diese Bestimmung hatte
natürlich den Sinn, den Grapengiessern ihren Absatzkreis zu
sichern. Und so muss man auch die Anordnung der Hamburger
Rolle auffassen, dass kein Kesselflicker den Grapen Füsse an-
giessen darf^).
Bei dem eben besprochenen Handwerke nicht minder als
bei den Böttchern zeigen sich in späterer Zeit Versammlungen
der Aemter selbst. Im Jahre 15 26 vereinigen sich die Kannen-
giesser-Zünfte von Lübeck, Hamburg, Rostock und Lüneburg auf
bestimmte Maassregeln gegen ihre Gesellen und vervollstän-
digen dieselben im Jahre 1573 0> wobei sich den genannten
Städten noch Wismar, Stralsund, Greifswald, Anclam, Stettin,
Bremen, Stade, Itzehoe, Kiel, Schwerin und Brandenburg an-
schlössen. Diese Bestimmungen blieben in Kraft bis zum Jahre
1662; ob dazwischen aufs neue vielleicht bestätigt oder durch-
gesehen, entzieht sich unserer Kenntniss. Im letztgenannten
Jahre waren die Aelterleute der betreffenden Aemter der 6 wen-
dischen Städte — sie sind nicht namentlich genannt; es handelt
sich aber doch wohl um Lübeck, Hamburg, Rostock, Wismar,
Stralsund und Lüneburg — wiederum in Lübeck versammelt und
setzten eine neue Gesellen-Ordnung auf. Auf den Inhalt derselben
kann hier nicht näher eingegangen werden ; in der Hauptsache deckt
sie sich mit der Beliebung von 1573. Eine erneuerte Revision
fand am 18. Juli 1729 statt. Die unter diesem Datum erlassene
1) H. R. I, I Nr. 288 § 7.
a) H. R. I, I Nr. 405 § 10.
3) H. R. I, 2 Nr. 115 § 2.
4) Rüdiger, Handwerksgesellendocumente S. 32.
5) Conrad's Jahrbücher für Nationalökonomie Bd. 33 S. 336.
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— 136 —
Gesellen-Ordnung ^) erwähnt auffallender Weise des Recesses von
1662 gar nicht, sondern nimmt Bezug auf die alte Verfägung
von 1573. Inhaltlich stimmt sie aber mehr mit jenem als mit
dieser überein.
Mussten, um diese Ordnungen aufuzsetzen, Versammlungen
stattgehabt haben, so ist uns auch ausserdem von regelmässigen
Zusammenkünften in Lübeck Kunde erhalten, die in gleicher
Weise wie bei den Böttchern alle 7 Jahre veranstaltet wurden.
Der älteste Recess, der sich in der Lade des Rostocker Zinn-
giesser-Amts erhalten hat, stammt aus dem Jahre 1678 ; aber in
diesem ist die Rede von einer Beliebung aus dem Jahre 1589, deren
zweiter Artikel besonders zur Beachtung empfohlen wird, sowie
auch in einem späteren Recess vom Jahre 1705 der im Jahre
1640 aufgerichteten Ordnung gedacht wird. Hiemach wären
die Kannengiesser-Aerater in Lübeck zusammengetreten gewesen
im Jahre 1589, 1640, 1678 Juni 9; 1705 August 17; 1710
August 18; 17 19 August 14 und 1729 Juli 18. lieber diese
Versammlungen, mit Ausnahme der beiden ersten, liegen die Re-
cesse vor. Die letzte Versammlung war zugleich diejenige, auf
welcher die neue Gesellen - Ordnung beschlossen wurde. Alle
7 Jahre kam man, wie hieraus ersichtlich, nicht zusammen. Dem-
gemäss wurde im Jahre 1729 beschlossen, dass, wenn nichts
Hauptsächliches vorgegangen wäre, die Zusammenkunft um 2 bis
3 Jahre hinausgeschoben werden durfte.
Anders als in den uns erhaltenen Böttcher-Recessen handelt
es sich hier um Festsetzung von Bestimmungen zur Organisation
des Handwerks. Da finden wir Verfügungen über, die Veran-
staltung der Zinnproben, die Bedingungen des Meisterwerdens,
das Halten der Gesellen u. dergl. m. Ausserdem aber werden
allerlei Verstösse gegen die bestehenden Ordnungen erörtert, wie
z. B. wenn einer sich als Meister niedergelassen hat, ohne eine
Meisterstochter oder -Wittwe zu heirathen, und namentlich die
Hingehörigkeit einzelner Städte nach den Hauptladen sowie die
Grenzen des jeder Stadt zugesicherten Absatzmarktes festgestellt.
») Sowohl die Ordnung von 1662 als die von 1729 in der Lade des
Rostocker Zinngiesser-Amts. Rathsarchiv in Rostock.
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— 137 —
3. Die Goldschmiede.
Auf die Nothwendigkeit, sich mit dem Goldschmiedsgewerbe
zu befassen, wurden die Städte vermuthlich durch den Mangel
an Edelmetall und die Erkenntniss geführt, dass der allezeit
vorhandenen Neigung zum Betrügen nur durch strenge Beauf-
sichtigung der Production entgegengearbeitet werden kann.
Auf der Rostocker Versammlung im Jahre 1373, die
wohl von wendischen Städten beschickt war — in dem uns
erhaltenen Recesse sind die theilnehmenden Städte nicht nam-
haft gemacht — , ist zuerst von demselben die Rede. Man
wünscht, dass die Goldschmiede kein Silber brennen sollen. Der
Rath einer jeden Stadt allein solle das Recht dazu haben (nen
goldsmid .... scholde sulver bemen, wen de rad allene, de
scholde des berndes allene weldigh syn*). Es kann dies kaum
anders zu verstehen sein , als dass die Goldschmiede sich nicht
gleichzeitig auf das Ausschmelzen von Silbererzen werfen sollten.
Das Einschmelzen alter zerbrochener Silbergeräthe wird ihnen
nicht verboten gewesen sein. In den späteren Verträgen, welche
Lübeck, Hamburg, Wismar und Lüneburg zur Regulirung ihrer
Münzwesen abschliessen , wird dann bestimmt, dass kein Gold-
schmied mehr Silber kaufen dürfe, als er zu seiner Arbeit brauche.
Auch wird es demselben nicht erlaubt, mit Silber Handel zu
treiben und es unverarbeitet wieder zu veräussem. Ausserdem
wird vorgeschrieben, dass die von den Goldschmieden zu ver-
arbeitende Mark Silber i5löthig sei. Silber geringeren Fein-
gehalts darf nicht verarbeitet werden. Endlich wird angeordnet,
dass jeder Goldschmied auf seine Fabrikate seinen Stempel setze.
Diese Bestimmungen, die zuerst im Münzrecess von 1439 ^^*"
gegentreten, werden in den Recessen von 1441 und 1450 wieder-
holt»). Der Münzvertrag von 1455, ^^^ überhaupt im Vergleich
zu den früheren sehr kurz ausgefallen ist, erwähnt sie nichts).
i) H. R. I, 2 Nr. 63 § 5. lieber die Silberbrennerei als Gewerbe
vergleiche Mettig, Geschichte der Rigaschen Gewerbe S. 70. 71.
a) H. R. II, 2 Nr. 302 § 10. 11; Nr. 521 § 12 ; 3 Nr. 676 § 10. 11.
3) H. R. II, 4 Nr. 402.
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- 138 -
Eingehender haben sich die preussischen Städte mit den
Goldschmieden beschäftigt. Schon auf den Versammlungen von
1389 und 1391 ist von den Goldschmieden die Rede. Die
städtischen Deputirten sollen die zu erlassenden Maassregeln zu
Hause in Erwägung ziehen, ohne dass man erfahrt, um was es
sich handelt').
Im September 1391 wird der Hochmeister gebeten, den
Goldschmieden in den kleinen Städten einzuschärfen, sich an
die Beschlüsse der übrigen Städte zu halten»), ein interessantes
Zeugniss für die weite Verbreitung dieses Handwerks. Aber noch
immer ist der Schleier über den Inhalt der Verordnungen nicht
gehoben. Erst seit der Marienburger Versammlung vom 24. No-
vember 1392 erfährt man nach und nach die Uebelstände, die
sich in dieses Gewerbe eingeschlichen hatten, und welche abzu-
stellen die Städte sich angelegen sein Hessen.
Da wurde das silberne Geschirr anders als die Landes-
willkür verlangte angefertigt, vermuthlich geringhaltiger. Der-
artiges Geräth sollte von Rechts wegen zerbrochen werden, wenn
man es entdeckte, und dem Goldschmiede, den man zum zweiten
Male dabei ertappte, dasselbe fortgenommen werden 3). Anders
als mit Gold zu vergolden wurde im Jahre 1395 verboten*) und
für nothwendig erklärt, dass jeder Meister sein Fabrikat mit
seinem und der Stadt Zeichen stempele 5). Die letztere Verord-
nung wurde im Jahre 1 408 wiederholt ^) ; die erstere bot in dem
genannten Jahre wenigstens Veranlassung zu abermaliger Er-
wägung, wie es am besten mit dem Vergolden einzurichten sei,
»das eyme idermanne recht geschee« 7). Sich durch Einschmelzen 1
der neuen Silberschillinge den zu ihrer Arbeit erforderlichen j
Rohstoff zu verschaffen, wurde im Jahre 1436 den Goldschmieden |
untersagt. Sie sollten in ihren Behausungen keine heimlichen |
Oefen oder Schmelzstätten einrichten, sondern nur die benutzen,
die ihnen zu ihrer täglichen Arbeit zur Verfügung ständen (»die
1) H. R. I, 3 Nr. 439 § 11; 4 Nr. i § 11.
2) H. R. I, 4 Nr. 26 § 5.
3) H. R. I, 4 Nr. 124 § 7.
4) Ueber die Erfindung der Vergoldung vgl, Beckmann, Beyträge z-
Geschichte der Erfindungen (1795) 4. S. 557 — 584.
5) H. R. I, 4 N. 257 § 2. 3.
6) H. R. I, 5 Nr. 543 § 2.
7) H. R. I, 5 Nr. 539 § 6.
I
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— 139 —
im tegelich dine czu seyme ampte«)'). Hauptsächlich wurde
darüber geklagt, dass die Goldschmiede Arbeiten von geringem
Feingehalte lieferten, oder gar kupfernes Geschmeide und andere
Gegenstände versilberten und vergoldeten, wodurch »das armut
sere betrogen wirt«. Namentlich an Taschen und Gürteln ver-
suchte sich die Geschicklichkeit der Goldschmiede. Man strich
»Lansilber« auf (statt es aufzuschlagen)«), färbte die Gegenständes)
und bediente sich zur Vergoldung dünner Goldblättchen (das do
wirt gemachet von geslagenem golde, also is die meler uff legen
und pflegen czu arbeiten). Wie es scheint, gelang die Täuschung,
als ob man es mit guter dauerhafter Vergoldung zu thun habe,
meist vollkommen; denn wie der Recess von 1446 besagt: »so
man uff eyne lotige mark goldet eyne halbe nobele unde ge-
ferbet wirt, das is so schone wirt, also ob man e5aie gantcze
nobele uff eyne lotige mark vorguldet unde leth is ungeferbet«.
Man suchte sich zu helfen durch Anempfehlung besserer Beauf-
sichtigung, den wiederholten Befehl, nur gutes Silber mit dem
Zusatz nach alter Gewohnheit zu verarbeiten und sein Zeichen
auf das Fabrikat zu schlagen , die Anordnung , Silbergeschmeide
nur nach Gewicht zu verkaufen u. s. w.*). Aber auch hierbei zeigte
es sich, dass, weil die Ursachen, welche jene Zustände bedangen,
nicht beseitigt werden konnten, die zur Abhülfe ersonnenen Maass-
regeln nicht viel verschlugen. Auf der Kulmer Versammlung
von 1452 hiess es immer noch, dass die Danziger Goldschmiede
»untüchtiges und dünnes Werk« machten s).
Das sicherste Mittel, den Betrügereien die Spitze abzu-
brechen, war rücksichtslose Verfolgung und Bestrafung der Schul-
i) H. R. II, I Nr. 507 § 3.
2) Lansilber sind dünne Silberplatten (Lannensilber). Man hatte auch
»Langold«. Der Gebrauch desselben wird in den Strassburger Goldschmiede-
Artikeln von 1482 (§ 3) von 1534 (§ 25) verboten. Meyer, Die Strassburger
Goldschmiedezunft S. 70. 87.
3) »Die falsche Vergoldung, da man Blätter eines weissen Metalles,
dünn geschlagenes Zinn oder Silber auflegt, und sie hernach mit einer gelben
durchsichtigen Farbe überzieht, durch welche der metallische Glanz durch-
schimmert«, ist nach Beckmann a. a. O. S. 580 eine sehr alte Kunst.
4) H. R. II, 2 Nr. 214 § 22; Nr. 223 § 5; Nr. 562 § 29; 3 Nr. 200
§ 2; Nr. 231 § 10; Nr. 232 § 14; Nr. 233 § 4; Nr. 234 § 3; Nr. 235
§ 7; 4 Nr. 83 § 34. Vgl. auch Toppen a. a. O. Bd. 2.
5) Toppen a. a. O. Bd. 3 S. 465.
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— 140 —
digen, und diese zu erkennen diente die Anbringung der Marke
des Goldschmiedemeisters und der Stadt, in welcher das »falsche«
Stück verfertigt worden war. Wie es in dem Elbinger Recess
von 1408 heisst: »also op das gut gebrechlich würde gefunden,
das mans wisse, welch goltsmyd das gemacht habe«. Es scheint,
als ob dieser Markenzwang in Norddeutschland nicht früher als
in der ersten Hälfte des 1 5 . Jahrhunderts Eingang und allgemeinere
Verbreitung fand, abgesehen von den preussischen Städten, die
ihn bereits im Jahre 1395 einführten. Auffallend ist es wenigstens,
dass alle die Rollen der Goldschmiede von Riga, Hamburg, Lü-
beck, Lüneburg und Wismar aus dieser Periode den Marken-
zwang nicht kennen, während z. B. das Statut der Strassburger
Goldschmiedezunft von 1362 schon die Anbringung eines ge-
meinsamen Handwerkszeichens — des Stadtstempels — verlangt
und diese Bestimmung später dadurch verschärft, dass zu diesem
allgemeinen Zeichen jeder Goldschmied seine eigene Marke fügen
muss ^). Unter den Hansestädten ist es nur Reval, wo die Rolle
der Goldschmiede von 1393 eines auf dem Silber anzubringenden
Zeichens erwähnt. Der Paragraph 14 derselben lautet: »vortraer
we silver bernet, de en sal des nicht tekenen, he en sende dat
to voren eneme andern goltsmede, de id erst tekene, ofte id is
werdich si». Bezog sich der Zeichenzwang hiemach nur auf
Barren oder zusammengeschmolzenes Metall, nicht auf Fabrikate,
so findet man später nach jenem Beschlüsse der wendischen
Städte von 1439 ^^^ Markenzwang in den Rollen der Gold-
schmiede fast überall ausgesprochen. Er wurde übrigens im
Jahre 1463 durch den Beschluss vervollständigt, dass neben die
Marke des Verfe/tigers der städtische Stempel durch die Aelter-
leute gesetzt werden sollte*). Demgemäss verfügt die Lübecker
Rolle von 14923) und Hess der Rath dort (oder das Amt?) eine
Tafel anfertigen, welche Abbildungen der Stempel der einzelnen
Meister enthielt, und öffentlich ausgehängt wurde. In Wismar
hat die Rolle von 1543, in Riga die von 1545, in Reval die
von 1537, in Hamburg die von 1599 diese Bestimmung. Dieselben
Gesichtspunkte, die heute auf den Erlass des Reichsgesetzes, be-
1) Meyer, Strassburger Goldschmiedezunft. Urk. 3. Art. 21. 22.
2) CruU, Das Amt der Wismarer Goldschmiede S. 17.
3) Wehrmann a. a. O. S. 215.
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— 141 —
treffend den Feingehalt an Gold- und Silberwaaren, geführt haben,
waren wohl auch damals geltend gewesen. Da der Käufer die
Güte der ihm vorgelegten Waare nicht zu beurtheilen im Stande
ist, so sucht die Obrigkeit ihn vor Uebervortheilung zu schützen.
Vor 400 Jahren fasste man diese Pflicht in der Weise auf, dass
nur bestimmtes Silber (von 15 Loth) verarbeitet werden durfte,
nur eine gewisse Vergoldung von vorgeschriebener Dicke zu-
lässig sei, und wollte Jeden zur Rede gestellt sehen, der dagegen
verstiess. Heute überlässt man die Wahl der Mischung dem
^ Belieben der Individuen, gestattet aber die Anbringung eines die
^« Feinheit des Edelmetalls angebenden Stempels nur bei einem be-
^ stimmten Minimalgehalt.
^ Was den Mangel an Edelmetall betrifft, der in dieser Periode
^ Betrügereien an goldenen und silbernen Geräthen besonders ge-
^' winnbringend erscheinen liess, so sprechen mehrfache Anzeichen
* für ihn. Es deutet auf ihn, wenn die 4 Städte Hamburg, Lübeck,
'^ Wismar und Lüneburg in ihren Münzverträgen von 1432 und
^ 145 1 das Verbot der Ausfuhr von Silber oder Billon (balliun) oder
^ Gold (ghoten Gold) aussprechen^) und 1455 verfügen, dass die
^ geprägten Schillinge nicht »uppe andere munte« gebracht werden
f dürfen^). In demselben Sinne ist es aufzufassen, wenn die preussi-
schen Städte sich mit dem Hochmeister in den Jahren 1436- — 1440
f darauf einigen, dass weder zu Wasser noch zu Lande Silber oder
^ die neuen silbernen Schillinge »by merklichen summen« ausgeführt
t werden sollen 3). Jedermann klagt, sagte der Bürgermeister von
i Kulm, Laurentius König, auf der Tagfahrt zuDanzig im Jahre 1442,
i »das wenig gelt im lande ist, und man füret das silber us dem
1; lande««*). Vielleicht entsprang der Vorschlag, der im Jahre
t 1 401 in Marienburg laut wurde, den Russen und Livländern
5 kein Silber und Gold mehr zuzuführen, sondern Waarenaustausch
t zu treiben (wy man mit wäre mit en kaufslagete), der, soviel ich
j sehe, zu einem Beschlüsse nicht wurde 5), der gleichen Ver-
5 legenheit
i Gewiss war femer die häufige Münzverschlechterung, auf
1) H. R. II, 2 Nr. 302 § 7 ; Nr. 521 ; 3 Nr. 676 § 4.
2) H. R. II, 2 N. 402 § 2.
3) H. R. II, I Nr. 507 § 3; Toppen a. a. O. 2, S. 8. 170.
4) Toppen a. a. O. Bd. 2 Nr. 324 S. 486.
5) H. R. I, 5 Nr. I § 6; Nr. 7 § 2; Nr. 23 § 3; Nr. 74 § 4.
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— 142 —
welche die Hanseaten in den Ländern, mit welchen sie ELandel
trieben, stiessen, ausser der finanziellen Noth des betreffenden
Staates, auch dem Mangel an Edelmetall zuzuschreiben, der in
dem Maasse, als die Bevölkerung zunahm und der Verkehr
wuchs, sich stets augenfälliger bemerklich machen musste. Das
flandrische Geld verschlechtert sich am Ausgange des 14. und
zu Beginn des 15. Jahrhunderts, bis 14 10 eine Umprägung ein-
tritt. Gleichzeitig wird die englische MUnze seit 1341 fast von
Jahr zu Jahr leichter ausgeprägt (1344 aus i Pfund Münz-
silber 20 Schill, und 3 Denare, 1464 37 Schill, und 6 Denare
ausgeprägt)»), und das preussische Geld verliert seit 1382 mit
geringen Unterbrechungen in den Jahren 14 13 und 14 16 bis
1454 in erschreckender Weise anWerth»). Die Münze Lübecks
und der mit ihm verbündeten Städte erfuhr gleichfalls eine be-
trächtliche Herabsetzung. Im Jahre 1255 wurde die Mark feines
Silber zu 2 Mark 9 Schill. 5 Pf., 200 Jahre später — 1450 —
zu 9 Mark 12 Schill. 2 Pf. ausgemünzt 3). Insbesondere an den
Goldmünzen, die beschnitten oder gefälscht wurden, that sich
der Mangel kund. Lübeck bedankte sich bei Lüneburg im Jahre
1424 für eine wegen der Beschneidung von Edelmünzen
angeordnete Maassregel, die nicht näher angegeben ist^), und
Frankfurt a/M. theilt im Jahre 1428 Lübeck mit, dass die Gul-
den bei ihnen so stark beschnitten würden — von wem, wüssten
sie nicht — , dass sie, um Kaufleute und Gäste vor Schaden zu
hüten, dieselben nur nach dem Gewicht entgegennähmen s).
Ueber »mennygherleye wankelgold und ander pagiment, dat uns
mishaget«, beschwert sich in demselben Jahre Hamburg in einem
Schreiben an Lübeck^).
Besonders deutlich erscheint der Goldmangel bei den Aus-
prägungen der deutschen Goldgulden, die immer leichter aus-
') Schanz, Englische HandelspoUlik gegen Ende des Mittelalters i
S. 532.
a) Vossberg , Geschichte der preussischen Münzen bis zum Ende der
Herrschaft des deutschen Ordens.
3) Grautoff, Historische Schriften 3 S. 265.
4) Lüb. Urk.-B. 6 Nr. 611 S. 599.
5) Lüb. Urk.-B. 7 Nr. 173.
6) Lüb. Urk.-B. 7 Nr. 143.
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— 143 —
fielen. Nachdem Kaiser Karl IV. und Wenrel die Ausmünzung
deutschen Goldes nach dem Muster der florentinischen und un-
garischen Gulden gestattet hatten, stellte Erzbischof Gerlach von
Mainz den Feingehalt der in seinem Gebiete auszuprägenden
Gulden in den Jahren 1354, 1367 und 1370 auf 23^/2 Karat
fest. Der Münz vertrag der 4 rheinischen Kurfürsten von 1386
setzte 23karätige Gulden in Umlauf, und der Mainzer Münzrecess
von 1399 begnügte sich bereits mit 22^/2 Karat. König
Ruprecht stellte 1402 den Münzfuss durch ein Reichsmünzgesetz
fest, in dem er sich an den Recess von 1399 anlehnte. Aber
schon begann man seitens der Kurfürsten selbst 2 2karätige Gul-
den auszugeben, und der Münzvertrag dreier rheinischer Kur-
fürsten mit einer Anzahl Reichsstädten im Jahre 1409 erhob
diesen Fuss zum gesetzlichen. Im Jahre 141 7 war der rheinische
Gulden bereits 2okarätig und 1425 auf 19 Karat gesunken').
Auf dieser Höhe hielt er sich noch im Jahre 1437^). Waren
1386 aus einer Mark fein 68^^/28 Stück geprägt, so wurden 1439
84^/5 Stücke geschlagen. Das Verhältniss von Gold zu Silber,
das ursprünglich i : 10^/4 gewesen war, war nunmehr i : 12, und
dementsprechend sowie nach Maassgabe der schlechter gewor-
denen Silberprägungen stiegen die ausländischen Goldmünzen im
Kurse in den deutschen Hansestädten bedeutend. Ein englischer
Nobel galt in Lübeck im Jahre 137 1 22, im Jahre 1389 28^/5
lübische Schillinge, musste im Jahre 1403 mit 31 Schill, bezahlt
werden, im Jahre 1424 mit 42 Schill, (der sware nobel) und
wurde in den Recessen von 1441 und 1450, der schwere zu 63,
bezw. 58 lüb. Schill., der leichte zu 48 Schill. 8 Pfenn., bezw.
53 Schill. tarifirt3). Der rheinische Gulden, der im Jahre 137 1
in Lübeck zu 10 Schill, lübisch, im Jahre 1389 zu 12 Schill,
angenommen wurde, kostete im Jahre 1403 13 Schill., in den
Jahren 1423 und 1424 16 Schill., in den Jahren 1441 und 1450
21 Schillinge^).
x) Hegel, Städtechroniken Bd. i S. 2246.
a) H. R. II, 2 Nr. 284 § 6.
3) Stieda a. a. O. S. XI; H. R. I, 5 Nr. 158 §1; II , 2 Nr. 521
§ II ; 3 Nr. 676 § 15. Lüb. Urk.-B. 6 Nr. 619. '
4) Stieda a. a. O. S. XI; H. R. I, 5 Nr. 158 §1; II, 2 Nr. 521
§ II. Sattler a. a. O. S. 304, 7. H. R. 3 Nr. 676 § 7.
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— 144 —
Ebenso stieg der Preis der Goldmünzen in Preussen, wo,
wie bereits bemerkt wurde, in der ersten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts eine starke Verschlechterung der ausgeprägten Silber-
münzen eintrat. Der englische Nobel, der am Ende des 14. Jahr-
hunderts meist zu 21^/2 Sc. preussisch gerechnet wurde, galt
im Jahre 1382 24 Scot 7^/2 Pf.
1403 25
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Die höchsten Notirungen beziehen sich wohl auf die
schweren (auch »olde nobile« genannt), die anderen auf die
leichteren.
Man wird es nunmehr erklärlich finden, dass ein Gewerbe,
welches so kostbaren, von Tag zu Tage mehr begehrten und im
Preise steigenden Rohstoff verarbeitete, steter Aufsicht unter-
worfen war. Früchte scheint zwar diese Controle so wenig als
in den anderen Fällen getragen zu haben.
4- Die Wollenweber,
Erfährt man von den Vereinigungen der Städte über die
drei genannten Handwerke Böttcher, Grapen- imd Kannengiesser
und Goldschmiede aus den Recessen über die Versammlungen
der Rathssendeboten, so haben dergleichen Vereinbarungen auch
stattgehabt, ohne dass sie daselbst erwähnt werden. Entweder
fehlen uns die Recesse aus den betreffenden Jahren, oder es
Sattler a. a. O. S. XL i; S. 432-33—35» S. 54, 34.35; S. 304, 11;
Hirsch a. a. O. S. 202.
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— 145 —
wurde, wie schon im Jahre 1321 *), der gemeinsame Beschluss auf
dem Wege erzielt, dass der von 2 Städten vereinbarte Vertrag
den anderen zur Unterschrift durch Deputirte, sei es des Raths,
sei es der Aemter selbst, vorgelegt wurde. Dieser Art erscheinen
die Abmachungen über die Wollenweber und die Seiler.- Die
erstere, abgeschlossen von Hamburg, Lübeck, Rostock, Stralsund,
Wismar und Lüneburg, ist uns durch einen Eintrag in dem
Rostocker Liber arbitriorum erhalten, der aber keinen Aufschluss
darüber gewährt, ob die Handwerker selbst eine Zusammenkunft
veranstaltet hatten. Es heisst im Eingange nur, dass der Rath
auf Bitte der Aelterleute zu der Bestätigung des Vertrages sich
entschlossen habe. An der betreffenden Stelle ohne Datum ein-
getragen, scheint sie nach den Zügen der Hand, die sie in's
Buch schrieb, und nach dem Inhalt, in's 14. Jahrhundert zu ge-
hören. Sie richtet sich, wie jene Böttcher-Ordnung, gegen die
unruhigen Gesellen und könnte deshalb leicht aus derselben Zeit
herrühren. Die Wollenweber-Meister wollen den Contractbruch
ihrer Knechte verhüten und versprechen, keinem Entlaufenen
Beschäftigung zu gewähren. Auch sichern sie sich gegenseitig
zu, sich die Arbeitskräfte nicht abspänstig machen zu wollen«).
Man ist über die Wollenweberei der wendischen Städte wenig
unterrichtet. Nur aus Rostock 3) (1362) und aus Wismar (1387)^)
haben sich Statuten der Wollenweber-Zünfte aus dem 14. Jahrhun-
dert erhalten. In anderen Hansestädten, Hamburg, Lübeck,
Lüneburg, stammen sie aus dem 15. Jahrhundert. Es ist frag-
lich, ob man in der Wollenweberei der Hansestädte ein blühendes
Ortsgewerbe erblicken soll, das im Rahmen eines gewöhnlichen
Handwerks Tuch machte, oder ob es über den Örtlichen Bedarf
hinaus producirte. Eines gelegentlichen Nachweises über den
Export mecklenburgischer und lübeckischer Tücher nach Livland
geschah oben Erwähnung. Aus einer Rostocker Rathsverord-
nung des 14. Jahrhunderts ergiebt sich ein gewisser Aufschwung
der Wollenweberei 5). Insbesondere die Weber, welche sich in der
i) Vgl. Koppmann, H. R. I, i S. 57.
a) Anhang Nr. 3.
3) Anhang Nr. i.
4) Burmeister, Alterthümer des wismarischen Stgdtrechts S. 54.
5) Anhang Nr. 2.
Hansische Geschichtsblätter. XV. lO
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— 146 —
Umgebung Rostocks angesiedelt hatten, vermehrten sich stark.
Auch die Ltlbecker Wollenweberei kann kein unbedeutendes Ge-
werk gewesen sein, wenn sie 1425 einen eigenen Altar unterhielt»).
Die Wollenweberei in der Mark Brandenburg sowie in Schlesien
war in dieser Periode bereits sehr entwickelt und nach den
Zahlen, die man flir den Umfang der Aemter in einzelnen
Städten angeführt findet»), sicherlich ein Exportgewerbe. In
den wendischen Hansestädten indess scheint mehr der Tuch-
handel als die Tuchproduction entwickelt gewesen zu sein.
Der Import der vlämischen, englischen und französischen Tücher
war sehr stark und ihre Ueberlegenheit in Farbe und Feinheit
gegenüber den deutschen Erzeugnissen zu gross, als dass die
norddeutsche Wollenweberei sich hätte mit Erfolg entwickeln
können. In Stralsund umfasste. die Gewandschneider-Gilde in
der Periode 1281 — 1326 nicht weniger als 257 Mitglieder, zu
gleicher Zeit etwa 120 — 140 Mitglieders). In Danzig gab es
eine Wollenweber-Zunft zwar bereits im Jahre 1378^), aber wenn
bei einem Aufstande um 1400 unter 1032 Betheiligten 9 Lein-
weber und 103 Tuchscherer sich befanden, so spricht dies mehr
für einen ansehnlichen Tuchhandel als für eine bedeutende Tuch-
industrie ^). Das meiste Tuch kam in der älteren Zeit un-
geschoren in den Handel^), und den Tuchscherern fiel die Auf-
gabe zu, das Tuch für die unmittelbare Benutzung durch den
Schneider zurecht zu machen. Noch weiter nach Osten werden
im 14. Jahrhundert Tuchweber gar nicht erwähnt — Leinweber
schon im 13. Jahrhundert — ; wohl aber gab es z. B. in Riga
um 1383 einen Verband der Lakenscherer (scherere, pannira-
sores)^), dessen Statut sich erhalten hat^).
Auch diesem Gewerbe gegenüber zeigten die Hochmeister
des deutschen Ordens und die preussischen Städte eingehendste
1) Lüb. Urk.-B. 6 S. 706 Nr. 728.
a) SchmoUer, Strassburger Tucherzunft S. 83.
3) Schmoller a. a. O. S. 83.
4) Hirsch a. a. O. S. 329.
5) Schmoller a. a. O. S. 84.
6) Schmoller a. a. O. S. 66.
7) Mettig a. a. O. S. 39.
8) Abgedr. bei Mettig a. a. O. S. 77—78.
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— 147 —
Aufmerksamkeit, der es freilich nicht gelang, die Industrie zu
einer besonders blühenden zu machen, die aber doch wohl so-
viel bewirkte, dass die Bedürfnisse der Bevölkerung in besserer
Weise befriedigt wurden. Es kam in Preussen darauf an , die
Concurrenz der schlechten »wandelbaren« polnischen Tücher zu
unterdrücken — im Jahre 1424 machen die Danziger Raths-
sendeboten ihre Collegen auf der Marienburger Versammlung
darauf aufmerksam, »wie man us Polen her in's landt gewandt
brenget, das unvorsegilt und wandelbar ist« ^ — und ferner die
einheimische Fabrikation vor Verfälschung zu bewahren.
Im Jahre 1401 hat der Hochmeister bei den Städten die
Frage angeregt, ob etwas »von wegen der wuUenwebere hier zu
lande« geschehen könne*). Doch war die Antwort darauf nicht
so leicht zu finden. Was man im Mai des folgenden Jahres vor-
zuschlagen wusste, war, dass die Tücher gesiegelt werden und
stets eine bestimmte Zahl Gänge aufweisen sollten 3). Mit der
letzteren Bestimmung wurde nur eine »aide gewohnhet der wuilen-
webir im lande« aufs neue empfohlen. Zum Erlass einer Lan-
desordnung kam es dann 14 Tage später, am 18. Juni 1402*),
Diese sah darauf, dass ein guter Rohstoff verwandt werde (kein
dromer, asschirwolle, feiwolle), dass die Tücher richtige Länge
und Breite hatten (28 Ellen lang [?], 2 Ellen breit), dass sie
richtig geschoren wurden, dass man Tücher einer gewissen Art,
nämlich »geratte« und »gekryte«, nicht anfertigen dürfe, und
dass die Geschworenen des Handwerks die für gut befundenen
Fabrikate mit dem Siegel der Stadt, in Blei gegossen , versehen
sollten.
Die Erfahrung, dass ein bereits eingerissenes Unwesen sich
nicht mit einem Schlage beseitigen lässt, blieb den preussischen
Städten nicht erspart. Sechzehn Jahre später hatte die Gewohn-
heit, die Tücher officiell versiegeln zu lassen, sich noch nicht
vollkommen eingebürgert und musste aufs neue eingeschärft
werden. Gleichzeitig wurde damals den Webern der kleineren
x) Toppen a. a. O. i S. 420.
a) H. R. I, 5 Nr. 21 § 7.
3) H. R. I, 5 Nr. 89 § 4.
4) Toppen a. a. O. l Nr. 64 S. 95. 96.
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— 148 —
Städte, mit einigen Ausnahmen, verboten, ihre grauen Tücher
selbst zu scheren ') , eine Maassregel , die kaum verständlich ist,
wenn man sie nicht damit erklären will, dass es darauf ankam,
den Laken- und Tuchscherem ihr Arbeitsgebiet zu erhalten.
Das Verbot erregte im Lande grosse Unzufriedenheit und ver-
anlasste viele Beschwerden, denen nachgegeben werden musste.
Ein Jahr später erschien eine Verordnung, die allen Webern,
»welchen das wirt seyn behegelichen und beqweme«, das Scheren
ihrer Tücher freigab«).
Eine Krisis scheint sich in der preussischen Wollenweberei
im Jahre 1425 geltend gemacht zu haben; wenigstens ergiebt
sich die Annahme einer solchen, wenn man die Klagen , welche
damals die Weber in Neustadt-Thom erhoben, als überhaupt zu-
treffend und die Verhältnisse des ganzen Landes widerspiegelnd
ansehen will. Die Weber in Neu-Thorn waren ein unruhiges
Völkchen, das auch noch in den Jahren 1452 und 1453 mit
allerlei Beschwerden zum Vorschein kam 3). Ihre Klagen im
Jahre 1425 lauteten, dass die Wolle zu theuer sei, um Tuch zu
den vorgeschriebenen Preisen per Elle liefern zu können, dass
Lehensleute, Bauern, Gärtner nicht genug Wolle auf den
Markt brächten, dass sie an Arbeitskräften Mangel litten und der
Gesellenlohn in Folge dessen auf das Doppelte wie früher ge-
stiegen sei, dass das Handwerkszeug (die Karten) theurer ge-
worden wäre und auch die Walkmühle ihre Leistungen bedeutend
höher veranschlage als früher (zu 2 Scot, wo vordem ^/2 Scot
gezahlt wurde) ^). Wir wissen nicht, ob diese Klagen ein williges
Ohr fanden und ob sie begründet waren. Nur mit den Woll-
preisen scheint es seine Richtigkeit gehabt zu haben. Denn
nachdem die »Dromer und AsschirwoUe« glücklich aus der Welt
geschafft war, greifen seit 1447, und vermuthlich schon früher,
ehe es zu einer öffentlichen Rüge Veranlassung gab, die Weber
zu einem neuen Surrogat, indem sie »Roffwulle, die men be-
nenneth awstwuUe« zur Verarbeitung sich aussuchen s).
x) Toppen a. a. O. I Nr. 257 § 4.
a) Toppen a. a. O. i Nr. 270. S. 232.
3) Toppen a. a. O. 3 Nr. 238 S. 485; Nr. 248 S. 497; S. 648.
4) Toppen a. a. O. Bd. i Nr. 345 S. 442.
5) H. R. II, 3 Nr. 282 § 10; Nr. 308 § 4; Nr. 403 § 9.
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— 149 —
5. Die Reifer.
Sehr wenig lässt sich über den Beschluss der Seestädte in
Bezug auf die Repschläger sagen. Wir erfahren von demselben
aus der Rolle der Lübecker Reifer vom Jahre 1390, wo es heisst,
dass Lübeck, Hamburg, Wismar, Rostock, Stralsund und Stettin
sich über die Behandlung der Knechte verständigt haben. Kein
Geselle, der in einer Stadt gearbeitet hatte, wo die Seilerei keine
Zunft bildete (dar unse werk nen ampt is), konnte sich Hoffnung
machen, in einer der genannten Städte Beschäftigung zu finden ').
Vielleicht stammt auch dieser Vertrag, da er gleichfalls gegen
die Gesellen gerichtet ist, aus derselben Zeit, der man ein
energischeres Vorgehen der Böttcher- und Wollenwebermeister
gegen ihre Gesellen verdankt.
Die Repschlägerei war ein Gewerbe, das gewiss zu den an-
sehnlicheren gehörte, wenn es auch an Bedeutung mit den eben
besprochenen sich nicht messen konnte. Insbesondere in den
Seestädten, wo der Schiffsverkehr ein reger war, musste grosse
Nachfrage nach ihren Producten sein. Solche waren Anker-
taue (kabeltau). Seile (linen, seelreepe), Schnüre (snore), Cor-
dein, Schiemannsgarn (dünne Seile, welche um das Schiffs-
tauwerk zum Schutz desselben gewunden werden, damals »Wyn-
ninghe« genannt), Trosse (alles Tauwerk, das nur einmal zu-
sammengedreht ist und nur aus 2 oder 3 Garnen oder Drähten be-
steht), Smyten (lose gedrehte Taue, die zur Einfassung der Segel
gebraucht werden), Schoten (Taue, welche an den untern Ecken
der Segel befestigt lyerd^n, um die Segel zu spannen), Hu-
singe (ein dünnes, aus drei Garnen bestehendes Seil) und
Mariinge (ein aus 2 Strängen zusammengedrehtes Garn)«).
Allerdings lassen sich Reifer in unserer Periode nur in Ham-
burg — Rolle von 13753) — , Wismar — Rolle von 1387^) — ,
Lübeck — Rolle von 1390^) — , Riga, wo sie aber damals -
1) Wehrmann a. a. O. S. 385.
2) Wehrmann a. a. O. Glossar.
3) Rüdiger a. a. O. S. 200.
♦) Burmeister, Alterthümer S. 50.
5) Wehrmann a. a. O. S. 380.
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— ISO —
noch keine eigene Zunft gebildet zu haben scheinen 0, und
Danzig, wo über ihre zünftischen Verhältnisse nichts bekannt
ist*), nachweisen. Doch können sie nach dem obigen Beschluss
in Rostock 9 Stralsund, Greifswald und anderen Hansestädten
kaum gefehlt haben.
Von der Besetztheit des Handwerks kann man sich, weil
jede directe Auskunft fehlt, keine Vorstellung entwerfen. In
Frankfurt a. M. gab es sowohl im Jahre 1387 als im Jahre 1440
nur 5 Seilermeisters). In Lüneburg bitten im Jahre 1517, zu einer
Zeit, als zu diesem Handwerk gerade ein etwas lebhafterer Zu-
drang gewesen zu sein scheint, die Repschläger den Rath, dass
nicht mehr als 8 Meister concessionirt würden^). Ob damals die
Seiler in Lüneburg eine besondere Zunft bildeten, geht aus der
betreffenden Urkunde nicht hervor. In Hamburg gab es im
Repschläger- Amt von 1606: 28 Meister, von 161 2: 29 Meister,
161 7: 25 Meister und so weiter in abfallender Zahl, seit 1630
meistens 20 oder 21^). Doch kann aus den einer für Deutsch-
lands Gewerbewesen nicht eben günstigen Periode entstammenden
Angaben nichts für die weiter zurückliegende Vergangenheit ent-
nommen werden.
Ihren Rohstoff bezogen die Repschläger theilweise aus weiter
Feme. Livland, Preussen und Scandinavien (Kalmar) lieferten den
rohen Hanf oder das Halbfabrikat, Kabelgam, Drath und Bast, und
so sehr scheinen die Seiler auf den Bezug von auswärts angewiesen
gewesen zu sein, dass diejenige Menge Bast und Drath, die mit
dem ersten im Frühjahr in Lübeck eintreffenden Schiffe ankam,
als »Delgud« betrachtet wurde, d. h. unter alle Mitglieder des
Amts zur Vertheilung kommen sollte. In der Wismarschen
Reifer-RoUe ist Hamburger und Rigaer Garn neben einander ge-
nannt und vor einer Vermischung gewarnt.
Der Verkauf ihrer Erzeugnisse stand ihnen allein zu, und
am allerwenigsten war die Einfuhr fremder Seilerarbeit (gemaket
x) Mettig a. a. O. S. 49.
a) Hirsch a. a. O. S. 324.
3) Bücher a. a. O. S. 143 und 217.
4) Bodemann a. a. O. S. 228.
5) Th. Schrader, Eine Morgensprache etc. in »Aus Hamburgs Vergangen-
heit«. Herausg. v. Koppmann. Bd. 2 S. 155.
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— 151 —
wergk, dat up unse ampt drecht) zum Verkaufe gestattet*).
Auf der anderen Seite wurde es aber nicht gern gesehen, wenn
man den Käufer anlockte. Man sollte vielmehr ruhig abwarten,
bis ein Liebhaber sich in der Bude einstellte, und nie versuchen,
dem Genossen seine Käufer abspänstig zu machen =).
Im engsten Zusammenhange mit den Repschlägern standen
die Hanfspinner, die in Lübeck, Riga und Reval erwähnt werden.
In Lübeck waren sie vom Rathe bestellt, nur in einer bestimmten
Zahl concessionirt und gleichsam privilegirte Hülfsärbeiter der
Reifer. Diese durften sie nie länger als einen Monat ununter-
brochen beschäftigen, damit eben] ihre Leistungen Allen zu
gute kommen konnten. Später kam es zu Streitigkeiten zwischen
Reifern imd Hanfspinnern, so dass sich der Rath veranlasst sah,
den letzteren die Arbeitsgrenzen genau zu bestimmens). Hier-
nach durften sie auch einige Seilerarbeit verrichten. In Riga
und Reval bilden die Hanfspinner eigene Aemter; in ersterer
Stadt erhalten sie im Jahre 1436 eine Rolle, in letzterer im
Jahre 1462^). Sie arbeiteten hier nicht nur für die Reifer, son-
dern auch für Privatleute. So heisst] es z. B. im Revaler
Statute: »item welk man yn unseme ampte von deme kopmanne
hennep entfanget to vorspynnende umme gelt« etc., und in dem
Rigaer: »item oft ienich man hennip von enem borger ofte cum-
panie entfenge« u. s. w. Sie waren in diesen Städten auch be-
rechtigt, Taue zu schlagen, und mussten ihre Fähigkeit dazu als-
dann durch ein Meisterstück nachweisen. Bei den Revalern be-
stand dieses in Anfertigung eines Stückes Kabelgarn, eines
Paares »Smiten« zu einem Schiffe von 40 — 50 Lasten und eines
Paares »Schoten«.
6. Sehluss.
Scheint es hiemach, als ob die Hansestädte auf ihren Ver-
sammlungen hauptsächlich denjenigen Gewerben ihre Aufmerksam-
keit schenkten, an welche sich ein besonderes öffentliches Interesse
x) Lübecker Rolle bei Wehrmann a. a. O. S. 385.
3) Hamburger Rolle bei Rüdiger a. a. O. S. 200 § 10.
3) Wehrmann a. a. O. S. 386.
4) Nach von mir fUr die Herausgabe eines baltischen Schragenbuches
gesammelten archivalischen Materialien.
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— 152 —
knüpfte, so lassen sich doch auch Beschlüsse melden, die ganz
allgemein mit dem Handwerke sich beschäftigen. Im Jahre 1354,
als die wendischen Städte zum ersten Male über die Grapen-
giesser beriethen, bestimmten sie gleichzeitige dass der seinen
Meister verlassende Knecht sich stets von der Obrigkeit der
Stadt einen Brief ausstellen lassen musste: »dat he sich wol ghe-
handeled hebbe, dar he ghedenet heft« '). Sonst konnte er nicht
darauf rechnen, in den Städten des Bundes eine Stelle zu finden.
Man hat hier offenbar den Anfang der namentlich im acht-
zehnten Jahrhundert als so wichtig betonten »Kundschaften«
und ersieht daraus, dass die Städte über dem Interesse für das
Einzelne doch das allgemeine Wohl nicht minder im Auge be-
hielten.
Mit den Meistern aller Aemter machte sich ein Beschluss
vom Jahre 141 7 zu thun. Es war damals üblich, dass die neuen
Mitglieder einer Zunft von deren Aeltesten in Eid genommen
wurden und diesen ihre Dienstbriefe, welche über die Aufnahme
entschieden, vorlegen mussten. Durch Beschluss der Hanse-
städte vom genannten Jahre wurde nun bestimmt, dass fortan
diese Briefe von der einen Ortsobrigkeit an die andere gebracht
werden sollten.
Endlich kommen in den Jahren 1547 und 1557 gemeinsame
Beschlüsse wegen Bestrafung der müthwilligen Umtriebe der
Handwerksgesellen vor*).
Anhang.
1. Statut der Wollenweber in Roetoek 1862 Juni 17.
(Rostocker Stadt-Archiv. Liber arbitriorum. S. V b.)
Item anno Domini 1 362 feria sexta proxima post festum corporis Christi
dicti lanifices bene deliberati unanimiter arbitrati sunt pro se et suis succes-
soribus, quod quicunque falsos faceret pannos vel falsam lanam ex eis carebit
i) H. R. I, I Nr. 188 § 9. 10.
a) Burmeister, Beiträge S. 150.
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— 153 —
suo dicto officio per annum et diem, quo elapso stabil in dominis consulibus
et officio, utrum ipsum recipere voluerint ad officium antedictum. Presen-
tibus dominis Ludolpho Godlande seniore et Ludolpho Nyendorp magistris
excessuum.
(i) Primo. Ropewulle schal men nicht maken to den besten lakenen,
de me bezeghelt, bi lo Schilling broke.
(2) Item neman schal sulven wullen uthdregen ofte synen boden uth-
dregen laten bi 10 sl.
(3) Item de wicht uses gantzen ammetes unde l8n scal overendregen bi
10 sl.
(4) Item overseeschee wulle scal neman laten arbeyden an unsem ammete,
wente id is valsch.
(5) Item unse Rozstoker laken scolen holden 32 elen langh unde 2 elen
breet.
(6) Item weret dat laken wandelbar vunden worden, dar snyden de older-
lude twe snede dore unde, des dat laken is, de weddet dat mid 10 sl.
(7) Item we synes sulves wert an unsem ammete, de scal 30 mark
Rozstoker penninge hebben egen umbiworen; wil men em des nicht
beloven, de scal dat waren mid twen bedderven luden an unsem
ammete.
(8) Item weret, dat laken besegelt weren unde quemen buten ofte bynnen
unde weren nicht binnen alzo gud alze buten unde men dat bewisen
mochte , alze me van rechte scolde, dat mach de rat richten na eren
gnaden.
(9) Item enes ysliken bedderven mannes name, syn toname unde syn
rechte merke, dat he vordegedingen wil, scal bi dessen scriften stan, de
an imsem ammete syn.
2. Rostocker Rathsyerordnung, dass die in der ümgebimg der Stadt wohn-
haften WoUenweber ihre WoUe niolit nach Rostock inm Verspinnen bringen
dürfen. IL Jahrb.
(Rostocker St.-Archiv. Liber arbitriorum S. V b; andere Hand wie ad i.
Undatirt.)
Item wente de rad to Rozstok irvaren heft, dat sik de wullewevere
buten by Rozstok wonaftich sere vormeren unde deme ampte der wulle-
wevere bynnen Rozstok wonaftich to vorevanghe synt, hirumme heft de rad
deme erbenomeden ampte umme erer bede willen ghegunt desse underscrevene
endracht, so dat neen wuUewever van buten to, dede eres amptes neen
medekumpan is, syne wulle schal bringhen ofte bringhen laten bynnen Roz-
stok to spynnede edder dar spynnen laten. We hirane brekt, de schal dat
deme rade wedden myt 3 marke sulvers unde dat gut schal vorvaren wesen.
Unde nement van deme wullewever ampte schal hir weme ane beclaghen ofte
schuldigen by wane, ane de jenen dede in schynbarer dlt unde myt vormel-
dinghe der spynneterschen hir ane bevunden werden. Desse endracht schal
stan up voranderent des rades.
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— 154 —
3. Vereinbarung der Städte Lübeck, Hamburg, Rostock, StraUand, Wismar
und Lüneburg über die WoUenweber-G^eseUen. IL JahrL
(Rostocker Stadtarchiv. Liber arbitriorum. S. VI a. Undatirt.)
Witlick sii dat desse nascreven articule umme bede willen der older-
lüde des amptes der wullenwevere uth den steden Lubeke Hamborgh Roz-
stok Stralessunde Wismer unde Luneborg van deme rade sint togelaten unde
stan uppe desser vorbenomeden stede unde rede vorbeterent, wenner se willen»
(i) Int erste dat nyment bynnen dessen steden Lubeke Hamborg Rozstok
Stralessunt Wismer unde Luneborg schal holden jenigen knapen , de
myt Unwillen van sineme meystere, dar he tovoren mede denet hadde ^
gescheden were, dat sii bynnen edder buten der vorhure, sunder id
en were dat de knape des amptes unde sines meysters willen , dar he
mit Unwillen van gescheden were, gemaket hadde.
(2) Item schal nyment deme anderen sine knapen, enen edder mer, ent-
meden ofte entspanen, entmeden ofte entspanen laten myt jenigen 'vor-
worden bynnen edder buten dessen vorbenomeden steden.
(3) Item weret ok dat jenich knape dende in dessen vorbenomeden steden
unde mit Unwillen van sineme meystere schedede unde denne umme
des Unwillen in eyn veltkloster ofte jenige clene stede edder wicbelde
to denende toghe, den knapen schal na der tid nyment meden edder
holden, er der tid de knape des jennen, dar van he mit Unwillen togen
is, willen gemaket heft.
(4) Item weret ok dat jenich knape bynnen der tid der vorhure sineme
meystere jenige dage vorsumede to arbeydende sunder reddelke notsake,
denne mach em sin meyster vor enen jewelken dach af körten enen
lubischen Schilling in vormynringe siner vorhure.
4. BathsTorordnnng über die Böttcher in Bestock. U. Jahrb.
(Rostocker Stadtarchiv. Liber arbitriorum S. VII a. Undatirt. Vergl.
[Nettelbladt] Hist. dipl. Abhandlung S. LXXXVIII Nr. XXXIl.)
Vurder na desser tid hefFt de rad eyns gedregen mit den olderluden
unde ganczen ampte der bodeker in jegenwardicheit der borgere :
(i) Int erste schal eyn yslik bodeker sine tunne gud maken sunder wrak,
als he darvor antworden wil unde schal sinen settnagel dar up setten»
den he den wedheren schal vorbringen unde bekant geven. Settede
ok jenige bodeker enen knecht to, tunne to howen nnde to makende,
de knecht schal des gelike sinen setnaghel darup setten unde sine here
schal des knechtes setnagel den wedheren ok bekant geven, als he
darvor antworden wil.
(2) Item nen bodeker schal tunnen maken van klovedenn holt, dat hir
bynnen klovet is, noch van wittern holt edder bundöken holt bi vor-
lust des amptes unde wo de rad dat richten wil.
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— 155 —
(3) Item eyn juwelk bodeker schal vor sine tunne unde setnagel ant-
worden ; were dat jenich schade queme van sinen tunnen, de bewislik
were, den schaden schal he dem copman verboten,
(4) Item were dat jenich bodeker here edder knecht tunnen vorkoffte edder
vorsende sunder setnagel, de tunne scholen vorvaren wesen unde wo
de rad dat richten wil.
(5) Alle schal dat stan up des rades vorbeterent.
5. BAthirerordnung über die Böttcher in BoBtoek 1436 April 21.
(Rostocker Stadtarchiv. Liber arbitriorum S. VI b (ein eingelegtes Oktav-
blatt mit der Aufschrift von anderer Hand: de dolificibus statutum, enthält
das Statut gleichfalls).
Anno Domini etc. 36 des anderen sonavendes na paschen wart gesloten
vor dem erliken rade na eyndracht der borgere unde olderluden unde
gantzem ampte der bodeker in desser wise:
(j) De bodeker de scholen de last tunnen geven vor 4 mr. unde nicht durer.
Were dat jemant ut erem ampte durer geve, de schal sin ampte eyn
jar dallegghen. Were ok we in erem ampte, de sine tunne in den
kelre slote unde nicht vorkopen wolden den borgheren unde inwonren
up duren kope, de daran bevunden wert, de schal des geliken sin
ampt eyn jar dalieggen.
(2) Item scholen se den borgeren unde bynnen unde buten rades to erer
behoff unde not tunnen schicken unde tunnen vorkopen unde nicht
vorsman de jene de tovoren hebben tunnen howen laten. Unde de
borgere bynnen unde buten rades, de tunnen howen laten, de scholen
howen laten van der vorbenomeden tid went to sunte Johans dage to
myddensomer negest tokomende ere holt vorhowen unde sliten, unde
wes se over hebben den bodekem vorkopen umme mogelike pennighe.
Unde na der tid scholen nen borgere bynnen edder buten rades tunnen
howen laten, alle de wile, dat se de tunnen umme 4 mr. geven als
vorscreven is unde den kop holden.
(3) Item de knecht de den borgeren bynnen edder buten rades ge-
howen hebben, de amptes wert sin, de scholen se in eren denst unde
ampt nemen.
(4) Item were dat na desser tiid unde eyndracht den erliken olderluden
unde ganczen amptbroderen wes schelende were, dat scholenj se
guüik unde vruntlik soken vor dem rade unde borgeren, dat in guder
vruntscop unde eyndracht to vorhandelen.
(5) Desse eyndracht so to holdende hebben de ersamen olderlude unde
ganczen amptbroderen der bodeker belevet in jegenwardicheit des rades
unde der borgere up des rades vorbeterent.
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VI.
KLEINERE MITTHEILÜNGEN.
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STAGNUM, DAS BALTISCHE MEER.
Von
K. E. H. KRAUSE.
Dass die Ostsee bei den Cisterciensem stagnum und ihre
östliche Provinz an der Küste dieses Meeres provincia stag-
nalis heisse, und dass dieser Name, vermuthlich aus dem slav.
blato, balaton übersetzt, uns zugleich die Erklärung für das Wort
»Baltisch« gebe, ist Jahrg. 1884, S. 42 Anm. 8 angegeben und
war schon vorher in dem inzwischen erschienenen Jahresber.
der Geschichtswiss. 1883 II, S. 166 Nr. 53 bemerkt worden.
Es wird dieses balaton = stagnum = palus auch die Brücke
zeigen, auf welcher unsere ältesten Chronisten die paludes Maeo-
tides in dem herrschenden geographischen Dunkel in die nörd-
liche Ostsee gelangen lassen konnten.
Stagnum als palus und lacus ist ja bekannt ; hier sollen aber
noch einige Stellen folgen, wo das Wort geradezu die Ostsee
bedeutet. Dr. Koppmann hat mich darauf aufmerksam gemacht,
dass schon Lappenberg, Urk. Gesch. der deutschen Hanse 2,
S. 759, sagt: »Stagnum, die Ostsee«, und zwar fussend auf den
schlagenden Ausdruck der Urkunde Meckl. Urk.-B. 9 Nr. 6564 :
capitanei et stipendiarii dominorum Lubicensium et Rostokcensium,
qui emissi erant, ut stagnum et communes mercatores pro vio-
lenciis defenderent. Ebenso unzweideutig sind die übrigen Aus-
drücke, welche Römer im Wort- und Sachregister zum Mekl.
TJrk.B., Bd. 12, verzeichnet, S. 474: ad stagnum ducere,
pecora de stagno venientia; S. 499: ab ista parte stagni et
ultra stagnum, diesseits und jenseits der Ostsee.
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— i6o —
Der lübische Dominikaner Hermann Corner sagt zum Jahre
1364 nach dem Cod. Guelferb. : Rex Dacie Woldemarus bellum
navale gerens cum civitatibus stagnalibus; nach dem
Cod. Gedan. ebenso , nur dass agens statt gerens steht ; Cod.
Linkop. : Anno domini 1364 civitates stagnales cum
copiosa multitudine transfretantes venerunt in Daciam contra
Woldemarum regem ; dagegen cod. Hamb. : Civitates mari-
time, quarum capud dudum extitit urbs Lubicana, cum navali
exercitu magno Danorum regnum intraverunt (Hanserecesse I, i,
S. 197). Es war folglich der Name so allgemein in Lübeck für
die See, also die Ostsee, bekannt, dass man maritimus durch
stagnalis wiedergeben konnte, und damit stimmt auch, dass das 1
wahrscheinlich auf Corner beruhende Chron. slav. ed. Laspeyres, {
S. 169, die wendischen Städte civitates stagnales, in der deutschen '
Wiedergabe aber (der Wendeschen Chronik) S. 168 »Seestede«
nennt. Auch aus dem Stadtarchiv zu Reval nennt Theod, .
Schiemann, Histor. Darstellung etc. S. 246, »lus nautarum per
civitates stagnales confirmatum«, die von dem lübischen Raths-
secretär Johann Bersenbrücke für Reval ausgefertigte Originalcopie
der H. R. III, i Nr. 367 aus anderer Quelle abgedruckten
hansischen Schifferordnung vom 22. April 1482 (also zur Zeit
der Entstehung des Chron. slav.). Wie aber der nordische und
niederdeutsche Ausdruck für die offene See »haf« (Mittelniedd.
Wb. II, S. 172) auch für die grossen meerartigen Strandseen
der pommerschen und preussischen Küsten gebraucht wurde, so
kommt auch dafür stagnum vor^ vgl. Feit, Glossar zu Höhl-
baum, Hans. Urk.-B. 3, S. 574: Stagnum recens, quod vulgo
dicitur Versehe Haf (= süsses Meer).
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IL
ZUR EROBERUNG GOTLANDS DURCH DEN
DEUTSCHEN ORDEN.
MITGETHEILT
VON
H. GROTEFEND.
Von einer Wachstafel in Oktavformat, die der inzwischen
verstorbene C. A. Milani zu Frankfurt in Paris erstanden hatte,
copirte ich im Jahre 1878 nachfolgende Aufzeichnung.
Ueber die Bedeutung derselben kann kein Zweifel herrschen.
Am 23. Januar 1398 wurde zu Marienburg beschlossen, gegen
Gotland ein Heer und eine Flotte auszurüsten, die Februar 22
segelfertig zu Danzig sein sollte (H. R. I, i Nr. 424 § 2) ; am
5. April urkundete Herzog Johann von Meklenburg über die Be-
dingungen, unter denen er dem Hochmeister Wisby und das
Land Gotland übergab (H.R. I, i Nr. 437). In der preussi-
schen Parteischrift (H. R. I, i Nr. 438 § 9) heisst es über
diese Expedition: »der homeister lys usrichten wol 84 schiff,
cleyne und gros, und lys dy vol vytalgen und dorin thun
buchsen und pulver, und wes das man bedorffte und bedarfF
czu orley, und saczte dorin 4000 man czu hämisch, und gab
yn methe in dy schiff 400 pherd, ab yn Got hulflfe, das sy das
land gewunnen, das sy das land domethe bereyten und be-
crefFtigen mochten«. Nach dem angeführten Recess von 1398
Januar 23 sind aber diese Angaben auf die Hälfte herabzu-
Hansische Geschichtsblätter. XV. II
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102
setzen: »man sal usmachen mitdenander 2000 man gewapent;
des sullen sien 10 grosse schiffe und 30 andere«. — Zu diesen
2000 Gewappneten hatten die 5 grossen Städte 400 zu stellen:
»Thorun 95 man, Elbing 95 man, Danczk 160 man, Konings-
berg 35 man, Brunsperg 15 man; hirmyte . . . sal ingerechint
werden schipmanne, bosman (und alle) dy iren vuUen hamasch
haben«.
Unsere Aufzeichnung zählt jnun diejenigen auf, die aus
einer dieser Städte an der Expedition nach Gotland theilnahmen.
Die Krtiger und Weber stellen je 3 Mann, die Gerber, Bäcker,
Knochenhauer und Schuhmacher je 2 Mann, die Schneider und
Pelzer je i Mann, zusammen 16 Mann. Darauf folgen weitere
8 Mann ohne Bezeichnung ihres Gewerbes, und neben Gerbern, j,
Bäckern und Schuhmachern stehen gewissermaassen in zweiter
Kolumne ein capitaneus und zweimal 2 Mann, zusammen noch-
mals 13. Diesen Zahlen nach wird man die Aufzeichnung wohl
nach Königsberg oder Braunsberg setzen müssen; im ersteren
Fall hat man anzunehmen, dass einige Namen fehlen; im letz-
teren würde die Ueberzahl durch die Annahme erklärt werden
können, dass ein Theil der Mannschaft beurlaubt und durch
Andere ersetzt wurde. Vielleicht geben die Namen einem Lo-
kalkundigen sicheren Aufschluss.
Anno Domini m" ccc** lxxxviii°.
Hü fuerunt in reysa Gotlandie:
Tabernatores habuerunt tres:
Jocob Fruczkaw. Swarcze. Math. Pampich.
Textores habuerunt tres:
Spremberg. Jocob Fischer. Math. Henfeling.
Cerdones habuerunt duo:
Kezeling. H. Warnaw.
Pistores habuerunt duo:
Frenczil. H. Gunczil.
Carnifices habuerunt duo:
Symon Kuylhaupt. H. Engilke
Joh. Schule
capitaneus.
Joh. Wepecz.
Ny. Schramme.
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Trumrey.
Ny. Gunczil.
— 163
Sutores habuerunt duo:
Mauricius cum fratre.
Sartores habuerunt unum: Job. Gleser.
(Pelli)fices habuerunt unum: Martin.
Fryenstad. Boxholcz.
Pe. Knof. Kenlinbyr.
Stenczlynne. Lorencz Frischma(n).
Glockingisser. Golfer.
11"
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m.
DIE WEHRKRAFT DER ROSTOCKISCHEN
AEMTER.
VON
KARL KOPPMANN.
Die im Nachfolgenden mitgetheilte Aufzeichnung »wu de
ampte plegen uthtomakende« ist dem im Rathsarchiv zu Rostock
aufbewahrten sog. Rothen Buch Bl. 8 1 b entnommen , von einer
Hand aus der Mitte des 1 5 . Jahrhunderts geschrieben und geht,
wie die Ueberschrift besagt, auf eine ältere Niederzeichnung in
»der olden ruUen« zurück.
Ihre nächste Bedeutung hat sie natürlich für die- Geschichte
der Wehrkraft unserer hansischen Städte; daneben aber ist sie
für die nähere Kenntniss des Gewerbslebens von Wichtigkeit.
In beiden Beziehungen wird es von Interesse sein, die gleich-
artige hamburgische Aufzeichnung, die uns Westphalen erhalten
hat*), zum Vergleich heranzuziehen.
Gleich der erste Blick zeigt uns den auffallenden Unter-
schied, dass die Gesammtzahl der Mannschaft, welche die
1) Diese »Ordinatio officiorum in Hamborch pro defensione facta« war
nach Westphalen, Hamburgs Verfassung und Verwaltung i (Zweite Ausg.
Hamb. 1846), S. 426, einer Sammlung der Amtsrollen von 1375 angehängt,
aber »den Schriftzeichen nach etwa ein Jahrhundert später« geschrieben.
Die Namen der Aemter und die Zahl der von ihnen gestellten »Schützen«
hat Westphalen in der Anmerkung zu S. 426 mitgetheilt.
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- i65 -
rostockischen Aemter aufbringen, sich auf 622 beläuft, während
die Gesammtzahl der Schützen, die von den hamburgischen
Aemtem gestellt wird^ nur 167 beträgt. Freilich gestaltet sich
dieses Verhältniss etwas anders, wenn man auf jeder Seite in
Abzug bringt, was auf der andern fehlt, in Rostock die 150
Träger, in Hamburg die 20 Krüger; immerhin kommen aber
noch auf 472 Mann in Rostock nur 147 in Hamburg, also
nicht ganz ein Drittel (0,31 Procent). Fragen wir nach der Er-
klärung dieses Unterschiedes, so wird, da es undenkbar ist, dass
Rostocks Bürgerschaft um die Mitte des 15. Jahrhunderts drei-
mal . grösser gewesen sei als diejenige Hamburgs zu gleicher
Zeit oder gegen Ende des 14. Jahrhunderts, da femer die An-
na hme, dass man in Rostock die Wehrkraft der Aemter dreimal
stärker angespannt habe, als in Hamburg, keine Wahrscheinlich-
keit hat, und da endlich die ausdrückliche Angabe, die ham-
burgische Ordinanz sei »pro defensione facta«, zweifelsohne auch
auf diejenige Rostocks zu beziehen ist, wohl nur die Vermuthung
aufgestellt werden können, dass die rostockische Aufzeichnung
nicht gleich derjenigen Hamburgs von »Schützen« handle. Ist
diese Vermuthung richtig, so veranschaulicht uns der Ver-
gleich der beiden Ordinanzien die Veränderung, welche die allge-
meine Einführung des Gebrauchs der Armbrust — denn an
diese, nicht an Feuerwaffen, muss gedacht werden — in der
Wehrpflicht und folgerichtig auch in der Wehrkraft der Aemter
bewirkte.
Dyt nabeschreven iss geschreven
de ampte plegen uthtomakende.
I.») De schomakere ... 40 8.
2. De smede 40 9.
3. De beckere 30 10.
4. De kremer 20 11.
5. De peltzer 20 12.
6. De knokenhouwere . . 20 13.
7. De boddekere 20 14.
uth der olden rullen, wu
De remensnydere
De kannegetere .
De haken . . .
De scroder . .
De gerwer . . .
De wuUenwever
De lynnenwever
20
16
30
20
20
20
16
>) Die vorangestellten Zahlen sind von mir hinzugefügt.
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— i66 —
15. De goltsmede 3
16. De birtscherer .... 6
17. De kiippekenmakere . 5
t8. De patynenmakere . . 5
19. De sedelere 5
20 De repere 10
21. Wantschere 5
22. De kistenmakere ... 5
23. De murlude 10
24. De tymmerlude .... 10
De glaseworter und
malere 2
De vorlüde 4
De visschere 20
De netelere 3
30. De koelhaken .... 6
31. De solthaken 5
32. De witgerwer .... 3
33. De appelhaken .... 3
34. De armborsteer ... 5
35. De dregher 150
36. De louwentsnydere . 3
37. Swertfegere 3
38. Dreyer 3
39. Hotfiltere 3
40. Oltscrodere 10
41. Kledersellere.
42. Specksnyder.
43. Bekermakere.
44. Oltleppere.
25
26.
27.
2g.
29. De gruttemakere ... 3
Da die hamburgische Ordinanz die Aemter nach der Zahl
der Schützen ordnet, so nehme ich eine entsprechende Ordnung
mit der rostockischen Aufzeichnung vor und stelle ihr des besse-
ren Vergleichs wegen die ausserhalb Hamburgs vermuthlich
wenig bekannte hamburgische Ordinanz, wie sie Westphal mit-
getheilt hat, zur Seite.
Rostock :
35. De dregher 150
1. De schomakere ... 40
2. De smede 40
3. De beckere 30
IG. De haken 30
4. De kremer 20
5. De peltzer 20
6. De knokenhouwere . 20
7. De boddekere .... 20
8. De remensnydere . . 20
IT. De scroder 20
12. De gerwer 20
13. De wullenwever ... 20
27. De visschere 20
Hamburg :
1. De kroegere . ,
2. De boedekere .
3. De knokenhowere
De gerwere. . .
De vischere . .
De schomakere
De beckere. . .
De smede . . .
De hoekere . . .
De kremere . .
11. De wuUenwevere
12. De scrodere . .
13. De buntmakere
14. De hoetviltere .
4
5
6
7
8
9
IG
20
15
12
12
12
10
8
8
8
6
6
6
4
4
Digiti
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— 167 —
Rostock :
9. De kannegetere
14. De lynnenwever
20. De repere . . .
23. De murlude . .
24. De tymmerlude
40. Oltscrodere . . .
1 6. De birtscherer .
30. De koelhaken .
17. De klippekenmakere
18. De patynenmakere
19. De sedelere . .
2 1 . Wantschere . . .
22. De kistenmakere
3 1 . De solthaken . .
34. De armborsteer
26. De vorlüde . . .
15. De goltsmede .
28. De netelere. . .
29. De gruttemakere
32. De witgerwer .
33. t)e appelhaken .
36. De louwentsnydere
16
16
IG
IG
IG
,IG
6
6
5
5
S
5
5
5
5
4
3
3
3
3
3
3
Hamburg :
15. De armborsterer .
16. De tymmerlude .
17. De mürlude . . .
18. De goltsmede . .
19. De gropenghetere unde
de kannenghetere .
2G. De linewevere . . .
21. De repslegere . . .
22. De kertzenghetere -
23. De dreyer
De maier unde de
glazeworten . . .
De kistemakere unde
de luchtemakere .
26. De velen ampthe
24.
25
4
4
3
3
3
3
2
2
6
Rostock :
37. Swertfegere 3
38. Dreyer 3
39. Hotfiltere 3
25. De glaseworter und
malere 2
Aemter nach bestimmten Ge-
betrefFenden Zahlen aus Ro-
Zum Schluss ordne ich die
Sichtspunkten und füge jedem die
stock (R) und Hamburg (H) bei.
R H
gerwer 20 12 klippekenmakere
mitgerwere 3 • — patynenmakere
peltzer 20 — scroder . .
buntmakere — 4 oltscrodere
wullenwever 20 6 kledersellere
wantschere 5 — hotfiltere
lynnenwever 16 3 bartscherer
louwentsnydere .... 3 — armborsteer
schomakere 40 ig swertfegere
oltleppere — — smede . . .
R H
5 —
5 —
20 6
IG —
3 4
6 —
5 4
3 —
40 8
Digiti
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— i68 —
R H
goltsmede 3 3
kannegetere 16 3
xnurlude 10 3
tymmerlude 10 4
kistenmakere 5 2
glaseworter u. malere 2 2
sedelere 5 —
remensnydere 20 6
boddekere 20 15
dreyer 3 2
bekermakere — —
netelere 3 —
repere 10 2
beckere 30 8
Hält man fest, dass das Verhältniss der Gesammtzahlen un-
gefähr wie 3 : 1 ist, so gewinnt man ein ziemlich deutliches Bild
von dem Unterschied in den Gewerbsverhältnissen der beiden
Städte. Rostock ist reicher als Hamburg an Haken (5^/2 : i),
Leinwebern, Kannengiessem (5*/8:i), Pelzem, Reifem, Schnei-
dern, Schmieden (5:1), an Sattlern (4^/4 : i), Schuhmachern
(4 : i), Bäckern (3^/4 : i), ungefähr gleich reich an Wollenwebem,
Maurern, Krämern (3^/8: i), Zimmerleuten, Kistenmachem( 2^/2: i),
ärmer an Gerbern, Knochenhauem , Fischern (i^/a: i), Drechs-
lern (1V2 : i), Böttchern (iVaii), Armbrustmachem (1V4 : i),
Goldschmieden, Glasern u. s. w. (i : i) und Hutmachem {^U : i).
. R
knokenhouwere ... 20
specksnyder —
kertzenghetere .... —
gruttemakere 3
kremer 20
halben 30
solthaken 5
koelhaken 6
appelhaken 3
visschere 20
vorlüde 4
dregher 150
kroegere —
H
12
6
8
!
t
— •
12
20
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IV.
EINE HANSISCHE SEEVERSICHERUNG
AUS DEM JAHRE 1531.
MITGETHEILT
VON
ADOLF HOFMEISTER.
In welcher Weise sich der hansische Handel des 15. und
16. Jahrhunderts die Vortheile der Versicherung gegen die
mancherlei Unfälle, denen Schiflf und Ladung zur See ausgesetzt
sind, zu nutze gemacht hat, ist noch immer eine oflfene Frage.
Schon von der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts an hat sich
das Seeversicherungswesen in Portugal, Spanien und Italien zu
einem vollständig ausgebildeten, reichen Gewinn versprechenden
Betriebe ausgebildet*); in den Niederlanden (Brügge, Antwerpen)
bestand bereits um die Mitte des 15. Jahrhunderts ein lebhaft
betriebenes Assekuranzgeschäft; in den Seestädten unserer deutschen
Nord- und Ostseeküste dagegen mangelt bis gegen Ende des
16. Jahrhunderts jede Spur eines solchen, und selbst für die
Benutzung fremder Versicherungsgelegenheiten lag ein directer
Beweis bisher kaum vor. Ein Zufall führte mir nun vor kurzem
ein Document in die Hände, welches in mehr als einer Beziehung
der Beachtung werth erscheint. Es ist die Police über eine im
Jahre 1531 zu Antwerpen abgeschlossene Seeversichenmg für
i) Reatz, Geschichte des Europäischen Seeversicherungsrechts, i. (bis-
her einziger) Theil, Leipzig 1870, S. 13 ff.
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— 170 —
das Gottschalck Remlynckrade gehörende Schiff »der Schwan«^
Schiffer Mathias Kuntze von Lübeck, nebst Ladung auf der
Fahrt von Lübeck nach Amemuiden, in der Höhe von 1883.
flämischen Pfund, also annähernd 10,000 Mark lüb. Dieselbe
dürfte, wenn nicht die älteste uns erhaltene derartige Urkunde
für Nordeuropa überhaupt, so doch wohl die älteste, in deutscher
Sprache für ein deutsches Fahrzeug ausgestellte sein, welche bis-
her zum Vorschein gekommen ist. Ob wir damit zugleich ein
allgemein gültiges, feststehendes Formular vor uns haben, wie
es in Antwerpen nach den Untersuchungen von Reatz wahr-
scheinlich bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
existirt haben mag, oder nur das Formular des den Vertrag auf-
setzenden Notars, das zu beurtheilen bin ich ausser Stande, da
mir die bezügliche Schrift: Ordonnances du duc d'Albe sur les
assurances maritimes de 1569, 1570, 1571, Brüssel 1877, nicht
zugänglich und nur aus der mir von Herrn Professor V. Ehren-
berg freundlichst nachgewiesenen Besprechung von Goldschmidt
in der Zeitschrift für Handelsrecht Bd. 23 (1873), S. 359, be-
kannt ist, und überlasse die Würdigung des werthvollen Instru-
ments nach seiner rechtshistorischen Wichtigkeit Berufeneren.
Die Urkunde mit ihren 44 Unterschriften, von denen ein Viertel
für Gesellschaften gilt, giebt uns einen Einblick in die damals
in Antwerpen und Brügge vertretene hauptsächlich italienisch-
spanische Handelskolonie. Nur ein niederländischer, wenige für
provenzalisch und französisch anzusehende und ein einziger un-
zweifelhaft deutscher Name finden sich darunter. Der letztere ist
der des Antwerpener V^ertreters des Hauses Welser in Augsburg,
dessen Bevollmächtigte an Seeplätzen, wie uns durch das Tage-
buch Lucas Rem's») für Lissabon und Antwerpen bezeugt wird,
auch an der sonst fast ausschliesslich in den Händen der Ita-
liener und Spanier liegenden Seeversicherung sich zu betheiligen
pflegten. Die Höhe der in diesem Falle gezahlten Prämie ist
leider nicht zu ersehen.
Die vorliegende Police ist auch im Aeusseren auffällig. Sie
1) Vgl. Hans. Geschichtsbl. Jahrg. 1885, S. 128—30.
a) Herausgegeben von B. Greiff im 26. Jahresbericht des historischen
Kreisvereins im Regierungsbezirke Schwaben und Neuburg. Augsburg 1861.
Digiti
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— lyi —
ist auf einen grossen Bogen in Plakatform gedruckt und, wie ich
glauben möchte, in Lübeck. Zu welchem Zwecke, ob vielleicht
zur Vertheilung an die einzelnen Versicherer oder an Theilhaber
an Schiff und Ladung, darüber sind nur Vermuthungen möglich.
Dass der Druck wirklich praktischen Zwecken gedient hat, daran
lässt das der Universitäts-Bibliothek zu Rostock gehörige Exemplar
keinen Zweifel. Dasselbe ist in Briefgrösse (^/82 des ganzen
Bogens) zusammengelegt, trägt auf der Aussenseite ein D (detur ?)
und zeigt noch das durch alle Lagen durchgehende Loch, durch
welches der umschlingende Faden hindurchgezogen war. Es
lautet mit Auflösung der im Druck vorkommenden Abkürzungen
von Wort zu Wort:
In Gades namen, Amen. Wy Koeplude, Assurors, hyr
vndergeschrfeuen , bekennen vnde bestan, dörch desse yegen-
wardyge schrifft, dat wy entfangen hebben, so vfele geldes vnde
gudes , van Godschalck Remlynckraden , Kopman yn Oestlant,
dar v6r wy fem assureren efft vorwissen, de Summe van gelde
hyr vnder geschrfeuen, mit vnsen egenen banden, vp de güder
kopenß vnde Schip, genömet de Swaen mit aller tobehorynge
vnd geschütte, bynnen vnde buten, nichtes vthgeslaten, dem
genomden Godschalck, offte yemande anders tobehörende, ydt
sy denne watterleye war effte güder ydt syn , dörch &m effte
eynen anderen, vp dat v6rgeschreuen Schip (nu tho Lübeck yn
Ostlandt vorschrfeuen lyggende) geschfepet, vp welckfere Schip
Mathias Kuntze van Lübeck, effte eyn ander de Schipper ys
Van der tydt an, dat dyt Schyp mit den v6rgeschrfeuen güdem
vnd kopenschop, begünt afftho lopende, effte aflopt vth der
Hauen van Lübeck, vnd yn de Hauen tho Armüye yn Zelandt
gekamen ys. So neme wy vp vns de m6ye, last, sorge vnd
feuentür, düsses v6rgeschreuen Schepes vnde güder, beth tho
der v6rgeschreuen Hauen, tho Armüye, dar van wy ydt feuentür
stan, so wol der See, des waters, alse des Fürs, Fründe, Vyende,
breue edder breuen, van kopenschop vnde mercken, Ock van
aller tosage Keyßer, Köningen, Princen, vnde heren, Ock vor
gewalt vnde deuerie, edder ßfls yenniges schaden vnde ynvalß
haluen, Welck men bedencken vnde nicht bedencken kan vnde
mach, dat dem Schfepe vnde güdern mach schfedelick syn vnd
tokamen, nichtes buten bescheden, beth so lange, dat dyt v6r-
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geschreuen Schip, mit den güdern yn de v6rgeschreuen haue
gekamen ys , dar vor dem Ancker licht, vnde de v6rgeschreuen
kopenschop vnde guder vp geschepet, vnde an landt gebracht,
vnde altosamende yn gudem beholde geborgen sin, vnde ym
valle, dat ydt sick na dem willen Gades begeue (welck nicht
gesehen m6te) dat hyr yennich gebreck ynuelle, anders dan
gudt. So belauen, obligeren vnde vorbynden wy vns deme v6r-
geschreuen Gotschalcke, efFte brynger dösser yfegenwardigen
Zedulen, effte laue Zedulen, Erliken vnde vullenkameliken, bynnen
twe Mänte dar na (alß vns effte den vnßen sölckens vorwytlicket
ys) wol tho betalen. So v&le vnde all dat wy mit vnßen egen
banden hyr vnder geschrfeuen vnde vorwilkört h ebben , Sünder
alle wedderseggent, vprtickelse edder vortoch, Dem geliken ge-
lauen vnde vorbynden wy vns ock , all den schaden , de vns
möchte tokamen, effte dar van entstan, ock wol tho betalen.
Vnde ym valle, dat me warhafftige tydynge erföre, eyn Yar
na der tydt, alß dyt vorgeschrfeuen Schip van Lübeck gelopen
ys, vnde v&llichte yn eyne ander Hauen gekamen , vnde süst
mit den güderen noch geborgen weer, so schal Godtschalck vnde
de synen geholden syn, vns wedderümme tho geuen, wes se van
vns entfangen hebben, vnd dat na dem Seerechte, Vsantie vnde
Costume der Stadt Lunden yn Engelandt. Nichte myn so con-
senteren vnde beleuen wy, yn dem vörgeschreuen valle, dat
Godtschalck effte eyn ander van synent w&gen de handt vp so-
dane Schip vnde güder mach leggen, vnde de antasten, ane
vnse vorlöff vnde consent, vnde se bryngen yn de v6rgeschreuen
Hauen, yodoch vp vnse vnkost vnde t§rynge der assurantien
vnsch&delick , so dat de gelikewol blyue yn §rer vullenkamen
macht, Vns vorbyndende mit lyue vnde gude, yfegenwardich
vnde tokamende, Renuncierende vnde vorsakende alle behelpe
vnde exemptien der Rechte, der d&dt, vnde alle des yennen,
dat vns möchte hyr enty&gen behülplick vnde bäthlick syn, sün-
der alle bedroch, argelyst vnde quade fünde. Thor tüchnisse
der warheyt, hebbe wy dysse tosage vnde beleuinge laten
schriuen, dörch eynen anderen, yn sülcker krafft, so alße offte se
eyn yder van vns mit syner egen handt süluen geschrfiuen
hadde, ock thor tydt, dat eyn yder mit sjrner egen handt, h5rr
vnder geschreuen heffl, vnde vp de süluesten tydt gegeuen tho
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Antwerpen, XIII. Julij. Yn dem yare vnde geborth vnses Heren,
vörgeschreuen 1531. Godt de Here, wylt ynt ende wol be-
waren, aldüß vnder geschreuen.
Jhesus, Wy Paschael Pawel de negro vnde de geselschop,
synt tho frfeden, vor V5fftich Pundt grote Flamß, Hüten am
XXVIII. dage Jub'j. 1531. tho Antwerpe, Godt wylt bewaren.
Ick Jürgen van Barros , segge dat ick tho- frfiden byn , de
vaer vnde fiuentür tho stände vp dat Schip, welck Godt beware,
de Summa van Vertich pundt grote. am XXVIII. Julij. M.D.XXXI.
Ick segge ydt Schyp vnde gudt, darynne befrachtet.
Ick Jürgen Lopes segge, dat ick tho frfeden byn, vnde de
vär ydt feuentür tho stände, van xvij. Pundt grote Flaemß, vp
dat vörgeschreuen Schyp vnde güder dar ynne geladen, all to-
h6rende dem vörgeschreuen Godtschalcke , welck Godt behöde,
den XXVIII. Julij. Anno M.D.XXXI.
Ick Ruys Fernandes segge, dat ick tho frfide byn yn dyt
Schyp, welck Godt behöde, vor de Summa van V6flftich Pundt
Flamß, tho Antwerpe, Am XXVIII. Julij. Anno M.D.XXXI.
Ick Johan Symon byn tho fr§de, ynt vörgeschreuen Schyp,
welck Godt beware, vor Vöfftich Pundt grote Flamß, Ick segge
Vöfftich pundt, gesehen tho Antwerpe, am XXVIII. Julij. Ym
yare M.D.XXXI.
Wy Bemhardinus cenani, Johan Balbani vnde vnse gesel-
schop, syn tho fr6de van dysser vorwyssinge, vor de Summa
van Vöfftich Pundt grote Flamß, Des xxviij Julij. Anno M.D.XXXI.
tho Antwerpe, Godt wylt bewaren.
Wy Franciscus vnde Steffen Bourlamachij, vnde vnse ge-
selschop, syn tho frfede mit dysser assurantien, vor de Summa
van Hundert Pundt grote Flamß, des xxix. Julij. Anno M.D.XXXI.
Tho Antwerpe, Welck Godt bescherme.
Wy Jaspar Duccij , vnde vnse geselschop, vorwyssen tho
Hundert Pundt grote Flamß, halff vor my vnde de geselschop,
vnde halff vor Hinrick van Reeß, des xxix. Julij. Anno M.D.XXXI.
Welck Godt beware.
Ick Johan Carli Deliafiaitadi , byn tho fr6de, mit düsser
Vorwyssunge, vor de Summa van twe Hundert Pundt grote
Flamß, Hüten am lesten dage Julij. Anno M.D.XXXI. Tho
Antwerpe, Godt wylt bewaren.
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Wy Bonauentura Michelß, Jeronimus Arnolphini vnde vnse
geselschop, syn tho frSde mit dösser vorwyssunge, vor de Summa
van Tachtentich Pundt grote Flamß Des xxx. Julij. Anno
M.D.XXXI. Tho Antwerpe.
Ick Jeronimus Spinula q. d. Steffani, byn tho fr§de, des
yennen dat vörgeschreuen ys, angände de Summa van V6fFteyn
Pundt grote Flamß, Hüden am andern dage Augusti. Anno
M. D. XXXI Tho Antwerpe. Godt wilt auer all bewaren.
Ick Sebolt Köneyßel, ymme namen Johans vnde Jacobs
Welzer, byn tho frf de , van dysser vörgeschreuen vorwissunge,
mit Dortich Pundt grote. Flamß, Amme drüdden Augusti. Anno
M.D.XXXI. Godt wil ydt tho der beholdy[nge vören?]').
Wy Franriscus de Grimaldi vnde Augustin de Aurea, syn
tho frfide, dyss[e vorschreuen] angandes, De Summa van Vöflftich
Pundt grote Flamß, Hüten amme drüdden Augusti. Anno
M.D.XXXI. Tho Antwerpe. Godt wylt all [bewjaren.
Wy Symon Pecorij, vnde de geselschop, syn tho fr&de vor
de Summa, van Hundert Pundt grote Flamß, Amme IUI. Augusti.
Anno M.D.XXXI. to Antwerpe.
Ick Fernandus Daza, byn tho fr^de yn dyt Schyp, welck
Godt beh6de, vor de Summa van Vöfftich Pundt grote, tho
Antwerpe. IUI. Augusti. Anno M.D.XXXI.
Ick Symon spinula q. d. Benedicti, byn tho fr&de des vör-
geschreuen, angände de Summa van i8. Pundt grote Flamß.
IUI. Augusti. Anno M.D.XXXI. Tho Antwerpe. Godt wyl ydt
bewaren.
Wy Arnolt de Piano vnde Johan Sadorme, syn vp gewisse
rßkenschop apenbar tho fr6de, vp dyt Schyp tho 20. Pundt grote.
Des IX. Augusti. Anno M.D.XXXI.
Ick Diego de sancto Dominico, byn tho fr6de yn dyssem
Schepe, tho Vöfftich Pundt grote Flamß. amme V. Augusti.
Anno M.D.XXXI. Tho Antwerpe.
Ick Johan Baptista Gwyccardini, byn tho fr&de, yn de vor-
schreuen Assurantie, vor de Summa van Vöflftich Pundt grote
1) Loch im Original.
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Flamß, des V. Augusti. Anno M.D.XXXI. Tho Antwerpe,
Welck Godt aueral bescherme.
Wy Johan Faulet vnde Johan Decolodi, syn yn dysser Assu-
xantien tho frfede, vor de Summa van XXX. Pundt grote Flamß,
Welck Godt beware, am V. Augusti, Anno M.D.XXXI. Tho
Antwerpe.
Ick Alonse de sancto Victore maluenda, byn tho fr&de ynt
v6rgeschreuene Schip, welck Godt beh6de, vor Hundert vnde
VöfFtich Pundt grote Flamß, tho Antwerpe des V. Augusti. Anno
M.D.XXXI.
Ick de vörgeschreuen alonse de sancto Victore maluenda,
byn tho fr&de ynt vörgeschreuene Schip, noch vor X. punt
grote, vp de r&kenschop Juliani de medina to antwerpe.
V. Austi. (1)
Ick Gregorius Cattaneus, byn tho fr&de, vor achtend6rtich
Pundt grote Flamß.
Ick Frederick de Mulyn , byn tho fr&de mit düsser y&gen-
wardigen vorwissunge, vor Vöffteyn Pundt grote Flamß, des
17. Augusti. Anno 1531. Tho Antwerpe. Godt late ydt kamen,
yn beholdene hende.
Ick Alonse Fernandes de spinosa, byn tho fr&de yn dyt
Schip, welck Godt beware, vor Vöffteyn Pundt grote, Tho Ant-
werpe. VII. Augusti. Anno 1531.
Ick Andreas Mauriques (I), byn tho fr&de, yn dyssem schepe,
welck Godt behöde, vor Twyntich. Pundt grote Flamß, amme
VII. Augusti. Anno M.D.XXXI.
Ick Aluarus de Maluenda, byn tho fr&de, yn dyt schyp,
Welck Godt beschermen möte, vor Hundert Pundt grote Flamß.
amme 14. Augusti. Anno 1531.
Ick Franciscus de Gaona, byn tho frfede vp dyssem Schepe,
Welck Godt behöden m6te, vor Dörtich Pundt grote Flätnß.
amme 14. Augusti. Anno M.D.XXXI.
Ick Jeronimus de Caiion, byn tho fr6de yn dyssem Schepe,
Welck Godt behöde, vor Vyff vnde tachtentich Pundt grote.
Tho Brügge, amme 14. Augusti. Anno 1531.
Ick Johan de Mendieta, byn tho frede yn dyssem Schepe,
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Welck Godt behöden m6te, vor Vöffteyn Pundt grote. amme
14. Augusti. Anno M.D.XXXI.
Ick Fernandus de Mogica, byn tho frede yn dyssem Schepe,
Welck Godt beware, vor Vöfftich Pundt grote. amme 14. Augusti,
Anno M.D.XXXI.
Ick Peter de Marquina, ymme namen myns Mesters her
Johan de Paredes, byn tho frede yn dyssem schepe, welck Godt
bescherme, vor xxv. pundt grote. 14. August. 1531.
Ick Franciscus de Sisueros (I), byn tho frede vor Teyn
Pundt grote, yn dyssem schepe, Höten 14. Augusti. Anno
M.D.XXXI.
Ick Alonseus de Ona, byn tho frede, in dyssem schepe,
Welck Godt salueren wil, vor x. ^. grote, de Franciscus de
Rio, vnde ick lopen 14. Augusti. Anno 1531.
Ick Diego de sancto Dominico, byn tho frede yn dyssem
Schepe, Welck vnse Here beschermen wyl, V6ffteyn ^. grote.
Tho Brögge. des 14. Augusti. Anno 153 1.
Ick Diego Ortega van Bourgos, byn tho vrede, yn dyssem
Sch&pe, Welck vnse Here beware, vor Twyntich ü, grote Des
14. Augusti. Anno M.D.XXXI.
Ick Märten de sahnas retes, byn tho frede yn dyssem
Schfepe, Welck Godt bewar, vor V6fFeeyn (I) ^. grote. Tho
Brügge, amme 14. Augusti. Anno M.D.XXXI.
Ick Diego de auila, byn tho frede yn dyssem Schepe, Welck
Godt bewar, vor Vöffteyn ^. grote Flamß. Tho Brügge, des
14. Augusti. Anno 153 1.
Ick Lodewych de Cuelar, byn tho frfede yn dyssem Schepe,
welck Godt bewar, vor Teyn Pundt grote. Amme 14. Augusti.
Anno M.D.XXXI.
Ick Franciscus de la terre, byn tho vrede yn dyssem
schepe, Welck Godt bescherme, vor Vöffteyn Pundt grote, des
14. Augusti. Anno M.D.XXXI.
Ick Gregorius de sancto Vincente, byn tho vrede yn dyssem
schepe, Welck vnse Here salueren wyl, vor Teyn Pundt grote,
de Vyue vor Laurens de spinosa, vnde de andern Vyue vor
my. Des 14. Augusti. Anno M.D.XXXI.
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— 177 —
Ick Anthonius de Cuelar, byn tho vrede yn dyssem Schepe,
Welck Godt bescherme, vor Teyn Pundt grote. Des 1 4. Augusti.
Anno M.D.XXXI.
Ick Märten sans de Thona, byn tho vrede yn dyssem
Schepe, Welck Godt beh6den möte, vor V)rflf vnde twyntich
Pundt grote, amme 14. Augusti, Anno 1531.
Ick Johan de Castro, byn tho vrede yn dyssem schepe,
Welck Godt bew aren wy (1), vor XXV. Pundt grote, Tho Brügge
amme 14, Auhusti (I). Annno M.D.XXXI.
Hansische Geschichtsblätter. XV.
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RECENSIONEN.
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. )
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Dr. C. SATTLER , Handelsrechnungen des Deutschen
Ordens. Im Auftrage des Vereins für die Geschichte von
Ost- und Westpreussen herausgegeben.
Leipzig 1887. Duncker & Humblot. XL VI, 629 S. 8".
VON
WILHELM STIEDA.
Mit diesem Buche wird unsere Kenntniss der deutschen,
so lange vernachlässigten Handelsgeschichte in doppelter Weise
erweitert. Es bietet Aufklärung über die Handels Verhältnisse
des Hansebundes und ist territorialgeschichtlich wichtig zur
Charakteristik des weltlichen Treibens jener hochinteressanten
geistlichen Gemeinschaft, die, ursprünglich zu ganz anderen
Zwecken zusammengetreten, es im Laufe der Zeit nicht ver-
schmähte, in Concurrenz mit den Einwohnern des von ihr unter-
worfenen Landes es dem Kaufmanne gleichzuthun.
Mitgetheilt werden Rechnungsbücher der Grossschäffer von
Marienburg und Königsberg, sowie zweier flandrischer Lieger
aus dem Ende des 14. und dem ersten Viertel des 15. Jahr-
hunderts. Grossschäffer und Lieger sind Beamte des Ordens,
die in dessen Auftrage und von ihm bezahlt den Handel treiben.
Der ersteren gab es nur 2, mit dem Wohnsitz in Preussen, der
letzteren mehrere, die sich in den verschiedenen Ländern auf-
hielten, mit welchen der Orden vorzugsweise in geschäftlichem
Verkehr stand. Die Bücher enthalten theilweise Aufstellungen
über den derzeitigen Stand des Geschäfts — Bilanz- und Schluss-
rechnungen — , theilweise den fortlaufend geführten Nachweis der
stattgehabten Ein- und Verkäufe. Sie bieten Notizen über Maass
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und Gewicht, Waaren, Preise, Frachten, Spesen u. dergL m. Da-
durch, dass die Grossschäffer ihren geschäftlichen Wohnsitz im
Ordenslande selbst hatten, erfährt man aus ihren Rechnungen
die Einkaufspreise der Ausfuhrartikel und die Verkaufspreise der
Importgegenstände, während die Liegerbücher die in Flandern
erzielten Preise der preussischen Ausfuhrartikel und die Einkaufs-
preise der für Preussen bestimmten Importwaaren angeben. In-
dess ist es nicht immer möglich, aus der Gegenüberstellung
beider Preise einen Schluss auf den erlangten Gewinn zu machen,
weil die Verschiedenheit der in Preussen und Flandern gebräuch-
lichen Maasse keinen genauen Vergleich zulässt und die be-
treffenden Daten um mehrere Jahre auseinanderliegen.
Aus den Papieren des Grossschäffers von Marienburg sind
abgedruckt eine Rechnung vom Jahre 1399 (S. i — 7) und drei
Rechnungsbücher aus den Jahren 1404 (S. 7 — 18), 1410 — 18
(S. 48 — 57) und 141 7 (S. 57 — 98). Die Königsberger Gross-
schäflferei hat zwei Bilanzrechnungen aus den Jahren 1402
(S. 164 — 167) und 1404 (S. 273 — 274) sowie sechs Rechnungs-
bücher aus den Jahren 1400 — 1402 (S. 100 — 164), 1402 — 4
(S. 167—273), 1404—5 (S. 274—275), 1405—6 (S. 275—281),
1411 — 23 (S. 281 — 299) und 1417 — 23 (S. 299 — 316) geliefert.
Von den 3 Liegerbüchern, die in Brügge geführt sind, entstammt
eins den Jahren 1391 — 99 (S. 317 — 450), das zweite den Jahren
1419 — 34 (S. 450 — 474), das dritte den Jahren 1423 — 34
(S. 474 — 522). Der Herausgeber druckt nicht alle diese Rech-
nungen vollständig ab. Da dieselben mehrfach Wiederholungen
bieten, so schien es genügend, Auszüge zu geben. Gleichfalls
fortgelassen wurden Theile der Bücher, die auf die Verhältnisse
des Ordens keinen Bezug nahmen. So strich Sattler in 2 Lieger-
büchern die Notizen über die Geschäftsverbindungen der Lieger
mit fremden Kauf leuten. Bei den Rechnungsbüchern der Gross-
schäfferei war dieses Verfahren gewiss sehr zweckmässig ; bei den
Liegerbüchern aber scheint es uns nicht ganz richtig. Denn
wenn die Lieger als Beamte des Ordens die Möglichkeit hatten,
neben der Thätigkeit für den Orden noch selbständige Geschäfte
zu treiben, so charakterisirt dies den Ordenshandel und seine
Organisation, und wäre es interessant, Ausdehnung und Art dieser
Geschäfte kennen zu lernen. Dazu kommt der Werth, den der-
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ajrtige, bis jetzt nur spärlich veröffentlichte Mittheilungen für die
Handelsgeschichte überhaupt besitzen.
Die kaufmännische Buchführung erscheint in diesen Büchern
noch auf niedriger Stufe. Ob der Einzelne mehrere Bücher
neben einander führte, oder gar wie viele, lässt sich nicht fest-
stellen. Die Vielheit der Bücher, wie sie der heutige Kaufmann
kennt, war damals wohl nicht gebräuchlich. Nachweisungen
von Ein- und Verkäufen, Schuldverbindlichkeiten, Geldsendungen
u. s. w. wechseln mit einander ab, und die Bücher machen daher
den Eindruck von Kladden, oder, wenn man lieber will, von
Hauptbüchern, in welche alle Geschäfte in der chronologischen
Reihenfolge ihres Vorkommens eingetragen sind. Die Rechen-
kunst war eine geringe; Summirungs- und Multiplicationsfehler
sind keine Seltenheit.
Der Abdruck befriedigt alle Wünsche, die in einem solchen
Falle gestellt werden dürfen, und erweist die volle Herrschaft des
Herausgebers über seinen Stofif. Mit Hülfe der Zeilenzählung
kann man sich nach den Registern leicht zurechtfinden. Diese
selbst, sowohl das Namen- als auch das Sach- und Wortregister,
sind u. E. vollkommen ausreichend. Der Aufnahme von Worten
in das Register muss eben irgendwo eine Grenze gezogen wer-
den, und dass sich nicht alle Ausdrücke erklären lassen , kann
bei dem heutigen Stand der Forschung nicht dem Herausgeber
zur Last gelegt werden. Manche Erklärung hätte sich vielleicht
ergeben, wenn Sattler an eine Bearbeitung des von ihm mit-
getheilten Stoffes gegangen wäre. Weshalb das unterbleiben
musste, hat der Herausgeber in der Vorrede auseinandergesetzt,
und wir sind daher nicht berechtigt, ihm einen Vorwurf aus
dieser Enthaltsamkeit zu machen. Unser lebhaftestes Bedauern
aber darüber, dass der Herausgeber, der sich für die Veröfifent-
lichungszwecke so gründlich in den Stofif hat vertiefen müssen,
die dabei erworbene Kenntniss nicht weiter verwerthete, können
wir nicht zurückhalten. Die kurze Einleitung, die Sattler spendet,
entspricht dem Reichthum des Materials nicht. Sie giebt in der
Hauptsache die beiden schönen Aufsätze wieder, welche Sattler
in diesen Blättern, Jahrg. 1877 und 1882, über den deutschen
Orden, seinen Handel und sein Verhältniss zur Hanse hat
drucken lassen, und mit welchen er auf seinen archivalischen
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Fund die Aufmerksamkeit lenkte. Ein Nachweis der Länder,
mit welchen der Orden in Verkehr stand, ist vervollständigend
hinzugefügt. So dankenswerth diese Gabe auch ist, so hätte
man doch eine eingehendere Verwerthung des reichhaltigen
Stoffs aus derselben kundigen Hand, die ihn tiberhaupt erschloss,
gern gewünscht. Indess auch bei der vorliegenden Gestaltung
der Arbeit hat man alle Ursache, dem Verein für die Geschichte
von Ost- und Westpreussen und dem Herausgeber den lebhaf-
testen Dank dafür zu zollen, dass sie eine derartig wichtige
handelsgeschichtliche Quelle weiteren Kreisen zugänglich gemacht
haben.
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KARL BÜCHER, Die Bevölkerung von Frankfurt am
Main im XIV. und XV. Jahrhundert.
Bd. I. Tübingen 1886. XX, 736 S. 8°.
J. JASTROW, Die Volkszahl deutscher Städte zu
Ende des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit.
Berlin 1886. VIII, 219 S. 8°.
VON
WILHELM STIEDA.
Die Wichtigkeit des Gegenstandes mag es erklären, wenn
ausnahmsweise zwei Werken, die nach den Grenzen, welche sich
die Hansischen Geschichtsblätter ziehen müssen, nicht in den
Bereich ihrer litterarischen Uebersichten fallen, Aufmerksamkeit
geschenkt wird. Mit der Frage, wie die Bevölkerungszahl mittel-
alterlicher Städte festgestellt werden kann, haben sich schon
Manche beschäftigt. Unter den Städten des Hansebundes sind
es Hamburgs), Lübeck«), Rostocks) und Danzig^), für welche
gelegentlich der Versuch gemacht ist, die Volkszahl älterer
Zeiten zu bestimmen. Aber so wie die Ergebnisse der Forschungen
von Laurent, Mantels, Hirsch und Paasche nicht ohne Wider-
spruch geblieben sind — es sei hier an Koppmann' s Beleuch-
tung der Laurent'schen Berechnungen erinnert 5) — und unter
1) Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte. Bd. i. S. 141 ff.
2) Mantels, Beiträge zur lübisch-hansischen Geschichte S. 55 — 102.
3) Hildebrand's und Conrad's Jahrbücher für Nationalökonomie und Sta-
tistik. Bd. 39. S. 358 ff.
4) Hirsch, Danzigs Handels- und Gewerbegeschichte S. 22.
5) Correspondenzbl. d. Gesammtvereins d. deutschen Geschichtsvereine.
Bd. 29. S. lyflF.
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sich nicht übereinstimmen, so ist es auch der Fall mit den für
andere Städte gemachten Aufstellungen von Hegel, Schönberg,
Richter, Arnold, Kirchhofif u. A. Sie schlagen alle verschiedene
Wege ein und können schliesslich nur einen mehr oder minder
genauen Grad von Wahrscheinlichkeit beanspruchen. Unter
diesen Umständen sind Untersuchungen, welche sich zur Auf-
gabe setzen, die verschiedenen bisher angewandten Methoden
auf ihre Zulässigkeit und Brauchbarkeit kritisch zu prüfen und
die dabei gewonnenen Resultate mit einander zu vergleichen,
sehr willkommen, doppelt willkommen, wenn sie mit derartigem
Geschick und Erfolg geführt sind, wie die oben genannten.
Bücher geht übrigens über den angedeuteten Rahmen weit
hinaus. Die Ermittelung der Volkszahl, mittelalterlicher Städte
bildet den Ausgangspunkt seiner Betrachtungen und giebt ihm
Gelegenheit zu vortrefflichen klaren Bemerkungen über die Me-
thode nfrage. Aber wichtiger ist ihm doch die Darstellung der
socialen Gliederung der Stadtbevölkerung, mit der er ein bis jetzt
völlig brach gelegenes Feld betritt, auf welchem trotzdem
schöne Früchte zu ernten ihm gelingt. Auch verdient sein
Werk insofern den Vorzug vor Jastrow, als er für eine Stadt aus
einem längeren Zeitraum neues Material beibringt , das, auf die
mühseligste Weise errungen, ihm die Möglichkeit bietet, die als
richtig anerkannten Grundsätze mit Fleisch und Blut auszu-
, statten und in Wirklichkeit umzusetzen.
Beide Werke sind gleichzeitig erschienen. Doch lagen von
Bücher's Forschungen die ersten Abschnitte bereits in den Jahr-
gängen 1881 und 1882 der Zeitschrift für die gesammte Staats-
wissenschaft vor, so dass Jastrow auf sie Bezug nehmen konnte und
mehrfach vielleicht erst durch sie zu seinen Auseinandersetzungen
angeregt ist. Auch muss hervorgehoben werden, dass von den
oben genannten Arbeiten die von Paasche, Richter und Hegel
nach der Veröfifentlichung von Bücher's ersten Artikeln in der
genannten Zeitschrift erschienen sind, so dass er einen neuen
Anstoss flir die Aufnahme dieser Untersuchungen gegeben zu
haben scheint.
Jastrow's Buch zerfallt in zwei Theile. In dem ersten er-
örtert er die Methoden, die den bisherigen Ermittelungen der
Volkszahl zu Grunde gelegen haben (S. 7 — 107); in dem
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zweiten weist er auf Quellen hin, die zur Zeit für den betreffen-
den Zweck noch wenig oder gar nicht ausgenutzt sind, und die
es ermöglichen würden, Angaben über die Bevölkerung früherer
Zeiten in grösserem Maasse zu beschaffen (S. io8 — 154). Han-
delt es sich in dem ersten um Versuche zur Bestimmung der
Volkszahl im 15. Jahrhundert, so ist in dem letzteren von
Quellen, wie sie fiir das 16. Jahrhundert zu Gebote stehen, die
Rede. Zum Schluss des zweiten Theüs wird in einer orien-
tirenden Uebersicht der Stand der Forschung sowohl in Bezug
darauf, was zur Kenntniss der Grösse der Bevölkerung erreicht
ist, als auch hinsichtlich des Gewünschten und Möglichen cha-
rakterisirt (S. 155—174). Zwei Beilagen befassen sich mit der
Nürnberger Volkszählung von 1449 und märkischen Musterungen
und Katastern des 16. Jahrhunderts.
Bücher's Forschungen gliedern sich ebenfalls in zwei Theile.
Im allgemeinen Theil (S. i< — 47) werden die Frage der Anwendung
der statistischen Methode auf die Erforschung des mittelalter-
lichen Gesellschafts- und Wirthschaftslebens, die bisher versuchten
Berechnungsweisen, die Nürnberger Bevölkerungsaufnahme von
1449 ^^ i^rer Bedeutung für die mittelalterliche Bevölkerungs-
statistik besprochen. Der specielle Theil (S. 51 — 713) bietet in
8 Abschnitten die Bearbeitung des in dem Frankfurter Archiv
neu gewonnenen umfangreichen Stofifs. Im Anhang (S. 713 — 733)
sind einige Urkunden aus den Jahren 1350 — 1450 zum ersten
Male abgedruckt.
Da mit seltenen Ausnahmen Zählungen der Bevölkerung im
Mittelalter nicht üblich gewesen sind und Schätzungen der Volks-
zahl einer bestimmten Gegend oder Stadt in der Vergangenheit
zu zuverlässigen Ergebnissen nicht führen können, so ist man
auf die Vornahme von Berechnungen angewiesen, um mehr oder
minder wahrscheinliche und glaubwürdige Resultate zu gewinnen.
Diese Berechnungen können angestellt werden:
i) nach der Zahl der männlichen erwachsenen Personen,
die in Eidregistem, Bürgermatrikeln u. s. w. sich angegeben
finden,
2) nach einem Bruchtheile der gesammten männlichen Be-
völkerung, z. B. der waffenfähigen Mannschaft,
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— i88 —
3) nach der Zahl der Kirchenbesucher oder Com munikanten
beiderlei Geschlechts,
4) nach der Zahl der Steuerzahler beiderlei Geschlechts
wie sie aus Schossregistern und Steuerbtichem sich ergiebt,
5) nach der Zahl der Häuser,
6) nach der Zahl der Haushaltungen,
7) nach den Zahlen für die Bewegung der Bevölkerung
(Geburten, Sterbefälle, Eheschliessungen). .
Diese Methoden werden von beiden Autoren sorgfältig kriti-
sirt, von Jastrow , wie es die Anlage seines Buches mit sich
bringt, in ausführlicher Weise (S. 10 — 25), von Bücher kürzer,
aber nicht minder zutreffend (S. 14 — 31). Auf die dritte Me-
thode hat Jastrow kein Gewicht gelegt, wogegen Bücher die
siebente unerwähnt lässt. Bei dem letzteren erklärt sich dies
wohl daraus, dass er sich zeitlich auf das 14. und 15. Jahr-
hundert beschränkt und aus dieser Zeit Nachrichten über den
Bevölkerungswechsel sich nicht erhalten haben. Aufzeichnungen
über Geburten und Sterbefälle kommen erst im 16. Jahrhundert
auf und sind auch aus dieser Zeit bis jetzt ganz vereinzelt auf-
gefunden. Ohne Zweifel sind sie aber eine für die neuere Zeit
höchst beachtenswerthe Quelle und daher die von Jastrow über
sie geführten Untersuchungen (S. 64 — 79, 138 — 139, 160)
am Platze. Neben diesen Berechnungsweisen, für deren An-
wendung sich bereits Beispiele namhaft machen lassen, weist
Bücher noch auf die Versuche hin, aus den Zahlen der kirch-
lichen Anstalten (S. 17), den Zahlen der Schöffen und Raths-
mitglieder, den Zahlen der zünftigen Meister im Ganzen oder in
einzelnen Handwerken die Grösse der Bevölkerung zu ermitteln,
Bestrebungen, über welche indess mit Recht der Stab gebrochen
wird, und die sich zur Nachahmung nicht empfehlen. Eine be-
stimmte Methode kann natürlich von keinem der Autoren als
die beste empfohlen werden. Sie haben alle ihre Schwächen,
und am zweckmässigsten dürfte es daher sein, wenn sie zur Er-
mittelung der Volkszahl neben einander angewandt werden
können, um durch Vergleichung der Ergebnisse etwaige Un-
genauigkeiten auszumerzen.
Begegnen sich beide Autoren in ihren Ausführungen auf
methodologischem Gebiete, so gehen, wie bereits hervorgehoben,
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— i89 —
sie in der weiteren Darstellung auseinander. Jastrow weist
hauptsächlich auf die bevölkerungsstatistischen Quellen für das
i6. Jahrhundert hin, die Ausweise über Landestheilungen und
über Mannschaftsmusterungen, die Steuerkataster, die Kirchen-
bücher. Ihm schwebt vor, dass man, um zu einer richtigen
Auffassung über die Grösse der Städte und die Vertheilung der
Bevölkerung zu gelangen, die Beweise massenhaft zusammen-
bringen müsse. Nicht die einzelne Stadt, sondern vereinigt
ganze Städtegruppen müssten daraufhin untersucht werden. Für
die Mark Brandenburg, die, gleichweit entfernt von dem Städte-
reichthum der Rheinlande oder der Seeküsten einerseits und von
der Städtearmuth der Berg- und Heidelandschaften andererseits,
ungefähr den Durchschnitt der deutschen Verhältnisse darstellt,
versucht er selbst eine Skizze. Jastrow schliesst mit einem
Appell an die Mithülfe der Geschichtsvereine, die Sorge dafür
tragen sollen, zunächst, dass bekannt wird, wo sich derartige
bevölkerungsstatistische Quellen in den Archiven ihrer Bezirke er-
halten haben, und dann, dass sie veröffentlicht werden.
Bücher's Untersuchungen sind ein geistvoller Versuch, aus
bisher vernachlässigten Quellen mit Hülfe der Statistik neuen
Aufschluss zur Beurtheilung des mittelalterlichen Geschäfts-
lebens zu ziehen. Mit Scharfsinn und Fleiss weiss er aus diesen
unscheinbaren Registern eine Fülle von belehrendem Detail her-
vorzuzaubern , an dessen Feststellung allein ihm übrigens nicht
gelegen ist, das er vielmehr auch in den grösseren Zusammen-
hang einzuordnen versteht. Er benutzt das neu gewonnene Ma-
terial zur Beleuchtung verschiedener rechts- und wirthschafts-
historischer Fragen und bringt für die einzelnen, mitunter selt-
samen Erscheinungen, aus seiner Kenntniss mittelalterlicher Zu-
stände Erklärungen bei. Selbst die kühne Gegenüberstellung der
Ergebnisse moderner Statistik und jener alten Register, die doch
auf verschiedenen Grundlagen beruhen, ist dazu angethan, die
Erörterung der Probleme zu fördern. Lehrreicher wäre es ver-
muthlich gewesen, wenn Bücher die Vergleichung mit anderen
Städten aus derselben Periode, wie er sie z. B. S. 105 — in vor-
nimmt, weiter hätte ausdehnen können. Doch war dazu leider
das Material nicht gegeben.
Als Quellen benutzt Bücher die Bürgerverzeichnisse von
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— 190 —
1387 und 1440. die Bürgerbücher von 131 1 — 1500, das Brüder-
schaftsbuch der Schlossergesellen von 1417 — 1450, Eidbticher,
die sogen. Hühnerbücher, d. h. Verzeichnisse der zur Entrich-
tung von Hühnern Verpflichteten in den Dörfern, und die Liste
der die Königsbede zahlenden Dorfbewohner. Er gewinnt aus
ihnen die Einwohnerzahl, die er für das Jahr 1387 auf ca. 9632
(S. 66), für das Jahr 1440 auf ca. 8600 (S. 196) berechnet und
charakterisirt den grössten Theil derselben nach Herkunft und
Beruf So bekommt man von der Besetztheit der einzelnen Ge-
werbe und der Beweglichkeit der Bevölkerung, die viel wander-
lustiger war, als man heute im allgemeinen anzunehmen geneigt
ist, eine anschauliche Vorstellung. Die in die Bürgerschaft neu
Aufgenommenen können auch nach Alter, Geschlecht und Fa-
milienstand auseinandergehalten werden. Neben der ansässigen
Bevölkerung wird die fluctuirende geschildert (S. 602 — 656),
d. h. der Versuch unternommen, auf Grundlage des Brüderschafts-
buchs der Schlosser die Wanderungen der Gesellen zu beleuchten.
Besondere Abschnitte sind der Betrachtung der Geistlichen, der
Juden und der Dorfschaften gewidmet. Unter diesen ist nament-
lich das Kapitel über die Juden lehrreich und räumt mit mancher
verkehrten Anschauung auf.
In der Ausnutzung seines Materials scheint mir Bücher
stellenweise zu weit gegangen. So in der Erörterung über Haupt-
und Nebenberuf. Die Thatsache, dass neben einem Rufnamen
zwei Berufsarten angegeben sind, wie z. B.
Heiderich schencke becker
Henne kerczenraacher slosser,
führt Bücher auf die Annahme von Doppelberufen. Heiderich
wäre ein Bäcker, der gleichzeitig eine Schenke hält, Henne ein
Schlosser, der gleichzeitig Kerzen giesst. Allerdings weist er
weiter darauf hin, dass die erste Berufsbezeichnung bisweilen (1)
das früher betriebene Gewerbe des Betreffenden oder seines
Vaters angebe, und schränkt auf diese Weise seine Behauptungen
selbst ein. Aber er will die mitgetheilten Angaben doch als
Beleg für das Vorkommen von Berufswechsel und Nebenberufen
(S. 233 — 235) angesehen wissen, indem er darauf aufmerksam
macht, dass in vielen der von ihm aufgedeckten Fälle der Ver-
bindung zweier Berufsarten die Natur der betreffenden Erwerbs-
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— 191 —
zweige sie begründet sein lässt. So wenig nun auch das Vor-
kommen von Nebenberufen in jener Zeit bezweifelt werden soll,
so scheint es doch misslich, mit den erwähnten Nachrichten das-
selbe erhärten zu wollen. Da die Sitte der Familiennamen im
15. Jahrhundert, besonders bei ansässigen Bürgern, ziemlich
allgemein verbreitet war, liegt es näher, bei der ersten der beiden
Berufsbenennungen fast immer an das früher in der Familie be-
triebene Gewerbe zu denken, das derselben den Namen verliehen
hat. So wenig man aus einer modernen Zählkarte, auf der bei-
spielsweise Carl Gärtner als Weber angeführt ist, auf eine Com-
bination beider Berufe schliessen kann, obwohl die Natur beider
Erwerbszweige eine Verbindung gut zulässt, so bedenklich er-
scheint eine derartige Schlussfolgerung auch bei dem Material
der früheren Zeit.
Aehnliche Bedenken erwachen bei den Betrachtungen über
die Herkunft der Gesellen. Es ist mir zweifelhaft, ob Bücher
Recht hat, wenn er in dem erwähnten Brüderschaftsbuch in dem
bei jedem aufgenommenen Gesellen verzeichneten Ortsnamen die
Heimathsangabe erblickt. Ich glaube eher, dass man in ihm
fast immer den Namen der Stadt erblicken mus&, aus welcher
der Geselle kam, d. h. in welcher er zuletzt gearbeitet hatte.
Es verhält sich m. E. mit den Eintragungen in die Bürger-
bücher und in die Gesellenbücher anders. Den ersteren gegen-
über wird es richtig sein, bei dem der Präposition »von« zu-
gefugten Ort an die Heimath zu denken. Dagegen hatte die
Aufzeichnung des Heimathsorts für die Gesellen geringere Be-
deutung. Wohl aber hatten die Genossen an der Feststellung des
Orts, wo der neue Ankömmling zuletzt gearbeitet hatte, ein leb-
haftes Interesse; denn mitunter kam es darauf an, die Legiti-
mationspapiere zu prüfen, die dort herrschenden Zunftgesetze
über das Wandern, Einschreiben u. dergl. m. kennen zu lernen.
Das wird gleichwohl nicht gehindert haben, in manchen Fällen
die Heimath und den Ort, wo man zuletzt in Arbeit gestanden
hatte, zugleich anzugeben. Die Familiennamen selbst richteten
sich oft nach der Heimath, z. B. Tomas Neidecker von Krin
(S. 629), Andres Hopinger von Nürnberg (S. 651). Dass auch
Frankfurt als Ort, wo zuletzt gearbeitet worden war, angeführt
wird, und zwar sehr häufig — 99 Mal — wird nicht auffallen, wenn
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— 192 —
man bedenkt, dass alle die zu Gesellen gemachten Lehrlinge, die
in Frankfurt ausgelernt hatten, als aus dieser Stadt kommend
eingetragen sein können. Auch die Angabe von Dörfern als
Herkunftsorten spricht nicht dagegen, weil unter Umständen der
Geselle auch auf dem Lande gearbeitet haben konnte. Sofern
demnach die Herkunfts-Statistik der Gesellen eine Heimaths-Sta-
tistik sein will, scheint sie mir auf schwachen Füssen zu stehen.
Sie ist dagegen lehrreich in der Beziehung, in welcher bereits
Schanz^) seine Untersuchungen anstellte, nämlich in Bezug auf
den Austausch an Arbeitskräften. In dieser Hinsicht ist es in-
teressant, wenn auch Bücher findet (S. 649), dass die Mehrzahl
der Gesellen ohne irgend eine Ausnahme aus den Städten stammt,
und sicherlich zutreffend, wenn er an einer anderen Stelle er-
läuternd hinzufügt (S, 651), dass nur die Städte einen Markt
für qualificirte gewerbliche Arbeit und Gelegenheit zur Erlernung
eines Handwerks boten, demnach auch bloss zwischen ihnen ein
Austausch industrieller Arbeitskräfte stattfinden konnte.
Unter allen Umständen haben wir in Bücher's Frankfurter
Bevölkerungs-Statistik ein bedeutsames Werk, dessen zweitem
Bande wir mit Erwartung entgegensehen und dem wir bald
Nachfolger für andere Städte wünschen.
i) Hildebrand's Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik Bd. 28.
S. 313 u. ff.
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NACHRICHTEN
VOM
!; HANSISCHEN GESCHICHTSVEREIN.
"' SECHZEHNTES STÜCK.
Versammlung zu Quedlinburg 1886 Juni 15 und 16.
Hansische Geschichtsbläiier. XV 13
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I.
FÜNFZEHNTER JAHRESBERICHT.
ERSTATTET
VOM VORSTANDE.
Als vor wenigen Wochen die Einladung zur diesjährigen
Versammlung an die Mitglieder unseres Vereins versandt wurde,
durften wir uns noch der frohen Hoffnung hingeben, dass zu
denen, die ihr Folge leisten würden, der Geheime Rath Professor
Dr. Waitz gehören werde. Das Schicksal hat es anders be-
stimmt. Von einer schweren Krankheit plötzlich ergriffen, ruht
er jetzt im stillen Grabe. Es lebt aber und wird fortleben die
Erinnerung an die grossen Verdienste, die sich der Verstorbene
um die Erforschung deutscher Geschichte erworben hat. Vor
allem aber wird in unserm Verein das Andenken an die Förde-
rung und Unterstützung, die seine Bestrebungen allezeit bei ihm
gefunden haben , niemals dem Gedächtniss entschwinden. Ver-
dankt es doch der Verein vornehmlich Waitz, dass bei der ersten
1871 in Lübeck abgehaltenen Versammlung die Aufgaben, welche
zu erfüllen, die Zielpunkte, welche zu erreichen seien, sofort klar
und sicher bestimmt wurden. Seitdem hat er, soweit die Ver-
hältnisse ihm solches nur irgendwie gestatteten , stets unseren
Versammlungen beigewohnt und auf ihnen durch seine hohe
Einsicht und seinen weisen Rath unsere Arbeiten auf das kräf-
tigste unterstützt; auch hat er eine grosse Zahl von ihm gebil-
deter Schüler unserem Verein als Mitarbeiter zugeführt. Wir
erfüllen daher nur eine schuldige Pflicht der Dankbarkeit, wenn
in unserer heutigen Versammlung der erste Vortrag seinem An-
denken gewidmet ist.
13*
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— IV —
Aus dem Kreise unseres Vorstandes ist der Oberbürger-
meister Dr. Becker zu Köln durch den Tod abberufen worden.
Ihm vornehmlich verdankt unser Verein die freundliche Auf-
nahme , die er im Jahre 1876 zu Köln gefunden hat; ihm ist
es anzurechnen, dass das dortige Stadtarchiv, jene reiche Schatz-
kammer ftir hansische Geschichte, durch die Berufung eines be-
währten Gelehrten einer neuen Ordnung unterzogen wird ; ihm
fühlt sich auch der Vorstand für vielfache von ihm ausgegangene
Anregungen auf das lebhafteste verpflichtet.
Von weiteren Mitgliedern unseres Vereins sind gestorben in
Hamburg: Senator Johns, Pastor Dr. Mönckeberg, D. C. Brandt
und Th. G. Meissner, in Bremen: Rechtsanwalt Dr. F. Meier
und Kaufmann H. Schmidt, in Danzig: Consul G. W. Baum,
in Leipzig : Professor Dr. G. Curtius und Professor Dr. R. Wagner,
in Lübeck: Dr. med. Th. Bück, in Riga: Bibliothekar G.
Berkholz.
Als neue Mitglieder sind dem Verein beigetreten in Braun-
schweig: K. Hauswaldt, in Bremen: Dr. jur. H. H. Pflüger und
Kaufmann O. W. HofFmann, in Leipzig: Studiosus W. Voss, in
Neubrandenburg: Landsyndikus Ahlers, in Stettin: Landesrath
Denhard, in Jena: Hofrath Professor Dr. 0. Lorenz, in Berlin:
Dr. L. Riess, in London: Dr. Gh. Gross.
Hiernach zählt unser Verein zur Zeit 502 Mitglieder.
Senatssecretär Dr. von Bippen in Bremen, der im vorigen
Jahre nach Ablauf seiner Amtsdauer aus dem Vorstande aus-
trat, ward wiederum zum Vorstandsmitgliede erwählt.
Was sodann die Fortführung der bisherigen vom Verein
herausgegebenen litterarischen Arbeiten betrifft, so konnte der
Jahrgang 1884 der hansischen Geschichtsblätter erst im Beginn
dieses Jahres versandt werden.
Von der zweiten Abtheilung des dritten Bandes des han-
sischen ürkundenbuches ist der Text, welcher einundsechzig
Bogen umfasst, im Drucke vollendet. Zur Zeit ist der Heraus-
geber, Stadtarchivar Dr. Höhlbaum, mit der Abfassung der Re-
gister beschäftigt. Diesen soll ein von Oberlehrer Dr. Feit in
Lübeck angefertigtes, alle drei Bände umfassendes Glossar bei-
gefügt werden. Diese Arbeiten sind soweit fortgeschritten, dass
ihre Veröffentlichung binnen kurzem zu erwarten steht Von
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— V —
Senatssecretär Dr. Hagedorn, dem die Fortsetzung des Urkunden-
buchs übertragen ist, sind die hierzu erforderlichen Archivreisen
vollendet; er ist jetzt mit den Vorarbeiten für die Herausgabe
beschäftigt.
Da Professor von der Ropp zu Giessen durch das ihm
übertragene Amt eines Rectors der Universität sehr in Anspruch
genommen ist, so kann er das Erscheinen des fünften Bandes
der zweiten Abtheilung der Hanserecesse erst für das nächste
Jahr in Aussicht stellen.
Zur Vervollständigung des Urkundenmaterials für die dritte
Abtheilung der Hanserecesse hat Professor Schäfer im ver-
gangenen Jahre die Archive zu Köln, Düsseldorf, Duisburg und
Lübeck besucht ; auch sind ihm aus Köln, Düsseldorf und Lübeck
verschiedene Archivahen zur Benutzung nach Breslau gesandt
worden. Hiernach hofft er seine Arbeiten für den dritten Band,
der bis 1498 oder 1499 reichen wird, noch vor Ende des Jahres
zum Abschluss zu bringen.
Vorher wird das Buch des Vogts auf Schonen, das als
vierter Theil der Geschichtsquellen erscheinen soll, von ihm dem
Drucke übergeben werden.
Die beabsichtigte Herausgabe einer Karte, auf der die Ver-
kehrswege der Hanse zu Wasser und zu Lande übersichtlich
eingetragen sind, konnte bis jetzt nicht weiter gefördert werden.
Denn es ist dem Vorstande nicht gelungen, einen Gelehrten zu
gewinnen, dem die Anfertigung dieser Arbeit hätte übertragen-
werden können.
Schon seit einer Reihe von Jahren ist eine wissenschaftliche
Reise nach England Gegenstand der Berathung in unseren Vor-
standssitzungen gewesen. Insbesondere hat der Herausgeber der
ersten Abtheilung unseres Urkundenbuches , Stadtarchivar Dr.
Höhlbaum, wiederholt auf die Noth wendigkeit einer Ergänzung
des Materials hingewiesen, das von dort her durch den Sammel-
fleiss von Pauli und Junghans zusammengebracht worden ist,
und auch von Professor Pauli ist uns eine solche Reise unter Hin-
weis auf die inzwischen neu aufgefundenen archivalischen Schätze,
die sich namentlich als für die Erkenntniss des mittelalterlichen
Handels- und Schififahrtsverkehrs lehrreich erweisen, dringend
empfohlen worden. Nicht pecuniäre Bedenken waren es, welche
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— VI —
bisher die Ausführung einer solchen Reise verhinderten ; nament-
lich nachdem im Jahre 1878 bei Gelegenheit unserer Jahres-
versammlung in Göttingen die Liberalität der Verwaltung der
Wedekind-Stiftung unserm Verein eine Summe von Mk. 3000 zur
Förderung unserer Arbeiten zur Verfügung gestellt hatte, war der
Vorstand darüber einig, dass dieses Ehrengeschenk zu einer auf
die Erforschung der deutsch-englischen Handelsbeziehungen ge-
richteten Reise nach England am angemessensten zu verwenden
sei. Dahingegen war einerseits von unserem Secretär, Dr. Kopp-
mann, die Ansicht ausgesprochen worden, dass das aus England
zu erwartende Material seinem Charakter nach im grossen und
ganzen in den Rahmen unserer bisherigen Hauptunternehmungen,
des Urkundenbuches und der Recesssammlungen , nicht hinein-
passen werde, und wenn sich auch in unseren Geschichtsquellen
das Organ darbot, eine besondere Publication zu veranstalten,
vielleicht auch eine besondere Editionsweise vorzunehmen, so
fehlte es uns doch andererseits an einer wissenschaftlichen Kraft,
die sowohl befähigt gewesen wäre, der eigenartigen Schwierig-
keiten , welche diese Aufgabe mit sich bringt , Herr zu werden,
als auch selbstlos genug, um sich wenigstens theilweise in den
Dienst von Unternehmungen zu stellen, die von andern geleitet
werden. Dem warmen Interesse, das der Geheime Rath Waitz
auch dieser Angelegenheit unseres Vereins gewidmet hat, haben
wir den Hinweis auf eine solche Kraft zu verdanken. Zu unserer
wahren Freude ist Dr. Ludwig Riess, der durch seine an Ort
und Stelle gemachten Studien über das Wahlrecht zum englischen
Parlament mit den Archiven Londons bekannt und mit den
dortigen Verhältnissen vertraut ist, bereitwillig auf unsere Vor-
schläge eingegangen. Nach Beendigung der noth wendigen Vor-
studien hat derselbe sich nach London begeben, wo er seit dem
17. Februar theils im City-Archiv, theils im Public Record Office
beschäftigt ist und (nach seinen beiden ersten, dem Vorstand
am 30. März und 19. Mai erstatteten Berichten zu urlheilen)
bei liberalstem Entgegenkommen der Behörden und der liebens-
würdigsten Unterstützung von Seiten der Beamten sowohl, wie
der Besitzer von Privatsammlungen, mit dem günstigsten Erfolge
für uns arbeitet.
Da die Benutzung der Hanserecesse sehr erheblich gefördert
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— VII —
werden würde, wenn zu denselben ein Sachregister vorhanden
wäre, so ist der Vorstand mit dem Oberlehrer Dr. Hausberg in
Lübeck wegen der Anfertigung eines solchen in Verhandlung ge-
treten und hat sich dieser zur Uebernahme der Arbeit bereit
erklärt. Ebenderselbe hat auch begonnen, eine Abschrift des
ältesten Lübecker Niederstadtbuchs anzufertigen. Dasselbe soll
Seitens des Vereins als ein Band der hansischen Geschichts-
quellen veröffentlicht werden.
Die gegenwärtige Finanzlage hat den Vorstand veranlasst,
die Herausgabe einer auf Quellenforschung beruhenden Schrift
des Dr. A. Winckler »Die Hansa in Russland« durch Gewäh-
rung eines Beitrags zu den Druckkosten zu unterstützen.
Da im verflossenen Jahre der fünfjährige Termin, für den
uns von den ehemaligen Hansestädten ein Beitrag abermals be-
willigt war, bei den meisten derselben ablief, so ward an sie ein
Ersuchen um Fortgewährung gerichtet Allseitig ist auf das
bereitwilligste dieser Bitte entsprochen worden und hierdurch
der Fortbestand unseres Vereins und die Fortführung seiner
Arbeiten für die nächsten Jahre gesichert. Auch die Stadt Riga
bekundete ihr • fortgesetztes Interesse an unseren Bestrebungen
dadurch , dass sie uns für die nächsten fünf Jahre einen ein-
maligen Beitrag von Rb. 300 einsandte.
Die Rechnung ward von Senator Culemann in Hannover
und Dr. Perlbach in Halle einer Durchsicht unterzogen und
richtig befunden.
An Schriften sind eingegangen:
a) von Städten, Akademien und historischen Vereinen:
Zeitschrift des Aachener Geschichts Vereins Bd. 7.
Mittheilungen des Vereins für Geschichte Berlins, 1885 u. 86.
Schriften des Vereins für Geschichte Berlins, Heft 22: H.
Vogt, die Strassennamen Berlins; Beringuier, Die Stamm-
bäume der Mitglieder der französischen Kolonie in Berlin.
Bremisches Urkundenbuch Bd. 4, Heft 2 und 3.
Kämmereirechnungen der Stadt Deventer, Bd. 3, Heft 2.
Gelehrte Estnische Gesellschaft in Dorpat: Sitzungsberichte
1884. Verhandlungen 12. Bd.
Jahrbuch für Geschichte von Elsass-Lothringen, i. Bd.
Digiti
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— VIII —
Bugenhagens Hamburgische Kirchenordnung, Hamburg 1885.
Urkundenbuch der Stadt Hildes heim, herausg. von Doebner,
Bd. 2.
Von der Akademie zu Krakau:
Acta historica res ^estas Poloniae illustrantia tom. VIII.
Scriptores rerum Polonicarum tom. VIII.
Sitzungsberichte. Bd. 18.
Geschichtsblätter für M a g d e b u r g , Bd. 20, Heft 2 — 4. 2 1 , Heft i .
Zeitschrift des histor. Vereins für Marien werder, Heft 13 — 15.
A. Düning , Uebersicht über die Münzgeschichte des Stifts
Quedlinburg.
Programm des Gymnasiums zu Rostock 1886: Nie. Rutze,
Dat bokeken van deme repe.
Zeitschr. fürSchleswig-Holsteinische Geschichte. Bd. 1 4 . 1 5 .
Zeitschrift des Vereins für thüringische Gesch. Neue Folge.
Bd. 3, Heft I u. 2.
Thüringische Geschichtsquellen, Neue Folge Bd. i : Urkunden-
buch der Stadt Arnstadt, herausg. v. Burkhardt.
Bd. 2 : Urkundenbuch der Vögte von Weida , Gera und
Plauen, Bd. i., herausgegeben von Berth. Schmidt.
Zeitschrift für Geschichte Westfalens, Bd. 43.
Zeitschrift des Westpreussischen Geschichtsvereins Heft
14 u. 15.
Würtembergische Vierteljahrshefte. Jahrg. 1885.
b) von den ■ Verfassern :
A. Winckler, Die Hansa in Russland.
J. Girgensohn, Bemerkungen über die Erforschung der livlän-
dischen Vorgeschichte, Riga 1885.
Th. Schiemann, Historische Darstellungen und archivalische
Studien; Hamburg und Mitau 1886.
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— IX —
KASSEN-ABSCHLUSS
AM 2. JUNI 1886.
EINNAHME.
Vermögensbestand Ji 23,507. 80 /^
Zinsen „ 901. 54 „
Beitrag S. M. des Kaisers ..... „ 100. — „
Beiträge deutscher Städte „-6,761. — „
Beiträge ausserdeutscher Städte „ i,295.56„
Beiträge von Vereinen „ 345. — „
Beiträge von Mitgliedern . . . . . „ 3,584. 10 „
Für verkaufte Schriften „ 7. — „
Geschenke „ 104. 40 „
Ji 36,606. 40 /i^
AUSGABE.
Urkundenbuch (Honorar und Reisekosten) . Ji 973- 90 ^1^
Recesse, Abth. III (Reisekosten u. Urkunden-
abschriften) „ 913. — „
Geschichtsblätter :
Honorare . . . . Ji 435. — ^
Ankauf von Exemplaren „ 1,306. — „
„ 1,741. — „
Zuschuss für den Druck eines Geschichtswerks „ 400. — „
Forschungsreise nach England . . . . . „2,525.50^
Reisekosten für Vorstandsmitglieder ... „ 584. 65 „
Verwaltungskosten (incl. Honorar des Vereins-
sekretärs) „ 1,028. 60 „
Saldo n 2M39' 75 >>
Ji 36,606. 40 /^
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IL
MITGLIEDER-VERZEICHNISS.
1887.
I. BEISTEUERNDE STÄDTE.
A. IM DEUTSCHEN REICH.
Anklam.
Göttingen.
Münster.
Berlin.
Greifswald,
Northeim.
Bielefeld.
Halberstadt.
Osnabrück.
Braunschweig.
Halle.
Quedlinburg.
Bremen.
Hamburg.
Rostock.
Breslau.
Hameln.
Seehausen.
Buxtehude.
Hannover.
Soest.
Coesfeld.
Helmstedt.
Stade.
Colberg.
Hildesheim
•
Stendal.
Danzig.
Kiel.
Stettin.
Dortmund,
Köln.
Stolp.
Duisburg.
Königsberg.
Stralsund.
Einbeck.
Lippstadt.
Tangermünde.
Elbing.
Lübeck.
Thom.
Emmerich.
Lüneburg.
Uelzen.
Frankfurt a. 0.
Magdeburg
.
Wesel.
Goslar.
Minden.
Wismar.
B.
IN DEN NIEDERLANl
DEN.
Amsterdam.
Hasselt.
Venlo.
Amhem.
Kampen.
Zaltbommel.
Deventer.
Tiel.
Zütphen.
Harderwyk.
Utrecht.
C. IN RUSSLAND.
Dorpat.
Reval.
j
Pemau.
Riga.
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— XI —
II. VEREINE UND INSTITUTE.
Verein für lübeckische Geschichte.
„ „ hamburgische Geschichte.
„ „ Kunst und Wissenschaft in Hamburg.
Historische Gesellschaft des Künstlervereins in Bremen.
Grosser Club zu Braunschweig.
Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskunde.
Verein für Geschichte der Provinzen Preussen.
Westpreussischer Geschichts verein.
Historischer Verein der Grafschaft Mark in Dortmund.
Die Bibliotheksverwaltungen zu Bonn und Heidelberg.
III. PERSÖNLICHE MITGLIEDER.
A. IM DEUTSCHEN REICH.
A n k 1 a m :
C. Roesler, Bankier.
Manke, Gymn. -Lehrer.
Berlin:
Dr. Aegidi, Geh. Legationsrath
u. Prof.
Dr. K. Braun, Justizrath.
Dr. H. Bresslau, Prof.
Dr. Brosien, Oberlehrer.
Dr. V. Coler, Generalarzt.
Dr. E. Curtius, Geh. Rath u. Prof.
Dr. Doebner, Archivar.
Dr. Dohme, Direktor, Biblio-
thekar S. M. des Kaisers.
Dr. P. Ewald f.
Dr. Friedländer, Archivrath.
Dr. Goldschmidt, Geh. Rath u.
Prof.
V. Grossheim, Architekt.
Dr. Grossmann, Archivrath.
Dr. v. Heinemann.
Dr. Hoeniger, Privatdocent.
Dr. Holder-Egger.
van der Hude, Reg.-Baumeister.
Dr. Kropatschek , Reichstags-
mitglied.
Dr. Krüger, Ministerresident.
Dr. F. Liebermann.
G. Lipke, Rechtsanwalt, Reichs-
tagsmitglied.
Dr. Meinardus, Archivar.
Dr. A. Naude.
Dr. C. Rodenberg, Privatdocent.
Dr. M. Roediger, Prof.
Dr. Rösing, Geh.Ober-Reg.-Rath.
H. Rose, Generaldirektor.
Dr. Schiemann, Privatdocent.
Dr. Wattenbach, Prof.
Dr. Weber, Stadtrath.
Dr. Weizsäcker, Prof.
Dr. Wilmanns, Generaldirektor
der Kgl. Bibliothek u. Prof.
Dr. K. Zeumer, Privatdocent.
Bielefeld:
Job. Klasing, Buchhändler.
Blankenburg:
SteinhofF, Gymn. -Lehrer.
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— XII —
Bonn:
Dr. N. Delius, Geh. Rath u. Prof.
Dr. Lamprecht, Prof.
Dr. Loersch, Prof.
Dr. V. Schulte, Geh. Rath u. Prof.
Braunschweig:
Dr. Haeusler, Justizrath.
Dr. Hänselmann, Archivar u.
Prof.
K. Hauswaldt.
Th. Stein weg, Kaufmann.
Bremen:
Dr. H. Adarai.
Dr. C. Barkhausen, Senator.
Dr. F. Barkhausen, Landgerichts-
Direktor.
Dr. V. Bippen, Archivar,
BufF, Senator.
Dr. Bulle, Prof., Gymn.-Direktor.
Cordes, Richter.
Dierking, Steuer-Direktor.
Dr. Donandt, Richter.
Dr. Dünzelmann, Gymn.-Lehrer.
Dr. Ehmck, Senator.
Dr. J. Focke, Senatssekretär.
Dr. med. W. O. Focke.
Johs. Fritze, Kaufmann.
Dr. Gerdes, Gymn.-Lehrer.
Dr. Gildemeister, Bürgermeister.
J. H. Gräving, Makler.
Habenicht, Schul vorstehen
Dr. H. Hertzberg, Gymn.-Lehrer.
Hildebrand, Rechtsanwalt.
O. W. Hoffmann, Kaufmann.
Höpken, Pastor emer.
Dr. Johs. Höpken.
C. R. Hurm, Kaufmann.
Iken, Pastor.
Dr. Janson, Gymn.-Lehrer.
H. Jungk, Kaufmann.
Dr. Lahusen, Richter.
Dr. Lürmann, Bürgermeister.
Dr. Marcus, Syndikus.
Dr. Martens, Gymn.-Lehrer.
Dr. H. Meier, Senator.
H. W. Melchers, Kaufmann.
J. Menke, Kaufmann.
C. Merkel, Kaufmann.
Dr. F. Mohr, Landgerichts-Dir.
G. E. Müller, Buchhändler.
Dan. Müller, Schul Vorsteher.
Ed. Müller, Kaufmann.
H. Müller, Architekt.
Nielsen, Senator.
Dr. Oelrichs, Senator.
Ordemann, Redakteur.
W. Osenbrück, Kaufmann.
Dr. A. Pauli, Senator.
Dr. med. B. Pauli.
E. Pavenstedt, Kaufmann.
Dr. J. Pavenstedt, Rechtsanwalt.
F. Reck, Kaufmann.
L. Rutenberg, Architekt.
Dr. Sattler, Prof.
Schenkel, Pastor.
F. A. Schultz, Senator.
Dr. Schumacher, Ministerresident.
Dr. Sievers, Rechtsanwalt.
G. Smidt, Kaufmann.
Johs. Smidt, Konsul.
Dr. J. Smidt, Richter.
Leop. Strube, Kaufmann.
Dr. J Wilckens, Rechtsanwalt.
Breslau:
Dr. Kayser, Dompropst.
Dr. D. Schäfer, Prof.
Celle:
Dr. Fabricius, Landgerichtsrath.
Danzig:
Dr. Damus, Oberlehrer.
Dr. Panten, Direktor.
Dr. Schümann, Prof.
Dr. Völkel, Direktor.
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— XIII
Darmstadt :
Dr. C. Lindt, Gymn.-Lehrer.
Dessau:
Dr. Duncker, Regierungsassessor.
Detmold:
Dr. Gebhard, Gymn. -Direktor.
Dortmund:
Dr. Rubel, Oberlehrer.
Dresden:
Th. Boyes, Gutsbesitzer,
Dr. Ermisch, Archivrath,
Dr. Posse, Archivrath.
Elbing:
Dr. Toeppen, Gymn. -Direktor.
Erfurt:
V. Richthofen, Regierungsrath.
Erlangen:
Dr. K. Hegel, Prof.
F r a n k f u r t a. M. :
G. A. B. Schierenberg.
Friedland (in Mecklenburg):
Ubbelohde, Gymn. -Direktor.
Voss, Bürgermeister.
Geestendorf (bei Geeste-
münde) :
J. G. Schmidt.
Giessen:
Dr. V. d. Ropp, Prof.
Goslar:
Buchholz, Amtsgerichtsrath.
V. Garssen, Bürgermeister.
Leonhardt, Amtsrichter.
Dr. Rudolph, Rechtsanwalt.
A. Schumacher.
Göttingen:
Dr. V. Bar, Geh. Rath u. Prof.
Dr. Bertheau, Geh. Rath u. Prof.
Dr. Cohn, Prof.
Dr. Dove, Geh. Rath u. Prof
Dr. Frensdorff, Prof.
Dr. Friedensburg.
Dr. Gödeke, Prof.
Dr. Henneberg, Prof.
Dr. John, Geh. Rath u. Prof.
Dr. Kluckhohn, Prof.
Dr. K. Kunze.
Dr. Platner.
Dr. Sauppe, Geh. Rath u. Prof.
Dr. R. Schroeder, Geh. Rath u.
Prof.
Dr. Soetbeer, Geh. Rath u. Prof.
Dr. Steindorff, Prof.
Tripmaker, Senator.
Dr. Vollmöller, Prof.
Dr. Volquardsen, Prof.
Dr. Wagenmann, Prof.
E. Warken tien, Buchhändler.
Dr. Weiland, Prof.
A. Wolters, Präsident der Han-
delskammer.
Greifs wald:
Dr. Bernheim, Prof.
Dr. Pyl, Prof.
Dr. Reifferscheid, Prof.
Dr. Ulmann, Prof.
Halberstadt:
Dr. G. Schmidt, Gymn.-Direktor.
Halle:
Dr. A. L. Ewald, Prof.
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— XIV
Dr. Opel, Prof., Oberlehrer.
Dr. Perlbach, Bibliothekar.
Dr. C. Wenck, Privatdocent. .
Hamburg:
L. P2. Amsinck.
C, H M. Bauer.
Dr. R. Behn, Oberlandesgerichts-
rath.
Dr. O. Beneke, Archivar.
C. Bertheau, Pastor.
Dr. C. Bigot.
Dr. Bornemann, Schulvorsteher..
Dr. Braband, Senator, f.
Dr. J. Brinckmann, Direktor.
Herrn. Brockmann.
M. J. W. Callenbach.
Dr. J. Classen, Direktor.
Dr. V. Duhn, Oberlandesgerichts-
rath.
H. Engel.
Dr. H. Erdmann.
Dr. Friedländer, Direktor.
J. P. Frisch.
C. F. Gaedechens.
Dr. W. Godeffroy.
Lucas Graefe, Buchhändler.
Dr. J. H.Hansen, Gymn.-Lehrer,
Harms, Schulrath.
Th. Hayn, Senator.
Alb. Heineken.
A. Hertz, Senator.
F. C. Th. Heye.
J. D. Hinsch.
Dr. Hoche, Gymn.-Direktor.
Prof.
Dr. M. Isler.
J. Fr. Kedenburg.
Dr. H. A. Kellinghusen.
Dr. Kiesselbach, Oberlandesge
richtsrath.
C. J. Krogmann.
H. A. Krogmann.
Dr. Kunhardt, Senator.
Dr. I^appenberg, Senator.
F. Lappenberg.
E. Maass, Buchhändler.
Ed. Mantels.
Gust. Mantels.
Dr. O. Matsen, Bibliothekar.
F. Max Meyer.
Dr. W. H. Mielck, Apotheker.
E. Minlos.
Dr. Mönckeberg, Senator.
Dr. Moller, Landrichter.
E. Nölting.
Dr. Noodt, Direktor.
Freih. A. v. Ohlendorff.
•Freih. H. F. B. v. Ohlendorff.
Dr. R. L. Oppenheimer.
Dr. G. Petersen.
J. C. Plagemann.
Th. Rapp, Senator.
C. W. Richers. \
B. O. Roosen, Pastor.
Röpe, Hauptpastor.
Dr. O. Rüdiger.
Dr. J. Scharlach.
H. Schemmann, Senator.
Dr. Th. Schrader, Landrichter.
Dr. K. Sieveking.
Dr. W. Sillem, Oberlehrer.
Dr. Versmann, Bürgermeister.
Dr. J. F. Voigt.
Dr. L. Wächter.
Dr. C. Walther.
J. R. Warburg.
S. R. Warburg.
C. W. L. Westphal.
N. D. Wichmann.
R. Wichmann.
Dr. A. Wohlwill.
Dr. Wulff, Landgerichtsrath.
Dr. Th. Zimmermann. /^ ^
Hannover:
Bartels, Bankier.
Basse, Bankdirektor.
Bodemann, Rath u. Bibliothekar.
V. Coelln, Kaufmann.
C. L. Fuchs, Kaufmann.
Goetze, Baumeister.
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— XV
Haupt, Architekt.
Dr. Koecher, Oberlehrer.
Lichtenberg, Senator.
Dr. Mejer, Konsistorial-Präsident.
V. d. Osten, Regierungsrath.
Rossmässler, Buchhändler.
Dr. Sattler, Archivar.
Dr. Uhlhorn, Abt zu Loccum.
Dr. A. Ulrich.
Th. Werner, Kaufmann.
Harburg:
Eggers, Premier-Lieutenant.
Hildesheim:
V. Brandis, Hauptmann a. D.
Dr. KirchhofF, Gymn.-Direktor.
Kluge, Gymn.-Lehier.
Römer, Senator.
Dr Schmidt, Syndikus.
Semper, Regierungsrath.
Struckmann , Oberbürgermeister.
Holzminden:
Bode, Staatsanwalt.
Jena:
G. Fischer, Buchhändler.
Dr. O. Lorenz, Prof., Hofrath.
Kiel:
Dr. Ahlmann, Bankier.
Dittmer, Kapitän zur See.
Dr. Handelmann, Prof.
Dr. Hasse, Prof.
Sartori, Konsul.
Kob lenz:
Dr. Wagner, Archivar.
Köln:
W. J. Bürgers, Kommerzienrath.
Camphausen, Wirkl. Geh. Rath,
Excellenz.
A. Camphausen, Bankier.
Deichmann, Bankier.
J. M. Heimann, Kaufmann.
Herstatt, Direktor.
Herstatt, Kommerzienrath.
R. Heuser, Stadtrath.
Dr. Höhlbaum, Prof., Archivar.
Körte, Rentner.
E. Langen,Geh.Kommerzienrath.
F. D. Leiden, Konsul.
O. Meurer, Kaufmann.
Dr. V. Mevissen, Geh. Kom-
merzienrath.
G. Michels, Kommerzienrath.
Movius, Bankdirektor.
Nagelschmidt, Baumeister.
Chr. Noss, Kaufmann.
H. Nourney, Kaufmann.
D. Oppenheim, Geh. Regierungs-
rath.
A. vom Rath, Bankier.
Rennen, Geh. Rath, Präsident.
Rennen, Bürgermeister.
Senden, Regierungsrath.
Statz, Baurath.
H. Stein, Bankier.
R. Stein, Bankier.
Dr. Struckmann , Oberlandge-
richts-Präsident.
Dr. Weibezahn, Sekr. d. Han-
delskammer.
Königsberg:
Dr. L. Quidde.
Leipzig:
Dr. Bienemann, Redacteur.
C. Geibel, Buchhändler.
B. Hassel blatt, cand. bist
W. Voss, stud. phil.
Liegnitz:
v. Stockhausen , Landgerichts-
Präsident.
Lübeck:
Dr. Th. Behn, Bürgermeister.
H. L. Behncke, Konsul.
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— XVI
H. Behrens, Kaufmann.
Benda, Eisenbahn-Direktor.
Dr. J. Benda, Amtsrichter.
H. Bertling, Kaufmann.
Aug. Brehmer, Ingenieur.
Dr. A. Brehmer, Rechtsanwalt.
Dr. W, Brehmer, Senator.
Th. Bück, Kaufmann,
Burow, Rektor.
S. L. Cohn, Bankier.
Dr. Curtius, Oberlehrer.
H. Deecke, Kaufmann.
A. Erasmi^ Kaufmann.
Dr. Eschenburg, Senator.
Dr. Fehling, Rechtsanwalt.
Dr. Feit, Oberlehrer.
Dr. Funk, Amtsrichter.
Dr. Th. Gaedertz.
Dr. E. Hach, Senatssekretär.
Dr. Ad. Hach, Polizeisekretär.
Dr. A. Hagedorn, Senatssekretär.
G. F. Harms, Senator.
H. Harms, Kaufmann.
Th. Harms, Kaufmann.
Jobs. Hasse, Kaufmann.
Dr. Hausberg, Oberlehrer.
Dr. Hoffmann, Prof.
Holm, Pastor.
Dr. Klug, Senator.
Dr. Klügmann, Senator.
H. A. C. Krohn, Konsul.
A. Lienau, Kaufmann.
H. Linde, Photograph.
Linden berg, Pastor in Nüsse.
C. J. Matz, Kaufmann.
Chr. Mertens, Oberlehrer.
L. Mollwo, Oberlehrer.
Dr. L. Müller.
H. C. Otto, Kaufmann.
Dr. Peacock, Rechtsanwalt.
Sartori, Prof.
Dr. E. Schmidt, Oberlehrer.
Dr. Schubring, Prof., Gymn.-Dir.
H. J. J. Schultz, Kaufmann.
Dr. Timpe, Oberlehrer.
Trümmer, Hauptpastor.
Dr. Wehrmann, Archivar.
Dr. med. Wichmann.
Lüneburg:
Dr. Th. Meyer, Oberlehrer.
Wahlstab, Buchhändler.
Marburg:
Dr. Paasche, Prof.
Dr. Varrentrapp, Prof.
Marien werder:
Dr. Dehnicke, Gymn. -Lehrer.
Marne (in Holstein):
Köster, Gymn .-Lehrer.
Metz:
Dr. V. Bippen, Auditeur.
Mo ringen (Hannover):
Hagemann, Amtsrichter.
Münster:
Ficker, Kreisgerichtsrat h a. D.
Fidvez , Gen.-Vikariats- Sekretär.
Dr. Hülskamp, Präses.
Graf von Landsberg- Velen.
Dr. Lindner, Prof.
Plassmann, Direktor.
Theissing, Buchhändler.
Neu-Brandenburg:
Ahlers, Landsyndikus.
Neu-Strelitz:
Dr. V. Buchwald, Archivar.
Norden (Ostfriesland):
ten Doornkaat-Koolman , Kom-
merzienrath.
Oldenburg:
Strackerjan, Direktor d. Realsch.
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— XVII —
Rheine (Westfalen):
Weddige, JuftizratJi.
Ribnitz (Mecklenburg):
L. Dolberg, Rentier.
Rostock:
Dr. Becker, Senator.
Becker, Amtsgerichts-Aktuar.
Brummer, Senator.
Bunsen, Amtsrichter.
Burchard, Bürgermeister.
E. Caspar, Kaufmann.
A. Clement, Konsul.
A. Crotogino, Konsul.
CruU, Rechtsanwalt.
Dr. Dopp, Gymn.-Lehrer.
Dr. Giese, Bürgermeister.
Dr. Grossschopf.
Dr. Hofmeister, Kustos der Bi-
bliothek.
G. W. V. Klein, Major a. D.
H. Ch. Koch, Kaufmann.
Dr. Koppmann, Archivar.
Dr. Krause, Gymn.-Direktor.
Dr. R. Lange, Gymn.-Lehrer.
Dr. K. Lorenz.
Dr. B. Löwenstein.
A. Lüders, Kaufmann.
Dr. Mann , Oberlandesgerichts-
rath.
A. F. Mann, Kommerzienrath,
Peitzner, Landeseinnehmer.
Piper, Amtsrichter.
Reuter, Direktor.
W. Scheel, Kommerzienrath.
Dr. Schirrmacher, Prof.
Dr. Stieda, Prof.
J. Susemihl, Kaufmann.
Triebsees, Rechtsanwalt.
Dr. Wiegandt, Gymn.-Lehrer.
Schauen (bei Osterwiek):
O. Freih. v. Grote.
Hansische Geschichtsblätter. XV.
Schleswig:
Dr. Hille, Archivrath.
Schwerin:
Dr. Grotefend, Archivrath.
Soest:
Lentze, Justizrath.
Spriehusen (Mecklenburg):
Nölting, Gutsbesitzer.
Steele (an der Ruhr):
W. Greven.
Stettin:
R. Abel, KonsuJ.
C. Arlt, Kaufm^ann.
Graf V. Behr-Negendank, Ober-
präsident.
Dr. Blümcke, Oberlehrer,
Denhard, Landesrath.
Karow, Kommerzienrath.
C. A. Koebcke, Kaufmann.
Fr. Lenz, Bauunternehmer.
W. H. Meyer, Kaufmann.
Dr. E. V. d. Nahmer.
C. G. Nordahl, Kaufmann.
Dr. O. Wolff, Stadtrath.
Stralsund:
Brandenburg, Rathsherr.
Erichson, Syndikus.
Gronow, Rathsherr.
Hagemeister, Justizrath.
Jobs. Holm, Kaufmann.
Langemak, Rechtsanwalt.
Wagener, Justizrath.
Thorn:
Bender, Bürgermeister.
Trenthorst (Holstein):
Poel, Justizrath.
14
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W a d d e n s (Oldenburg) :
Klüsener, Pastor.
Warin (Mecklenburg):
Bachmann, Rektor.
Wiesbaden:
Dr. V. Bunge, Staatsrath.
— XVIII —
Wismar:
Dr. med. Crull.
Wolfenbüttel:
Dr. P. Zimmermann.
B. IN ANDEREN LÄNDERN.
Amsterdam:
C. Schöffer, Vorsitzender d. kgl.
Oudheidkundig Genootschap.
Assen (Niederlande):
Pynacker Hordyk, kgl. Kom-
missar.
Basel:
Dr. Boos, Prof.
Cambridge (Massachusetts,
U.-St):
Dr. K. Franke.
Dorpat:
Dr. Hausmann, Prof.
Goldingen:
A. Büttner, Direktor.
London:
Dr. Gh. Gross.
E. Maunde-Thompson, Archivar
am Britischen Museum.
Mitau:
Dannenberg, Gymn. -Inspektor.
Neapel:
Dr. Holm, Prof.
Reval:
Fr. Amelung.
Bertling, Direktor.
Dr. J. Fick.
Gebauer, Obersekretär.
Baron Girard.
V. Gloy, Bürgermeister.
G. V. Hansen, Hofrath.
C. F. Höhlbaum, Kaufmann.
Jordan, Oberlehrer.
Dr. Kirchhofer, Oberlehrer.
C. H. Koch, Kaufmann.
Köhler, Direktor.
Alex. Mayer, Kaufmann.
Rieh. Mayer, Kaufmann.
Wilh. Mayer, Kaufmann.
Mickwitz, Redakteur.
V. Nottbeck, Regierungsrath.
M. Schmidt, Kaufmann.
Schneering, Oberlehrer.
Baron H. v. Toll.
Baron Wrangell.
Riga:
Böthführ, Bürgermeister.
Baron Bruiningk, Ritter schafts-
sekretär.
AI. Buchholtz, Redakteur.
Ar. Buchholtz, Sekretär.
C. Girgensohn, Oberlehrer.
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— XIX —
Dr. J. Girgensohn, Oberlehrer.
Dr. Hildebrand, Archivar.
Hollander, Oberlehrer.
Dr. Poelchau, Oberlehrer.
Dr. Schwartz, Oberlehrer.
Rom:
Dr. V. Schloezer , Exe. , Kgl.
Preuss. Gesandter.
Tokio (Japan):
Dr. Busse, Prof.
Dr. L. Riess, Prof.
Utrecht:
Dr. Muller, Archivar.
Zürich:
Dr. Meyer v. Knonau, Prof.
Dr. Stern, Prof.
14"
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III.
BERICHT OBER MEINE ENGLISCHE REISE
(1886 Febr. 14— Nov. 28).
LUDWIG RIESS.
Seit lange war die Nothwendigkeit einer nochmaligen Reise
nach England zur Lösung ganz bestimmter Aufgaben namentlich
durch Pauli und Höhlbaum zur Anerkennung gebracht worden.
Aber wenn der erstere vor allem an eine weitere Ausführung
der von ihm begonnenen Sammlung der Ausfuhrlicenzen , der
letztere an eine vergleichende Handelsstatistik des westeuropäi-
schen, in London concentrirten Verkehrs gedacht hatte, so war
der verehrliche Vorstand im Laufe der Verhandlungen von einer
dementsprechenden Abgrenzung meines Arbeitsgebietes mehr und
mehr zurückgekommen. Der Auftrag, mit dem ich am 14. Febr.
Berlin verliess, zielte auf eine ergänzende Sammlung aller noch
ausstehenden Hanseatica im City Archiv und eine Durchsuchung
der Patent und Close Rolls bis zum Jahre 1300. Erweiterungen
dieses Arbeitsplanes blieben vorbehalten, wenn ich nach einer
orientirenden üeberschau an Ort und Stelle, wofür mir 6 Wochen
gewährt wurden, zweckgemässe" Vorschläge zu machen hätte.
Diese Orientirung zeigte nun bald, dass Pauli und Junghans,
wie ich es vermuthet hatte , so ziemlich alles aus dem Public
Record Office hervorgezogen hatten, was sich an der Hand der
durch die Record Commission gedruckten sowie handschriftlichen
Kataloge finden Hess. Ausserdem hatte Junghans den Materialien
des City Archivs einen rühmenswerthen Fleiss gewidmet, Pauli
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— XXI —
die Patent und Close Rolls besonders des 14. Jahrhunderts syste-
matisch abzusuchen begonnen. War die Nachlese, die mir blieb,
aiich noch bedeutend gennig, so bestätigte sich doch, dass nur
ein rationelleres Verfahren, wie ich es von Berlin aus schon vor-
geschlagen hatte, das zusamm^zubiingen vermöchte, was von
Rymer nicht aufgenommen und von Pauli und Junghans nicht
anfgefunden war.
Ich legte ein Repertorium derjenigen für die Hanseforschung
wichtigen Stücke an, die von älteren Forschem im Staatsarchive
eingesehen waren, und verglich diese Verweisungen mit den bereits
bekannten Materialien. Besonders gaben mir die CoUectionen, die
Madox, der Archivdirektor zur Zeit der Königin Anna, Robert
Beale, der Leiter der englischen Politik gegenüber den Hanseaten
zur Zeit Elisabeths, Sir Matthew Haie, ein Jurist des 17. Jahr-
hunderts, und ein Anonymus aus derselben Zeit hinterlassen
haben, die nothwendigen Handhaben zur Bemeisterung der un-
ermesslichen Schätze des Reichsarchivs. Um sie zu vervollstän-
digen, bewarb ich mich bei Lord Calthorpe, einem Nachkoni^en
Sir Robert Beale' s und Besitzer seiner handschriftlichen Saknitn-
lungen, sowie bei den Benchers von Lincoln's Inb, wohin Haies
und Seldens Sammlungen gekommen sind, um Zutritt zu ötn
Handschriften; doch entsprach hier der Gewinn meinen Erwar-
tungen nicht. Dagegen war der von Sir Robert Cotton her-
gestellte und unter seinen Manuscripten als Julius E III bezeich-
nete Band von grossem Nutzen für meine VoruntersuclMiiing.
Im City Archiv, zu dem ich am i. März Zutritt erhielt,
befolgte ich, da der Umfang der dort aufbewahrten Akten nicht
sehr bedeutend ist, die schon von Junghans durchgeführte Me-
thode, Blatt für Blatt der Letter Books und jede einzelne Rolle
durchzugehen. Fanden sich anfangs zahlreiche Nachträge und
Ergänzungen, so nahm ihre Zahl doch mehr und mehr ab^ je
weiter ich fortschritt. Auch das CoUationiren erwies sich im
weiteren Verlauf immer weniger nöthig.
Auf die Vorschläge, die ich demzufolge dem verehrlichen
Vorstande am 31. März unterbreitete, erhielt ich nach derPfingst-
versammlung meinen definitiven Auftrag. Es galt im wesent-
lichen, innerhalb der Zeit bis zum 14. December das Material
für die Periode bis 1430 möglichst vollständig herbeizuschaffen.
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— XXII —
Ich folgte also zunächst den Spuren, die mir meine Vor-
arbeiten an die Hand gaben^ tmd suchte die in den Rollen selbst
sich findenden Verweisungen auf frühere Termine oder andere
Serien von Akten ab; auch die schon ins Urkundenbuch auf-
genommenen Stücke enthalten manche Hinweise, die richtig be-
nutzt zu weiteren Aufschlüssen führten, oft aber auch nach
langem Suchen ohne Resultat blieben. Im ganzen ist ntm Fol-
gendes erreicht.
Es sind die Patent, Close imd French Rolls bis 1430 voll-
ständig erledigt; sie haben einen reichen Ertrag geliefert. Von
den übrigen Serien der Akten der Kanzlei habe ich den Coram
Rege Rolls nicht sehr viele, aber werthvoUe Stücke entnommen ;
es sind dies die Protokolle der Reichsgerichte, die an den vier
Terminen für alle Grafschaften stattfanden. Einzelnes haben
auch die Fine Rolls der Chancery ergeben.
Viel complicierter ist das Verhältniss der Schatzamtsrollen.
Sie sind zum grössten Theil in den dem Lord Treasurer unter-
stellten Bureaux geführt worden und werden deshalb auf den
officiellen Aufschriften mit L. T. R. (Lord Treasurer's Remem-
brancer) bezeichnet ; wir brauchen diese Initialen nur dann hinzu-
zufügen, wenn sie zur Unterscheidung dienen und zur Identifi-
cierung unentbehrlich sind. Dies ist nicht der Fall bei den
Originalia Rolls ^ die aus Abschriften der an das Schatzamt zur
Einsicht mitgetheilten Writs bestehen, und der Great Roll of the
Pipe, die als das Hauptbuch der Generalstaatskasse bezeichnet
werden kann. Aus beiden habe ich Manches entnehmen können.
Umfangreicher sind die Memoranda Rolls, und sie bestehen
aus 2 Serien. Die eine gehört den Bureaux des L.T. R., die
ändere der Kontrollbehörde des King's Remembrancer an (letztere
mit Q. R. bezeichnet). Sie sind in wesentlichen Stücken identisch
und bestehen aus folgenden Rubriken :
i) Notizen über die zur Rechnungslegung erschienenen Be-
amten (Adventus vicecorfiitum etc.).
2) Ertheilung von Aufträgen (Commissiones speciales).
3) Schuldeintragungen zwischen Privaten (Recognitiones).
4) Königliche Verordnungen, auf die Bericht zu erfolgen
hatte (Brevia Regis returnabilia).
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— XXIII —
5) Königliche Verordnungen allgemeinen Inhalts (Brevia
irretumabilia).
6) Allgemeines (Recorda oder Inter Communia).
7) Visus et Status Compotorum. Diese Abrechnungen finden
sich in der L. T. R.-Serie und bilden die Grundlage für die Great
Roll of the Pipe.
Da sich alle diese Abtheilungen fiir jeden der vier Termine
(Hillary, Pasche, Trinity, Michaelis) wiederholen, so muss die
Citirung so umständlich sein wie etwa:
Q.R. Memoranda Rolls. Hillary 10 Edw. I Inter Commun«
m. 5. oder L. T.R. Pasch. 2 Edw. 11 Brevia Regis m. 5.
Eine genauere Darlegung dieser Anführungsweise wird der
zu veranstaltenden Publikation vorauszuschicken sein.
Eine Art Oberrechenkammer bestand unter der Oberaufsicht
des L.T.R. in dem Pipe Office. Dort wurden nach den Ab-
rechnungen der einzelnen Beamten die Ausstände und Schulden
der Königl. Kassen gebucht und die einzelnen Titel nachgeprüft
Naturgemäss wurden diese Uebersichten erst nach Ablauf des
Rechnungsjahres oder selbst einer grösseren Frist hergestellt
Von ihrer letzten Zusammenfassung in der Great Roll of the
Pipe war schon die Rede. Doch hat man auch in demselben
Amte die Erträge der Zölle, die Anweisungen auf sie, Exemptionen
von ihnen sowie die Verkäufe beschlagnahmter Wolle oder Häute
gebucht Aus diesen Various General Accounts, Customs ent-
nahm ich viele Bethätigungen für die hanseatische Handelsthädg-
keit von 1303 — 1400. Möglich war dies dadurch, dass die
deutschen Kaufleute einen Ausnahmetarif für glatte Gewebe
genossen und deshalb fiir diesen Gegenstand besondere An-
setzungen erhielten. Sonst erscheinen sie allerdings mit den
andern Ausländem vermengt, so dass ihr Antheil nicht zu eli-
miniren ist ; doch wird durch die vielen Vorschussleistungen und
die darauf folgenden Abrechnungen sowie durch die Verpfän-
dung der Zolleinnahmen an sie während einiger Jahre Eduards III.
ihre Sonderthätigkeit wieder eklatant Aus der ungeheuren Masse
der Eintragungen des 14. Jahrhunderts habe ich eine vollstän-
dige Sammlung erreicht, für die Zeit von 1400 — 1436 sie ver-
sucht, aber aufgegeben, da ich wahrnahm, dass die mir zur Ver-
fügung stehenden Rollen nur einen verschwindend kleinen Theil
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— XXIV —
der einst ausgefertigten darstellen und sehr einsillng sind. Die
Lücke habe ich zu ergänzen gesucht aus den originalen Einzel-
rechnungen, die als Belag aufbewahrt blieben. Der umständliche
.Weg, wie man dieser oft unschätzbaren Stücke habhaft wird, ist
in der Einleitung der bevorstehenden Publikation ebenfalls näher
darzulegen, um die Citate zu verstehen.
Da das Schatzamt auch der Aufbewahrungsort aller für den
laufenden Geschäftsgang entbehrlich werdenden Akten war, so
häuften sich hier naturgemäss allerhand Miscellaneen an, die
dich nicht in Rubriken bringen lassen. Mit richtigem Blick hat
Palgraye an die Sichtung dieses Wustes zu allererst energisch
Hand angelegt ; infolge dessen kann man sich hier seit lacnge der
Repertorien und Calendarien bedienen, die in den Reports der
Deputy Keeper enthalten sind. Was aus ihnen noch nicht ent-
nommen war, habe ich hervorgesucht.
Noch eine Serie von Akten entstand im Exchequer, nämlich
Gerichtsprotokolle der Processe nach dem milderen Amtsrecht
(equity), für das die Barone des Schatzamtes den Gerichtshof
bildeten. Sie sind noch gar nicht benutzt, aber ihrer Natur
nach mannigfaltig und sehr belehrend. Ich habe mir Mühe ge-
geben, auch ihrer Massenhaftigkeit beizukommen, und manches
Lohnende aus ihnen entnommen.
Als eine ^^änzung der zahlreichen aus den Rolls of Par-
liament noch heranzuziehenden Stücke habe ich aus den Ori-
ginalien, den Parliamentary Petitions before the King and Coun-
cil entnommen, was dort nicht abgedruckt und für uns von
Werth ist.
Dazu kommt zahlreiches Einzelne und Locale, das seinen
Weg ins Staatsarchiv gefunden hat. Dagegen haben Erkundi-
gungen bei den Town clerks der englischen Handelsstädte an
der Nordsee das Fehlen mittelalterlicher Rollen in den Stadt-
archiven ergeben; nur in King*s Lynn ist mehr vorhanden.
Hier wie in Cambridge habe ich jedoch an einem Tage ent-
nehmen können, was sich Einschlägiges fand.
Diplomatische Aktenstücke sind meist in den Patent, Close
und namentlich in den French Rolls zu suchen. Für den An-
fang des 15. Jahrhunderts aber enthalten zwei Bände der
Cotton sehen Manuscripte (Nero BII und Nero B DC) ein reiches
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— XXV —
und sehr werthvoUes Material. Es sind meiner Ueberzeugung
nach die Originalakten der beauftragten Commission, die von
dem Privy Council ernannt auch an diese Behörde zu berichten
hatte. Cotton hat sie dann dem Staatsarchiv entnommen. Meine
Hoffnung, weitere Stücke im jetzigen Privy Council Office zu
finden, bestätigte sich nicht, da in letzterem die ältesten Register
erst in der Zeit Heinrichs VIII. angelegt sind.
Im ganzen betrachtet war der Ertrag ein so reicher, wie
man ihn nach der wiederholten Absuchung des Feldes durch
Rymer, Pauli und Junghans nur erwarten konnte. Für eine be-
sondere Publikation ist reichliches Material gewonnen.
Auch englische Publikationen, die noch ungenützte, für uns
werthvolle Stücke enthalten, konnten infolge eines dementsprechen-
den Vorstaödsbeschlusses angeschafft werden.
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INHALTSVERZEICHNISS
WILHELM VON BIPPEN.
Aachen I, 17.
Adolf von Schauenburg II, 198.
Adolf Friedrich s. Mecklenburg.
Ahrenshoop II, 121. 122. 148.
Albrecht d. Bär I, 20. 27. 29.
Albrecht s. Mecklenburg.
Alt-Gartz II, 104. 131. 133. 150.
Alt-Lübeck II, 197.
Althof I, 42.
ame, amen III, 94.
Anno von Heimburg, Vogt z.
Goslar I, 29.
Antwerpen (Antorf) II, 91 — 96.
III, 55—61. 170. 173.
apengeter III, 126. 127.
Archive: Aardenburg I, xxiv. Ant-
werpen I, XVI. Braunschweig I, xi.
Brügge, Staatsarchiv I, xxii ; Stadt-
archiv XX. Brüssel, Reichsarchiv I,
XIII ; Stadtarchiv xiv. Dendermonde
I, XVII. Deventer I, xxvi. Diest
I, XV. Gent I, xix. Goslar I, xii.
Hannover, Staatsarchiv I, xii ; Stadt-
archiv XIII. Helmstedt I, xii. Hil-
desheim I, XI. Kampen I, xxvi.
London, public record office III,
XX — ^xxin ; City- Archiv xx. Löwen
I, XIV. Lübeck I, 79. Lüneburg
I, X, Magdeburg I, xii. Mecheln
I, XVI. Middelburg I, xxv. Reval
I, 102. Rostock I, IX. Schwerin I,
VIII. Sluys I, XXIII. Stralsund,
Stadtarchiv, Gewandhausarchiv I, x.
Wismar I, viii. Zierikzee I, xxv.
ZwoUe I, xxvii.
Arnemuiden III, 171.
Arnim, Elias, Rostock. Kaufmann
II, 143-
Artlenburg I. 22.
Augsburg III, 54.
Azzo, Bürger z. Goslar I, 22.
Bacmeister> Lucas, II, 173 — 76.
Baienvarer I, 104. 109.
Balthasar s. Mecklenburg.
Bardewick I, 21.
Becker, Dr. , Oberbürgermeister v.
Köln III, II.
Benno, Bisch, v. Osnabrück I, 26.
Berlin III, 42.
Beselin, Joh. Chr., II, 181. 203.
Bevölkerungszahl deutscher
Städte III, 185.
Bier, Hamburger I, 94. 120. Acdse
in Ostfriesland I, 119 — 36.
Biestow I, 42.
Bodo, Vogt z. Goslar I, 26.
Bog er, Dr. Heinr., II, 169.
Bornholm I, 168.
Borwy, Fürst I, 43.
Böttcher, Art u. Grösse der Tonnen
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— XXVII —
III, I07. io8; Preis, ders. iii.
112; Handel mit Tonnen 112 — 14,
auf Skanör 115; Rostocker Band
106 — 20; Colberger Band 116, 117;
einheitl. Tonnenmass 115 — 20; Güte
der Tonnen 120; Recesse der Bött-
cher- Aemter 121, 122; Rostocker
Rathsverordnungen über die Böttcher
154. 155.
Boysdorp, Godscalc, Vicar z. Lübeck
II, 196.
Bramow I, 42.
Braunschweig, St. Ulrichskirche
I. 7.
Bremen I. 126. 162. II, 93. III,
51—54. 62— 67. 69 — 76. Erzbisch.
Heinrich III. III, 62—64.
Brodtaxe, Lübecker I, 54.
Brokes, Heinr. , Bürgermeister zu
Lübeck III, 68. 69.
Broms e, Nicolaus, Bürgermeister z.
Lübeck I, 62.
Brügge I, 164. II, 92. 99.
Brunshaupten II, 104. 132.
Bug, der, Mecklenb. Küstenstrich II,
104. 107.
Bugenhagen T, 62.
Bukow II, 104. 107. 138.
bursprake in Lübeck I, 57.
Bützow II, 66. 69.
Castorp, Heinr., Bürgermeister z.
Lübeck III, 3.
Chemnitz, Joh. Friedr., 11, 181.
Chronicon Slavic. paroch.
Susel. II, 166, 197.
Chyträus, David, II, 173.
Civitates stagnales III, 160.
Cling, Barthol., Prof. z. Rostock
II, 177.
curia I, 14 — 16.
Dänemark: König Christian I. III,
46. 47.
ChristianII.il, 108. 110.11 3.1 14.124.
Christian III. II, 124. 125.
Christian IV. III, 68. 72. 73.
Christoph III, 42—45.
1 Erich I, 164.
Friedrich III. II, 114. 115.
Johann II, 69.
Waldemar IV. III, 37.
Danzig I, 83—96. II, 92. 93. 99.
Amt der Weichselfahrer I, 100.
Ausfuhr von Industrieerzeugnissen
III, 104. S. Pfahlgeld.
Darser Kanal II, 104. 121.
Detmar, Franzisc. Lesemeister z.
Lübeck II, 195.
Deutscher Ol den II, 82 — 90.
Hochmeister Konrad v. Jungingen
II, 82. Ordensmeister Bernh. v. d.
Borch 88; Freitag von Loringhoven
89. Handelsrechnungen der Gross-
schäffer III, 181—84.
Dierkow I, 42.
Do heran I, 43. II, 112. Doberaner
Wiek II, 104. 132.
Do man, Hans. Syndicus III, 69,
Dorpat I, 160.
Dortmund II, 93.
Dünamünde II, 84. 86. 87.
Eichmaas se III, 79 — 93.
Eichverfahren III, 90.
El bin g, Kahnführergilde I, loi.
Emden I, 140. 146.
Englandll, 90 — 99 . Königin Elisa-
beth III, 58. 59. Lakenhandel
III, 63. Hanseatica in engl. Ar-
chiven III, III. XX— XXV.
Erich s. Dänemark, Mecklenburg.
Folkmar v. Wildenstein, Vogt
z. Goslar I, 29. II, 32.
Frankfurt a/M. III, 185.
Frese, Gerd., Vogt z. Schwaan II,
71. 72 75. 76.
Friedrich I., Kaiser, I, 12. 22.
29—31. 34. 56. II. 14- 27.
FriedrichlL, Kaiser, II, i3-32.34.53«
F r i e d r i c h III . , Markgraf v. Branden-
burg III, 42. 43. 46. 47.
Gartz s. Alt-Gartz.
Gerdes, Dr. Valentin, Rathmann z.
Rostock II, 163. 166. 167.
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XXVIII —
Gisela, Kaiserin, I, 8. lo.
Glockengiesser I, 22.
Goldenitz, Heinr., Bürgermeister z.
Rostock II, III.
Goldschmiede I, 22. III, 137 —
44. Markenzwang III, 137 — 41.
Goldmangel 142. 143.
Golwitz I, III. II, 104. 105. 107 —
13. 117. 120. 123—32. 136.
Goslar I, 3 — 36. II, 13 — 60. Con-
sistorium regale, palatium imperii,
Pfalz I, 6—8. 10. II. II, 45. 48.
53. Curia I, 14 — 17. 21. 24 — 26.
33.34. villa Romana I, 22. Rosen-
thor I. 22. — Dom I, 9. II. 17. 19.
23. 25. 33. Kirche ss. Cosm. u.
Dam. I, 6. Peter-Paulskirche I, 24.
Petersstift I, 9. 19. 25. 33. Jakobi-
kirche I, 24. Stephanikirche I, 24.
Keitskirche I, 24. U. L. Frauen-
capelle I, 8. Ulrichscapelle I, 7.
Cäciliencapelle I, 24. II, 32. St.
Georgenkloster I, 8. Kloster Neu-
werk I, 22. 24. Augustinerkloster
Richenberg I, 24. — Königl. Bann-
forst I, 16. Bergbau I, 5. 17 — 21.
32. 33. II, 14. Schmelzhütten I,
20. 33. 34. Silvani, Waldwerchten
I, 20. II, 20. Münzer I, 20. — Königl.
villicus I, 26. Vogt I, 26 — 31. 34.
II, 14— 16. Der Vogteibezirk im
Besitze der Weifen I, 28 — 32. Vog-
teigelder I, 35. II, 15. 16. Vogtei-
rolle I, SS' II. *5- — Erstes Stadt-
recht I, 13. Kaufgilde I, 21. II,
14. 17—19. 27—30. Rath I, 28.
II, 14. 15. 18. 21—34. 38—44.
burgenses II, 22. 23. 29 — 33. ma-
gistri consulum II, 44. de wisesten
II, 42 — ^44. Sechsmannen II, 40 —
42. Achtmannen II, 42. — Gerichts-
verfassung II, 44 — 60. judices civi-
tatis II, 22. 23. 45. 47. 50. Schult-
heiss II, 50—58. Judicium trans
aquam II, 46 — 50. Berggericht II,
46 — 50. Forstding I, 32. II, 58.
59. Zehntgericht II, 58—60. — Ju-
denschutzgeld I, 34.
Gotland III, 161.
Grapen- u. Kannengiesser III,
122—36. Einfuhr des Zinns 123,
des Kupfers 124. Preis des Kupfers
125, des Zinns 131, des Bleis 131.
Mischungsverhältniss 129 — 33. Mar-
ken 134. Vereinigung d. Aemter
verschied. Städte 135. 136.
Gresham, Sir Thomas III, 59.
Gustav II. Adolf III, 69. 73,
Güstrow III, 113. 117 — 19. 133.
138. 150.
Haferscheffel III, 80.
Hamburg I, 22. 60. 119—36. II,
67. 77- 93- "6. 123. 13a 199. III,
59. s. Bier. Stapelrecht I, 127.
Aemter, Zahl der Schützen III,
164—68.
Handel mit Industrieerzeug-
nissen III, 103 -5.
Handwerker, Zusammenkünfte der
Aemter verschied. Städte III, 121.
Unruhen III, loi. s. Apengeter,
Böttcher, Glockengiesser, Gold-
schmiede, Grapen- u. Kannengiesser,
Repschläger, Wollenweber.
Hanserecesse I, iv. n, v. III, in.
Hartwig, Rathsnotar in Rostock,
1, 78.
Hassel beke, Amd, Bürgermeister
das., II, 68. 69.
Havemann, Joh. , Bürgermeister z.
Bremen, III, 69. 72.
Heinrich I., König, I, 5.
Heinrich II., Kaiser, I, 6 — 8. 17.
Heinrich III., Kaiser, I, 9. 17.25. 26.
Heinrich IV., Kaiser, I, 10. 11. 17.
19. 25. 26.
Heinrich V., Kaiser, I, 8. 11.
Heinrich der Löwe I, 12. 17.
29—31, 41. 56. II, 14. 198.
Heinrich, Pfalzgraf, I, 13. 28. 31.
Heinrich s. Bremen, Mecklenburg.
Heringsahm, Rostocker, III, 93.
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— XXIX —
Hidde, Jakob, herzogl. Mecklenb.
Kücbeameister II, 145. 147.
Holland II, 106. 108. 114. 115. 200.
Hopfenscheffel III, 81.
Hövesche, A«gustin, Bürger zu
Lübeck, II, 133.
H u b e r , Johann, Rostocker Chronist,
n, 180.
Httndisburg I, 40.
Jetzen, Joadiim von, Mecklenb.
Kanzler, II, 126.
Johann Apengheter, Meister, III,
80. 83.
Johann s. Dänemark, Mecklenburg.
Johann Alb recht s. Mecklenburg.
Kämmerci zu Lübeck I, 59.
Karl IV., Kaiser, I, 59. III, 36—38.
Kerkhoff, Bertold, Bürgermeister z.
Rostock II, 68. 69.
Kessln I, 40. 41. 44.
Klein I, 42.
Klipphäfen, Mecklenburgische, II,
103-^60. Recognition f. ihre Be-
nutzung 138.
Koch, Gerd, Kaufmann in Antwerpen,
III, 55—58. 60.
Kohl, Christian, Rostocker Chronist,
II, 187.
Köln I, 21. II, 92. 93. 99.
Konrad II., Kaiser, I, 8. 17. 21.
Konrad III., Kaiser, I, 11.
Kopenhagen II, 114. 125.
Kornhandel II, 106 — 9. 114. 123.
13«— 33. 143—46. 150—52. Ver-
bot der Kornausfuhr 138.
Kornmesser III, 88.
Krantz, Albert, II, 63 — 100. 144.
169.
Kritzmow I, 42.
Krön, Bernd, Bürgermeister z.Rostock,
II, III. 118.
Kropelin, Kort, Rathmann das., III,
80. 81. 84.
Kruse, Ludwig, dgl., III, 80. 81. 84.
K u n t z e , Mathias, Schiffer a. Lübeck,
III, 171.
Landfriedensbünde, oberdeut-
scher V. 1370, III, 38, Rheinischer
35, Rostocker v. 1283 35, schwäbi-
scher V. 1331 36.
L a t o m u s , Genealochr. Megapol .
II, 204.
liken, likenen III, 80. 81. 87.
Lindeberg, Petrus , Rostocker Chro-
nist II, 187.
Lindem an, Thomas, dgl., II, 178.
Linz III, 55. 57.
Lisgau I, 17.
Li vi and II, 82 — 90.
Lo, mag. Amd vom, I, 139 — 53.
London III, 59. 72. 73. Seerecht,
usantie u. costume III, 172. s. Ar-
chive.
Lothar III., Kaiser, I, 11. 24.
Lübben, Prof. Dr., I, iii.
Lübeck s. Archive. Alt-Lübeck,
Brodtaxe, bursprake, Kämmerei,
Schiffe. — I, 22. 42. 53 — 73. 79. 126.
165. II, 65—67. 69. 71. 74. 77.83.
89. 92. 93. 95. 104—7. 115— 18.
120. 123. 125. 128—30. 134. 195 —
200. III, 3-^30. 35. 38. 45. 47. $2.
64. 68—70. 74. 83. 93. 95. 102.
103. 171. — Reichsunmittelbaiiceit I,
53. Recht I, 44. 58. Honorar des
Raths I, 67. 68. Concordat v. 1535
I, 63. Cassenrecess v, 1665 I, 67.
Recess v. 1668 I, 68. Bevölkerungs-
zahl III, 4. Handelsverkehr III, 4.
Strassenzustand III, 5. Patricierhaus
III, 8—20. — Dom II, 198. Petri-
kirche II, 196. Annenkloster I, 65.
Minoritenconvent II, 195. Heiligen-
geisthospital I, 65. St. Jüigen-
hospital I, 65.
Lu do If , Graf v. Wöltingerode, I, 27.
Ludolf, Vogt z. Goslar, I, 29.
Luhe, Volrat von der. II, 203 — 6.
Lüneburg II, 67. 77. 116. 200.
Luxusordnungen I, 54.
Lypcn I, 42.
Made I, 162.
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XXX —
Magnus II. s. Mecklenburg.
Marktzoll I, 25.
Matte, Mühlenabgabe, I, 56.
Mecklenburg, Herz. Adolf Fried-
rich I., II, 143. 150. 15s. 157—59-
Albrecht VI. II, 77. Albrecht VII.
II, 109 — 13. 115 — 18. 120. 124.
126. 129. 130. 134. Albrecht (Wal-
lenstein) II, 159. Balthasar II, 64.
65. 77. 79. 109. Erich II, 105.
Heinrich V. II, 109 — 13. 116. 125.
130. 132. 134. Johann VII. II,
141—43. Johann Albrecht I. II,
134. 142—44. 148. 172. Johann
Albrecht II. II, 143. 150. 155. 158.
Karl I. II, 149. 152. Magnus II.
II, 64. 65. 72. 73. 76—78. 109.
Ulrich II, 134. 142 — 44. 148. 172.
— Landtag II, 112. 138. 139. 142.
149 — 52. 156. 157. — Polizeiordnung
II, 139—42. 149' I5I' 152. 156.
157. — Klipphäfen s, diese.
Mernowe I, 42.
Merchant adventurers III, 59.
Moritz, Landgraf v. Hessen, III.
65—69. 71. 74.
Münster II, 93.
Münzverschlechterung III, 142.
Nemerow I, 42.
Normal Scheffel III, 79 — 93.
Nowgorod I, 159.
Nürnberg III, 54—56. 58. 60. 128.
Ocker I, 4.
Oldenburg i. Wagricn II, 197.198,
Oldenburg, Joachim von , Mecklenb.
Amtmann II, 145. 147. 148.
Oldendorp, Dr. Joh., II, 171.
Ostfriesland I, 119 — 36. s. Bier-
accise. — Graf Ulrich I, 119 — 26.
14Q— 44. Gräfin Theda I, 123. 125.
126. 128—30. 133. Graf Edzard I,
131 — 36. Hero von Dornum I, 130.
133. Sibo von Dornum I, 123. 125.
126. 140. 146. Poppo Maninga I,
123. Edo Wiemken I, 130. 133. —
Kaiserl. Zpllprivileg I, 120. 123. 126.
Fälschung des Grafenprivilegs I, 130.
Hamburgs Rechte an Emden u.
Leerort I, 128. 130. 133. Vertrag
mit Hamburg I, 119, 134.
Ostsee III, 159.
Otto I., Kaiser, I, 5. 17.
Otto IL, Kaiser, I, 5.
Otto III., Kaiser, I, 6.
Otto IV., Kaiser, I, 13. 31. II,
18. 21.
Otto das Kind I, 32. 35.
Parin II, 196.
Paris III, 67. 72.
Parkentin I, 42.
Pepernitz, die, I, 42.
P f ah 1 g e 1 d , Hafenabgabe in Danzig,
I, 83. 89—94. III.
P i lg r a m , Hinrich, Nürnberger Kauf-
mann, III, 55 — 58. 60. 61.
Pilot, Gert Evers gen., herz. Meck-
lenb. Baumeister II, 155.
P 1 ö n n i e s , Bürgermeister z. Lübeck
I, 63.
Pol, Insel, II, .104. 105. 113. 115.
116. 118. 120. 133. 136. 155. 159.
Pottmaass III, 95.
Priestaff, Mathias, Rathmann z.
Rostock, II, 191.
Rammeisberg I, 5. 30. 32.33. II,
46, 47.
RemIingro.de, Gotschalk, II, 128 —
30. III, 170. 171.
Remstede, Joh. 1 Rathsschreiber z.
Hamburg, I, 139.
Repschläger III, 149 — 51.
Reval I, 102 — 15. 158 — 6i. II, 204
— 6. Schiffahrtsregister I, 113 — 15.
s. Archive.
Rheinweinhandel III, 62.
Ribnitz II, 120 — 22. 127, 137. 138.
143—47. 155. 158. 204.
Riga I, 159. II, 82—90. Erzbischof
Sylvester II, 83—85. Erzbischof
Stephan II, 88. Erzbischof Michael
II, 87. 89.
Digiti
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L
XXXI —
Rode, Johannes, Dompropst z.Rostock,
II, 169.
Roggenscheffel, Rostocker, III,
79. 88. 90.
Roggenthin II, 205.
rojen III, 95.
Rostock I, 39 — 50. II, 64 — 81. 103
— 105. 107. 109—13. 115 — 18. 122
—26. 128 — 35. 140. 141. 143 — 46.
152. 159- 163—91. 201. III, 79—
97. loi. — Burgwall I, 41. Slawen-
vorstadt Wik 44. Vereinigung der
drei Städte zu einer 47. Petrikirche
I, 41, 44. Nicolaikirche 44. Marien-
kirche 45. Jacobikirche II, 64.
Dominikanerkloster St. Johann I, 45.
Doberaner Hof 46. Leprosenstift
St. Georg 47. Heil. Geisthospital
III, 80—82. 84. 85. 88. Neuer
Markt I, 45. 47. — Universität I, 49.
II, 64. 74. Dohmfehde II, 64—81.
163. 167. 169. — Stadtbücher I, IX.
Polizeiordnung II, 141. Rathsver-
ordn. über die Wollenweber III, 153,
über die Böttcher 154. 155. Statut
der Wollenweber 152. Wehrkraft
der Aemter III, 164—68. Hand-
werker imRath III, loi. — Normal-
scheffel III, 79 — 93. Scheffel wroge
85. Heringsahm 93, Rostocker
Band 116. — Chronistik II, 163 — 92.
Chronik der Domfehde 167 — 169.
Histor. eccles. Rostoch. 173. Bac-
meistersche Chroniken 174 — 176.
Lindemans Chron. Rostoch. 178.
Hubertsche Chronik 179. 180. Chem-
nitz Chronicon iSi. 203. Wettken,
Gesch. d. Stadt R. 181. Bouch-
holtzsche Handschrift 182—87. Lin-
debergs Chron. Rostoch. 187 — 90.
Meyers Deutscher Auszug a. Linde-
berg 190. Rostocker Tagebücher
191. Chronolog. Repertor. der Raths-
protokoUe 177.
Rostocker Heide I, 46.
Rauche, Valentin, Bürgermeister z.
Stralsund II, 143 — 45.
Rudimentum Novitiorum II,
197.
Rutze, mag. Nicolaus II, 170.
Salzscheffel, Rostocker III, 82.
Schaff enrath, Dr, Syndicus z. Bre-
men, III, 62. 64.
Scheiter er, Michael, Rostock. Chro-
nist II, 186.
Schiffe , ein- u. ausgehende in
Lübeck I, 81. 82, in Danzig 84—
88, in Reval 107 — 9. Schiffswerthe
I, 96 — 99. Bordings loi. 102.
Barkschiffe 165. Haferjagd 165.
Geschützausrttstung 165. Pfahlgeld
in Danzig 83. 89—94. iii.
Schmarl I, 42.
Schönberg II, 68. 78.
Schoss I, 55.
Schutow I, 42.
Schwan I, 41.
Schwass I, 42.
Schweden II, 85.
Seeversicherung III, 169 — 77.
servitium I, 15.
Skanör III, 115.
Sluis I, 162.
Slüter, Joachim, II, 171.
Sprokhueck, Corn. Merman van,
III, 53.
stagnalis, civitates stagnales =: civ.
maritime, III, 160.
Stagnum, das baltische Meer, III,
159.
Stagnum recens, das frische Haff
III, 160.
Steen, Tideman, Bürgermeister z.
Lübeck, I, 58.
Steier III, 53.
Steinkamp, Herbert, II, 200.
Stockholm I, 163.
Stralsund II, 67. 69. 77. 108. 116.
123. 143.
Sudermann, Hans. Syndicus, III, 59.
Swante-Wustro wll, 104. 121. 122.
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XXXII —
SyBdicat, Hansisches, III, 69. 70.
Tegtmeier, Sylvester II, 170.
Testamente, Abgabe von, I» 56.
Theda, Grafin, s. Ostfriesland»
Thie4olf, MttBzmeister z. Goslar,
I, 20.
Thraziger, Adam, II, 171.
Toitenwinkel I, 41.
Tolke, mssisefae Dolmetscher, I,
158.
Trave I, 170. II, 123. 124.
Travemünde II, 107. 123.
Uexküll, KoQrad Ton, II, 203 — 7.
Ulrich, Graf^ s. Ostfriesiand.
Union, evangelische, III, 66' — 68.
Urknnden-bnch, Hansisches, I, iv.
II, IV. III, n.
Utrechter Fried ev. 1473 II, 9i«94»
Venedig lU, 53.
Versicherungspoli.ce HI, 171
—77.
Vitalienb rüder I, HS2. II, 104.
Vogte igelder, Goslatische, I, 35.
II, 15. 16.
Vronescult I, 25,
Waarenpreise I, 164.
Waitz, Georg, 11^ 3—10. III, i.
Walkenried, Kloster, I, 33. H, 24.
Walter, Hinrich, IH, 55—58.
Warnemünde II, 159.
Warnow, die, I, 39 — 43.
Werbe, Joh. von , Minoritengardlaii
z. Lübeck, II, 195.
Werla, Reicbspfalz, I, 5.
Werle in Mecklenburg I, 41.
Weser HI, 62. 63.
Westphal, Joh. Jakob H, 191.
Wettken , Joh, Georg, Rostock. Chro-
nist, n, 181.
Widekin, Vogt z. Goslar, I, 29.
ir, 32.
Wien HI, 55. 56.
Wilsnack II, 65. 66. 77. IH, 43.
Wisby I, 43.
Wismar II, 66. 67. 69. 70. 74. 77.
80. 104 — 9. 111^-113. it6— 20.
123—25. 128. 129. 131. 133— 35*
140. 141. 152. 159. III, 95.
Wittenborg, Joh., Bürgermeisterz.
Lübeck, I, 58.
W o 1 1 e n w e b e r III , 1 44 — 48. 1 52 — 54.
worttins I, 25.
Wrisberg, Christoph von, H, 206.
wrogen III, 87. 88.
Wullenweber, Jürgen, I, 63. II,
115. 124. 125. 199. 200.
Wustrow II, 104. 121. 122. 132.
144. 148.
Zise I, 56.
Zobel, Claus III, 52. Heinrich,
Bürgermeister z. Bremen, 51 — 65.
76. Johaön dgl. 62. 65 — 76.
Pierer'sche Hofbuchdruckerei. Stephan Geibel & Co. in Altenburg.
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INHALT.
XIII. Jahrgang 1884.
Seite
I. Goslar als Kaiserpfalz. Von Professor L. Weiland in Göttingen 3
II. Rostock im Mittelalter. Von Gymnasialdirector Dr. K. E. H.
Krause in Rostock 39
III. Die obrigkeitliche Stellung des Raths in Lübeck. Von Staats-
archivar Dr. C Wehrmann' in Lübeck 53
IV. Schifffahrtsregister. Von Professor W. Stieda in Rostock ^ . . 77
V. Der Zollstreit zwischen Hamburg und Ostfriesland in der zweiten
Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts. Von Archivar Dr. W.
V. Bippen in Bremen 119
VI. Anhang zu vorstehender Abhandlung. Von Archivar Dr. K.
Koppmann in Rostock 139
VII. Kleinere Mittheilungen.
I. Zur Si»:achenkenntniss der Hanseaten. Von Professor W..Stieda 157
II. Zur Geschichte der Vitalienbrüder. Von Archivar Dr. W.
V. Bippen 162
III. Geschützausrüstung lübeckischer Kriegsschiffe im Jahre 1526.
Von Senator Dr. W. Brehmer in Lübeck 165
Nachrichten vom Hansischen Geschichtsverein. 14. Stück.
I. Dreizehnter Jahresbericht, erstattet vom Vorstande III
II. Reiseberichte. Von Senatssekretär Dr. A. Hagedom in Lübeck VIII
XIV. Jahrgang 1885.
I. Zur Erinnerung an Georg Waitz. Vortrag auf der Versammlung
des Hansischen Geschichtsvereins zu Quedlinburg gehalten von
Professor Dr. F. Frensdorff in Göttingen 3
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9S
XXXIV —
Seite
II. Die Raths- und Gerichtsverfassung von Goslar im Mittelalter.
Von Professor Dr. L. Weiland in Göttingen 13
III. Zur Geschichtschreibung des Albert Krantz. Von Gymnasial-
lehrer Dr. R. Lange in Rostock 63
IV. Zur Geschichte der Meklenburgischen Klipphäfen, Von Archivar
Dr. K. Koppmann in Rostock 103
V. Die Chronistik Rostocks. Von Gymnasialdirector Dr. K. E. H.
Krause in Rostock 163
VI. Kleinere Mittheilungen.
I, Zwei Beiträge zur Lübschen Historiographie. Von Professor
Dr. P. Hasse in Kiel 195
II. Ausztige aus z^ei Geschäftsbriefen Jürgen WuUenwevers.
Von Senator Dr. W. Brehmer in Lübeck 199
III. Rostocker historisches Lied vom Jahre 1549. Mitgetheilt von
Gymnasialdirector Dr. K. E. H. Krause 201
Nachrichten vom Hansischen Geschichtsverein. 15. Stück.
Vierzehnter Jahresbericht, erstattet vom Vorstande III
XV. Jahrgang 1886.
I. Das häusliche Leben in Lübeck zu Ende des fünfzehnten Jahr-
hunderts. Vortrag, gehalten in der Versammlung des Vereins für
Hansische Geschichte zu Rostock von Senator Dr. W. Brehmer in
Lübeck 3
IL Die Hanse und die deutschen Stände vornehmlich im fünfzehnten
Jahrhundert. Vortrag, gehalten in der Versammlung des Hansischen
Geschichtsvereins zu Stettin von Professor G. Frhr. von der Ropp
in Giessen .................... 33
III. Die bremischen Bürgermeister Heinrich und Johann Zobel. Vor-
trag, gehalten in der Versammlung des Hansischen Geschichtsvereins
zu Quedlinburg 1886. Von Archivar Dr. W. v. Bippen in Bremen 51
IV. Die Rostocker metallenen Normalscheffel und das Eichverfahren des
Mittelalters. Von Gymnasialdirector Dr. K. E. H. Krause in Rostock 79
V. Hansische Vereinbarungen über städtisches Gewerbe im 14. und 15.
Jahrhundert. Von Professor W. Siieda in Rostock 10 1
VI. Kleinere Mittheilungen.
I. Stagnum, das baltische Meer, Von Gymnasialdirector
Dr. K. E. H. Krause 159
IL Zur Eroberung Gotlands durch den deutschen Orden. Mit-
getheilt von Geh. Archivrath Dr. H. Grotefend in Schwerin . 161
III. Die Wehrkraft der Rostockischen Aemter. Von Stadtarchivar
Dr. K. Koppmann in Rostock 164
IV, Eine hansische Seeversicherung aus dem Jahre 1531. Mit-
getheilt von Dr. A. Hofmeister in Rostock 169
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— XXXV —
' Seite
I Recensionen.
C. Sattler, HandelsrechnuiTgen des Deutschen Ordens. Leipzig 18S7.
Von Professor W. Stieda 181
Karl Bücher, Die Bevölkerung von Frankfurt a. M. im 14. und 15.
Jahrhundert, i. Band. Tübingen 1886. — J. Jastrow, Die
Volkszahl deutscher Städte zu Ende des Mittelalters und zu Be-
ginn der Neuzeit, Berlin 1886. Von Professor W. Stieda . . 185
^ Nachrichten vom Hansischen Geschichtsverein. 16. Stück.
I. Fünfzehnter Jahresbericht, erstattet vom Vorstande .... III
II. Mitglieder- Verzeichniss 1887 X
III. Bericht über meine englische Reise (1886 Febr. 14— Nov. 28.)
Von Professor Dr. L. Riess in Tokio . . , XX
Inhaltsverzeichniss. Von Dr. W. v. Bippen XXVI
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